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LAG Schleswig-Holstein: Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung

13.10.2006. Sexuelle Belästigungen von Arbeitskolleginnen oder Kollegen sind verboten und können in schweren Fällen eine außerordentliche Kündigung des Belästigers nach sich ziehen. Diese kann je nach den Umständen des Einzelfalls auch fristlos ausgesprochen werden.
Denn mit einer sexuellen Belästigung verstößt der Täter gegen seine arbeitsvertragliche Nebenpflichten.
Soweit so klar. Fraglich ist im Einzelfall aber immer wieder, wie gravierend die Belästigung im Einzelfall war und ob sie eine so harte Reaktion wie eine fristlose Kündigung rechtfertigt. Dabei müssen Arbeitgeber und Gerichte vor allem das Problem lösen, dass die Belästigungsvorfälle umstritten sind, d.h. der beschuldigte Arbeitnehmer streitet sie in der Regel ab oder versucht, sie zu bagatellisieren.
Trotz dieser Beweisschwierigkeiten können fortgesetzte sexuelle Belästigung den Job kosten, wie eine aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein zeigt: LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2006, 3 Sa 163/06.
- Wann rechtfertigt eine sexuelle Belästigung eine fristlose Kündigung und wie weist man sie nach?
- Der Streitfall: 54jähriger Familienvater wird von zwei Kolleginnen der fortgesetzten sexuellen Belästigung beschuldigt
- LAG Schleswig-Holstein weist Kündigungsschutzklage aufgrund konkreter Schilderungen nach Beweisaufnahme ab
Wann rechtfertigt eine sexuelle Belästigung eine fristlose Kündigung und wie weist man sie nach? 
Entschließt sich der Arbeitgeber wegen (mehrfacher und/oder gravierender) sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz zu einer außerordentlichen Kündgung, stützt er sich rechtlich auf § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), denn derartige Belästigungen sind ein "wichtiger Grund" für eine außerordentliche Kündigung.
In tatsächlicher Hinsicht stützt er sich praktisch immer auf streitige Anschuldigungen des oder der Betroffenen, denn die beschuldigten Arbeitnehmer weisen alle Vorwürfe praktisch immer entrüstet von sich.
So etwas läuft nach Ausspruch einer Kündigung und im Falle einer Kündigungsschutzklage vor Gericht auf eine Beweisaufnahme hinaus, d.h. das Gericht vernimmt diejenigen Arbeitnehmer(innen), die die zur Kündigung führenden Beschuldigungen erhoben haben, als Zeugen bzw. Zeuginnen.
Dass dann "Aussage gegen Aussage" steht, ist entgegen einer verbreiteten Meinung weniger das wesentliche Problem. Problematisch ist vielmehr in den meisten Fällen, über welche "Aussagen" sich das Gericht eigentlich Gedanken machen soll.
Denn wenn es z.B. heißt, der gekündigte Arbeitnehmer habe "sexuelle Belästigungen verübt", er habe sich "immer wieder in anzüglicher Weise geäußert" oder eine Kollegin "vor etwa zwei Monaten begrapscht", dann sind solche Behauptungen zu ungenau, als dass sie das Gericht überhaupt zur Grundlage einer Zeugenvernehmung machen könnte.
Im Juristendeutsch werden solche Behauptungen als "unsubstantiiert" bezeichnet. Wichtig ist daher vor Ausspruch der Kündigung und natürlich auch im Kündigungsschutzprozess vor Gericht, die Vorwürfe klarer einzugrenzen, d.h. einzelne Vorfälle genau zu schildern und dabei Tag und Uhrzeit anzugeben.
Der Streitfall: 54jähriger Familienvater wird von zwei Kolleginnen der fortgesetzten sexuellen Belästigung beschuldigt 
Ein 54 Jahre alter und drei Kindern unterhaltspflichtiger Arbeitnehmer war bei der beklagten Stadt bereits seit über 33 Jahren beschäftigt und aufgrund tariflicher Vorschriften für den öffentlichen Dienst ordentlich unkündbar.
Er wurde von einer ihm unterstellten Arbeitskollegin - der Zeugin S. - der fortgesetzten sexuellen Belästigung beschuldigt. Die S. warf dem Arbeitnehmer vor, gegen ihren ausdrücklichen Willen folgendes getan zu haben:
- Er soll sie am Oberkörper und am Busen berührt haben.
- Er soll versucht haben, mit ihr in anzüglicher Weise über sexuelle Themen zu sprechen.
- Er soll ihr pornographische Fotos seiner derzeitigen Lebensgefährtin vorgelegt und Frau S. gefragt haben, ob er auch von ihr solche Fotos anfertigen solle.
- Er soll mit ihr über sexuelle Abenteuer mit anderen Frauen im Betrieb gesprochen haben.
Dazu wurde der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber angehört und sodann nach entsprechender Beteiligung des Personalrats aus wichtigem Grunde fristlos gekündigt.
Wenige Wochen nachdem der Kläger hiergegen Kündigungsschutzklage erhoben hatte, beschuldigte eine weitere dem Kläger unterstellte Mitarbeiterin - die Zeugin P. - ihn ebenfalls der fortgesetzten sexuellen Belästigung. Sie warf dem Arbeitnehmer folgendes vor:
- Er soll sie im Oktober 2004 mit sexuellem Hintergrund gezielt körperlich bedrängt haben.
- Er soll sie im Mai 2005 auf einem Dienstgang vor einer Bank durch gezieltes Berühren ihrer Brust belästigt haben.
- Er soll sie über Jahre hinweg immer wieder mindestens seit 1996 im Rahmen ihrer Tätigkeit im Schreibbüro durch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts trotz erkennbarer Ablehnung belästigt haben.
Daraufhin führte die beklagte Stadt das gleiche Prozedere nochmals durch, d.h. sie hörte den beschuldigten Arbeitnehmer ab, befragte die weiblichen Betroffenen, beteiligte den Personalrat kündigte den Arbeitnehmer erneut fristlos.
Das Arbeitsgericht Elmshorn entschied nach Zeugenvernehmung für den gekündigten Arbeitnehmer, d.h. es erklärte die beiden streitigen Kündigung für unwirksam. Denn es sah nur eine einzige - wenn auch gravierende - sexuelle Belästigung als gegeben an. Die anderen Vorwürfe bewertete es als zu wenig "substantiiert". Unter Berücksichtigung der ordentlichen Unkündbarkeit des Klägers, seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit sowie seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber drei minderjährigen Kindern sah es die streitigen Kündigungen als unverhältnismäßig an.
LAG Schleswig-Holstein weist Kündigungsschutzklage aufgrund konkreter Schilderungen nach Beweisaufnahme ab 
Das LAG hob die Entscheidung des Arbeitsgerichts auf und gab dem Arbeitgeber recht. Dabei stützte sich das Landesarbeitsgericht auch auf die Aussagen der (erstmals vor dem LAG vernommenen) zweiten Betroffenen, der Zeugin P.
Nach Ansicht des LAG war das Vorbringen der beklagten Stadt bezüglich der von der Zeugin P. erhobenen Vorwürfe genügend konkret bzw. "hinreichend substantiiert". Die Zeugin P. hat nämlich zwei konkrete Vorfälle zeitlich eingegrenzt, einen Vorfall in der Küche im sechsten Stock im Oktober 2004 und einen Vorfall im Stadtzentrum vor einer Bank im Mai 2005.
Nach Meinung des LAG waren noch konkretere Zeitangaben nicht nötig. Die beiden Vorfälle und ihre Rahmenbedingungen wurden im Detail geschildert, so daß es sich um einen konkret überprüfbaren, klar eingegrenzten Tatsachenvortrag handelte. Hierzu heißt es in dem LAG-Urteil:
"Körperliche Berührungen werden oftmals erst dann zu einer sexuellen Belästigung, wenn gespürt wird, dass der gesuchte Körperkontakt nicht nur zufällig war; von den Örtlichkeiten her unnötig und gewollt distanzlos ist; sich gezielt wiederholt. Niemand merkt sich insoweit das Datum und die Uhrzeit. Es prägt sich vielmehr die jeweilige Situation ein. Auf diese kommt es bei derartigen Fallkonstellationen entscheidend an. Die gilt es detailliert zu beschreiben, um Vorbringen substantiiert darzustellen und einlassungsfähig zu machen. Das ist vorliegend geschehen."
Daher hat das LAG durch Vernehmung der Zeugin P. Beweis über die Behauptung der beklagten Stadt erhoben, der Kläger habe die Zeugin P. im Oktober 2004 in der Küche und im Mai 2005 auf einem Dienstgang vor einer Bank sowie über Jahre hinweg während ihrer Tätigkeit als Schreibkraft im Schreibdienst gegen ihren Willen sexuell belästigt. Diese Beweisaufnahme hatte folgendes Ergebnis:
"Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger die Zeugin P. im Oktober 2004 mit sexuellem Hintergrund gezielt körperlich bedrängelt hat, dass er sie des weiteren im Mai 2005 auf einem Dienstgang ihrerseits vor der ...Bank durch gezieltes Berühren ihrer Brust sexuell belästigt hat, und dass er sie darüber hinaus über Jahre hinweg mindestens bis 1996 im Rahmen ihrer Tätigkeit im Schreibbüro durch sexuell bestimmte körperliche Berührungen und Bemerkungen sexuellen Inhalts trotz erkennbarer Ablehnung immer wieder belästigt hat."
Fazit: Eine einmalige sexuelle Belästigung kann eine außerordentliche Kündigung in aller Regel rechtfertigen. Wiederholungstäter müssen dagegen mit einer fristlosen Kündigung rechnen, auch wenn sie aufgrund langer Betriebszugehörigkeit tariflich unkündbar sind. Dabei müssen die belästigten Arbeitnehmer(innen) keineswegs alle Belästigungsvorfälle nach Datum und Uhrzeit exakt wiedergeben, und das muss auch der beklagte Arbeitgeber vor Gericht nicht tun. Vielmehr ist es wichtig, die Vorfälle selbst konkret zu beschreiben, d.h. die Situation(en) selbst und ihre Besonderheiten.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2006, 3 Sa 163/06
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Unkündbarkeit
- Arbeitsrecht aktuell: 17/261 Sexuelle Belästigung auch ohne sexuelle Motivation
- Arbeitsrecht aktuell: 15/062 Sexueller Übergriff am Arbeitsplatz, was tun?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/075 Fristlose Kündigung wegen sexueller Belästigung
- Arbeitsrecht aktuell: 12/165 Kündigung wegen Stalkings
- Arbeitsrecht aktuell: 10/012 Keine Kündigung wegen sexueller Belästigung
Letzte Überarbeitung: 16. Oktober 2017
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