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Betriebsrentenanpassung und Verwirkung
27.10.2014. Mit Urteil vom 22.05.2014 (8 AZR 662/13) hatte der achte BAG-Senat entschieden, dass die gesetzliche Zweimonatsfrist für die außergerichtliche Geltendmachung einer Diskriminierungsentschädigung durch Klageeinreichung gewahrt wird.
Diesem Urteil zufolge genügt die rechtzeitige Einreichung der Klage bei Gericht auch dann zur Fristwahrung, wenn die Klage erst nach Fristablauf zugestellt wird (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/189 Frist bei Entschädigung für Diskriminierung).
Am Dienstag letzter Woche entschied der dritte BAG-Senat andersherum, wobei es nicht um einen Diskriminierungsfall ging, sondern um die rechtzeitige außergerichtliche Beanstandung einer Betriebsrentenanpassung: BAG, Urteil vom 21.10.2014, 3 AZR 690/12.
- Welche Fristen muss ein Betriebsrentner beachten, wenn er eine Betriebsrentenanpassung beanstanden möchte?
- Der Fall des BAG: Klage auf Betriebsrentenanpassung geht zwei Tage vor Fristablauf bei Gericht ein und wird dem Arbeitgeber etwa eine Woche nach Fristablauf zugestellt
- BAG: Die Rüge einer unrichtigen Betriebsrentenanpassung muss vor dem nächsten Anpassungsstichtag direkt beim Arbeitgeber eingehen, d.h. die Einreichung einer Klage bei Gericht vor Fristablauf genügt nicht
Welche Fristen muss ein Betriebsrentner beachten, wenn er eine Betriebsrentenanpassung beanstanden möchte?
§ 16 Abs.1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) verpflichtet Arbeitgeber, die Betriebsrenten zahlen, dazu, alle drei Jahre eine Anpassungsprüfung vorzunehmen, d.h. über eine mögliche Erhöhung der Renten zu entscheiden.
Im Normalfall sind Arbeitgeber dabei verpflichtet, die inflationsbedingte Entwertung der Renten durch eine Rentenerhöhung zu vermeiden. Nur dann, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens so schlecht ist, dass die voraussichtlichen Gewinne der nächsten drei Jahre eine Rentenerhöhung nicht tragen würden, kann den Betriebsrentnern eine Erhöhung unterhalb der Inflationsrate oder gar eine Nullrunde zugemutet werden.
In einem solchen Fall kann der Arbeitgeber gemäß § 16 Abs.4 Satz 2 BetrAVG den Betriebsrentnern die (angeblich schlechte) wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich darlegen und darauf hinweisen,
- dass ein Widerspruch gegen die geringe oder völlig ausbleibende Rentenerhöhung schriftlich und innerhalb von drei Monaten nach Zugang dieser Information erhoben werden muss, und
- dass andernfalls die geringe oder völlig ausbleibende Rentenerhöhung nach dem Gesetz als rechtens anzusehen ist.
Im Regelfall vermeiden es Arbeitgeber auch bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten, so offen Klartext zu reden und teilen den Betriebsrentnern lieber mit, dass die Anpassung eben (sehr) gering ausfällt. Dann haben die betroffenen Rentner nach der Rechtsprechung bis zur nächsten, in drei Jahren vorzunehmenden Anpassungsentscheidung Zeit, die Anpassung gegenüber dem Arbeitgeber als unzureichend zu beanstanden.
Diese Ausschlussfrist ist zwar gesetzlich nicht angeordnet, folgt aber aus dem Dreijahres-Turnus der Rentenanpassungen. Denn wenn die drei Jahre herum sind und der Arbeitgeber die nächste Anpassung vornimmt, soll er wissen, ob die letzte Anpassung von den Betriebsrentnern hingenommen wird, d.h. ob bzw. wie viele Rentner sich dagegen wehren.
Die Anpassungsrüge können Betriebsrentner auch in Form einer Klage auf Rentenerhöhung erklären, denn eine solche Klage enthält ja notwendigerweise die Beanstandung der (aus Klägersicht zu geringen) Rentenanpassung. Dann spannt der klagende Arbeitnehmer das Gericht, das die Klage dem Arbeitgeber zustellen muss, als eine Art Zustellungsgehilfen ein, um in Gestalt einer Klage eine außergerichtliche Frist zu wahren.
Fraglich ist, ob der klagende Arbeitnehmer dann von Rückwirkung der Klagezustellung gemäß § 167 Zivilprozessordnung (ZPO) profitiert oder nicht. Diese Vorschrift ist für prozessuale Anträge und Klagen gedacht, mit denen oft auch Fristen eingehalten werden müssen. Und weil sich das Gericht um die Zustellung der Klagen bzw. Anträge kümmern muss ("Zustellung im Amtsbetrieb"), sollen Verzögerungen bei der gerichtlichen Zustellung nicht dem Bürger zur Last fallen. § 167 ZPO lautet:
"Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt."
Soll heißen: Reicht der Arbeitnehmer eine Klage innerhalb einer von ihm zu beachtenden Frist bei Gericht ein und verzögert sich die Zustellung der Klage nicht ungewöhnlich, kommt es für die Fristwahrung auf den Eingang der Klage bei Gericht und nicht auf die spätere Zustellung beim Beklagten an.
Nach einer neueren Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt § 167 ZPO im Allgemeinen auch für fristgebundene außergerichtliche Mahnschreiben (BGH, Urteil vom 17.07.2008, I ZR 109/05). Dieser Ansicht hat sich, wie oben erwähnt, das BAG bzw. sein achter Senat für den Fall angeschlossen, dass ein Arbeitnehmer die gesetzliche Zweimonatsfrist für die außergerichtliche Forderung einer Diskriminierungsentschädigung einhalten muss. Hier genügt, so das BAG, der rechtzeitige Eingang einer Entschädigungsklage bei Gericht.
Was für die Zweimonatsfrist gemäß § 15 Abs.4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt, muss aber nicht unbedingt auch bei der Dreijahresfrist für die Beanstandung einer Betriebsrentenanpassung gelten.
Der Fall des BAG: Klage auf Betriebsrentenanpassung geht zwei Tage vor Fristablauf bei Gericht ein und wird dem Arbeitgeber etwa eine Woche nach Fristablauf zugestellt
Der klagende Betriebsrentner erhält seit Anfang 1993 eine Betriebsrente, die zu Beginn 1.232,73 EUR pro Monat betrug und alle drei Jahre auf der Grundlage der Verbraucherpreisentwicklung angepasst wurde.
Erstmals bei der Anpassung zum 01.07.2008 bezog sich der Arbeitgeber auf die Nettolohnentwicklung der letzten drei Kalenderjahre und errechnete so eine Erhöhung um 1,57 Prozent auf 1.452,83 EUR.
Diese Anpassung beanstandete der Betriebsrentner gegenüber dem Arbeitgeber zunächst nicht, sondern reichte erstmals zwei Tage vor dem letzten Tag der Frist (30.06.2011) eine Klage auf Betriebsrentenerhöhung beim Arbeitsgericht Berlin ein. Das Gericht stellte dem Arbeitgeber die Klage nach Fristablauf zu, nämlich am 06.07.2011.
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 16.08.2011, 8 Ca 9793/11) und das in der Berufung zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gaben der Klage statt (Urteil vom 04.04.2012, 23 Sa 2228/11). Denn die streitige Anpassung war zu gering ausgefallen, und dass der Betriebsrentner dies erstmals mit seiner Klage beanstandet hatte, spielte nach Meinung der Gerichte keine Rolle, da er sich auf § 167 ZPO berufen konnte.
BAG: Die Rüge einer unrichtigen Betriebsrentenanpassung muss vor dem nächsten Anpassungsstichtag direkt beim Arbeitgeber eingehen, d.h. die Einreichung einer Klage bei Gericht vor Fristablauf genügt nicht
In Erfurt vor dem BAG kam dann allerdings die kalte Dusche, denn das BAG hob die Urteile der Vorinstanzen auf und gab dem Arbeitgeber recht.
Der Betriebsrentner konnte hier im Streitfall nach Ansicht des BAG keine höhere Betriebsrente ab dem 01.07.2008 verlangen, da er die zu diesem Anpassungsstichtag getroffene Erhöhungsentscheidung nicht fristgerecht bis spätestens zum 30.06.2011 gerügt hat, d.h. vor dem folgenden Anpassungsstichtag (01.07.2011).
Zwar war seine Zahlungsklage vor Ablauf der Rügefrist beim Arbeitsgericht eingegangen (28.06.2011). Sie wurde dem Arbeitgeber aber erst danach und damit verspätet zugestellt.
Auf § 167 ZPO konnte sich der Betriebsrentner hier nicht stützen. Denn die Auslegung von § 16 BetrAVG ergibt, so das BAG, dass die Rüge einer unzutreffenden Anpassungsentscheidung dem Arbeitgeber bis zum Ablauf des Tages zugegangen sein muss, der dem folgenden Anpassungsstichtag vorangeht. Der Arbeitgeber muss bereits am jeweils aktuellen Anpassungsstichtag wissen, ob und in wie vielen Fällen eine vorangegangene Anpassungsentscheidung gerügt wurde, um seine wirtschaftliche Lage zuverlässig beurteilen zu können.
Fazit: Die Rechtsprechung zur Anwendung von § 167 ZPO auf außergerichtliche Aufforderungs- und Mahnschreiben, mit den Ausschlussfristen gewahrt werden sollen, ist kaum sicher vorauszusehen, da die Gerichte hier auf "Sinn und Zweck" der jeweiligen Frist abstellen, die gewahrt werden soll. Wenn daher in Diskriminierungsfällen nach Ansicht des einen BAG-Senats die Frist des § 15 Abs.4 AGG durch rechtzeitige Klageinreichung gewahrt wird, heißt das für andere Ausschluss- oder Verwirkungsfristen, über die ein anderer BAG-Senat zu entscheiden hat, gar nichts, wie der vorliegende Fall zeigt.
Arbeitnehmern und ihren Anwälten ist daher zu raten, vorsichtshalber immer auch ein fristgerechtes außergerichtliches Schreiben an den Arbeitgeber herausgehen zu lassen. Wer als Anwalt zwei Tage vor Fristablauf in der Lage ist, eine Klage auf Betriebsrentenerhöhung bei Gericht einzureichen, kann ohne weiteres - zusätzlich - einen entsprechenden Zweizeiler direkt an den Arbeitgeber übermitteln.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.10.2014, 3 AZR 690/12 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.05.2014, 8 AZR 662/13
- Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.07.2008, I ZR 109/05
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.04.2012, 23 Sa 2228/11
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 2. August 2019
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