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Wirksamkeit von Spätehenklauseln
24.07.2019. Spätehenklauseln, die die betriebliche Hinterbliebenenrenten allein wegen eines "zu hohen" Alters bei Eheschließung ausschließen, sind in den meisten Fällen unangemessen und stellen eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters dar.
Sollen betriebliche Versorgungsordnungen Hinterbliebenenrenten begrenzen, muss dies sachlich begründet sein und in das System der (jeweiligen) Versorgungsordnung hineinpassen.
So können Witwenrenten z.B. wirksam ausgeschlossen werden, wenn die Ehe erst nach dem Renteneintritt oder dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wird. Solche Ausschlusskriterien stimmen mit "betriebsrentenrechtlichen Strukturprinzipien" überein: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019, 3 AZR 215/18.
- Unter welchen Voraussetzungen sind Spätehenklauseln in betrieblichen Versorgungsordnungen zulässig bzw. nicht diskriminierend?
- Streit über die VW-Versorgungsordnung 1992: Witwen und Witwer werden von der Hinterbliebenenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe erst mit 62 Jahren oder später eingegangen wurde
- BAG: Spätehenklauseln, die an betriebsrentenrechtliche Strukturprinzipien anknüpfen, sind in der Regel angemessen
Unter welchen Voraussetzungen sind Spätehenklauseln in betrieblichen Versorgungsordnungen zulässig bzw. nicht diskriminierend?
Arbeitgeber müssen keine Betriebsrentenzusagen geben, d.h. sie können frei entscheiden, ob ihre Mitarbeiter eine betriebliche Altersvorsorge erhalten sollen oder nicht.
Die meisten Großunternehmen haben sich aber schon lange für Betriebsrenten entschieden, d.h. die Frage des Ob ist entschieden, so dass es "nur" noch um die Frage des Wie geht. Hier kommen die Vorgaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ins Spiel. Betriebliche Versorgungsordnungen müssen die Diskriminierungsverbote des AGG beachten, insbesondere das Verbot der Altersdiskriminierung.
Mit diesem Verbot geraten vor allem betriebliche Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung immer wieder in Konflikt. Diese Rentenart ist „teuer“, insbesondere wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin eher „spät“ einen deutlich jüngeren Ehepartner heiratet. Dann kann der Eindruck entstehen, dass die Ehe der finanziellen Absicherung des jüngeren Ehepartners dienen soll. Dafür möchten Arbeitgeber aber die Mittel der Betriebsrente nicht oder nur begrenzt zur Verfügung stellen.
Daher enthalten viele Versorgungsordnungen auf Spätehen bezogene Klauseln, mit denen Hinterbliebenenrenten begrenzt werden sollen. Solche Klauseln sind z.B.:
- Altersabstandsklauseln: Hinterbliebenenrenten sind ausgeschlossen, wenn der Ehepartner des verstorbenen Arbeitnehmers zehn, 15 oder 20 Jahre jünger ist als dieser.
- Ehebestandsklauseln: Hinterbliebenenrenten sind ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht eine gewisse Mindestzeit von z.B. fünf, zehn oder 15 Jahren bestanden hat.
- Spätehenklauseln: Hinterbliebenenrenten sind ausgeschlossen, wenn der verstorbene Arbeitnehmer erst in „hohem“ Alter (z.B. mit 60 oder 62 Jahren), nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis oder nach seiner Berentung heiratet.
Solche Klauseln verstoßen möglicherweise, je nach Ausgestaltung, gegen das Verbot Altersdiskriminierung, denn sie stellen ältere Arbeitnehmer schlechter als ihre jüngeren Kollegen. Für die Spätehenklauseln ist das offensichtlich, aber auch von Ehebestandsklauseln und von Altersabstandsklauseln sind ältere Arbeitnehmer öfter als jüngere betroffen.
Hier hilft dem Arbeitgeber § 10 Satz 3 Nr.4 AGG. Diese Vorschrift erlaubt - im Prinzip - die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente, und dazu gehören nach der neueren BAG-Rechtsprechung auch die Hinterbliebenenrenten. Die (allgemeine) Erlaubnis für eine Begrenzung von Hinterbliebenenrenten (gemäß § 10 Satz 3 Nr.4 AGG) gilt aber im Einzelfall nur, wenn auch die konkrete Klausel "objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist" (§ 10 Satz 1 AGG). Außerdem müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels "angemessen und erforderlich" sein (§ 10 Satz 2 AGG).
Das wiederum ist grob gesagt der Fall, wenn die fragliche Klausel sachlich begründet ist und die betroffenen älteren Arbeitnehmer nicht allzu sehr belastet, d.h. zumutbar ist.
Streit über die VW-Versorgungsordnung 1992: Witwen und Witwer werden von der Hinterbliebenenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe erst mit 62 Jahren oder später eingegangen wurde
In dem vom BAG entschiedenen Streitfall hatte die Witwe eines langjährigen VW-Mitarbeiters gegen VW geklagt. Ihr am 07.08.1940 geborener Ehemann war am 10.02.2008 verstorben. Zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der Klägerin, am 30.12.2005, hatte er somit bereits das 62. Lebensjahr vollendet. Das Arbeitsverhältnis bestand von Juli 1964 bis August 2003. Seitdem bis zu seinem Tod im Februar 2008 bezog er eine Betriebsrente von ca. 3.000,00 EUR monatlich.
Seine Witwe verlangte von VW eine Hinterbliebenenrente, die VW nicht zahlen wollte, und zwar unter Berufung auf folgende Regelung in der hier maßgeblichen Versorgungsordnung aus dem Jahre 1992 (§ 7 Abs.4 Satz 1 der Betriebsvereinbarung Nr.2/92 vom 11.12.1992 - Versorgungsordnung 1992):
"(4) Die Witwe oder der Witwer sind jedoch nur dann rentenberechtigt, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung die oder der Verstorbene das 62. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte."
Die Witwe wollte sich mit dieser Spätehenklausel nicht abfinden und klagte auf Zahlung der in der Versorgungsordnung 1992 vorgesehenen Hinterbliebenenrente in Höhe von 60 Prozent der Betriebsrente ihres verstorbenen Mannes ("VW-Rente wegen Todes"). Die in § 7 Abs.4 enthaltene Klausel sei altersdiskriminierend und damit unwirksam.
Mit dieser Argumentation hatte sie vor dem Arbeitsgericht Braunschweig Erfolg (Urteil vom 14.06.2016, 8 Ca 403/15 B), während das Landesarbeitsgericht Niedersachsen ihre Klage abwies. Immerhin ließ es die Revision zum BAG zu (LAG Niedersachsen, Urteil vom 16.01.2018, 3 Sa 788/16).
BAG: Spätehenklauseln, die an betriebsrentenrechtliche Strukturprinzipien anknüpfen, sind in der Regel angemessen
Das BAG entschied zugunsten der Klägerin, d.h. es hielt die streitige Klausel im Ergebnis für altersdiskriminierend. Denn so das BAG:
Das Interesse von Arbeitnehmern, ihre Ehepartner versorgt zu wissen, ist nicht vom Alter abhängig (Urteil, Rn.44). Eine Spätehenklausel, die die Witwenrente allein wegen des hohen Alters bei Eheschließung ausschließt, ist daher in der Regel unangemessen. Angemessen ist es demgegenüber, wenn Spätehenklauseln "mit einem betriebsrentenrechtlichen Strukturprinzip verknüpft" sind (Urteil, Rn.44). Ein solcher Zusammenhang mit Strukturprinzipien des Betriebsrentenrechts ist, so das BAG unter Verweis auf seine Rechtsprechung, in folgenden Fällen gegeben: Der Hinterbliebene soll gemäß der Klausel keine Rente erhalten, falls
- die Ehe erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eingegangen wurde, und/oder
- die Ehe erst nach Erreichen der festen Altersgrenze der Versorgungsordnung geschlossen wurde, und/oder
- der Arbeitnehmer erst nach seiner Berentung geheiratet hat.
In allen diesen Fällen bzw. bei entsprechenden Klauseln ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, "die Lebensgestaltung des Arbeitnehmers für die Zeit nach einer solchen Zäsur bei der Abgrenzung seiner Leistungspflichten unberücksichtigt zu lassen". Zu den o.g. Fällen gehört wohl auch die Konstellation, dass der Arbeitnehmer mehr als 15 Jahre älter als sein Ehepartner ist (BAG, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/046 Keine Witwenrente bei zu großem Altersunterschied).
Im Streitfall sah die VW-Versorgungsordnung 1992 nicht vor, dass man mit 62 Jahren betriebsrentenberechtigt ist, so dass diese Altersgrenze als Ausschluss für die Witwenrente mit der "Struktur" dieser Versorgungsordnung nicht zusammenpasste.
Fazit: Ob eine Spätehenklausel, der zufolge Witwenrenten bei einem "hohen" Alter zum Zeitpunkt der Heirat ausgeschlossen sind, wirksam ist oder nicht, hängt von der jeweiligen Versorgungsordnung ab. Hier im Streitfall war der Rentenausschluss bei einer Hochzeit im Alter von 62 Jahren (oder später) unwirksam, da die VW-Versorgungsordnung 1992 dieses Alter (62 Jahre) nicht als typisches Renteneintrittsalter ansieht.
In einem anderen, vom BAG im Januar dieses Jahres entschiedenen Fall war das aber so (BAG, Urteil vom 22.01.2019, 3 AZR 560/17). Hier stellte die Vollendung des 62. Lebensjahres die feste Altersgrenze dieser Versorgungsordnung dar. Daher war es auf der Grundlage dieser Versorgungsordnung auch zulässig, Witwenrenten davon abhängig zu machen, dass die Ehe vor dem 62. Lebensjahr geschlossen wurde.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019, 3 AZR 215/18
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 16.01.2018, 3 Sa 788/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.01.2019, 3 AZR 560/17
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019, 3 AZR 198/18
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.08.2015, 3 AZR 137/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Arbeitsrecht aktuell: 18/301 Kürzung von Witwenrenten bei großem Altersunterschied
- Arbeitsrecht aktuell: 18/046 Keine Witwenrente bei zu großem Altersunterschied
- Arbeitsrecht aktuell: 15/216 Witwenrente trotz später Ehe?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/360 Betriebsrentenanpassung und Verwirkung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/142 Keine Betriebsrentenanpassung bei der Commerzbank
- Arbeitsrecht aktuell: 13/295 Spätehenklauseln in der betrieblichen Altersversorgung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/279 Altersdiskriminierung bei der betrieblichen Altersvorsorge
- Arbeitsrecht aktuell: 12/240 Betriebsrente - Anpassung durch IBM war unzureichend
- Arbeitsrecht aktuell: 09/018 Keine Hinterbliebenenrente für gleichgeschlechtliche Partner?
- Arbeitsrecht aktuell: 09/005 BAG stärkt Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei Betriebsrentenzusagen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/108 EuGH distanziert sich erneut vom Mangold-Urteil
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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