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Keine Witwenrente bei zu großem Altersunterschied
21.02.2018. Wer alle rechtlichen Voraussetzungen für eine Sozialleistung erfüllt bis auf eine, hat meist wenig Verständnis für ein solches „KO-Kriterium“.
Ein Beispiel dafür sind Altersabstandsklauseln im Betriebsrentenrecht. Sie schließen Witwen und Witwer vom Rentenbezug aus, wenn sie mehr als eine bestimmte Anzahl von Jahren (z.B. zehn, 15 oder 20) jünger sind als ihr verstorbener Ehepartner.
Gestern hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Altersabstand von über 15 Jahren rechtlich in Ordnung ist, d.h. keine verbotene Altersdiskriminierung darstellt: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17 (Pressemeldung des Gerichts).
- Sind Altersabstandsklauseln in Betriebsrenten-Regelungen altersdiskriminierend?
- Der Streitfall: Altersabstandsklausel schließt Hinterbliebenenrenten zulasten von Witwen aus, die mehr als 15 Jahre jünger sind als ihr verstorbener Ehepartner
- BAG: Altersabstandsklauseln, die erst bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren eingreifen, sind keine verbotene Altersdiskriminierung
Sind Altersabstandsklauseln in Betriebsrenten-Regelungen altersdiskriminierend?
Da Arbeitgeber rechtlich nicht verpflichtet sind, ihren Arbeitnehmern überhaupt Betriebsrentenzusagen zu machen, können sie im Prinzip frei darüber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Betriebsrenten gewährt werden und wie hoch diese sein sollen.
Allerdings gehören Betriebsrentenzusagen zu den „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen“ im Sinne von § 2 Abs.1 Nr.2 allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Daher dürfen Arbeitgeber bei aller Freiheit der Festlegung von Betriebsrenten-Voraussetzungen nicht gegen die Diskriminierungsverbote des AGG verstoßen, denn diese Verbote gelten (trotz § 2 Abs.2 Satz 2 AGG) auch im Betriebsrentenrecht.
Das bedeutet: Arbeitgeber sind zwar erst einmal nicht dazu verpflichtet, im Rahmen von Betriebsrentenzusagen die Renten- bzw. Leistungsart einer Hinterbliebenenrente vorzusehen. Damit werden überlebende Ehepartner (bzw. Partner einer Lebensgemeinschaft) und/oder Kinder verstorbener Arbeitnehmer abgesichert, d.h. sie erhalten eine betriebliche Witwen- bzw. Waisenrente. Wenn Arbeitgeber allerdings eine Hinterbliebenenrente zusagen, dürfen die Leistungsvoraussetzungen, die in der betrieblichen Versorgungsordnung festgelegt sind, nicht diskriminierend sein.
Umstritten sind hier immer wieder Regelungen, die Witwen (bzw. Witwer) der verstorbenen Arbeitnehmer (bzw. Arbeitnehmerinnen) von einer Hinterbliebenenrente ausnehmen, wenn die Ehe
- sehr „spät“ (z.B. erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses) und/oder
- in „hohem“ Alter (z.B. erst mit 60 Jahren) und/oder
- mit „großem“ Altersabstand zwischen den Eheleuten (von z.B. 15 oder 20 Jahren) geschlossen wurde und/oder bei Eintritt des Versorgungsfalles
- erst „kurze“ Zeit bestanden hatte (z.B. erst ein oder zwei Jahre).
In allen diesen Fällen liegt der Eindruck nahe, dass die Ehe der rentenrechtlichen Absicherung des jüngeren Ehepartners dienen soll. Für solche Zwecke möchte der Arbeitgeber aber die finanziellen Mittel der Betriebsrente nicht zur Verfügung stellen.
Während vor dem Inkrafttreten des AGG solche Klauseln von den Arbeitsgerichten praktisch immer akzeptiert wurden, ist dies seit dem 18.08.2006, d.h. seit dem Inkrafttreten des AGG anders. Denn das AGG verbietet u.a. Diskriminierungen (= sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligungen) wegen des Lebensalters, und um eine solche Altersdiskriminierung (des verstorbenen Arbeitnehmers) könnte es sich in den o.g. Fällen handeln.
Zwar erlaubt § 10 Satz 3 Nr.4 AGG die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität. Bei der Rentenart der Hinterbliebenenrente handelt es sich aber weder um eine Alters- noch um eine Invaliditätsrente.
Und der Rechtfertigungsgrund der „legitimen Ziele“, der eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG zulässig machen kann, ist aufgrund der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu der hinter dieser Regelung stehenden Richtlinie (Art.6 Abs.1 Unterabs.1 der Richtlinie 2000/78/EG) eng zu interpretieren. Nämlich so, dass die „legitimen Ziele“ aus den Bereichen der Arbeits- und Sozialpolitik stammen müssen. Und das heißt: Rein finanzielle Eigeninteressen des Arbeitgebers genügen an dieser Stelle nicht.
Daher fragt sich, ob das - an sich sachlich nachvollziehbare - Interesse des Arbeitgebers an einer Begrenzung von anspruchsberechtigten Hinterbliebenen ausreicht, um eine Altersabstandsklausel zu rechtfertigen, der zufolge Witwen keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente haben, wenn sie mehr als 15 Jahre jünger als der verstorbene Arbeitnehmer sind.
Der Streitfall: Altersabstandsklausel schließt Hinterbliebenenrenten zulasten von Witwen aus, die mehr als 15 Jahre jünger sind als ihr verstorbener Ehepartner
Im Streitfall ging es um eine Versorgungsordnung, der zufolge Witwen bzw. Witwer verstorbener Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen einen Anspruch auf eine Ehegattenrente hatten. Der Anspruch setzte gemäß der Versorgungsordnung voraus,
- dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Berechtigten und
- vor dessen Austritt aus dem Betrieb geschlossen wurde,
- dass sie bis zum Tod des Berechtigten bestanden hatte und
- dass der Ehegatte nicht mehr als 15 Jahre jünger war als der Berechtigte.
Eine 1968 geborene Witwe klagte auf Ehegattenrente, deren Voraussetzungen sie erfüllte, bis auf den zu großen Altersabstand zu ihrem verstorbenen Ehemann, einem ehemaligen Arbeitnehmer des beklagten Arbeitgebers. Beklagter war der in Köln ansässige Pensionssicherungsverein, der für die Erfüllung von Betriebsrenten einspringt, wenn der Arbeitgeber (wie hier im Streitfall) insolvent geworden ist.
Das Arbeitsgericht Köln wies die Klage ab (Urteil vom 02.12.2015, 2 Ca 9521/14), wohingegen das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln die Altersabstandsklausel als diskriminierend ansah und der Klägerin daher Recht gab (LAG Köln, Urteil vom 31.08.2016, 11 Sa 81/16).
BAG: Altersabstandsklauseln, die erst bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren eingreifen, sind keine verbotene Altersdiskriminierung
Das BAG entschied wie das Arbeitsgericht, d.h. gegen die Witwe. Dabei geht das BAG davon aus, dass die Altersabstandsklausel zwar eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters bewirkt, dass diese aber gerechtfertigt bzw. letztlich rechtens ist. Dazu heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Der Arbeitgeber, der eine Hinterbliebenenversorgung zusagt, hat ein „legitimes Interesse“, das hiermit verbundene finanzielle Risiko zu begrenzen, so die Erfurter Richter. Die Altersabstandsklausel ist auch „erforderlich und angemessen“ (zur Erreichung dieses Ziels). Sie führt zu keiner übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer, deren Ehepartner aufgrund der Klausel keine Hinterbliebenenversorgung erhalten.
Denn, so das BAG: Bei einem Altersabstand von über 15 Jahren ist der gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner darauf angelegt, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Außerdem werden wegen des Altersabstands von über 15 Jahren nur solche Ehegatten von dem Ausschluss erfasst, deren Altersabstand zum Ehepartner „den üblichen Abstand erheblich übersteigt“.
Offenbar geht das BAG davon aus, dass das Interesse des Arbeitgebers an einer Begrenzung seiner finanziellen Risiken den Ausschluss bestimmter Personengruppen im Sinne von § 10 Satz 1 und 2 AGG rechtfertigt. Diese Frage hatte das BAG noch vor einigen Jahren ausdrücklich offengelassen (BAG, Urteil vom 04.08.2015, 3 AZR 137/13, S.26-27).
Fazit: Der Fall macht deutlich, wie wenig kalkulierbar der Ausgang von Klagen auf Gewährung von Betriebsrenten oft ist, wenn der Anspruch rechtlich von der Frage abhängt, ob eine Versorgungsordnung diskriminierend ist oder nicht. Ehemalige Arbeitnehmer und ihre Angehörigen sollten sich daher nicht vorschnell mit der Auskunft abfinden, dass ihnen angeblich keine (bzw. eine eher geringe) betriebliche Rente zusteht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17
- Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 31.08.2016, 11 Sa 81/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.08.2015, 3 AZR 137/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Veröffentlichung dieses Artikels, hat das Bundesarbeitsgericht seine Urteilsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 2. August 2019
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