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Kürzung von Witwenrenten bei großem Altersunterschied
12.12.2018. Im Februar dieses Jahres berichteten wir über ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), dem zufolge es rechtlich zulässig ist, hinterbliebene Witwen und Witwer von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auszuschließen, wenn sie mehr als 15 Jahre jünger sind als der verstorbene Arbeitnehmer (BAG, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17, dazu unser Kommentar in Arbeitsrecht aktuell: 18/046 Keine Witwenrente bei zu großem Altersunterschied).
Gestern hat das BAG nachgelegt und klargestellt, dass sogar ein Altersabstand von "nur" elf Jahren Rentennachteile zur Folge haben kann, wenn diese Nachteile nicht in einem völligen Ausschluss von einer Hinterbliebenenrente bestehen, sondern in einer Kürzung je nachdem, wie groß der Altersabstand ist: BAG, Urteil vom 11.12.2018, 3 AZR 400/17 (Pressemeldung des Gerichts).
- Wie groß muss der Altersunterschied sein, damit eine betriebliche Hinterbliebenenrente gekürzt werden kann?
- Im Streit: Kürzung einer betrieblichen Hinterbliebenenrente um fünf Prozent für jedes über zehn Jahre hinausgehende volle Jahr des Altersunterschieds der Ehegatten
- BAG: Betriebliche Hinterbliebenenrenten können pro Jahr des Altersunterschieds anteilig gekürzt werden, wenn der Hinterbliebene über zehn Jahre jünger ist als der versicherte Arbeitnehmer
Wie groß muss der Altersunterschied sein, damit eine betriebliche Hinterbliebenenrente gekürzt werden kann?
Unternehmen müssen keine Betriebsrentenzusagen machen, d.h. sie können frei entscheiden, ob sie überhaupt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung versprechen oder nicht. Daraus folgt, dass sie im Prinzip auch frei darüber entscheiden können, unter welchen Voraussetzungen welche Arbeitnehmergruppen und welche Hinterbliebenen-Gruppen Betriebsrenten bekommen und wie hoch diese Renten sind.
Diese Entscheidungsfreiheit hat allerdings Grenzen, denn Betriebsrenten gehören zu den „Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen“ gemäß § 2 Abs.1 Nr.2 allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Daher sind Arbeitgeber bei der Festlegung von Betriebsrenten-Voraussetzungen an die Diskriminierungsverbote des AGG gebunden, also z.B. an das Verbot der Altersdiskriminierung. Dieses Verbot gilt, ebenso wie die anderen Diskriminierungsverbote des AGG, trotz § 2 Abs.2 Satz 2 AGG auch im Betriebsrentenrecht.
Infolgedessen müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern zwar keine Betriebsrenten und damit auch keine betriebliche Hinterbliebenenrenten versprechen, denn bei der Entscheidung über das "Ob" einer Betriebsrente sind Arbeitgeber rechtlich frei. Ist die Entscheidung aber einmal für eine Hinterbliebenenrente gefallen, dürfen die Regelungen über die Leistungsvoraussetzungen keine Arbeitnehmergruppe diskriminieren.
Hinterbliebenenrenten stehen hier oft auf dem rechtlichen Prüfstand, da sie praktisch immer bestimmte Gruppen von Witwen bzw. Witwern von Leistungen ausnehmen, um die finanziellen Belastungen für den Arbeitgeber zu begrenzen. Denn es ist eine Sache, der ungefähr gleich alten Witwe eines verstorbenen Betriebsrentners eine Hinterbliebenenrente bis an ihr Lebensende zu zahlen, denn die Dauer des Rentenbezugs deckt sich in solchen Fällen ungefähr mit der Zeit, während der der Arbeitgeber auch dem verstorbenen Betriebsrentner seine Rente normalerweise weiter hätte zahlen müssen. Eine ganz andere Sache ist es dagegen, einer z.B. 35 Jahre jüngeren Witwe eine Hinterbliebenenrente zu zahlen, denn die Zeitdauer einer solchen Rentenzahlung kann die "normale" Rentenbezugsdauer einer Betriebsrente um das Doppelte oder Dreifache übersteigen.
Um die finanziellen Belastungen bzw. Risiken des Arbeitgebers an dieser Stelle zu mindern, sehen viele Betriebsrenten-Ordnungen vor, dass Hinterbliebenenrenten nicht zu zahlen sind, wenn der Hinterbliebene z.B. mehr als 15 oder 20 Jahre jünger ist als der verstorbene Betriebsrentner (sog. Altersabstandsklauseln). Das ist in Ordnung, so das BAG im Februar dieses Jahres, wenn Altersabstandsklauseln einen Leistungsausschluss erst bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren vorsehen, d.h. hier liegt keine verbotene Altersdiskriminierung vor (BAG, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 18/046 Keine Witwenrente bei zu großem Altersunterschied).
Denn, so das BAG in dieser Entscheidung: Bei einem Altersabstand von mehr als 15 Jahren ist der "Lebenszuschnitt der Ehepartner" von vornherein dadurch charakterisiert, dass der jüngere Partner einen Teil seines Lebens ohne den älteren Betriebsrentner verbringen wird. Das ist mit finanziellen Risiken verbunden, so dass der um mehr als 15 Jahre jüngere Partner im (hohen) Alter eine eigene finanzielle Absicherung haben sollte. Dieses Risiko muss der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung einer betrieblichen Hinterbliebenenrente nicht übernehmen.
Aber wo ist die Grenze? Genügt vielleicht schon ein Altersabstand von zehn Jahren?
Im Streit: Kürzung einer betrieblichen Hinterbliebenenrente um fünf Prozent für jedes über zehn Jahre hinausgehende volle Jahr des Altersunterschieds der Ehegatten
In dem Münchner Streitfall hatte die Witwe eines Arbeitnehmers geklagt, dem Leistungen der betrieblichen Altersversorgung versprochen worden waren, u.a. eine Hinterbliebenenrente. Nach der betrieblichen Versorgungsordnung wird die Witwenrente, wenn die hinterbliebene Ehefrau mehr als zehn Jahre jünger ist als der verstorbene Ehemann, für jedes volle über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds um fünf Prozent gekürzt.
Durch diese gleitende Regelung wird ein hartes "Alles oder nichts" vermieden. Denn je nach Größe des Altersabstands wird die Hinterbliebenenrente immer geringer und fällt erst bei einem Altersabstand von mehr als 30 Jahren völlig weg.
Die von dieser Regelung betroffene Witwe eines betriebsrentenberechtigten Arbeitnehmers hatte vor dem Arbeitsgericht München auf eine höhere bzw. ungekürzte Hinterbliebenenrente geklagt. Sie war im Oktober 1945 geboren und damit knapp 15 Jahre jünger als ihr verstorbener Ehemann (geb. im November 1930, verstorben im Juli 2014). Geheiratet hatte die Klägerin ihren Mann im Jahr 1966.
Das Arbeitsgericht München sah in der Kürzung der Hinterbliebenenrente kein Problem und wies die Klage ab (Urteil vom 20.04.2016, 34 Ca 7847/15), wohingegen das für die Berufung zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) München der Klägerin recht gab. Nach Ansicht des LAG war die Regelung einer unzulässige Diskriminierung wegen des Alters (LAG München, Urteil vom 24.02.2017, 7 Sa 444/16).
Die von der Benachteiligung betroffene Person war dabei, so das LAG im Anschluss an die Rechtsprechung des BAG, nicht etwa die klagende Witwe, sondern der verstorbene Ehemann. Denn um einen mehr als zehn Jahre jüngeren Partner zu heiraten, muss man zwangsläufig zu den "älteren" Arbeitnehmern gehören. Älter Arbeitnehmer sind damit häufiger von der Kürzung der Hinterbliebenenrente betroffen als jüngere Kollegen, d.h. ihre Gesamtversorgung (einschließlich der Absicherung ihrer Angehörigen) ist weniger günstig als die der jüngeren Arbeitnehmer. Und für diese altersbedingte Benachteiligung gab es, so jedenfalls das LAG München, keinen Rechtfertigungsgrund im Sinne von § 10 AGG.
BAG: Betriebliche Hinterbliebenenrenten können pro Jahr des Altersunterschieds anteilig gekürzt werden, wenn der Hinterbliebene über zehn Jahre jünger ist als der versicherte Arbeitnehmer
Das BAG entschied anders als das LAG und wies die Klage ab. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zu Begründung:
Sieht eine betriebliche Versorgungsregelung vor, dass die Hinterbliebenenversorgung eines jüngeren hinterbliebenen Ehepartners für jedes volle über zehn Jahre hinausgehende Jahr des Altersunterschieds um 5 Prozent gekürzt wird, liegt darin keine unzulässige Altersdiskriminierung. Eine solche Regelung führt zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung (des Arbeitnehmers) wegen des Alters, doch ist diese Benachteiligung gerechtfertigt (auf der Grundlage von § 10 AGG). Damit ist die Benachteiligung im Ergebnis rechtens.
Gemäß § 10 Satz 1 und 2 AGG sind altersbedingte Ungleichbehandlungen rechtlich zulässig, wenn sie "objektiv und angemessen" sind und "durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt". Außerdem müssen die die Mittel zur Erreichung dieses Ziels "angemessen und erforderlich" sein. Auf diese gesetzlichen Rechtfertigungsgründe bezieht sich das BAG in seiner Pressemeldung offenbar:
Denn mit der streitigen Altersabstandsregelung verfolgt der Arbeitgeber ein "legitimes Interesse", sein finanzielles Risiko zu begrenzen, so das BAG. Die Altersabstandsklausel ist auch "angemessen und erforderlich". Sie beeinträchtigt nach Ansicht des BAG die legitimen Interessen der von der Klause betroffenen (älteren) Arbeitnehmer nicht in einer übermäßigen Weise.
Konkret mit Blick auf die hier umstrittene Regelung meint das BAG, dass der "gemeinsame Lebenszuschnitt der Ehepartner" bei einem Altersabstand von elf Jahren "darauf angelegt" sei, dass der Hinterbliebene einen Teil seines Lebens ohne den Versorgungsberechtigten verbringt. Außerdem werden von der Altersabstandsklausel nur Ehegatten erfasst, deren Alter weit mehr als üblich auseinanderliegt. Und schließlich sieht die hier umstrittene Versorgungsregelung keinen vollständigen Ausschluss bereits ab einem Altersunterschied von elf Jahren vor, sondern eine maßvolle schrittweise Verringerung der Rente. Das bewirkt einen vollständigen Ausschluss erst bei einem Altersabstand von mehr als 30 Jahren.
Mit dieser Entscheidung bleibt das BAG dabei, dass das Arbeitgeberinteresse an einer Begrenzung der finanziellen Belastungen durch betriebliche Hinterbliebenenrenten zu den „legitimen Zielen“ im Sinne von § 10 Satz 1 und 2 AGG gehört, obwohl die in der einschlägigen Richtlinie genannten Ziele aus den Bereichen der Arbeits- und Sozialpolitik stammen (Art.6 Abs.1 Unterabs.1 der Richtlinie 2000/78/EG). Dahinter steht die Überlegung, dass die finanzielle Kalkulierbarkeit von Betriebsrentenzusagen deren Verbreitung fördert und damit (mittelbar) einem legitimen sozialpolitischen Ziel dient (so bereits BAG, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17, Rn.26).
Fazit: Das BAG hat nicht entschieden, dass Altersabstandsklauseln bereits dann zulässig sind, wenn sie einen völligen Ausschluss von Hinterbliebenenrenten ab einem Altersunterschied von mehr als zehn Jahren vorsehen. Der gestern entschiedene Fall war nämlich ziemlich speziell, weil die streitigen Regelung ab einem elfjährigen Altersabstand nur eine allmähliche Rentenkürzung vorsah. Es spricht viel dafür, dass ein völliger Ausschluss von Hinterbliebenenrenten ab einem Altersabstand von mehr als zehn Jahren unverhältnismäßig und damit altersdiskriminierend bzw. rechtswidrig wäre.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.12.2018, 3 AZR 400/17 (Pressemeldung des Gerichts)
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 24.02.2017, 7 Sa 444/16
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.02.2018, 3 AZR 43/17
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 04.08.2015, 3 AZR 137/13
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Alter
- Arbeitsrecht aktuell: 19/173 Wirksamkeit von Spätehenklauseln
- Arbeitsrecht aktuell: 18/046 Keine Witwenrente bei zu großem Altersunterschied
- Arbeitsrecht aktuell: 15/216 Witwenrente trotz später Ehe?
- Arbeitsrecht aktuell: 14/360 Betriebsrentenanpassung und Verwirkung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/142 Keine Betriebsrentenanpassung bei der Commerzbank
- Arbeitsrecht aktuell: 13/295 Spätehenklauseln in der betrieblichen Altersversorgung
- Arbeitsrecht aktuell: 13/279 Altersdiskriminierung bei der betrieblichen Altersvorsorge
- Arbeitsrecht aktuell: 12/240 Betriebsrente - Anpassung durch IBM war unzureichend
- Arbeitsrecht aktuell: 09/018 Keine Hinterbliebenenrente für gleichgeschlechtliche Partner?
- Arbeitsrecht aktuell: 09/005 BAG stärkt Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei Betriebsrentenzusagen
- Arbeitsrecht aktuell: 08/108 EuGH distanziert sich erneut vom Mangold-Urteil
Letzte Überarbeitung: 2. August 2019
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