HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/185

IBM-Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung: Be­triebs­rent­ner lö­sen Kla­ge­flut aus

Zu ge­rin­ge Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung zwingt vie­le IBM-Be­triebs­rent­ner zur Kla­ge: Lan­des­ar­beits­ge­richt Ba­den-Würt­tem­berg: Mas­sen­haf­te IBM-Ver­fah­ren, Pres­se­mit­tei­lung vom 20.07.2011
Auktionshammer bzw. Gerichtshammer auf Geldscheinen Bei Geld hört die Freund­schaft auf
22.09.2011. Tau­sen­de ehe­ma­li­ge IBM-Mit­ar­bei­ter ge­hen seit An­fang 2010 ge­gen ih­ren ehe­ma­li­gen Ar­beit­ge­ber ge­richt­lich vor. Der Grund: Sie füh­len sich um Tei­le ih­rer Be­triebs­ren­ten be­tro­gen.

Die deut­sche Ar­beits­ge­richts­bar­keit stöhnt un­ter die­ser Pro­zess­flut, doch den Com­pu­ter­rie­sen lässt die­ser Um­stand schein­bar kalt - er pro­zes­siert un­be­irrt wei­ter durch al­le In­stan­zen.

Al­lein beim Ar­beits­ge­richt Stutt­gart gin­gen in der ers­ten Jah­res­hälf­te 2011 1.148 Kla­gen ein. In der zwei­ten In­stanz, beim Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Ba­den-Würt­tem­berg, wa­ren es im­mer­hin noch 470 IBM-Ver­fah­ren. In der Sum­me han­delt es sich da­bei 15,2 Pro­zent al­ler Ur­teils­ver­fah­ren des Ar­beits­ge­richts und 35 Pro­zent al­ler Be­ru­fungs­ver­fah­ren vor dem LAG.

IBM rech­net Be­triebs­ren­ten­an­pas­sung klein und verstößt da­bei ge­gen das Be­triebs­ren­ten­ge­setz

Gemäß § 16 Abs. 1 Be­triebs­ren­ten­ge­setz (Be­trAVG) hat der Ar­beit­ge­ber al­le drei Jah­re „nach bil­li­gem Er­mes­sen“ über ei­ne An­pas­sung der lau­fen­den Leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung zu ent­schei­den. Die An­pas­sung ist im­mer rech­tens, wenn sie nicht ge­rin­ger ist als der An­stieg des Ver­brau­cher­preis­in­de­xes für Deutsch­land (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Be­trAVG) oder der Net­tolöhne ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer­grup­pen des Un­ter­neh­mens (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 Be­trAVG).

In den Jah­ren Jah­re 2008 und 2009 ori­en­tier­te sich IBM je­doch an dem An­stieg der Re­allöhne al­ler sei­ner ak­tiv Beschäftig­ten. Das Un­ter­neh­men be­ach­te­te al­so nicht, dass al­lein die Net­to­lohn­ent­wick­lung „ver­gleich­ba­rer Ar­beit­neh­mer­grup­pen“ maßgeb­lich ist. Es wur­den Äpfel mit Bir­nen ver­gli­chen.

Außer­dem leg­te IBM sei­ner Ren­ten­an­pas­sung die Durch­schnitts­gehälter der letz­ten drei Jah­re zu­grun­de. Dem­ge­genüber ver­langt das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG), dass die ge­sam­te Zeit seit Ren­ten­be­ginn zu be­trach­ten ist (BAG, Ur­teil vom 21.8.2001, 3 AZR 589/00 und Ur­teil vom 30.8.2005, 3 AZR 395/04).

IBM auf Kon­fron­ta­ti­ons­kurs

Aus die­sen Gründen ver­liert IBM seit Mo­na­ten prak­tisch al­le Be­triebs­ren­ten­kla­gen, und auch die Ab­wei­sung ei­ner von IBM ein­ge­leg­ten Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de ge­gen ein LAG-Ur­teil erklärt sich da­mit, dass die Rechts­la­ge aus Sicht des BAG geklärt ist.

Das Un­ter­neh­men be­gründet sei­ne An­pas­sungs­ent­schei­dung mit der an­geb­lich schwie­ri­gen wirt­schaft­li­chen La­ge im Jahr 2007. Das über­zeugt nicht, da IBM auf sei­ner ei­ge­nen In­ter­net­präsenz von ei­nem „ins­ge­samt glänzen­den Jahr“ spricht, in dem „Re­kord­zah­len er­zielt wur­den“. Nach ei­ge­nen An­ga­ben konn­te IBM im vier­ten Quar­tal ein Um­satz­plus von 10 Pro­zent ver­zeich­nen, im Jah­res­er­geb­nis war der Ge­samt­um­satz um 8 Pro­zent ge­stie­gen. Auf ei­ne wirt­schaft­li­che Not­la­ge kann sich IBM an­ge­sichts die­ser Zah­len kaum be­ru­fen.

Was IBM mit sei­nem Kon­fron­ta­ti­ons­kurs be­zweckt, ist un­klar. Ähn­li­che Rechts­strei­tig­kei­ten wer­den in der Re­gel in ei­ni­gen Pi­lot­ver­fah­ren durch­pro­zes­siert und das Ver­fah­ren­s­er­geb­nis dann für ver­gleich­ba­re Fälle über­nom­men. Mit sei­ner der­zei­ti­gen Stra­te­gie dürf­te sich das Un­ter­neh­men nur selbst scha­den. Denn der Ver­trau­ens­ver­lust bei sei­nen Beschäftig­ten, bei Kun­den und der All­ge­mein­heit, den ei­ne sol­che „Be­triebs­ren­ten­po­li­tik nach Guts­her­ren­art“ her­vor­ruft, ist kaum zu überschätzen.

Fa­zit: Be­triebs­rent­ner er­hal­ten al­le drei Jah­re ei­ne Mit­tei­lung über ih­re Ren­ten­an­pas­sung. Ist sie un­an­ge­mes­sen nied­rig, müssen Be­trof­fe­ne ihr in­ner­halb von drei Mo­na­ten schrift­lich wi­der­spre­chen (§ 16 Abs. 4 Satz 2 Be­trAVG). Die Frist läuft nur, wenn der Ar­beit­ge­ber in der An­pas­sungs­mit­tei­lung die wirt­schaft­li­che La­ge des Un­ter­neh­mens dar­ge­legt und auf die Fol­gen ei­nes nicht frist­gemäßen Wi­der­spruchs hin­ge­wie­sen hat. Wi­der­spricht der Be­triebs­rent­ner der An­pas­sung dann nicht frist­gemäß, gilt die An­pas­sung als rech­tens. IMB-Be­triebs­rent­ner soll­ten da­her al­len An­pas­sungs­mit­tei­lun­gen vor­sorg­lich per Ein­schrei­ben/Rück­schein schrift­lich wi­der­spre­chen und ei­ne höhe­re An­pas­sung zu ver­lan­gen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 21. September 2016

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 3.5 von 5 Sternen (10 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de