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Altersdiskriminierung bei der betrieblichen Altersvorsorge
30.09.2013. Diskriminierungen wegen des Alters sind europarechtlich verboten.
Genauer gesagt gebietet das Europarecht den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, sich durch geeignete, vor allem gesetzliche Maßnahmen dafür einzusetzen, dass altersbedingte Diskriminierungen unterbleiben.
Mittlerweile ist klar, dass Lohnerhöhungen allein infolge des höheren Lebensalters unzulässig sind, weil sie jüngere Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund bei der Bezahlung schlechter stellen.
Aber gilt das auch für altersabhängige Staffelungen der Beiträge zu einem vom Arbeitgeber freiwillig angebotenen Betriebsrentensystem? Der Europäische Gerichtshof (EuGH) meint ja: EuGH, Urteil vom 26.09.2013, C-476/11 (HK Danmark).
- Darf der Arbeitgeber bei den Arbeitnehmerbeiträgen und bei seinen Zuschüssen zur Betriebsrentenkasse nach dem Alter unterscheiden?
- Der Fall des EuGH: 29jährige Arbeitnehmerin erhält geringere Zuschüsse zur Betriebsrente als 35jährige und 45jährige Kollegen
- EuGH: Die altersabhängige Differenzierung von Beiträgen zur Betriebsrente ist nicht generell aufgrund von Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG erlaubt
Darf der Arbeitgeber bei den Arbeitnehmerbeiträgen und bei seinen Zuschüssen zur Betriebsrentenkasse nach dem Alter unterscheiden?
Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer nicht wegen ihres Alters diskriminieren, d.h. ohne Sachgrund schlechter stellen als vergleichbare jüngere oder ältere Arbeitnehmer.
Allerdings sind altersbedingte Schlechterstellungen gemäß Art.6 Abs.1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG zulässig, wenn sie „durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt“ sowie „objektiv und angemessen“ und die Mittel zur Erreichung eines solchen Ziels „angemessen und erforderlich“.
Außerdem enthält Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG folgende weitere Ausnahmeregelung:
"Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt."
Vor diesem Hintergrund könnte man altersbedingt unterschiedlich hohe Beiträge, die der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer als Zuschuss zu einem Betriebsrentensystem zukommen lässt, als gerechtfertigt ansehen:
Denn in dieser Vorschrift steht ja eindeutig, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (also z.B. bei einem Betriebsrentensystem) die Festsetzung von Altersgrenzen für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente rechtens ist. Und bei unterschiedlich hohen Beiträgen geht es doch, so könnte man argumentieren, um die (Art und Weise der) Mitgliedschaft, denn ohne Beiträge keine Mitgliedschaft.
Aber auch die Gegenposition lässt sich hören: Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG enthält Ausnahmen von dem allgemeinen Verbot der Altersdiskriminierung, und solche Ausnahmevorschriften sind eng auszulegen. Und wenn der Arbeitgeber z.B. den unter 40jährigen generell die Mitgliedschaft zu seinem Betriebsrentensystem verwehren kann, heißt das noch lange nicht, dass er auch berechtigt ist, sie zwar einerseits an diesem System teilhaben zu lassen, ihnen aber geringere Beiträge zuzuschießen als er das bei älteren Arbeitnehmern macht.
Welche dieser Betrachtungsweisen richtig ist, hat der EuGH am gestrigen Donnerstag auf der Grundlage eines dänischen Vorlagefalls entschieden: EuGH, Urteil vom 26.09.2013, C-476/11 (Kristensen).
Der Fall des EuGH: 29jährige Arbeitnehmerin erhält geringere Zuschüsse zur Betriebsrente als 35jährige und 45jährige Kollegen
Frau Kristensen wurde Mitte November 2007 als Mitarbeiterin im Kundenservice einer dänischen Firma, der Experian A/S, angestellt. Sie war damals 29 Jahre. Schon gut ein Jahr später endete das Arbeitsverhältnis, da Frau Kristensen zum 31.10.2008 kündigte.
Der Arbeitgeber Experian zahlte ohne gesetzliche oder tarifliche Verpflichtung Beiträge zu einem betrieblichen System der Altersversorgung. Diese Beiträge stiegen nach der betrieblichen Handhabung, die im Arbeitsvertrag Frau Kristensens wiedergegeben wurde, wie folgt:
- Arbeitnehmer unter 35 Jahre: Arbeitnehmeranteil 3 Prozent und Anteil von [Experian] 6 Prozent
- Arbeitnehmer 35 bis 44 Jahre: Arbeitnehmeranteil 4 Prozent und Anteil von [Experian] 8 Prozent
- Arbeitnehmer über 45 Jahre: Arbeitnehmeranteil 5 Prozent und Anteil von [Experian] 10 Prozent
Daraus ergab sich, dass Frau Kristensen allein infolge ihres Alters von unter 35 Jahren einen geringsten Beitrag von Experian zur betrieblichen Altersversorgung erhielt als sie erhalten hätte, wenn sie 35 Jahre oder sogar 45 Jahre alt gewesen wäre.
Sie bewertete das als unzulässige Altersdiskriminierung und verklagte ihren Ex-Arbeitgeber auf Nachzahlung der Rentenversicherungsbeiträge, die sie als Arbeitnehmerin erhalten hätte, wenn sie über 45 Jahren gewesen wäre. Außerdem verlangte sie als Ausgleich für die erlittene Diskriminierung eine Abfindung von neun Monatsgehältern. Der Arbeitgeber weigerte sich mit der Begründung, Systeme der Altersversorgung fielen allgemein nicht unter das Verbot von Ungleichbehandlungen wegen des Alters.
Das mit dem Fall befasste Vestre Landsret setzte das Verfahren aus und bat den EuGH um Beantwortung der Frage, ob die altersabhängige Staffelung von Arbeitgeberbeiträgen zu einem Betriebsrentensystem eine rechtfertigungsbedürftige altersbedingte Ungleichbehandlung darstellt oder ob aber von der Ausnahmeregelung für Altersrenten erfasst wird (Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG).
In ihren Schlussanträgen vom 07.02.2013 sprach sich die Generalanwältin J. Kokott dafür aus, die für Rentensysteme geltende Ausnahmevorschrift des Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG hier zugunsten des verklagten Arbeitgebers anzuwenden. Denn, so das Argument der Generalanwältin:
Wenn es gemäß dieser Regelung zulässig ist, Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft in einem betrieblichen Rentensystem festzusetzen, hätte der verklagte Arbeitgeber zulässiger Weise z.B. alle Arbeitnehmer unter 45 Jahren von einer Bezuschussung ausnehmen können. Hier hatte der Arbeitgeber aber das mildere Mittel gewählt, d.h. er hatte Frau Kristensen nicht den Zugang zu dem Betriebsrentensystem verwehrt, sondern nur die Arbeitgeberzuzahlungen niedriger angesetzt als bei älteren Arbeitnehmern.
Wenn aber schon der völlige Ausschluss jüngerer Arbeitnehmer von der Betriebsrente rechtens ist, dann sollte es auch der finanziell (graduell) eingeschränkte Zugang sein.
EuGH: Die altersabhängige Differenzierung von Beiträgen zur Betriebsrente ist nicht generell aufgrund von Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG erlaubt
Obwohl der EuGH in den meisten Fällen den Vorschlägen seiner Generalanwälte folgt hat er es diesmal nicht getan.
Seiner Ansicht nach ist die Bereichsausnahme des Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG auf Fälle der vorliegenden Art nicht anzuwenden. Begründet wird dies im wesentlichen damit, dass Ausnahmevorschriften eng auszulegen seien. Und von einer Erlaubnis, Beiträge zur Betriebsrente altersabhängig zu differenzieren, steht in Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG nun einmal nichts.
Damit liegt natürlich noch nicht automatisch eine verbotene Diskriminierung vor, denn die altersabhängige Schlechterstellung der Klägerin könnte ja gemäß Art.6 Abs.1 Satz der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein, d.h. durch ein durch ein legitimes Ziel des Arbeitgebers, wenn dieses die Ungleichbehandlung als „objektiv und angemessen“ erscheinen und wenn die streitige Ungleichbehandlung als Mittel zur Zielerreichung „angemessen und erforderlich“ ist.
An dieser Stelle argumentierte der verklagte Arbeitgeber so: Die Ungleichbehandlung bei den Betriebsrentenzuschüssen soll es älteren Arbeitnehmern, die erst zu einem späten Zeitpunkt ihrer beruflichen Laufbahn in das Unternehmen eintreten, ermöglichen, innerhalb kurzer Zeit eine angemessene Altersvorsorge zu bilden.
Außerdem bezweckt die Regelung nach Ansicht des Arbeitgebers, junge Arbeitnehmer frühzeitig in diese betriebliche Altersversorgung einzubeziehen und ihnen zugleich einen größeren Teil ihres Gehalts belassen, denn sie tragen ja auch nur einen geringeren Arbeitnehmeranteil.
Diese Zielvorstellungen akzeptierte der EuGH als "nicht unvernünftig", überließ die letzte Beurteilung der Angemessenheit der streitigen Regelung aber dem dänischen Gericht.
Fazit: Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG stimmt überein mit der entsprechenden Regelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Denn bei der Umsetzung der europäischen Antidiskriminierungs-Vorgaben hat man sich in Deutschland nicht die Mühe gemacht, eigene Vorschriften zu erlassen, sondern hat statt dessen einfach die Richtlinie 2000/78/EG wörtlich übernommen. Daher ist § 10 Satz 1 und 2 AGG identisch mit Art.6 Abs.2 der Richtlinie 2000/78/EG.
Infolgedessen ist das EuGH-Urteil in Sachen Kristensen auch in Deutschland zu beachten, d.h. es wäre im Allgemeinen unzulässig bzw. nicht bereits durch § 10 Satz 1 und 2 AGG gerechtfertigt, wenn Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern höhere Zuschüsse zu einem Betriebsrentensystem zukommen lassen würden als jüngeren Arbeitnehmern. Die Rechtfertigungsargumente, die eine solche Ungleichbehandlung wegen des Alters möglicherweise erlauben, lassen sich ebenfalls der vorliegenden EuGH-Entscheidung entnehmen, d.h. es sind sachliche Gründe denkbar, die eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 26.09.2013, C-476/11 (HK Danmark)
- Schlussanträge der Generalanwältin Juliane Kokott, vom 07.02.2013, Rs. C-476/11 (Kristensen)
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Allgemein
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Letzte Überarbeitung: 2. August 2019
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