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Bezahlung von Reisezeiten bei Auslandsentsendung
23.10.2018. Über die Bezahlung von täglich anfallenden Fahrzeiten gibt es immer wieder Diskussionen, ebenso wie über die Vergütung längerer Reisezeiten, die im Rahmen von Dienstreisen erforderlich sind.
Vor allem, wenn Arbeitnehmer längere Strecken in öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen und dabei auch Zeit für private Tätigkeiten haben, gehen die Meinungen über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers auseinander.
In einem Urteil vom Mittwoch letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass längere Reisezeiten bei Dienstfahrten ins Ausland über acht Stunden hinaus zu vergüten sind: BAG, Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 553/17 (Pressemeldung des Gerichts).
- Welche Reisezeiten sind zu bezahlen und welche nicht?
- Der Streitfall: Ingenieur verlangt vollständige Bezahlung der Reisezeiten für eine Dienstreise zum Arbeitsort in China und zurück
- BAG: Dienstreisen zu ausländischen Arbeitsorten und zurück liegen allein im Arbeitgeberinteresse und sind im Allgemeinen wie Arbeit zu vergüten
Welche Reisezeiten sind zu bezahlen und welche nicht?
Die Vergütungspflicht des Arbeitgebers für Reisezeiten ist oft nicht eindeutig geregelt, abgesehen von drei Punkten, in denen unter Arbeitsrechtlern Einigkeit besteht:
Erstens: Bei der Frage der Bezahlung von Reise- bzw. Fahrzeiten kommt es nicht auf das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) an. Denn das ArbZG regelt nur die Frage, wie lange Arbeitnehmer im Höchstfall arbeiten dürfen, nicht aber die Frage, welche Tätigkeiten bzw. welche Vor- und Nachbereitungszeiten zu vergüten sind. Die Arbeitnehmerschutzvorschriften des ArbZG, d.h. der Achtstundentag, die 48-Stundenwoche, die Mindestpausen und die elfstündige Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen spielen für die Frage der Bezahlung von Reise- bzw. Fahrzeiten keine Rolle.
Zweitens: Die Fahrt des Arbeitnehmers von seiner Wohnung zum Betrieb und zurück gehört als Wegezeit zur Privatsphäre des Arbeitnehmers, d.h. sie ist nie zu bezahlen. Ausnahmen bestätigen diese Regel. So kann ein Anspruch auf Bezahlung von Fahrtzeiten bestehen, wenn ein Außendienstmitarbeiter auf entsprechende Weisung des Arbeitgebers und/oder auf arbeitsvertraglicher Grundlage vom Home-Office aus startet, so dass er direkt von seiner Haustür aus den ersten Kunden besucht.
Drittens: Fahrzeiten sind als Arbeitszeiten zu bezahlen, wenn die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht (auch) im Fahren besteht, wie dies z.B. bei Berufskraftfahrern sowie bei Servicetechnikern oder Vertriebskräften im Außendienst der Fall ist. Das gilt auch für Arbeitnehmer, die zwar keine Berufskraftfahrer sind, aber selbst am Steuer eines Pkw sitzen, denn das ist anstrengend, so dass für private Tätigkeiten kein Raum ist. Zu bezahlen sind auch Reisezeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn der Arbeitnehmer dort für den Arbeitgeber tätig ist, also z.B. dienstliche Telefonate führt oder Unterlagen durchsieht. In all diesen Fällen kann man die Reisezeit als „Arbeitszeit im vergütungsrechtlichen Sinne“ ansehen.
Abgesehen von diesen mehr oder weniger eindeutigen Fällen hängt die Pflicht zur Bezahlung von Reisezeiten erst einmal davon ab, ob diese Frage in einem einschlägigen Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt ist. Dann ergibt sich die Höhe der Bezahlung aus diesen Vereinbarungen.
Sind solche Regelungen nicht vorhanden, kommt es darauf an, ob der Arbeitnehmer eine „berechtigte Vergütungserwartung“ im Sinne von § 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat. Diese Vorschrift lautet:
„Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“
Auf der Grundlage dieser (sehr allgemeinen und daher im Einzelfall unklaren) Vorschrift können Arbeitnehmer in vielen Fällen erwarten, dass sie für die Reisezeiten zu Arbeitseinsatzorten, die der Arbeitgeber vorgibt, auch dann ihre reguläre Vergütung erhalten, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen.
Dies gilt jedenfalls bis zur Höchstgrenze der regulären täglichen Arbeitszeit. Ob und unter welchen Umständen eine darüber hinausgehende Reisezeit (ebenfalls) zu vergüten ist, ist umstritten. Klar ist jedenfalls, dass es hier Grenzen geben muss, z.B. für Übernachtungen oder für längere (Essens-)Pausen, da solche Zeiten ja auch dann nicht zu bezahlen wären, wenn der Arbeitnehmer anstatt zu reisen arbeiten würde.
Über einen solchen Fall, in dem der Arbeitnehmer pro Strecke mehr als einen Tag unterwegs war, hatte das BAG in seinem Urteil vom Mittwoch letzter Woche zu entscheiden.
Der Streitfall: Ingenieur verlangt vollständige Bezahlung der Reisezeiten für eine Dienstreise zum Arbeitsort in China und zurück
Geklagt hatte ein technischer Angestellter eines Bauunternehmens, der arbeitsvertraglich dazu verpflichtet war, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland zu arbeiten. Auf das Arbeitsverhältnis fand aufgrund beiderseitiger Tarifbindung der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau) Anwendung. Dort heißt es in § 7 Punkt 4.3, der Reisen zu „Arbeitsstellen ohne tägliche Heimfahrt“ betrifft:
„Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer kostenlos zur Arbeitsstelle zu befördern oder ihm die Fahrtkosten in Höhe von 0,20 € je gefahrenem Kilometer ohne Begrenzung zu erstatten. Das gilt auch für den unmittelbaren Wechsel zu einer anderen Arbeitsstelle und für die Rückfahrt zu seiner Wohnung nach Beendigung der Tätigkeit auf der Arbeitsstelle. Im Übrigen gilt Nr.3.1. In diesen Fällen hat der Arbeitnehmer für die erforderliche Reisezeit Anspruch auf seinen Gesamttarifstundenlohn ohne jeden Zuschlag.“
Im Streitfall gab es (abgesehen von dieser Tarifvorschrift) keine Regelungen über die Pflicht des Arbeitgebers zur Bezahlung von Reisezeiten, weder in Betriebsvereinbarungen noch im Arbeitsvertrag des Angestellten noch in dem Entsendevertrag, den er mit dem Unternehmen abgeschlossen hatte, bevor er von August bis Oktober 2015 auf eine Baustelle nach China entsandt wurde.
Der Hin- und der Rückflug dauerten bei dieser Reise etwas länger, da der Arbeitgeber auf Wunsch des Angestellten statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class buchte, der mit einem Zwischenstopp in Dubai verbunden war.
Das Unternehmen zahlte dem Angestellten für diese vier Reisetage pro Tag das arbeitsvertraglich vereinbarte Gehalt, jeweils für acht Stunden, insgesamt 1.149,44 EUR brutto. Der Angestellte war damit nicht einverstanden und verlangte Vergütung für weitere 15 Reisestunden (Anreise nach China) sowie für weitere 22 Reisestunden (Rückreise), insgesamt 1.661,30 EUR brutto. In dem Betrag enthalten war ein Zuschlag für Überstunden von 25 Prozent gemäß Tarifvertrag (BRTV-Bau). Denn aus Sicht des Angestellten waren die strittigen Reisestunden als Überstunden zu bewerten, da sie die Grenze von acht Stunden pro Tag überschritten.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen wies die Klage ab (Urteil vom 07.07.2016, 1 Ca 4/16), wohingegen das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz der Klage im Prinzip stattgab, allerdings ohne den Überstundenzuschlag (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2017, 2 Sa 468/16). Dabei stützte das LAG sein Urteil auf die o.g. Vorschrift des BRTV-Bau. Denn der BRTV-Bau ist, so jedenfalls das LAG Rheinland-Pfalz, auch auf Entsendungen ins Ausland anzuwenden.
BAG: Dienstreisen zu ausländischen Arbeitsorten und zurück liegen allein im Arbeitgeberinteresse und sind im Allgemeinen wie Arbeit zu vergüten
Das BAG hob das LAG-Urteil zwar auf, machte dabei aber deutlich, dass es den Anspruch des Angestellten im Prinzip für berechtigt hält. Allerdings, so das BAG, sind nur die „erforderlichen“ Reisezeiten zu bezahlen, und das wiederum sind diejenigen Reisezeiten, die bei einem Flug in der Economy-Class anfallen. Dazu heißt es in der Pressemeldung des BAG:
„Entsendet der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgen die Reisen zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und sind deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Erforderlich ist dabei grundsätzlich die Reisezeit, die bei einem Flug in der Economy-Class anfällt.“
Da die Formulierungen in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG sehr allgemein gehalten sind, d.h. den BRTV-Bau nicht erwähnen, stützt das BAG den Anspruch des Klägers möglicherweise auf § 612 BGB. Dann könnten Arbeitnehmer generell im Falle einer Auslandsentsendung ihre Reisezeiten ohne Beschränkungen abrechnen, jedenfalls über die Grenze von acht Stunden pro Tag hinaus.
Möglicherweise bezieht sich das BAG aber auch auf die spezielle Vorschrift des § 7 Punkt 4.3 BRTV-Bau. Dann wäre die Bedeutung des vorliegenden Urteils in erster Linie auf die Baubranche beschränkt. Hier wird man die Urteilsgründe abwarten müssen.
Fazit: Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist zu raten, in Entsendeverträgen die Frage der Bezahlung von Reisezeiten möglichst genau zu regeln. Dabei müssen Arbeitgeber bei der Ausformulierung solcher Vereinbarungen, die praktisch immer Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sein werden, das Verbot unklarer Regelungen und das Verbot unangemessener Benachteiligungen beachten (§ 307 BGB). So wäre ein völliger Ausschluss der Vergütungspflicht auch für Reisezeiten im Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit als unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2018, 5 AZR 553/17
- Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.07.2017, 2 Sa 468/16
- Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV-Bau), vom 04.07.2012
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsbereitschaft
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Bereitschaftsdienst
- Handbuch Arbeitsrecht: Entsendung ins Ausland (Auslandsentsendung, Auslandtätigkeit)
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohn und Gehalt
- Handbuch Arbeitsrecht: Rufbereitschaft
- Handbuch Arbeitsrecht: Überstunden, Mehrarbeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 20/001 Europarecht und Mitbestimmung bei der Arbeitszeiterfassung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/116 Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/053 Rufbereitschaft als Arbeitszeit
- Arbeitsrecht aktuell: 11/156 AGB-Kontrolle einer Arbeitszeitregelung: Arbeitsvertragliche Durchschnittsarbeitszeit ist unklar ohne Ausgleichszeitraum
- Arbeitsrecht aktuell: 10/234 „Break-Stunden“ auf dem Flughafen - Arbeitszeit und Freizeit?
- Arbeitsrecht aktuell: 10/096 Bereitschaftsdienst: Auch Beifahrer müssen bezahlt werden
- Arbeitsrecht aktuell: 10/056 Dienstreise oder Privatreise?
- Arbeitsrecht aktuell: 09/090 Pflicht zur Sonntagsarbeit auch ohne arbeitsvertragliche Grundlage
Letzte Überarbeitung: 7. Januar 2020
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