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ARBEITSRECHT AKTUELL // 10/056

Dienst­rei­se oder Pri­vat­rei­se?

Bun­des­fi­nanz­hof ent­schei­det zu steu­er­li­cher Ab­zugs­fä­hig­keit: Bun­des­fi­nanz­hof, Gro­ßer Se­nat, Be­schluss vom 21.09.2009, GrS 1/06
Urlaub am Meer, Palme, Luftmatratze, Sonnenhut und Badestrand Bun­des­fi­nanz­hof kippt das Auf­tei­lungs­ver­bot
22.03.2010. Wer ei­ne Dienst­rei­se an­tritt, ver­län­gert die­se oft um ein paar pri­vat ge­nutz­te Ta­ge.

Bei der Fra­ge der steu­er­li­chen Ab­zugs­fä­hig­keit war in die­sem Fall ei­ner ge­mischt pri­vat und dienst­lich ver­an­lass­ten Rei­se bis­her um­strit­ten, ob die Kos­ten für die­se Rei­se im Um­fang der be­ruf­li­chen Ver­an­las­sung steu­er­lich gel­tend ge­macht wer­den kön­nen oder nicht.

Die­sen Streit hat nun der Gro­ße Se­nat des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) ent­schie­den: BFH (Gro­ßer Se­nat), Be­schluss vom 21.09.2009, GrS 1/06.

Steu­er­li­che Ab­zugsfähig­keit von so­wohl pri­vat als auch be­ruf­li­che ver­an­lass­ten Rei­sen

Einkünf­te aus selbständi­ger und un­selbständi­ger Ar­beit un­ter­lie­gen der Ein­kom­men­steu­er nach dem Ein­kom­men­steu­er­ge­setz (EStG). Bei der Er­mitt­lung der Einkünf­te wer­den be­trieb­lich ver­an­lass­te Auf­wen­dun­gen (Be­triebs­aus­ga­ben) und Auf­wen­dun­gen zur Er­wer­bung, Si­che­rung und Er­hal­tung der Ein­nah­men (Wer­bungs­kos­ten) ab­ge­zo­gen, d.h. zu ver­steu­ern ist das Ein­kom­men, das sich als Er­geb­nis nach Ab­zug von Auf­wen­dun­gen zur Ein­kom­mens­er­zie­lung er­rech­net (sog. Net­to­prin­zip).

Gemäß § 12 Nr.1 EStG sind al­ler­dings Auf­wen­dun­gen der pri­va­ten Le­bensführung selbst dann nicht ab­zugsfähig, wenn sie (auch) der Förde­rung des Be­rufs oder der Tätig­keit des Steu­er­pflich­ti­gen die­nen. Dar­aus fol­gert die Fi­nanz­ver­wal­tung seit je­her, dass Auf­wen­dun­gen mit „ge­misch­ter“, d.h. teils pri­va­ter und teils be­ruf­li­cher Ver­an­las­sung in der Re­gel vollständig dem Pri­vat­be­reich zu­zu­rech­nen sind. Die­se Hand­ha­bung hat zur Fol­ge, dass der Steu­er­pflich­ti­ge der Dum­me ist, da er den nicht pri­va­ten An­teil sei­ner ge­misch­ten Auf­wen­dung nicht als Wer­bungs­kos­ten gel­tend ma­chen kann.

An­ders als bei der Fi­nanz­ver­wal­tung ist in der Recht­spre­chung der Fi­nanz­ge­rich­te und der steu­er­recht­li­chen Li­te­ra­tur ist die Fra­ge um­strit­ten, ob aus § 12 Nr.1 EStG ein all­ge­mei­nes Ver­bot folgt, ge­misch­te Auf­wen­dun­gen auf­zu­tei­len (sog. „Auf­tei­lungs­ver­bot“). Selbst Ent­schei­dun­gen des Großen Se­na­tes des Bun­des­fi­nanz­ho­fes brach­ten kei­ne dau­er­haf­te Rechts­si­cher­heit, ob­wohl ihm als ei­ne Art re­präsen­ta­ti­ve "Ge­ne­ral­ver­samm­lung" der ver­schie­de­nen Se­na­te des Bun­des­fi­nanz­hofs (BFH) ei­ne be­son­de­re Be­deu­tung zu­kommt.

Prak­tisch be­son­ders be­deut­sam ist die­se Dis­kus­si­on bei Rei­se­kos­ten. Geschäfts­rei­sen bie­ten oft die Ge­le­gen­heit für pri­va­te Ak­ti­vitäten, bei­spiels­wei­se für ei­nen vor oder nach den geschäft­li­chen Ter­mi­nen lie­gen­den Ur­laub­s­auf­ent­halt. Da sich die Geschäfts­rei­se­kos­ten aus ver­schie­de­nen Po­si­tio­nen zu­sam­men­set­zen, z.B. aus Trans­port­kos­ten, Ta­gungs­gebühren, Ver­pfle­gungs­mehr­auf­wand und Über­nach­tungs­kos­ten, fragt sich z.B., ob die Rück­flug­kos­ten nach ei­nem Ur­laub, der sich di­rekt an ein mehrtägi­ges Se­mi­nar an­sch­ließt, pri­vat oder dienst­lich ver­an­lasst sind.

Die Recht­spre­chung ging bis­her über­wie­gend - im Sin­ne der Fi­nanz­ver­wal­tung - von ei­ner ein­heit­li­chen Be­trach­tung der Rei­se je nach dem Schwer­punkt der Rei­se aus und sah von ei­ner Auf­tei­lung nach Zeit­ab­schnit­ten oder ein­zel­nen Kos­ten­po­si­tio­nen meist ab. Wie ge­sagt kann aber von ei­ner ein­heit­li­chen Li­nie kaum nicht die Re­de sein. Zu die­ser Fra­ge hat sich nun­mehr der Große Se­nat des Bun­des­fi­nanz­hofs geäußert (Be­schlus vom 21.09.2009, GrS 1/06).

Der Fall des Bun­des­fi­nanz­hofs: An­ge­stell­ter kom­bi­niert Dienst­rei­se nach Las Ve­gas mit pri­vat ge­nutz­ten Ta­gen

1994 flog ein kaufmänni­scher An­ge­stell­ter aus dem Be­reich In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie im Rah­men sei­ner be­ruf­li­chen Tätig­keit an ei­nem Frei­tag zu ei­ner Com­pu­ter-Mes­se in Las Ve­gas. Die Mes­se wur­de ganztägig von Mon­tag bis Don­ners­tag Mit­tag durch­geführt. Am dar­auf­fol­gen­den Sams­tag flog der An­ge­stell­te zurück und traf am Sonn­tag wie­der in Deutsch­land ein.

Da­nach mach­te er sei­ne Flug­kos­ten, Ta­gungs­gebühren, Ver­pfle­gungs­mehr­auf­wand und Ho­tel­kos­ten für sechs Näch­te als Wer­bungs­kos­ten gel­tend. Das Fi­nanz­amt berück­sich­tig­te nur die Ta­gungs­kos­ten. Hier­ge­gen setz­te sich der An­ge­stell­te ge­richt­lich zur Wehr, d.h. er zog vor das Fi­nanz­ge­richt.

Das Fi­nanz­ge­richt gab sei­ner Kla­ge teil­wei­se statt. Vier der sie­ben Rei­se­ta­ge sei­en ein­deu­tig be­ruf­lich ver­an­lasst. Da­her teil­te es die Ge­samt­kos­ten der Rei­se, ins­be­son­de­re auch die Flug- und Über­nach­tungs­kos­ten, ent­spre­chend auf. Ei­ne sol­che Auf­tei­lung hielt das Fi­nanz­ge­richt für möglich, weil an den ein­zel­nen Mes­se­ta­gen ganztägig be­ruf­li­che Ver­an­stal­tun­gen statt­ge­fun­den hat­ten.

Das Fi­nanz­amt moch­te sich mit die­ser Einschätzung nicht ab­fin­den und leg­te die Re­vi­si­on beim Bun­des­fi­nanz­hof ein. Der für den Fall zuständi­ge sechs­te Se­nat woll­te die ers­te In­stanz im Kern in­halt­lich bestäti­gen, sah sich hier­an aber durch die Recht­spre­chung an­de­rer Se­na­te ge­hin­dert, die sich in frühe­ren Ent­schei­dun­gen ge­gen ei­ne Auf­tei­lung aus­ge­spro­chen hat­ten.

Wie in sol­chen Fällen vor­ge­se­hen rief der sechs­te Se­nat da­her Mit­te 2006 den Großen Se­nat des BFH an (BFH, Be­schluss vom 13.09.2006, VI R 94/01).

Bun­des­fi­nanz­hof: Rei­se an­tei­lig steu­er­lich ab­zugsfähig: Quo­telung nach pri­vat und be­ruf­lich ver­brach­ten Ta­gen

Die Mühlen der Fi­nanzbüro­kra­tie mah­len lang­sam, aber fein: Gut drei Jah­re nach dem Vor­la­ge­be­schluss des sech­sen Se­nats ent­schied der ge­mein­sa­me Große Se­nat des BFH, dass der Auf­fas­sung des vor­le­gen­den sechs­ten Se­na­tes (und da­her auch der Auf­fas­sung des Klägers und des Fi­nanz­ge­richts) zu fol­gen ist (Be­schlus vom 21.09.2009, GrS 1/06). Da­mit wur­de der auf das Ver­an­la­gungs­jahr 1994 be­zo­ge­ne Streit En­de 2009 (!) im Grund­satz höchst­rich­ter­lich ent­schie­den.

Der Große Se­nat spricht sich dafür aus, dass bei ge­mischt ver­an­lass­ten Rei­sen die be­trieb­lich bzw. be­ruf­lich ver­an­lass­ten Tei­le der Rei­se­kos­ten steu­er­lich ab­setz­bar sind. Außer­dem gibt er für die Auf­tei­lung der Kos­ten be­stimm­te Eck­punk­te vor.

Die­ser Be­schluss mar­kiert ei­ne grund­le­gen­de Ände­rung der Recht­spre­chung: Bis­her gin­gen die Ge­rich­te (über­wie­gend) da­von aus, bei ge­misch­ten Rei­sen sei ei­ne Auf­tei­lung der Kos­ten in ei­nen be­ruf­li­chen und ei­nen pri­va­ten Teil nicht zulässig. Das ist nun­mehr an­ders. Sach­ge­recht ist nach Auf­fas­sung des Großen Se­nats im Re­gel­fall ei­ne Auf­tei­lung der Rei­se nach be­ruf­li­chen (oder be­trieb­li­chen) und pri­va­ten zeit­li­chen An­tei­len. Aus­nahms­wei­se könne es je­doch er­for­der­lich sein, ei­nen an­de­ren Auf­tei­lungs­maßstab her­an­zu­zie­hen oder von ei­ner Auf­tei­lung ganz ab­zu­se­hen.

Da­mit sind ein­deu­tig be­ruf­li­che oder be­trieb­li­che Kos­ten­an­tei­le vom zu ver­steu­ern­den Ein­kom­men ab­setz­bar. Zwei­fel ge­hen aber nach wie vor zu Las­ten des Steu­er­pflich­ti­gen. Ei­ne gu­te Do­ku­men­ta­ti­on des Rei­se­ab­lau­fes, bei­spiels­wei­se durch Flug­ti­ckets und Se­mi­nar­un­ter­la­gen, ist da­her wich­ti­ger den je. So­weit nicht der An­teil, son­dern nur die Höhe der Kos­ten un­klar ist, kommt nach all­ge­mei­nen Grundsätzen ei­ne Schätzung in Be­tracht.

Fa­zit: Auf die Fi­nanz­ge­rich­te und die Fi­nanz­ge­rich­te kommt nun­mehr die Auf­ga­be zu, sich mit den lie­be­voll auf­be­rei­te­ten Ein­zel­hei­ten von teils dienst­li­chen und teils pri­va­ten Rei­sen aus­ein­an­der­zu­set­zen. Um die­se Auf­ga­be ist zwar nie­mand zu be­nei­den, doch muss sie eben bewältigt wer­den, da sonst das der Be­steue­rung zu­grun­de lie­gen­de Net­to­prin­zip miss­ach­tet würde. Zwar wer­den ge­wis­se Pau­scha­li­sie­run­gen zur Ver­ein­fa­chung der Ver­wal­tungs­abläufe auf al­len Rechts­ge­bie­ten an­ge­wandt, doch müssen sie sich in vernünf­ti­gen Gren­zen hal­ten und dürfen im Steu­er­recht nicht so ra­bi­at zu Las­ten des Bürgers ge­hen. Vor die­sem Hin­ter­grund ist der Be­schluss des Großen Se­nats des BFH zu be­grüßen.

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Letzte Überarbeitung: 1. November 2018

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