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Rufbereitschaft als Arbeitszeit
28.02.2018. Bereitschaftsdienste, wie sie z.B. Ärzte in Krankenhäusern oder Feuerwehrleute auf der Feuerwache leisten, gelten als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) und der dahinter stehenden Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG).
Denn während eines Bereitschaftsdienstes muss man sich im Betrieb aufhalten, um bei Bedarf binnen möglichst kurzer Zeit mit der Arbeit loslegen zu können.
Im Unterschied zu Bereitschaftsdiensten kann man während einer Rufbereitschaft zu Hause sein, muss sich allerdings darauf einstellen, dass man per Handy oder Piepser zur Arbeit gerufen wird. Rufbereitschaften gelten daher nicht als Arbeitszeit.
In einem aktuellen Urteil hat der europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass auch Rufbereitschaften unter bestimmten Umständen als Arbeitszeit anzusehen sind: EuGH, Urteil vom 21.02.2018, C-518/15 (Ville de Nivelles gg. Matzak).
- Warum gelten Bereitschaftsdienste als Arbeitszeiten, Rufbereitschaften dagegen nicht?
- Der Streitfall: Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Belgien verlangt Bezahlung für Rufbereitschaftsdienste
- EuGH: Rufbereitschaften, während der ein Arbeitnehmer zwar zu Hause sein kann, aber notfalls binnen acht Minuten im Betrieb erscheinen muss, sind Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie
Warum gelten Bereitschaftsdienste als Arbeitszeiten, Rufbereitschaften dagegen nicht?
Sowohl die Richtlinie 2003/88/EG als auch das ArbZG enthalten aus Gründen des Gesundheitsschutzes Beschränkungen der maximal zulässigen täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten der Arbeitnehmer. So ist z.B. eine Mindestruhezeit nach Arbeitsschluss von 11 Stunden pro 24-Stunden-Zeitraum vorgeschrieben (Art.3 Richtlinie 2003/88/EG, § 5 Abs.1 ArbZG), eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Siebentageszeitraum (Art.6 Richtlinie 2003/88/EG, § 3 ArbZG, §§ 9 ff. ArbZG) sowie eine Mindestruhezeit von 24 Stunden pro Siebentageszeitraum (Art.5 Richtlinie 2003/88/EG, §§ 9 ff. ArbZG).
Die Anwendung dieser Schutzvorschriften setzt voraus, dass die Grenze zwischen Arbeit bzw. Arbeitszeit und Nicht-Arbeit bzw. Ruhezeit klar gezogen ist. Hier besteht im Prinzip Einigkeit darüber, dass Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienste als Arbeitszeit gelten, Rufbereitschaften dagegen nicht.
Denn während einer Arbeitsbereitschaft muss sich der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz aufhalten und je nach Bedarf von sich aus die Arbeit aufnehmen. Das trifft z.B. auf Verkäufer zu, die auf Kundschaft warten.
Auch bei Bereitschaftsdiensten, die im Betrieb bzw. in der Dienststelle zu leisten sind, kann nicht von Freizeit die Rede sein, auch wenn die Arbeitnehmer nicht ständig am Arbeitsplatz anwesend sein müssen, sondern sich in Ruheräumen aufhalten und dort z.B. lesen, fernsehen oder schlafen können.
Im Unterschied dazu können sich Arbeitnehmer während einer Rufbereitschaft außerhalb des Betriebes an einem von ihnen gewählten Ort aufhalten, müssen aber erreichbar sein, um innerhalb einer im Voraus festgelegten Reaktionszeit ihre Arbeit aufnehmen zu können. Als Arbeitszeit gilt hier bisher nur die Zeit der effektiven Arbeit, das heißt die sog. Heranziehungszeit. In diesem Sinne hat bislang auch der EuGH entschieden, so z.B. in zwei wichtigen arbeitszeitrechtlichen Urteilen (EuGH, Urteil vom 03.10.2000, C-303/98 - SIMAP, Rn.50; EuGH, Urteil vom 09.09.2003, C-151/02 - Jaeger, Rn.65).
Diese Rechtsprechung hat der EuGH mit dem hier besprochenen Urteil aufgelockert.
Der Streitfall: Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in Belgien verlangt Bezahlung für Rufbereitschaftsdienste
Im Streitfall wollte ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt Nevilles (Belgien), Herr Matzak, einen finanziellen Ausgleich dafür, dass er über lange Jahre hinweg Rufbereitschaften geleistet hatte. Dabei konnte er zwar zu Hause sein, musste aber gemäß den Vorgaben der Feuerwehr zwei Bedingungen erfüllen:
- Erstens musste sich sein Wohnsitz oder Aufenthalt an einem Ort befinden, von dem aus die Feuerwehrkaserne von Nivelles bei normalem Verkehrsfluss und unter Einhaltung der Straßenverkehrsordnung in höchstens acht Minuten erreicht werden kann.
- Zweitens (und der o.g. Vorgabe entsprechend) musste sich Herr Matzak während einer Rufbereitschaft jederzeit in einer Entfernung von der Feuerwehrkaserne aufhalten, die es ihm erlaubt, sie bei normalem Verkehrsfluss in höchstens acht Minuten zu erreichen.
Im Dezember 2009 erhob Herr Matzak Klage auf Vergütung seiner Rufbereitschaften und hatte damit erstinstanzlich im März 2012 vor dem Arbeitsgericht Nivelles Erfolg. Das Berufungsgericht, die Cour du travail de Bruxelles (Arbeitsgerichtshof Brüssel) legte dem EuGH einige Fragen zur Vorabentscheidung vor, u.a. die Frage, ob es die Richtlinie 2003/88 verbietet, eine zu Hause geleistete Rufbereitschaft unter den hier gegebenen, den Arbeitnehmer stark belastenden Umständen als Arbeitszeit zu werten.
EuGH: Rufbereitschaften, während der ein Arbeitnehmer zwar zu Hause sein kann, aber notfalls binnen acht Minuten im Betrieb erscheinen muss, sind Arbeitszeit im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie
In seiner Entscheidung stellt der Gerichtshof zunächst (wenig überraschend) klar, dass die EU-Mitgliedstaaten den Arbeitszeitbegriff im Sinne der Richtlinie 2003/88 nicht aufweichen können und dass die Richtlinie keine Vorgaben zur Bezahlung enthält.
Die eigentlich interessante Anfrage beantwortet der EuGH dann in dem Sinne, dass er nicht mehr ohne Ausnahme an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, der zufolge Rufbereitschaften keine Arbeitszeiten im Sinne der Arbeitszeitrichtlinie sind. Dazu heißt es in dem Urteil (Rn.61 bis 65):
Hier im Streitfall musste Herr Matzak während der Rufbereitschaften nicht nur für seinen Arbeitgeber erreichbar sein, sondern er war verpflichtet, einem Ruf zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten. Außerdem musste er an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort, d.h. in einer eng definierten Nähe zur Feuerwehrkaserne persönlich anwesend sein. Im Unterschied zu den Bereitschaftsdienst-Fällen war dieser Ort allerdings der Wohnsitz des Klägers und nicht sein Arbeitsplatz.
Insgesamt kommt der Gerichtshof mit Blick auf diesen Fall zu dem Ergebnis, dass die hier streitige Rufbereitschaft als Arbeitszeit im Sinne von Art.2 der Richtlinie 2003/88 anzusehen ist (Rn.64, 65).
Fazit: Der EuGH stellt mit diesem Urteil nicht allgemein fest, dass Rufbereitschaften als Arbeitszeit im Sinne von Art.2 der Richtlinie 2003/88 zu gelten haben. Allerdings kommt eine solche Bewertung in Betracht, wenn die Reaktionszeiten, die der Arbeitnehmer gewährleisten muss, sehr kurz bemessen sind, und wenn sich der Arbeitnehmer in einer dementsprechend geringen Entfernung vom Betrieb aufhalten muss.
Auf ärztliche Rufbereitschaftsdienste ist die vorliegende Entscheidung daher nicht ohne weiteres anwendbar, denn für solche Rufbereitschaften ist die Heranziehung in Form einer telefonischen Unterstützung der in der Klinik arbeitenden Kollegen typisch. Allerdings kommt es auch hier eine Bewertung der Rufbereitschaft als Arbeitszeit in Betracht, wenn der Rufbereitschaftsarzt dazu verpflichtet ist, notfalls innerhalb einer kurzen Zeit in der Klinik seinen Dienst aufzunehmen.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat der EuGH außerdem der aktuellen Diskussion über eine Heranziehung von Arbeitnehmern zur mobilen Arbeit in den Abendstunden und am Wochenende einen Dämpfer verpasst. Denn dass nur die effektive "Netto-Arbeit" am Handy oder Laptop als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitrechts gilt, ist auf der Grundlage dieses EuGH-Urteils keineswegs selbstverständlich.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.02.2018, C-518/15 (Ville de Nivelles gg. Matzak)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 09.09.2003, C-151/02 (Jaeger)
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 03.10.2000, C-303/98 (SIMAP)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeit auf Abruf
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsbereitschaft
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitszeit und Arbeitszeitrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Bereitschaftsdienst
- Handbuch Arbeitsrecht: Rufbereitschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 20/001 Europarecht und Mitbestimmung bei der Arbeitszeiterfassung
- Arbeitsrecht aktuell: 19/116 Pflicht zur Arbeitszeiterfassung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/260 Bezahlung von Reisezeiten bei Auslandsentsendung
- Arbeitsrecht aktuell: 16/205 Mindestlohngesetz gilt auch für Bereitschaftsdienste
- Arbeitsrecht aktuell: 13/332 Chefarztvergütung und Rufbereitschaft
- Arbeitsrecht aktuell: 10/124 Rufbereitschaft: Unfall auf dem Weg zur Arbeit
- Arbeitsrecht aktuell: 09/051 Freizeitausgleich für Berliner Feuerwehrbeamte wegen unzureichender Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie
Letzte Überarbeitung: 2. August 2020
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