HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 09.09.2003, C-151/02 - Ja­e­ger

   
Schlagworte: Bereitschaftsdienst, Arbeitszeit
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-151/02
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.09.2003
   
Leitsätze:

1. Die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist dahin auszulegen, dass der Bereitschaftsdienst, den ein Arzt in Form persönlicher Anwesenheit im Krankenhaus leistet, in vollem Umfang Arbeitszeit im Sinne dieser Richtlinie darstellt, auch wenn es dem Betroffenen in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, gestattet ist, sich an seiner Arbeitsstelle auszuruhen, so dass die Richtlinie der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der Zeiten, in denen ein Arbeitnehmer während eines Bereitschaftsdienstes untätig ist, als Ruhezeit eingestuft werden.

2. Die Richtlinie 93/104 ist ferner dahin auszulegen, dass

- sie unter Umständen wie denjenigen des Ausgangsverfahrens der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die bei einem in Form persönlicher Anwesenheit im Krankenhaus geleisteten Bereitschaftsdienst - gegebenenfalls über einen Tarifvertrag oder eine aufgrund eines Tarifvertrags getroffene Betriebsvereinbarung - einen Ausgleich nur der Bereitschaftsdienstzeiten zulässt, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich eine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat;

- eine Kürzung der täglichen Ruhezeit von elf zusammenhängenden Stunden durch Ableistung eines Bereitschaftsdienstes, der zur regelmäßigen Arbeitszeit hinzukommt, nur dann unter die Abweichungsbestimmungen in Artikel 17 Absatz 2 Nummer 2.1 Buchstabe c Ziffer i dieser Richtlinie fällt, wenn den betroffenen Arbeitnehmern gleichwertige Ausgleichsruhezeiten im unmittelbaren Anschluss an die entsprechenden Arbeitsperioden gewährt werden;

- eine solche Kürzung der täglichen Ruhezeit darüber hinaus in keinem Fall zu einer Überschreitung der in Artikel 6 der Richtlinie festgesetzten Höchstdauer der wöchentlichen Arbeitszeit führen darf.

Vorinstanzen:
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHO­FES

9. Sep­tem­ber 2003(1)

„So­zi­al­po­li­tik - Schutz der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer - Richt­li­nie 93/104/EG - Be­grif­fe .Ar­beits­zeit‘ und .Ru­he­zeit‘ - Be­reit­schafts­dienst ei­nes Arz­tes in ei­nem Kran­ken­haus“

In der Rechts­sa­che C-151/02

be­tref­fend ein dem Ge­richts­hof nach Ar­ti­kel 234 EG vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein (Deutsch­land) in dem bei die­sem anhängi­gen Rechts­streit

Lan­des­haupt­stadt Kiel

ge­gen

Nor­bert Ja­e­ger

vor­ge­leg­tes Er­su­chen um Vor­ab­ent­schei­dung über die Aus­le­gung der Richt­li­nie 93/104/EG des Ra­tes vom 23. No­vem­ber 1993 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. L 307, S. 18), ins­be­son­de­re ih­rer Ar­ti­kel 2 Num­mer 1 und 3,

erlässt

DER GERICH­TSHOF

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten G. C. Ro­dríguez Igle­si­as, der Kam­mer­präsi­den­ten M. Wa­the­let, R. Sch­int­gen (Be­richt­er­stat­ter) und C. W. A. Tim­mer­m­ans, der Rich­ter C. Gul­mann, D. A. O. Ed­ward, P. Jann und V. Skou­ris, der Rich­te­rin­nen F. Ma­cken und N. Col­ne­ric so­wie der Rich­ter S. von Bahr, J. N. Cun­ha Ro­d­ri­gues und A. Ro­sas,

Ge­ne­ral­an­walt: D. Ruiz-Ja­rabo Co­lo­mer,


Kanz­ler: H. A. Rühl, Haupt­ver­wal­tungs­rat,

un­ter Berück­sich­ti­gung der schrift­li­chen Erklärun­gen

- der Lan­des­haupt­stadt Kiel, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt W. Weißle­der,

- von Herrn Ja­e­ger, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt F. Schramm,

- der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch W.-D. Ples­sing und M. Lum­ma als Be­vollmäch­tig­te,

- der däni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch J. Mol­de als Be­vollmäch­tig­ten,

- der nie­derländi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch H. G. Se­vens­ter als Be­vollmäch­tig­te,

- der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs, ver­tre­ten durch P. Or­mond als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von K. Smith, Bar­ris­ter,

- der Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch A. Are­su und H. Krep­pel als Be­vollmäch­tig­te,

auf­grund des Sit­zungs­be­richts,

nach Anhörung der münd­li­chen Ausführun­gen der Lan­des­haupt­stadt Kiel, ver­tre­ten durch Rechts­anwälte W. Weißle­der, M. Bech­told und D. Seck­ler, von Herrn Ja­e­ger, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt F. Schramm, der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch W.-D. Ples­sing, der französi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch C. Le­mai­re als Be­vollmäch­tig­ten, der nie­derländi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch N. A. J. Bel als Be­vollmäch­tig­ten, der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs, ver­tre­ten durch P. Or­mond im Bei­stand von K. Smith, so­wie der Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch H. Krep­pel und F. Hoff­meis­ter als Be­vollmäch­tig­ten, in der Sit­zung vom 25. Fe­bru­ar 2003,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 8. April 2003

fol­gen­des

Ur­teil

1

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein hat mit Be­schluss vom 12. März 2002, geändert durch Be­schluss vom 25. März 2002, bei­de beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 26. April 2002, gemäß Ar­ti­kel 234 EG vier Fra­gen nach der Aus­le­gung der Richt­li­nie 93/104/EG des Ra­tes vom 23. No­vem­ber 1993 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. L 307, S. 18), ins­be­son­de­re ih­rer Ar­ti­kel 2 Num­mer 1 und 3, zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt.

2

Die­se Fra­gen stel­len sich in ei­nem Rechts­streit zwi­schen der Lan­des­haupt­stadt Kiel (im Fol­gen­den: Be­klag­te) und Herrn Ja­e­ger (im Fol­gen­den: Kläger) über die De­fi­ni­ti­on der Be­grif­fe „Ar­beits­zeit“ und „Ru­he­zeit“ im Sin­ne der Richt­li­nie 93/104 im Rah­men des von ei­nem Arzt ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­diens­tes in ei­nem Kran­ken­haus.

Recht­li­cher Rah­men

Die Ge­mein­schafts­re­ge­lung

3

Die Richt­li­nie 93/104 enthält, wie sich aus ih­rem Ar­ti­kel 1 er­gibt, Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung und fin­det An­wen­dung auf al­le pri­va­ten oder öffent­li­chen Tätig­keits­be­rei­che mit Aus­nah­me des Straßen-, Luft-, See- und Schie­nen­ver­kehrs, der Bin­nen­schiff­fahrt, der See­fi­sche­rei, an­de­rer Tätig­kei­ten auf See so­wie der Tätig­kei­ten der Ärz­te in der Aus­bil­dung.

4

Un­ter der Über­schrift „Be­griffs­be­stim­mun­gen“ heißt es in Ar­ti­kel 2 der Richt­li­nie:

„Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie sind:

1. Ar­beits­zeit: je­de Zeit­span­ne, während der ein Ar­beit­neh­mer gemäß den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten ar­bei­tet, dem Ar­beit­ge­ber zur Verfügung steht und sei­ne Tätig­keit ausübt oder Auf­ga­ben wahr­nimmt;

2. Ru­he­zeit: je­de Zeit­span­ne außer­halb der Ar­beits­zeit;

...“

5

Ab­schnitt II der Richt­li­nie 93/104 be­stimmt die Maßnah­men, die die Mit­glied­staa­ten tref­fen müssen, da­mit je­dem Ar­beit­neh­mer u. a. ei­ne tägli­che und ei­ne wöchent­li­che Min­destru­he­zeit gewährt wird, und re­gelt die wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit.

6

Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie 93/104 („Tägli­che Ru­he­zeit“) lau­tet:

„Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­dem Ar­beit­neh­mer pro 24-St­un­den-Zeit­raum ei­ne Min­destru­he­zeit von elf zu­sam­menhängen­den St­un­den gewährt wird.“

7

In Be­zug auf die wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­stimmt Ar­ti­kel 6 die­ser Richt­li­nie:

„Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit nach Maßga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer:

...

2. die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 St­un­den ein­sch­ließlich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet.“

8

Ar­ti­kel 15 der Richt­li­nie 93/104 lau­tet:

„Das Recht der Mit­glied­staa­ten, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen oder die An­wen­dung von für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­ren Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern zu fördern oder zu ge­stat­ten, bleibt un­berührt.“

9

Ar­ti­kel 16 die­ser Richt­li­nie be­stimmt:

„Die Mit­glied­staa­ten können für die An­wen­dung der fol­gen­den Ar­ti­kel ei­nen Be­zugs­zeit­raum vor­se­hen, und zwar

...

2. für Ar­ti­kel 6 (wöchent­li­che Höchst­ar­beits­zeit) ei­nen Be­zugs­zeit­raum bis zu vier Mo­na­ten.

...“

10

Die Richt­li­nie sieht fer­ner auf­grund der Be­son­der­hei­ten be­stimm­ter Tätig­kei­ten un­ter ge­wis­sen Vor­aus­set­zun­gen ei­ne Rei­he von Ab­wei­chun­gen von meh­re­ren ih­rer Grund­re­geln vor. Hier­zu heißt es in ih­rem Ar­ti­kel 17:

„(1) Un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grundsätze des Schut­zes der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer können die Mit­glied­staa­ten von den Ar­ti­keln 3, 4, 5, 6, 8 und 16 ab­wei­chen, wenn die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­geübten Tätig­keit nicht ge­mes­sen und/oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, und zwar ins­be­son­de­re in Be­zug auf nach­ste­hen­de Ar­beit­neh­mer:

a) lei­ten­de An­ge­stell­te oder sons­ti­ge Per­so­nen mit selbständi­ger Ent­schei­dungs­be­fug­nis;

b) Ar­beits­kräfte, die Fa­mi­li­en­an­gehöri­ge sind;

c) Ar­beit­neh­mer, die im lit­ur­gi­schen Be­reich von Kir­chen oder Re­li­gi­ons­ge­mein­schaf­ten beschäftigt sind.

(2) So­fern die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer gleich­wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten oder in Aus­nah­mefällen, in de­nen die Gewährung sol­cher gleich­wer­ti­gen Aus­gleichs­ru­he­zei­ten aus ob­jek­ti­ven Gründen nicht möglich ist, ei­nen an­ge­mes­se­nen Schutz er­hal­ten, kann im We­ge von Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten oder im We­ge von Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern ab­ge­wi­chen wer­den:

2.1. von den Ar­ti­kel 3, 4, 5, 8 und 16:

...

c) bei Tätig­kei­ten, die da­durch ge­kenn­zeich­net sind, dass die Kon­ti­nuität des Diens­tes oder der Pro­duk­ti­on gewähr­leis­tet sein muss, und zwar ins­be­son­de­re bei

i) Auf­nah­me-, Be­hand­lungs- und/oder Pfle­ge­diens­ten von Kran­kenhäusern oder ähn­li­chen Ein­rich­tun­gen, Hei­men so­wie Gefäng­nis­sen,

...

iii) Pres­se-, Rund­funk-, Fern­seh­diens­ten oder ki­ne­ma­to­gra­phi­scher Pro­duk­ti­on, Post oder Te­le­kom­mu­ni­ka­ti­on, Am­bu­lanz-, Feu­er­wehr- oder Ka­ta­stro­phen­schutz­diens­ten,

...

(3) Von den Ar­ti­keln 3, 4, 5, 8 und 16 kann ab­ge­wi­chen wer­den im We­ge von Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler oder re­gio­na­ler Ebe­ne oder, bei zwi­schen den So­zi­al­part­nern ge­trof­fe­nen Ab­ma­chun­gen, im We­ge von Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern auf nied­ri­ge­rer Ebe­ne.

...

Die Ab­wei­chun­gen gemäß den Un­terabsätzen 1 und 2 sind nur un­ter der Vor­aus­set­zung zulässig, dass die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer gleich­wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten oder in Aus­nah­mefällen, in de­nen die Gewährung sol­cher Aus­gleichs­ru­he­zei­ten aus ob­jek­ti­ven Gründen nicht möglich ist, ei­nen an­ge­mes­se­nen Schutz er­hal­ten.

...“

11

Ar­ti­kel 18 der Richt­li­nie 93/104 be­stimmt:

„1. a) Die Mit­glied­staa­ten set­zen die er­for­der­li­chen Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten in Kraft, um die­ser Richt­li­nie spätes­tens am 23. No­vem­ber 1996 nach­zu­kom­men, oder sie ver­ge­wis­sern sich spätes­tens zu die­sem Zeit­punkt, dass die So­zi­al­part­ner mit­tels Ver­ein­ba­run­gen die er­for­der­li­chen Be­stim­mun­gen einführen; da­bei sind die Mit­glied­staa­ten ge­hal­ten, die er­for­der­li­chen Vor­keh­run­gen zu tref­fen, da­mit sie je­der­zeit gewähr­leis­ten können, dass die von der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Er­geb­nis­se er­zielt wer­den.

b) i) Es ist ei­nem Mit­glied­staat je­doch frei­ge­stellt, Ar­ti­kel 6 nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grundsätze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer einhält und mit den er­for­der­li­chen Maßnah­men dafür sorgt, dass

- kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Num­mer 2 ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 St­un­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ge­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit erklärt;

- kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ne sol­che Ar­beit zu leis­ten;

- der Ar­beit­ge­ber ak­tu­el­le Lis­ten über al­le Ar­beit­neh­mer führt, die ei­ne sol­che Ar­beit leis­ten;

- die Lis­ten den zuständi­gen Behörden zur Verfügung ge­stellt wer­den, die aus Gründen der Si­cher­heit und/oder des Schut­zes der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer die Möglich­keit zur Über­schrei­tung der wöchent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­ter­bin­den oder ein­schränken können;

- der Ar­beit­ge­ber die zuständi­gen Behörden auf Er­su­chen darüber un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit erklärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Num­mer 2 ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 St­un­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ge­zeit­raums zu ar­bei­ten.

...“

Die na­tio­na­le Re­ge­lung

12

Das deut­sche Ar­beits­recht un­ter­schei­det zwi­schen „Ar­beits­be­reit­schaft“, „Be­reit­schafts­dienst“ und „Ruf­be­reit­schaft“.

13

Die­se drei Be­grif­fe sind in den hier ein­schlägi­gen na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten nicht de­fi­niert, doch er­ge­ben sich ih­re Merk­ma­le aus der Recht­spre­chung.

14

Ar­beits­be­reit­schaft liegt vor, wenn der Ar­beit­neh­mer dem Ar­beit­ge­ber am Ar­beits­platz zur Verfügung ste­hen und sich ständig be­reit­hal­ten muss, um im Be­darfs­fall von sich aus tätig wer­den zu können.

15

Während des Be­reit­schafts­diens­tes ist der Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet, sich in­ner­halb oder außer­halb des Be­trie­bes an ei­nem vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Ort auf­zu­hal­ten und sich auf An­for­de­rung des Ar­beit­ge­bers zur Ar­beits­auf­nah­me be­reit­zu­hal­ten, darf je­doch ru­hen oder sich an­der­weit beschäfti­gen, so­lan­ge sei­ne be­ruf­li­chen Leis­tun­gen nicht er­for­der­lich sind.

16

Die Ruf­be­reit­schaft ist da­durch ge­kenn­zeich­net, dass der Ar­beit­neh­mer sich nicht an ei­ner vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Stel­le be­reit­hal­ten muss, son­dern nur je­der­zeit er­reich­bar sein muss, um sei­ne be­ruf­li­chen Auf­ga­ben auf Ab­ruf un­verzüglich wahr­neh­men zu können.

17

Grundsätz­lich gilt nach deut­schem Recht nur die Ar­beits­be­reit­schaft in vol­lem Um­fang als Ar­beits­zeit. Be­reit­schafts­dienst und Ruf­be­reit­schaft wer­den da­ge­gen als Ru­he­zeit be­han­delt, mit Aus­nah­me des Teils der Dienst­zeit, in dem der Ar­beit­neh­mer tatsächlich sei­ne be­ruf­li­chen Auf­ga­ben wahr­ge­nom­men hat.

18

In Deutsch­land sind die Ar­beits­zeit und die Ru­he­zei­ten im Ar­beits­zeit­ge­setz (Arb­ZG) vom 6. Ju­ni 1994 (BGBl. 1994 I S. 1170) ge­re­gelt, das zur Um­set­zung der Richt­li­nie 93/104 er­las­sen wur­de.

19

Nach § 2 Ab­satz 1 Arb­ZG ist Ar­beits­zeit im Sin­ne die­ses Ge­set­zes die Zeit vom Be­ginn bis zum En­de der Ar­beit oh­ne die Ru­he­pau­sen.

20

§ 3 Arb­ZG be­stimmt:

„Die werktägli­che Ar­beits­zeit der Ar­beit­neh­mer darf acht St­un­den nicht über­schrei­ten. Sie kann auf bis zu zehn St­un­den nur verlängert wer­den, wenn in­ner­halb von sechs Ka­len­der­mo­na­ten oder in­ner­halb von 24 Wo­chen im Durch­schnitt acht St­un­den werktäglich nicht über­schrit­ten wer­den.“

21

§ 5 Arb­ZG lau­tet:

„(1) Die Ar­beit­neh­mer müssen nach Be­en­di­gung der tägli­chen Ar­beits­zeit ei­ne un­un­ter­bro­che­ne Ru­he­zeit von min­des­tens elf St­un­den ha­ben.

(2) Die Dau­er der Ru­he­zeit des Ab­sat­zes 1 kann in Kran­kenhäusern und an­de­ren Ein­rich­tun­gen zur Be­hand­lung, Pfle­ge und Be­treu­ung von Per­so­nen, in Gaststätten und an­de­ren Ein­rich­tun­gen zur Be­wir­tung und Be­her­ber­gung, in Ver­kehrs­be­trie­ben, beim Rund­funk so­wie in der Land­wirt­schaft und in der Tier­hal­tung um bis zu ei­ne St­un­de verkürzt wer­den, wenn je­de Verkürzung der Ru­he­zeit in­ner­halb ei­nes Ka­len­der­mo­nats oder in­ner­halb von vier Wo­chen durch Verlänge­rung ei­ner an­de­ren Ru­he­zeit auf min­des­tens zwölf St­un­den aus­ge­gli­chen wird.

(3) Ab­wei­chend von Ab­satz 1 können in Kran­kenhäusern und an­de­ren Ein­rich­tun­gen zur Be­hand­lung, Pfle­ge und Be­treu­ung von Per­so­nen Kürzun­gen der Ru­he­zeit durch In­an­spruch­nah­men während des Be­reit­schafts­diens­tes oder der Ruf­be­reit­schaft, die nicht mehr als die Hälf­te der Ru­he­zeit be­tra­gen, zu an­de­ren Zei­ten aus­ge­gli­chen wer­den.

...“

22

§ 7 Arb­ZG hat fol­gen­den Wort­laut:

„(1) In ei­nem Ta­rif­ver­trag oder auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­trags in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung kann zu­ge­las­sen wer­den,

1. ab­wei­chend von § 3

a) die Ar­beits­zeit über 10 St­un­den werktäglich auch oh­ne Aus­gleich zu verlängern, wenn in die Ar­beits­zeit re­gelmäßig und in er­heb­li­chem Um­fang Ar­beits­be­reit­schaft fällt,

b) ei­nen an­de­ren Aus­gleichs­zeit­raum fest­zu­le­gen,

c) oh­ne Aus­gleich die Ar­beits­zeit auf bis zu 10 St­un­den werktäglich an höchs­tens 60 Ta­gen im Jahr zu verlängern,

...

(2) So­fern der Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer durch ei­nen ent­spre­chen­den Zeit­aus­gleich gewähr­leis­tet wird, kann in ei­nem Ta­rif­ver­trag oder auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­trags in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung fer­ner zu­ge­las­sen wer­den,

1. ab­wei­chend von § 5 Ab­satz 1 die Ru­he­zei­ten bei Be­reit­schafts­dienst und Ruf­be­reit­schaft den Be­son­der­hei­ten die­ser Diens­te an­zu­pas­sen, ins­be­son­de­re Kürzun­gen der Ru­he­zeit in­fol­ge von In­an­spruch­nah­men während die­ser Diens­te zu an­de­ren Zei­ten aus­zu­glei­chen,

...

3. die Re­ge­lun­gen der §§ 3, 4, 5 Ab­satz 1 und 6 Ab­satz 2 bei der Be­hand­lung, Pfle­ge und Be­treu­ung von Per­so­nen der Ei­gen­art die­ser Tätig­keit und dem Wohl die­ser Per­so­nen ent­spre­chend an­zu­pas­sen,

4. die Re­ge­lun­gen der §§ 3, 4, 5 Ab­satz 1 und 6 Ab­satz 2 bei Ver­wal­tun­gen und Be­trie­ben des Bun­des, der Länder, der Ge­mein­den und sons­ti­gen Körper­schaf­ten, An­stal­ten und Stif­tun­gen des öffent­li­chen Rechts so­wie bei an­de­ren Ar­beit­ge­bern, die der Ta­rif­bin­dung ei­nes für den öffent­li­chen Dienst gel­ten­den oder ei­nes im We­sent­li­chen in­halts­glei­chen Ta­rif­ver­trags un­ter­lie­gen, der Ei­gen­art der Tätig­keit bei die­sen Stel­len an­zu­pas­sen.

...“

23

§ 25 Arb­ZG be­stimmt:

„Enthält ein bei In­kraft­tre­ten die­ses Ge­set­zes be­ste­hen­der oder nach­wir­ken­der Ta­rif­ver­trag ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen nach § 7 Absätze 1 oder 2 ..., die den in den ge­nann­ten Vor­schrif­ten fest­ge­leg­ten Höchst­rah­men über­schrei­ten, so blei­ben die­se ta­rif­ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen un­berührt. Ta­rif­verträgen nach Satz 1 ste­hen durch Ta­rif­ver­trag zu­ge­las­se­ne Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen gleich ...“

24

Der Bun­des­an­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag (BAT) sieht u. a. Fol­gen­des vor:

„§ 15 Re­gelmäßige Ar­beits­zeit

(1) Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit beträgt aus­sch­ließlich der Pau­sen durch­schnitt­lich 38 1/2 St­un­den wöchent­lich. Für die Be­rech­nung des Durch­schnitts der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit ist in der Re­gel ein Zeit­raum von acht Wo­chen zu­grun­de zu le­gen. ...

(2) Die re­gelmäßige Ar­beits­zeit kann verlängert wer­den

a) bis zu zehn St­un­den täglich (durch­schnitt­lich 49 St­un­den wöchent­lich), wenn in sie re­gelmäßig ei­ne Ar­beits­be­reit­schaft von durch­schnitt­lich min­des­tens zwei St­un­den täglich fällt,

b) bis zu elf St­un­den täglich (durch­schnitt­lich 54 St­un­den wöchent­lich), wenn in sie re­gelmäßig ei­ne Ar­beits­be­reit­schaft von durch­schnitt­lich min­des­tens drei St­un­den täglich fällt,

c) bis zu zwölf St­un­den täglich (durch­schnitt­lich 60 St­un­den wöchent­lich), wenn der An­ge­stell­te le­dig­lich an der Ar­beits­stel­le an­we­send sein muss, um im Be­darfs­fall vor­kom­men­de Ar­bei­ten zu ver­rich­ten.

...

(6a) Der An­ge­stell­te ist ver­pflich­tet, sich auf An­ord­nung des Ar­beit­ge­bers außer­halb der re­gelmäßigen Ar­beits­zeit an ei­ner vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Stel­le auf­zu­hal­ten, um im Be­darfs­fal­le die Ar­beit auf­zu­neh­men (Be­reit­schafts­dienst). Der Ar­beit­ge­ber darf Be­reit­schafts­dienst nur an­ord­nen, wenn zu er­war­ten ist, dass zwar Ar­beit anfällt, er­fah­rungs­gemäß aber die Zeit oh­ne Ar­beits­leis­tung über­wiegt.

Zum Zwe­cke der Vergütungs­be­rech­nung wird die Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes ein­sch­ließlich der ge­leis­te­ten Ar­beit ent­spre­chend dem An­teil der er­fah­rungs­gemäß durch­schnitt­lich an­fal­len­den Zeit der Ar­beits­leis­tung als Ar­beits­zeit ge­wer­tet und mit der Über­stun­den­vergütung ... vergütet. ...“

25

Zu § 15 Ab­satz 6a BAT ha­ben die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Son­der­re­ge­lun­gen für An­ge­stell­te in Kran­ken-, Heil-, Pfle­ge- und Ent­bin­dungs­an­stal­ten so­wie in sons­ti­gen An­stal­ten und Hei­men, in de­nen die be­treu­ten Per­so­nen in ärzt­li­cher Be­hand­lung ste­hen (im Fol­gen­den: SR 2a), ver­ein­bart. Die Son­der­re­ge­lun­gen für Ärz­te und Zahnärz­te an den in SR 2a ge­nann­ten An­stal­ten und Hei­men (im Fol­gen­den: SR 2c) lau­ten wie folgt:

„Nr. 8

Zu § 15 Abs. 6a ...

Be­reit­schafts­dienst, Ruf­be­reit­schaft

...

(2) Zum Zwe­cke der Vergütungs­be­rech­nung wird die Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes ein­sch­ließlich der ge­leis­te­ten Ar­beit wie folgt als Ar­beits­zeit ge­wer­tet:

a) Nach dem Maß der während des Be­reit­schafts­diens­tes er­fah­rungs­gemäß durch­schnitt­lich an­fal­len­den Ar­beits­leis­tun­gen wird die Zeit des Be­reit­schafts­diens­tes wie folgt als Ar­beits­zeit ge­wer­tet:

Stu­fe Ar­beits­leis­tung in­ner­halb des Be­wer­tung als

Be­reit­schafts­diens­tes Ar­beits­zeit

A 0 bis 10 v. H. 15 v. H.

B mehr als 10 bis 25 v. H. 25 v. H.

C mehr als 25 bis 40 v. H. 40 v. H.

D mehr als 40 bis 49 v. H. 55 v. H.

Ein hier­nach der Stu­fe A zu­ge­ord­ne­ter Be­reit­schafts­dienst wird der Stu­fe B zu­ge­teilt, wenn der An­ge­stell­te während des Be­reit­schafts­diens­tes in der Zeit von 22 bis 6 Uhr er­fah­rungs­gemäß durch­schnitt­lich mehr als drei­mal dienst­lich in An­spruch ge­nom­men wird.

b) Ent­spre­chend der Zahl der vom An­ge­stell­ten je Ka­len­der­mo­nat ab­ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­diens­te wird die Zeit ei­nes je­den Be­reit­schafts­diens­tes zusätz­lich wie folgt als Ar­beits­zeit ge­wer­tet:

Zahl der Be­reit­schafts­diens­te im Be­wer­tung als

Ka­len­der­mo­nat Ar­beits­zeit

1. bis 8. Be­reit­schafts­dienst 25 v. H.

9. bis 12. Be­reit­schafts­dienst 35 v. H.

13. und fol­gen­de Be­reit­schafts­diens­te 45 v. H.

...

(7) Im Ka­len­der­mo­nat dürfen

in den Stu­fen A und B nicht mehr als sie­ben,

in den Stu­fen C und D nicht mehr als sechs

Be­reit­schafts­diens­te an­ge­ord­net wer­den. Die­se Zah­len dürfen vorüber­ge­hend über­schrit­ten wer­den, wenn sonst die Ver­sor­gung der Pa­ti­en­ten nicht si­cher­ge­stellt wäre ...

...“

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­ab­ent­schei­dungs­fra­gen

26

Wie sich aus dem Vor­la­ge­be­schluss er­gibt, strei­ten die Par­tei­en darüber, ob der von der Be­klag­ten in dem von ihr be­trie­be­nen Kran­ken­haus an­ge­ord­ne­te Be­reit­schafts­dienst als Ar­beits­zeit oder als Ru­he­zeit zu wer­ten ist. Der bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­ge Rechts­streit berührt aus­sch­ließlich die ar­beits­schutz­recht­li­che Sei­te der Be­reit­schafts­zei­ten, nicht da­ge­gen die vergütungs­recht­li­che.

27

Der Kläger ist seit dem 1. Mai 1992 als As­sis­tenz­arzt in der chir­ur­gi­schen Ab­tei­lung des ge­nann­ten Kran­ken­hau­ses mit 3/4 der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit (d. h. 28,875 St­un­den wöchent­lich) beschäftigt. Darüber hin­aus ist er durch Ne­ben­ab­re­de ver­pflich­tet, Be­reit­schafts­diens­te zu leis­ten, die der Stu­fe D der Num­mer 8 Ab­satz 2 der SR 2c zu­ge­wie­sen sind. Die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ha­ben im Ar­beits­ver­trag die An­wen­dung des BAT ver­ein­bart.

28

Der Kläger leis­tet im Mo­nat re­gelmäßig sechs Be­reit­schafts­diens­te, die teils durch Frei­zeit und teils durch zusätz­li­che Vergütung ab­ge­gol­ten wer­den.

29

Der Be­reit­schafts­dienst schließt sich an ei­nen nor­ma­len Dienst an und beträgt wo­chen­tags 16 St­un­den, sams­tags 25 St­un­den (8.30 Uhr Sams­tag­mor­gen bis 9.30 Uhr Sonn­tag­mor­gen) und sonn­tags 22 St­un­den 45 Mi­nu­ten (8.30 Uhr Sonn­tag­mor­gen bis 7.15 Uhr Mon­tag­mor­gen).

30

Die Be­reit­schafts­diens­te sind wie folgt or­ga­ni­siert: Der Kläger hält sich in der Kli­nik auf und er­bringt dort ge­ge­be­nen­falls sei­ne be­ruf­li­chen Leis­tun­gen. Für die Zei­ten, in de­nen er nicht her­an­ge­zo­gen wird, steht ihm im Kran­ken­haus ein Zim­mer zur Verfügung, in dem sich ein Bett be­fin­det, in dem er ge­ge­be­nen­falls schla­fen darf. Die An­ge­mes­sen­heit die­ser Un­ter­kunft ist strei­tig. Un­strei­tig ist da­ge­gen, dass die Zei­ten, in de­nen er zu ei­ner be­ruf­li­chen Auf­ga­be her­an­ge­zo­gen wird, durch­schnitt­lich bei 49 % des Be­reit­schafts­diens­tes lie­gen.

31

Der Kläger ist der Auf­fas­sung, dass die von ihm als As­sis­tenz­arzt so­wie als Not­arzt im Rah­men des notärzt­li­chen Diens­tes ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­diens­te auf­grund der di­rek­ten An­wen­dung der Richt­li­nie 93/104 vollständig als Ar­beits­zeit im Sin­ne des Arb­ZG an­zu­se­hen sei­en. Die Aus­le­gung des Ar­beits­zeit­be­griffs im Ur­teil des Ge­richts­ho­fes vom 3. Ok­to­ber 2000 in der Rechts­sa­che C-303/98 (Si­map, Slg. 2000, I-7963) sei auf die vor­lie­gen­de Rechts­sa­che über­trag­bar, da die Aus­gangs­si­tua­ti­on im We­sent­li­chen ver­gleich­bar sei. Ins­be­son­de­re sei der in Spa­ni­en ab­zu­leis­ten­de Be­reit­schafts­dienst, um den es in der Rechts­sa­che Si­map ge­gan­gen sei, hin­sicht­lich der Be­an­spru­chung mit dem des Klägers ver­gleich­bar. § 5 Ab­satz 3 Arb­ZG sei da­her mit der Richt­li­nie 93/104 un­ver­ein­bar und so­mit nicht an­wend­bar. Der Kläger ergänzt, dass Ar­ti­kel 17 die­ser Richt­li­nie von der Be­klag­ten nicht als Aus­nah­me­vor­schrift her­an­ge­zo­gen wer­den könne, da er Aus­nah­men le­dig­lich bei der Ru­he­zeit­pra­xis vor­se­he, un­abhängig vom Ar­beits­zeit­be­griff.

32

Die Be­klag­te macht da­ge­gen gel­tend, Zei­ten der Untätig­keit während des Be­reit­schafts­diens­tes sei­en nach ständi­ger Aus­le­gung der na­tio­na­len Ge­rich­te und der herr­schen­den Mei­nung in der Li­te­ra­tur als Ru­he­zeit und nicht als Ar­beits­zeit an­zu­se­hen. Bei ei­ner an­de­ren Aus­le­gung lie­fen die §§ 5 Ab­satz 3 und 7 Ab­satz 2 Arb­ZG leer. Zu­dem gel­te das Ur­teil Si­map nicht für den vor­lie­gen­den Fall; die spa­ni­schen Ärz­te hätten nämlich im Rah­men der Diens­te zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung in vol­lem Um­fang ih­re Tätig­kei­ten aus­geübt, wo­ge­gen die deut­schen Ärz­te durch­schnitt­lich während ma­xi­mal 49 % des Be­reit­schafts­diens­tes zur Wahr­neh­mung be­ruf­li­cher Auf­ga­ben her­an­ge­zo­gen würden. Sch­ließlich sei die na­tio­na­le Re­ge­lung, die Ab­wei­chun­gen von der Ar­beits­zeit vor­se­he, von Ar­ti­kel 17 Ab­satz 2 der Richt­li­nie 93/104 ge­deckt, und die Mit­glied­staa­ten hätten auf die­sem Ge­biet ei­nen wei­ten Spiel­raum. Ei­ne aus­drück­li­che Erwähnung von Ar­ti­kel 2 die­ser Richt­li­nie in de­ren Ar­ti­kel 17 sei ent­behr­lich ge­we­sen, da Ar­ti­kel 2 le­dig­lich De­fi­ni­tio­nen ent­hal­te.

33

Das Ar­beits­ge­richt Kiel gab der Kla­ge in ers­ter In­stanz mit Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2001 statt und stell­te fest, dass die vom Kläger im Kran­ken­haus der Stadt Kiel ab­zu­leis­ten­den Be­reit­schafts­diens­te vollständig zur Ar­beits­zeit im Sin­ne von § 2 Arb­ZG zu rech­nen sei­en.

34

Die Be­klag­te leg­te ge­gen die­ses Ur­teil beim Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein Be­ru­fung ein.

35

Das Lan­des­ar­beits­ge­richt führt aus, dass der Be­griff des Be­reit­schafts­diens­tes im Arb­ZG nicht aus­drück­lich ge­re­gelt sei. Be­reit­schafts­dienst be­deu­te die Ver­pflich­tung, sich an ei­nem vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Ort auf­zu­hal­ten, ver­bun­den mit der Ver­pflich­tung, bei Be­darf un­verzüglich sei­ne be­ruf­li­chen Auf­ga­ben wahr­zu­neh­men. „Wa­che Acht­sam­keit“ wer­de nicht ver­langt, und außer­halb der Zei­ten tatsäch­li­cher In­an­spruch­nah­me könne der Ar­beit­neh­mer ru­hen oder sich an­der­weit beschäfti­gen und müsse nicht von sich aus tätig wer­den, son­dern nur auf An­wei­sung des Ar­beit­ge­bers.

36

Die Tätig­keit des Klägers sei ein der­ar­ti­ger Be­reit­schafts­dienst, der nach deut­schem Recht nicht zur Ar­beits­zeit, son­dern zur Ru­he­zeit ge­rech­net wer­de, mit Aus­nah­me des Teils des Be­reit­schafts­diens­tes, während des­sen der Ar­beit­neh­mer tatsächlich sei­ne be­ruf­li­chen Leis­tun­gen er­bracht ha­be. Die­se Auf­fas­sung er­ge­be sich aus den §§ 5 Ab­satz 3 und 7 Ab­satz 2 Arb­ZG. Aus der Tat­sa­che, dass Kürzun­gen der Ru­he­zei­ten durch In­an­spruch­nah­me während des Be­reit­schafts­diens­tes zu an­de­ren Zei­ten aus­ge­gli­chen wer­den könn­ten, fol­ge nämlich, dass Be­reit­schafts­diens­te zur Ru­he­zeit zähl­ten, so­weit nicht ei­ne tatsächli­che In­an­spruch­nah­me er­fol­ge. Dies sei auch die An­sicht des na­tio­na­len Ge­setz­ge­bers ge­we­sen, da sich aus der Be­gründung des Arb­ZG er­ge­be, dass Ar­beits­leis­tun­gen im An­schluss an Be­reit­schafts­diens­te er­bracht wer­den könn­ten.

37

Im vor­lie­gen­den Fall müsse fest­ge­stellt wer­den, ob Be­reit­schafts­diens­te in vol­lem Um­fang als Ar­beits­zeit zu wer­ten sei­en, auch wenn der Be­trof­fe­ne tatsächlich nicht sei­nen be­ruf­li­chen Auf­ga­ben nach­ge­he, son­dern es ihm ge­stat­tet sei, während die­ser Diens­te zu schla­fen. Die­se Fra­ge sei in der Rechts­sa­che Si­map nicht ge­stellt ge­we­sen und da­her vom Ge­richts­hof auch nicht be­ant­wor­tet wor­den.

38

Soll­te die­se Fra­ge nicht ein­deu­tig be­ant­wor­tet wer­den können, hänge die Ent­schei­dung des Fal­les da­von ab, ob die Re­ge­lung in § 5 Ab­satz 3 Arb­ZG ge­gen Ar­ti­kel 2 Num­mern 1 und 2 der Richt­li­nie 93/104 ver­s­toße.

39

Sch­ließlich sei auf­grund des Hilfs­an­trags - auf Fest­stel­lung, dass der Kläger nicht ver­pflich­tet ist, im Rah­men sei­ner ver­trag­lich ge­schul­de­ten Tätig­keit Ar­beit und Be­reit­schafts­dienst ein­sch­ließlich Über­stun­den im Um­fang von mehr als zehn St­un­den werktäglich und mehr als durch­schnitt­lich 48 St­un­den pro Wo­che zu leis­ten - und an­ge­sichts des­sen, dass sich die Be­klag­te auf die §§ 5 Ab­satz 3 und 7 Ab­satz 2 Arb­ZG stütze, zu ent­schei­den, ob sich die­se Re­ge­lun­gen im Rah­men der Re­ge­lungs­spielräume hiel­ten, die die Richt­li­nie 93/104 den Mit­glied­staa­ten und So­zi­al­part­nern ha­be las­sen wol­len.

40

Soll­te nämlich Be­reit­schafts­dienst in vol­lem Um­fang Ar­beits­zeit sein und die na­tio­na­le Ge­stal­tung des Be­reit­schafts­diens­tes ge­gen Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie 93/104 ver­s­toßen, weil die un­un­ter­bro­che­ne Ru­he­zeit von elf St­un­den nicht nur verkürzt, son­dern auch un­ter­bro­chen wer­den könne, könn­te die deut­sche Re­ge­lung doch durch Ar­ti­kel 17 Ab­satz 2 die­ser Richt­li­nie ge­deckt sein.

41

Wenn auf­grund der gel­ten­den na­tio­na­len Re­ge­lung bzw. in dem gel­ten­den Ta­rif­ver­trag si­cher­ge­stellt wäre, dass die­se - trotz Be­wer­tung des Be­reit­schafts­diens­tes als Ru­he­zeit - den Ar­beit­neh­mern aus­rei­chen­de Aus­gleichs­zeiträume gewähr­ten, könn­te der Ziel­rich­tung der Richt­li­nie 93/104, Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer in der Ge­mein­schaft zu gewähr­leis­ten, Rech­nung ge­tra­gen wer­den.

42

Da das Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein der Auf­fas­sung ist, dass die Ent­schei­dung des bei ihm anhängi­gen Rechts­streits un­ter die­sen Umständen ei­ne Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts er­for­der­lich ma­che, hat es be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Han­delt es sich bei ei­nem Be­reit­schafts­dienst, den ein Ar­beit­neh­mer in ei­nem Kran­ken­haus ab­leis­tet, ge­ne­rell um Ar­beits­zeit im Sin­ne des Ar­ti­kels 2 Num­mer 1 der Richt­li­nie 93/104/EG, und zwar auch in­so­weit, als es dem Ar­beit­neh­mer in Zei­ten, in de­nen er nicht in An­spruch ge­nom­men wird, ge­stat­tet ist, zu schla­fen?

2. Verstößt ei­ne Re­ge­lung im na­tio­na­len Recht, mit der Be­reit­schafts­dienst als Ru­he­zeit be­wer­tet wird, so­weit nicht ei­ne In­an­spruch­nah­me er­folgt, der­ge­stalt, dass sich der Ar­beit­neh­mer in ei­nem Kran­ken­haus in ei­nem ihm zur Verfügung ge­stell­ten Raum aufhält und auf Auf­for­de­rung die Ar­beit auf­nimmt, ge­gen Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie 93/104/EG?

3. Verstößt ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, die ei­ne Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit von elf St­un­den in Kran­kenhäusern und an­de­ren Ein­rich­tun­gen zur Be­hand­lung, Pfle­ge und Be­treu­ung von Per­so­nen der­ge­stalt zulässt, dass Zei­ten der In­an­spruch­nah­me während des Be­reit­schafts­diens­tes oder der Ruf­be­reit­schaft, die nicht mehr als die Hälf­te der Ru­he­zeit be­tra­gen, zu an­de­ren Zei­ten aus­ge­gli­chen wer­den, ge­gen die Richt­li­nie 93/104/EG?

4. Verstößt ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, die es zulässt, dass in ei­nem Ta­rif­ver­trag oder auf Grund ei­nes Ta­rif­ver­trags in ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung zu­ge­las­sen wer­den kann, dass Ru­he­zei­ten bei Be­reit­schafts­dienst und Ruf­be­reit­schaft den Be­son­der­hei­ten die­ser Diens­te an­ge­passt wer­den, ins­be­son­de­re Kürzun­gen der Ru­he­zeit in­fol­ge von In­an­spruch­nah­men während die­ser Diens­te zu an­de­ren Zei­ten aus­ge­gli­chen wer­den, ge­gen die Richt­li­nie 93/104/EG?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

43

Vor­ab sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Ge­richts­hof im Rah­men ei­nes Ver­fah­rens nach Ar­ti­kel 234 EG zwar nicht über die Ver­ein­bar­keit in­ner­staat­li­cher Rechts­nor­men mit dem Ge­mein­schafts­recht oder über die Aus­le­gung na­tio­na­ler Vor­schrif­ten ent­schei­den kann, dass er aber be­fugt ist, dem vor­le­gen­den Ge­richt al­le Hin­wei­se zur Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts zu ge­ben, die es die­sem ermögli­chen, für die Ent­schei­dung der bei ihm anhängi­gen Rechts­sa­che über ei­ne sol­che Ver­ein­bar­keit zu be­fin­den (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 15. De­zem­ber 1993 in der Rechts­sa­che C-292/92, Hüner­mund u. a., Slg. 1993, I-6787, Rand­nr. 8, vom 3. Mai 2001 in der Rechts­sa­che C-28/99, Ver­donck u. a., Slg. 2001, I-3399, Rand­nr. 28, und vom 27. No­vem­ber 2001 in den ver­bun­de­nen Rechts­sa­chen C-285/99 und C-286/99, Lom­bar­di­ni und Man­to­va­ni, Slg. 2001, I-9233, Rand­nr. 27).

Zur ers­ten und zur zwei­ten Fra­ge

44

Dem­gemäß sind die bei­den ers­ten Fra­gen, die ge­mein­sam zu prüfen sind, da­hin zu ver­ste­hen, dass mit ih­nen geklärt wer­den soll, ob die Richt­li­nie 93/104 so aus­zu­le­gen ist, dass der Be­reit­schafts­dienst, den ein Arzt in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus leis­tet, in vol­lem Um­fang Ar­beits­zeit im Sin­ne die­ser Richt­li­nie dar­stellt, auch wenn es dem Be­trof­fe­nen in Zei­ten, in de­nen er nicht in An­spruch ge­nom­men wird, ge­stat­tet ist, sich an sei­ner Ar­beits­stel­le aus­zu­ru­hen, so dass die Richt­li­nie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­steht, nach der Zei­ten, in de­nen ein Ar­beit­neh­mer während ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes untätig ist, als Ru­he­zeit ein­ge­stuft wer­den.

45

Zur Be­ant­wor­tung der so um­for­mu­lier­ten Fra­gen ist zunächst fest­zu­stel­len, dass sich so­wohl aus Ar­ti­kel 118a EG-Ver­trag (die Ar­ti­kel 117 bis 120 EG-Ver­trag sind durch die Ar­ti­kel 136 EG bis 143 EG er­setzt wor­den), der die Rechts­grund­la­ge der Richt­li­nie 93/104 dar­stellt, als auch aus de­ren ers­ter, vier­ter, sieb­ter und ach­ter Be­gründungs­erwägung so­wie aus dem Wort­laut ih­res Ar­ti­kels 1 Ab­satz 1 er­gibt, dass durch die­se Richt­li­nie Min­dest­vor­schrif­ten fest­ge­legt wer­den sol­len, die da­zu be­stimmt sind, die Le­bens- und Ar­beits­be­din­gun­gen der Ar­beit­neh­mer durch ei­ne An­glei­chung na­ment­lich der in­ner­staat­li­chen Ar­beits­zeits­vor­schrif­ten zu ver­bes­sern (vgl. Ur­teil vom 26. Ju­ni 2001 in der Rechts­sa­che C-173/99, BEC­TU, Slg. 2001, I-4881, Rand­nr. 37).

46

Nach den ge­nann­ten Be­stim­mun­gen soll die­se ge­mein­schafts­wei­te Har­mo­ni­sie­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ei­nen bes­se­ren Schutz der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer durch die Gewährung von - u. a. tägli­chen und wöchent­li­chen - Min­destru­he­zei­ten und an­ge­mes­se­nen Ru­he­pau­sen so­wie die Fest­le­gung ei­ner wöchent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit gewähr­leis­ten.

47

In die­sem Zu­sam­men­hang er­gibt sich aus der Ge­mein­schafts­char­ta der so­zia­len Grund­rech­te der Ar­beit­neh­mer, die auf der Ta­gung des Eu­ropäischen Ra­tes von Straßburg am 9. De­zem­ber 1989 ver­ab­schie­det wur­de, ins­be­son­de­re aus ih­ren in der vier­ten Be­gründungs­erwägung der Richt­li­nie 93/104 wie­der­ge­ge­be­nen Punk­ten 8 und 19 Ab­satz 1, dass je­der Ar­beit­neh­mer der Eu­ropäischen Ge­mein­schaft in sei­ner Ar­beits­um­welt zu­frie­den stel­len­de Be­din­gun­gen für Ge­sund­heits­schutz und Si­cher­heit vor­fin­den muss und dass er u. a. An­spruch auf die wöchent­li­che Ru­he­zeit hat, de­ren Dau­er gemäß den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten auf dem We­ge des Fort­schritts in den ein­zel­nen Staa­ten ein­an­der an­zunähern ist.

48

Spe­zi­ell zum Be­griff „Ar­beits­zeit“ im Sin­ne der Richt­li­nie 93/104 ist dar­an zu er­in­nern, dass der Ge­richts­hof in Rand­num­mer 47 des Ur­teils Si­map fest­ge­stellt hat, dass die Richt­li­nie die­sen Be­griff als je­de Zeit­span­ne de­fi­niert, während de­ren ein Ar­beit­neh­mer gemäß den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten ar­bei­tet, dem Ar­beit­ge­ber zur Verfügung steht und sei­ne Tätig­keit ausübt oder sei­ne Auf­ga­ben wahr­nimmt, und dass die­ser Be­griff im Ge­gen­satz zur Ru­he­zeit zu se­hen ist, da bei­de Be­grif­fe ein­an­der aus­sch­ließen.

49

In Rand­num­mer 48 des Ur­teils Si­map hat der Ge­richts­hof für Recht er­kannt, dass der von den Ärz­ten der Teams zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung in der Re­gi­on Va­len­cia ge­leis­te­te Be­reit­schafts­dienst in Form persönli­cher An­we­sen­heit in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung die cha­rak­te­ris­ti­schen Merk­ma­le die­ses Be­grif­fes der Ar­beits­zeit auf­weist. Sei­ner Fest­stel­lung nach war nämlich in der Rechts­sa­che, die zu die­sem Ur­teil führ­te, un­strei­tig, dass bei die­ser Art Be­reit­schafts­dienst die bei­den ers­ten in der De­fi­ni­ti­on des Be­grif­fes der Ar­beits­zeit ent­hal­te­nen Vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind; er hat wei­ter fest­ge­stellt, dass die Ver­pflich­tung der Ärz­te, sich zur Er­brin­gung ih­rer be­ruf­li­chen Leis­tun­gen am Ar­beits­platz auf­zu­hal­ten und verfügbar zu sein, als Be­stand­teil der Wahr­neh­mung ih­rer Auf­ga­ben an­zu­se­hen ist, auch wenn die tatsächlich ge­leis­te­te Ar­beit von den Umständen abhängt.

50 Der Ge­richts­hof hat in Rand­num­mer 49 des Ur­teils Si­map hin­zu­gefügt, dass die­se Aus­le­gung im Ein­klang mit dem Ziel der Richt­li­nie 93/104 steht, die Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu gewähr­leis­ten, in­dem ih­nen Min­destru­he­zei­ten so­wie an­ge­mes­se­ne Ru­he­pau­sen zu­ge­stan­den wer­den, wo­hin­ge­gen die­ses Ziel ernst­haft gefähr­det würde, wenn der Be­reit­schafts­dienst in Form persönli­cher An­we­sen­heit nicht un­ter den Be­griff „Ar­beits­zeit“ im Sin­ne die­ser Richt­li­nie fie­le.
51

In Rand­num­mer 50 des Ur­teils Si­map hat der Ge­richts­hof fer­ner dar­auf hin­ge­wie­sen, dass et­was an­de­res gilt, wenn die Ärz­te der Teams zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung Be­reit­schafts­dienst in der Wei­se leis­ten, dass sie ständig er­reich­bar sind, oh­ne je­doch zur An­we­sen­heit in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung ver­pflich­tet zu sein (Ruf­be­reit­schaft). Selbst wenn sie ih­rem Ar­beit­ge­ber nämlich in dem Sin­ne zur Verfügung ste­hen, dass sie er­reich­bar sein müssen, können die Ärz­te in die­ser Si­tua­ti­on doch frei­er über ih­re Zeit verfügen und ei­ge­nen In­ter­es­sen nach­ge­hen so dass nur die Zeit, die für die tatsächli­che Er­brin­gung von Leis­tun­gen der me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung auf­ge­wandt wird, als „Ar­beits­zeit“ im Sin­ne der Richt­li­nie 93/104 an­zu­se­hen ist.

52

Nach­dem der Ge­richts­hof in Rand­num­mer 51 des Ur­teils Si­map fest­ge­stellt hat, dass Über­stun­den un­ter den Be­griff „Ar­beits­zeit“ im Sin­ne der Richt­li­nie 93/104 fal­len, ist er in Rand­num­mer 52 die­ses Ur­teils zu dem Er­geb­nis ge­langt, dass der Be­reit­schafts­dienst, den die Ärz­te der Teams zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung in Form persönli­cher An­we­sen­heit in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung leis­ten, ins­ge­samt als Ar­beits­zeit und ge­ge­be­nen­falls als Über­stun­den im Sin­ne die­ser Richt­li­nie an­zu­se­hen ist, während beim Be­reit­schafts­dienst in Form von Ruf­be­reit­schaft nur die Zeit, die für die tatsächli­che Er­brin­gung von Leis­tun­gen der me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung auf­ge­wandt wird, als Ar­beits­zeit an­zu­se­hen ist (vgl. in die­sem Sin­ne Be­schluss vom 3. Ju­li 2001 in der Rechts­sa­che C-241/99, CIG, Slg. 2001, I-5139, Rand­num­mern 33 f.).

53

Es ist zum ei­nen fest­zu­stel­len, dass ein Arzt, der Auf­ga­ben wie die­je­ni­gen, um die es im Aus­gangs­ver­fah­ren geht, wahr­nimmt, sei­nen Be­reit­schafts­dienst un­strei­tig in Form persönli­cher An­we­sen­heit in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung leis­tet.

54

An­de­rer­seits wei­sen we­der der Rah­men noch die Na­tur der Tätig­kei­ten ei­nes sol­chen Arz­tes re­le­van­te Un­ter­schie­de ge­genüber de­nen in der Rechts­sa­che, die zum Ur­teil Si­map geführt hat, auf, die die vom Ge­richts­hof in die­sem Ur­teil vor­ge­nom­me­ne Aus­le­gung der Richt­li­nie 93/104 in Fra­ge stel­len könn­ten.

55

Ei­ne Un­ter­schei­dung zwi­schen die­sen bei­den Tätig­kei­ten kann nicht un­ter Hin­weis dar­auf vor­ge­nom­men wer­den, dass die Ärz­te der Teams zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung in der Rechts­sa­che, die zum Ur­teil Si­map geführt ha­be, ei­ne un­un­ter­bro­che­ne Ar­beits­zeit von bis zu 31 St­un­den oh­ne Nacht­ru­he ge­habt hätten, während bei ei­nem Be­reit­schafts­dienst wie dem­je­ni­gen des Aus­gangs­ver­fah­rens die maßgeb­li­che na­tio­na­le Re­ge­lung gewähr­leis­te, dass die Zei­ten, während de­ren der Be­trof­fe­ne zur Wahr­neh­mung ei­ner be­ruf­li­chen Auf­ga­be her­an­ge­zo­gen wer­de, nicht mehr als 49 % der Be­reit­schafts­dienst­zeit ins­ge­samt betrügen, so dass er während mehr als der Hälf­te die­ser Zeit nicht tätig zu wer­den brau­che.

56

Wie nämlich der Ge­ne­ral­an­walt in Fußno­te 3 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, er­gibt sich aus der spa­ni­schen Re­ge­lung, die zum Ur­teil Si­map geführt hat, nicht, dass die Ärz­te, die im Kran­ken­haus Be­reit­schafts­dienst leis­ten, während des ge­sam­ten Diens­tes präsent und ak­tiv sein müssen. Die­sel­be Schluss­fol­ge­rung lässt sich auch aus den Num­mern 15, 31 und 33 der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Rechts­sa­che Si­map zie­hen.

57

Im Übri­gen be­zieht sich der An­teil von 49 %, wie er sich aus der im Aus­gangs­ver­fah­ren maßgeb­li­chen na­tio­na­len Re­ge­lung er­gibt, zwar auf den für ei­nen be­stimm­ten Zeit­raum er­mit­tel­ten Durch­schnitt der für die tatsächli­che Er­brin­gung von Leis­tun­gen während des Be­reit­schafts­diens­tes auf­ge­wand­ten Zeit, doch kann ein Arzt gleich­wohl während die­ser Zeit so oft und so­lan­ge zur Ar­beits­leis­tung her­an­ge­zo­gen wer­den, wie dies er­for­der­lich ist, oh­ne dass die­se Re­ge­lung in­so­weit Gren­zen setzt.

58

Je­den­falls dürfen die Be­grif­fe „Ar­beits­zeit“ und „Ru­he­zeit“ im Sin­ne der Richt­li­nie 93/104 nicht nach Maßga­be der Vor­schrif­ten der Re­ge­lun­gen der ver­schie­de­nen Mit­glied­staa­ten aus­ge­legt wer­den, son­dern sie stel­len ge­mein­schafts­recht­li­che Be­grif­fe dar, die an­hand ob­jek­ti­ver Merk­ma­le un­ter Berück­sich­ti­gung des Re­ge­lungs­zu­sam­men­hangs und des Zwe­ckes die­ser Richt­li­nie zu be­stim­men sind, wie der Ge­richts­hof dies in den Rand­num­mern 48 und 50 des Ur­teils Si­map ge­tan hat. Nur ei­ne sol­che au­to­no­me Aus­le­gung kann die vol­le Wirk­sam­keit die­ser Richt­li­nie und ei­ne ein­heit­li­che An­wen­dung der ge­nann­ten Be­grif­fe in sämt­li­chen Mit­glied­staa­ten si­cher­stel­len.

59

Der Um­stand, dass die De­fi­ni­ti­on des Be­grif­fes Ar­beits­zeit auf die „ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder Ge­pflo­gen­hei­ten“ ver­weist, be­deu­tet da­her nicht, dass die Mit­glied­staa­ten den In­halt die­ses Be­grif­fes ein­sei­tig fest­le­gen können. Die Mit­glied­staa­ten dürfen den An­spruch des Ar­beit­neh­mers auf ord­nungs­gemäße Berück­sich­ti­gung der Ar­beits­zei­ten und dem­ent­spre­chend der Ru­he­zei­ten so­mit kei­ner­lei Be­din­gun­gen un­ter­wer­fen, da die­ser An­spruch sich un­mit­tel­bar aus den Vor­schrif­ten die­ser Richt­li­nie er­gibt. Je­de an­de­re Aus­le­gung würde dem Ziel der Richt­li­nie 93/104 zu­wi­der­lau­fen, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu har­mo­ni­sie­ren (vgl. Ur­teil vom 12. No­vem­ber 1996 in der Rechts­sa­che C-84/94, Ver­ei­nig­tes König­reich/Rat, Slg. 1996, I-5755, Rand­nrn. 45 und 75).

60

Der Um­stand, dass der Ge­richts­hof sich im Ur­teil Si­map nicht aus­drück­lich zu der den Ärz­ten, die ei­nen Be­reit­schafts­dienst in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus leis­ten, ge­ge­be­nen Möglich­keit geäußert hat, sich während der Zei­ten, in de­nen sie nicht zur Ar­beits­leis­tung her­an­ge­zo­gen wer­den, aus­zu­ru­hen oder zu schla­fen, ist in­so­weit oh­ne Be­deu­tung.

61

Sol­che Zei­ten be­ruf­li­cher Untätig­keit sind Teil des Be­reit­schafts­diens­tes, den die Ärz­te in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus leis­ten, da - im Un­ter­schied zur nor­ma­len Ar­beits­zeit - die Not­wen­dig­keit drin­gen­der Einsätze von den Umständen abhängt und nicht im Vor­aus ge­plant wer­den kann.

62

Der Ge­richts­hof hat übri­gens im letz­ten Satz der Rand­num­mer 48 des Ur­teils Si­map aus­drück­lich auf die­sen Um­stand hin­ge­wie­sen, wor­aus sich zwin­gend er­gibt, dass er da­von aus­ge­gan­gen ist, dass die im Kran­ken­haus an­we­sen­den Be­reit­schafts­dienstärz­te ih­re be­ruf­li­chen Tätig­kei­ten nicht während des ge­sam­ten Be­reit­schafts­diens­tes tatsächlich und un­un­ter­bro­chen ausüben.

63

Ent­schei­dend für die An­nah­me, dass der von den Ärz­ten im Kran­ken­haus ge­leis­te­te Be­reit­schafts­dienst die cha­rak­te­ris­ti­schen Merk­ma­le des Be­grif­fes „Ar­beits­zeit“ im Sin­ne der Richt­li­nie 93/104 auf­weist, ist nach Auf­fas­sung des Ge­richts­ho­fes, dass sie sich an ei­nem vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Ort auf­hal­ten und die­sem zur Verfügung ste­hen müssen, um ge­ge­be­nen­falls so­fort ih­re Leis­tun­gen er­brin­gen zu können. Wie sich nämlich aus Rand­num­mer 48 des Ur­teils Si­map er­gibt, sind die­se Ver­pflich­tun­gen, auf­grund de­ren die be­trof­fe­nen Ärz­te ih­ren Auf­ent­halts­ort während der War­te­zei­ten nicht frei be­stim­men können, als Be­stand­teil der Wahr­neh­mung ih­rer Auf­ga­ben an­zu­se­hen.

64

Der bloße Um­stand, dass der Ar­beit­ge­ber dem Arzt ei­nen Ru­he­raum zur Verfügung stellt, in dem er sich auf­hal­ten kann, so­lan­ge kei­ne be­ruf­li­chen Leis­tun­gen von ihm ver­langt wer­den, ändert nichts an die­sem Er­geb­nis.

65

Zu­dem un­ter­liegt, wie der Ge­richts­hof be­reits in Rand­num­mer 50 des Ur­teils Si­map fest­ge­stellt hat, ein Arzt, der sei­nem Ar­beit­ge­ber an dem von die­sem be­stimm­ten Ort während der ge­sam­ten Dau­er sei­ner Be­reit­schafts­diens­te zur Verfügung ste­hen muss, im Ver­gleich zu ei­nem Arzt, der im Rah­men der Ruf­be­reit­schaft tätig ist, während de­ren er nur ständig er­reich­bar sein muss, oh­ne je­doch zur An­we­sen­heit in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung ver­pflich­tet zu sein, er­heb­lich stärke­ren Ein­schränkun­gen, da er sich außer­halb sei­nes fa­mi­liären und so­zia­len Um­felds auf­hal­ten muss und über die Zeit, in der er nicht in An­spruch ge­nom­men wird, we­ni­ger frei verfügen kann. Un­ter die­sen Umständen können bei ei­nem Ar­beit­neh­mer, der an dem vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Ort zur Verfügung steht, die Zei­ten sei­nes Be­reit­schafts­diens­tes, in de­nen er tatsächlich kei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit ausübt, nicht als Ru­he­zei­ten an­ge­se­hen wer­den.

66

Die von den fünf Mit­glied­staa­ten, die gemäß Ar­ti­kel 20 der EG-Sat­zung des Ge­richts­ho­fes schrift­li­che Erklärun­gen ab­ge­ge­ben ha­ben, er­ho­be­nen Einwände be­tref­fend die wirt­schaft­li­chen und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Aus­wir­kun­gen, die sich aus ei­ner Er­stre­ckung der im Ur­teil Si­map ge­trof­fe­nen Ent­schei­dung auf ei­nen Fall wie den­je­ni­gen des Aus­gangs­ver­fah­rens er­ge­ben würden, können die­se Aus­le­gung nicht in Fra­ge stel­len.

67

Im Übri­gen heißt es in der fünf­ten Be­gründungs­erwägung der Richt­li­nie 93/104: „Die Ver­bes­se­rung von Si­cher­heit, Ar­beits­hy­gie­ne und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei der Ar­beit stel­len Ziel­set­zun­gen dar, die kei­nen rein wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen un­ter­ge­ord­net wer­den dürfen.“

68

Aus al­le­dem folgt, dass das Er­geb­nis, zu dem der Ge­richts­hof im Ur­teil Si­map ge­langt ist, nämlich dass der Be­reit­schafts­dienst, den die Ärz­te der Teams zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung in Form persönli­cher An­we­sen­heit in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung leis­ten, ins­ge­samt als Ar­beits­zeit im Sin­ne Richt­li­nie 93/104 an­zu­se­hen ist, un­abhängig von den tatsächlich von den Be­trof­fe­nen er­brach­ten Ar­beits­leis­tun­gen, auch für Be­reit­schafts­diens­te gel­ten muss, die in der­sel­ben Form von ei­nem Arzt wie dem Kläger in dem Kran­ken­haus er­bracht wer­den, in dem er beschäftigt ist.

69

Da­her steht die Richt­li­nie 93/104 ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung wie der­je­ni­gen des Aus­gangs­ver­fah­rens ent­ge­gen, nach der die Pha­sen des Be­reit­schafts­diens­tes, während de­ren der Arzt nicht tatsächlich zur Erfüllung ei­ner be­ruf­li­chen Auf­ga­be her­an­ge­zo­gen wird und sich aus­ru­hen kann, sich je­doch an dem vom Ar­beit­ge­ber be­stimm­ten Ort auf­hal­ten und verfügbar sein muss, um sei­ne Leis­tun­gen zu er­brin­gen, falls dies er­for­der­lich ist oder er hier­zu auf­ge­for­dert wird, als Ru­he­zeit be­han­delt wer­den.

70

Die­se Aus­le­gung ent­spricht nämlich als ein­zi­ge dem Ziel der Richt­li­nie 93/104, ei­nen wirk­sa­men Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer da­durch zu gewähr­leis­ten, dass ih­nen tatsächlich Min­destru­he­zei­ten gewährt wer­den. Ei­ne sol­che Aus­le­gung ist um­so mehr ge­bo­ten, wenn es sich um Ärz­te han­delt, die in Ge­sund­heits­ein­rich­tun­gen Be­reit­schafts­dienst leis­ten, da die Zeiträume, in de­nen sie nicht zu Not­fall­diens­ten her­an­ge­zo­gen wer­den, je nach Ein­zel­fall womöglich kurz sind und/oder häufig un­ter­bro­chen wer­den und da im Übri­gen nicht aus­zu­sch­ließen ist, dass die Be­trof­fe­nen - ab­ge­se­hen von den Notfällen - zur Über­wa­chung des Zu­stands der ih­rer Auf­sicht un­ter­lie­gen­den Pa­ti­en­ten oder zur Erfüllung ad­mi­nis­tra­ti­ver Auf­ga­ben her­an­ge­zo­gen wer­den.

71

Auf Grund all die­ser Erwägun­gen ist auf die ers­te und die zwei­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die Richt­li­nie 93/104 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass der Be­reit­schafts­dienst, den ein Arzt in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus leis­tet, in vol­lem Um­fang Ar­beits­zeit im Sin­ne die­ser Richt­li­nie dar­stellt, auch wenn es dem Be­trof­fe­nen in Zei­ten, in de­nen er nicht in An­spruch ge­nom­men wird, ge­stat­tet ist, sich an sei­ner Ar­beits­stel­le aus­zu­ru­hen, so dass die Richt­li­nie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­steht, nach der Zei­ten, in de­nen ein Ar­beit­neh­mer während ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes untätig ist, als Ru­he­zeit ein­ge­stuft wer­den.

Zur drit­ten und zur vier­ten Fra­ge

72

Mit der drit­ten und der vier­ten Fra­ge, die ge­mein­sam zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob die Richt­li­nie 93/104 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass sie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­steht, die - ge­ge­be­nen­falls über ei­nen Ta­rif­ver­trag oder ei­ne auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­trags ge­trof­fe­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung - ei­ne Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit von elf St­un­den der­ge­stalt zulässt, dass „Zei­ten der In­an­spruch­nah­me während des Be­reit­schafts­diens­tes ... zu an­de­ren Zei­ten“ aus­ge­gli­chen wer­den.

73

Aus dem Zu­sam­men­hang, in dem die drit­te und die vier­te Fra­ge ge­stellt wur­den, er­gibt sich, dass das vor­le­gen­de Ge­richt Zwei­fel an der Ver­ein­bar­keit der §§ 5 Ab­satz 3 und 7 Ab­satz 2 Un­ter­ab­satz 1 Arb­ZG mit der Richt­li­nie 93/104 hat.

74

In­so­weit ist zunächst fest­zu­stel­len, dass na­tio­na­le Vor­schrif­ten wie die vom vor­le­gen­den Ge­richt an­geführ­ten da­nach un­ter­schei­den, ob der Ar­beit­neh­mer während des Be­reit­schafts­diens­tes tatsächlich zu Ar­beits­leis­tun­gen her­an­ge­zo­gen wird oder nicht, da nur für Zei­ten tatsäch­li­cher Tätig­keit während ei­nes sol­chen Diens­tes ein Aus­gleich vor­ge­se­hen ist, während die Pha­sen die­ses Diens­tes, in de­nen der Ar­beit­neh­mer untätig ist, als Ru­he­zeit an­ge­se­hen wer­den.

75

Wie sich aus der Ant­wort auf die ers­ten bei­den Fra­gen er­gibt, sind Be­reit­schafts­diens­te, die ein Arzt in dem Kran­ken­haus leis­tet, in dem er beschäftigt ist, in vol­lem Um­fang als Ar­beits­zeit an­zu­se­hen, un­abhängig da­von, dass der Ar­beit­neh­mer während die­ses Diens­tes kei­ne un­un­ter­bro­che­ne tatsächli­che Tätig­keit ausübt. Die Richt­li­nie 93/104 steht al­so ei­ner Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen, die Zei­ten der Untätig­keit ei­nes Ar­beit­neh­mers während des Be­reit­schafts­diens­tes, den er in der Ge­sund­heits­ein­rich­tung leis­tet, als Ru­he­zeit im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­han­delt und da­her ei­nen Aus­gleich nur für die Zei­ten vor­sieht, während de­ren der Be­trof­fe­ne tatsächlich ei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit aus­geübt hat.

76

Um dem vor­le­gen­den Ge­richt ei­ne sach­dien­li­che Ant­wort zu ge­ben, müssen fer­ner die An­for­de­run­gen der Richt­li­nie 93/104 be­tref­fend die Ru­he­zeit geklärt wer­den; ins­be­son­de­re muss ge­prüft wer­den, ob und ge­ge­be­nen­falls in­wie­weit na­tio­na­le Vor­schrif­ten wie die §§ 5 Ab­satz 3 und 7 Ab­satz 2 Un­ter­ab­satz 1 Arb­ZG un­ter die in die­ser Richt­li­nie vor­ge­se­he­nen Ab­wei­chungsmöglich­kei­ten fal­len.

77

Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie räumt in­so­weit je­dem Ar­beit­neh­mer pro 24-St­un­den-Zeit­raum ei­nen An­spruch auf ei­ne Min­destru­he­zeit von elf zu­sam­menhängen­den St­un­den ein.

78

Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie ver­pflich­tet die Mit­glied­staa­ten, die er­for­der­li­chen Maßnah­men zu tref­fen, da­mit nach Maßga­be der Er­for­der­nis­se des Schut­zes der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 St­un­den ein­sch­ließlich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet.

79

Aus dem Wort­laut der bei­den vor­ge­nann­ten Vor­schrif­ten er­gibt sich, dass ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung wie die­je­ni­ge des Aus­gangs­ver­fah­rens, nach der die Ar­beits­zeit un­gefähr 30 St­un­den hin­ter­ein­an­der be­tra­gen kann, wenn ein Be­reit­schafts­dienst ei­nem nor­ma­len Dienst un­mit­tel­bar vor­aus­geht oder an die­sen an­sch­ließt, oder - ein­sch­ließlich der Be­reit­schafts­diens­te - mehr als 50 St­un­den in der Wo­che, mit ih­nen nicht ver­ein­bar ist. Et­was an­de­res würde nur gel­ten, wenn die­se Re­ge­lung un­ter die in der Richt­li­nie 93/104 vor­ge­se­he­nen Ab­wei­chungsmöglich­kei­ten fie­le.

80

Wie sich in­so­weit aus dem durch die­se Richt­li­nie ein­geführ­ten Sys­tem er­gibt, lässt Ar­ti­kel 15 der Richt­li­nie zwar grundsätz­lich die An­wen­dung oder Einführung na­tio­na­ler Vor­schrif­ten zu, die für den Schutz der Si­cher­heit oder Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ger sind, doch dürfen die Mit­glied­staa­ten oder die So­zi­al­part­ner nach Ar­ti­kel 17 der Richt­li­nie Ab­wei­chun­gen nur von ei­ni­gen - ab­sch­ließend auf­gezähl­ten - Richt­li­ni­en­be­stim­mun­gen vor­se­hen.

81

Be­zeich­nen­der­wei­se gehört, ers­tens, Ar­ti­kel 2 der Richt­li­nie 93/104 nicht zu den Vor­schrif­ten, von de­nen die Richt­li­nie aus­drück­lich Ab­wei­chun­gen zulässt.

82

Dies bestätigt die in den Rand­num­mern 58 und 59 die­ses Ur­teils ge­trof­fe­ne Fest­stel­lung, dass die in Ar­ti­kel 2 ent­hal­te­nen Be­griffs­be­stim­mun­gen von den Mit­glied­staa­ten nicht frei aus­ge­legt wer­den können.

83

Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie 93/104 wird, zwei­tens, nur in ih­rem Ar­ti­kel 17 Ab­satz 1 erwähnt, und die letzt­ge­nann­te Vor­schrift be­zieht sich un­strei­tig auf ganz an­de­re Tätig­kei­ten, als sie ein Arzt während der Be­reit­schafts­diens­te ausübt, die er in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus ab­leis­tet.

84

Ge­wiss ist es den Mit­glied­staa­ten nach Ar­ti­kel 18 Ab­satz 1 Buch­sta­be b Zif­fer i der Richt­li­nie 93/104 frei­ge­stellt, Ar­ti­kel 6 nicht an­zu­wen­den, so­fern sie die all­ge­mei­nen Grundsätze des Schut­zes der Si­cher­heit und der Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te in die­ser Vor­schrift auf­geführ­te ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen ein­hal­ten.

85

Un­strei­tig hat die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land je­doch, wie die deut­sche Re­gie­rung in der münd­li­chen Ver­hand­lung aus­drück­lich bestätigt hat, von die­ser Ab­wei­chungsmöglich­keit kei­nen Ge­brauch ge­macht.

86

Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie 93/104 da­ge­gen wird, drit­tens, in ver­schie­de­nen Absätzen des Ar­ti­kels 17 der Richt­li­nie erwähnt, u. a. in des­sen Ab­satz 2 Num­mer 2.1, ei­ner Vor­schrift, die für das Aus­gangs­ver­fah­ren ein­schlägig ist, da sie gemäß Buch­sta­be c Zif­fer i „ins­be­son­de­re bei ... Auf­nah­me-, Be­hand­lungs- und/oder Pfle­ge­diens­ten von Kran­kenhäusern oder ähn­li­chen Ein­rich­tun­gen ...“ An­wen­dung fin­det.

87

Die Richt­li­nie 93/104 er­kennt so­mit die Be­son­der­hei­ten, die mit der Or­ga­ni­sa­ti­on der Be­reit­schafts­diens­te in Kran­kenhäusern oder ähn­li­chen Ein­rich­tun­gen ver­bun­den sind, an, da sie hierfür in ih­rem Ar­ti­kel 17 Ab­wei­chungsmöglich­kei­ten vor­sieht.

88

Ent­spre­chend hat der Ge­richts­hof in Rand­num­mer 45 des Ur­teils Si­map aus­geführt, dass die Tätig­keit der Ärz­te der Teams zur me­di­zi­ni­schen Grund­ver­sor­gung un­ter die in die­sem Ar­ti­kel vor­ge­se­he­nen Ab­wei­chun­gen fal­len kann, wenn der Tat­be­stand die­ser Vor­schrift erfüllt ist (vgl. Be­schluss CIG, Rand­nr. 31).

89

In­so­weit ist fest­zu­stel­len, dass die in Ar­ti­kel 17 der Richt­li­nie 93/104 vor­ge­se­he­nen Ab­wei­chun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung so aus­ge­legt wer­den müssen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie ermögli­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird.

90

Aus­drück­li­che Vor­aus­set­zung für ei­ne sol­che Ab­wei­chung - ins­be­son­de­re von der Dau­er der tägli­chen Ru­he­zeit nach Ar­ti­kel 3 der Richt­li­nie 93/104 - ist im Übri­gen nach Ar­ti­kel 17 Ab­satz 2 die­ser Richt­li­nie, dass die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer gleich­wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten oder in Aus­nah­mefällen, in de­nen die Gewährung sol­cher gleich­wer­ti­ger Aus­gleichs­ru­he­zei­ten aus ob­jek­ti­ven Gründen nicht möglich ist, ei­nen an­ge­mes­se­nen Schutz er­hal­ten. Die­sel­ben Vor­aus­set­zun­gen gel­ten nach Ar­ti­kel 17 Ab­satz 3 für Ab­wei­chun­gen von dem ge­nann­ten Ar­ti­kel 3 im We­ge von Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler oder re­gio­na­ler Ebe­ne oder, bei zwi­schen den So­zi­al­part­nern ge­trof­fe­nen Ab­ma­chun­gen, im We­ge von Ta­rif­verträgen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern auf nied­ri­ge­rer Ebe­ne.

91

Zum ei­nen er­laubt Ar­ti­kel 17 der Richt­li­nie 93/104 es je­doch - wie be­reits in Rand­num­mer 81 des vor­lie­gen­den Ur­teils fest­ge­stellt - nicht, von den De­fi­ni­tio­nen der Be­grif­fe „Ar­beits­zeit“ und „Ru­he­zeit“ in Ar­ti­kel 2 die­ser Richt­li­nie ab­zu­wei­chen und Zei­ten der Untätig­keit ei­nes Arz­tes, der sei­nen Be­reit­schafts­dienst im Kran­ken­haus selbst ab­leis­ten muss, als Ru­he­zeit an­zu­rech­nen, ob­wohl sol­che Zei­ten in vol­lem Um­fang der Ar­beits­zeit im Sin­ne die­ser Richt­li­nie zu­zu­rech­nen sind.

92

Zum an­de­ren ist dar­an zu er­in­nern, dass die Richt­li­nie 93/104 den Zweck ver­folgt, die Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer wirk­sam zu schützen. In An­be­tracht die­ses we­sent­li­chen Zie­les müssen je­dem Ar­beit­neh­mer an­ge­mes­se­ne Ru­he­zei­ten zur Verfügung ste­hen,die nicht nur ef­fek­tiv sein müssen, in­dem sie es den Be­tref­fen­den er­lau­ben, sich von der durch ih­re Ar­beit her­vor­ge­ru­fe­nen Ermüdung zu er­ho­len, son­dern auch vor­beu­gen­den Cha­rak­ter ha­ben müssen, in­dem sie die Ge­fahr ei­ner Ver­schlech­te­rung der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer, die in der Ku­mu­lie­rung von Ar­beits­pha­sen oh­ne die er­for­der­li­che Ru­he­pau­se lie­gen kann, so weit wie möglich ver­rin­gern.

93

In­so­weit er­gibt sich aus Rand­num­mer 15 des Ur­teils Ver­ei­nig­tes König­reich/Rat vom 12. No­vem­ber 1996, dass die Be­grif­fe „Si­cher­heit“ und „Ge­sund­heit“ im Sin­ne des Ar­ti­kels 118a EG-Ver­trag, auf den die Richt­li­nie 93/104 gestützt ist, in der Wei­se weit aus­ge­legt wer­den müssen, dass sie sämt­li­che körper­li­chen und sons­ti­gen Fak­to­ren, die die Ge­sund­heit und die Si­cher­heit der Ar­beit­neh­mer in ih­rem Ar­beits­um­feld un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar berühren, ins­be­son­de­re be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung, er­fas­sen. In der­sel­ben Rand­num­mer die­ses Ur­teils hat der Ge­richts­hof fer­ner fest­ge­stellt, dass ei­ne sol­che Aus­le­gung sich zu­dem auf die Präam­bel der Sat­zung der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on stützen kann, der sämt­li­che Mit­glied­staa­ten an­gehören; die­se de­fi­niert Ge­sund­heit als den Zu­stand des vollständi­gen körper­li­chen, geis­ti­gen und so­zia­len Wohl­be­fin­dens und nicht nur als das Frei­sein von Krank­hei­ten und Ge­bre­chen.

94

Nach al­le­dem müssen „gleich­wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten“ im Sin­ne von Ar­ti­kel 17 Absätze 1, 2 und 3 der Richt­li­nie 93/104 - um so­wohl den da­mit auf­ge­stell­ten Kri­te­ri­en als auch dem Ziel die­ser Richt­li­nie, wie es in Rand­num­mer 92 des vor­lie­gen­den Ur­teils dar­ge­stellt ist, zu ent­spre­chen - da­durch ge­kenn­zeich­net sein, dass der Ar­beit­neh­mer während die­ser Zei­ten ge­genüber sei­nem Ar­beit­ge­ber kei­ner Ver­pflich­tung un­ter­liegt, die ihn dar­an hin­dern kann, frei und oh­ne Un­ter­bre­chung sei­nen ei­ge­nen In­ter­es­sen nach­zu­ge­hen, um die Aus­wir­kun­gen der Ar­beit auf sei­ne Si­cher­heit und Ge­sund­heit zu neu­tra­li­sie­ren. Sol­che Ru­he­zei­ten müssen sich da­her un­mit­tel­bar an die Ar­beits­zeit an­sch­ließen, de­ren Aus­gleich sie die­nen, um ei­ne Ermüdung oder Über­las­tung des Ar­beit­neh­mers durch die Ku­mu­lie­rung auf­ein­an­der­fol­gen­der Ar­beits­pe­ri­oden zu ver­hin­dern.

95

Um ei­nen wirk­sa­men Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit des Ar­beit­neh­mers zu gewähr­leis­ten, muss so­mit grundsätz­lich vor­ge­se­hen wer­den, dass ei­ne Ar­beits­pe­ri­ode re­gelmäßig von ei­ner Ru­he­pe­ri­ode ab­gelöst wird. Um sich tatsächlich aus­ru­hen zu können, muss der Ar­beit­neh­mer sich nämlich für ei­ne be­stimm­te An­zahl von St­un­den, die nicht nur zu­sam­menhängen, son­dern sich auch un­mit­tel­bar an ei­ne Ar­beits­pe­ri­ode an­sch­ließen müssen, aus sei­ner Ar­beits­um­ge­bung zurück­zie­hen können, um sich zu ent­span­nen und sich von der mit der Wahr­neh­mung sei­ner Auf­ga­ben ver­bun­de­nen Ermüdung zu er­ho­len. Die­ses Er­for­der­nis ist um­so dring­li­cher, wenn die re­gelmäßige tägli­che Ar­beits­zeit ab­wei­chend von der all­ge­mei­nen Re­gel durch die Ab­leis­tung ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes verlängert wird.

96

Da­ge­gen kann die Ab­leis­tung ei­ner Rei­he von Ar­beits­pe­ri­oden oh­ne Zwi­schen­schal­tung der er­for­der­li­chen Ru­he­zeit ge­ge­be­nen­falls zu ei­ner Schädi­gung des Ar­beit­neh­mers führen oder zu­min­dest des­sen körper­li­che Fähig­kei­ten über­stei­gen und da­mit sei­ne Ge­sund­heit und Si­cher­heit gefähr­den, so dass ei­ne erst nach die­sen Pe­ri­oden gewähr­te Ru­he­zeit nicht ge­eig­net ist, den Schutz der frag­li­chen Be­lan­ge ord­nungs­gemäß zu gewähr­leis­ten. Wie in Rand­num­mer 70 die­ses Ur­teils fest­ge­stellt, ist die­se Ge­fahr bei dem Be­reit­schafts­dienst, den ein Arzt in ei­ner Ge­sund­heits­ein­rich­tung leis­tet, noch größer, zu­mal wenn ein sol­cher Dienst zur re­gelmäßigen Ar­beits­zeit hin­zu­kommt.

97

Un­ter die­sen Umständen muss die Verlänge­rung der tägli­chen Ar­beits­zeit, die die Mit­glied­staa­ten oder die So­zi­al­part­ner nach Ar­ti­kel 17 der Richt­li­nie 93/104 vor­neh­men können, in­dem sie die Dau­er der dem Ar­beit­neh­mer während ei­nes ge­ge­be­nen Ar­beits­ta­ges gewähr­ten Ru­he­pau­se, na­ment­lich in Kran­kenhäusern und ähn­li­chen Ein­rich­tun­gen, verkürzen, grundsätz­lich durch die Gewährung gleich­wer­ti­ger Aus­gleichs­ru­he­zei­ten aus­ge­gli­chen wer­den, die aus ei­ner An­zahl zu­sam­menhängen­der St­un­den ent­spre­chend der vor­ge­nom­me­nen Kürzung be­ste­hen und die dem Ar­beit­neh­mer gewährt wer­den müssen, be­vor die fol­gen­de Ar­beits­pe­ri­ode be­ginnt.

98

Ar­ti­kel 17 lässt nämlich nur un­ter ganz außer­gewöhn­li­chen Umständen zu, dass ein Ar­beit­neh­mer „ei­nen an­de­ren an­ge­mes­se­nen Schutz“ erhält, weil die Gewährung gleich­wer­ti­ger Aus­gleichs­ru­he­zei­ten aus ob­jek­ti­ven Gründen nicht möglich ist.

99

Vor­lie­gend wird je­doch nicht vor­ge­tra­gen oder auch nur an­ge­deu­tet, dass es sich bei ei­ner Re­ge­lung wie der­je­ni­gen des Aus­gangs­ver­fah­rens um ei­nen sol­chen Fall han­deln könn­te.

100

Zu­dem darf die durch die Richt­li­nie 93/104 un­ter be­stimm­ten Umständen und bei Ein­hal­tung ver­schie­de­ner Vor­aus­set­zun­gen zu­ge­las­se­ne Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit von elf zu­sam­menhängen­den St­un­den in kei­nem Fall zu ei­ner Über­schrei­tung der in Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie fest­ge­setz­ten Höchst­dau­er der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit führen, in­dem ein Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet wird, sei­ne Tätig­kei­ten durch­schnitt­lich länger als 48 St­un­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ein­sch­ließlich der Über­stun­den aus­zuüben, selbst wenn hier­un­ter Be­reit­schafts­diens­te mit Zeiträum­en fal­len, in de­nen der Ar­beit­neh­mer zwar an sei­nem Ar­beits­platz verfügbar ist, je­doch nicht tatsächlich be­ruf­li­che Tätig­kei­ten ausübt.

101

Wie nämlich be­reits in Rand­num­mer 83 die­ses Ur­teils fest­ge­stellt, lässt Ar­ti­kel 17 für Tätig­kei­ten wie die­je­ni­gen, um die es im Aus­gangs­ver­fah­ren geht, kei­ne Ab­wei­chung von Ar­ti­kel 6 zu.

102

Al­le die­se Erwägun­gen führen zu dem Er­geb­nis, dass na­tio­na­le Vor­schrif­ten wie die­je­ni­gen der §§ 5 Ab­satz 3 und 7 Ab­satz 2 Un­ter­ab­satz 1 Arb­ZG nicht un­ter die in der Richt­li­nie 93/104 vor­ge­se­he­nen Ab­wei­chungsmöglich­kei­ten fal­len können.

103

Da­her ist auf die drit­te und die vier­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass die Richt­li­nie 93/104 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass

- sie un­ter Umständen wie den­je­ni­gen des Aus­gangs­ver­fah­rens der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­steht, die bei ei­nem in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst - ge­ge­be­nen­falls über ei­nen Ta­rif­ver­trag oder ei­ne auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­trags ge­trof­fe­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung - ei­nen Aus­gleich nur der Be­reit­schafts­dienst­zei­ten zulässt, in de­nen der Ar­beit­neh­mer tatsächlich ei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit aus­geübt hat;

- ei­ne Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit von elf zu­sam­menhängen­den St­un­den durch Ab­leis­tung ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes, der zur re­gelmäßigen Ar­beits­zeit hin­zu­kommt, nur dann un­ter die Ab­wei­chungs­be­stim­mun­gen in Ar­ti­kel 17 Ab­satz 2 Num­mer 2.1 Buch­sta­be c Zif­fer i die­ser Richt­li­nie fällt, wenn den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern gleich­wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an die ent­spre­chen­den Ar­beits­pe­ri­oden gewährt wer­den;

- ei­ne sol­che Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit darüber hin­aus in kei­nem Fall zu ei­ner Über­schrei­tung der in Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie fest­ge­setz­ten Höchst­dau­er der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit führen darf.

Kos­ten

104

Die Aus­la­gen der deut­schen, der däni­schen, der französi­schen und der nie­derländi­schen Re­gie­rung, der Re­gie­rung des Ver­ei­nig­ten König­reichs so­wie der Kom­mis­si­on, die Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof ab­ge­ge­ben ha­ben, sind nicht er­stat­tungsfähig. Für die Be­tei­lig­ten des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Ver­fah­ren; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts.

Aus die­sen Gründen

hat

DER GERICH­TSHOF

auf die ihm vom Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein mit Be­schluss vom 12. März 2002, geändert durch Be­schluss vom 25. März 2002, vor­ge­leg­ten Fra­gen für Recht er­kannt:

1. Die Richt­li­nie 93/104/EG des Ra­tes vom 23. No­vem­ber 1993 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist da­hin aus­zu­le­gen, dass der Be­reit­schafts­dienst, den ein Arzt in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus leis­tet, in vol­lem Um­fang Ar­beits­zeit im Sin­ne die­ser Richt­li­nie dar­stellt, auch wenn es dem Be­trof­fe­nen in Zei­ten, in de­nen er nicht in An­spruch ge­nom­men wird, ge­stat­tet ist, sich an sei­ner Ar­beits­stel­le aus­zu­ru­hen, so dass die Richt­li­nie der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­steht, nach der Zei­ten, in de­nen ein Ar­beit­neh­mer während ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes untätig ist, als Ru­he­zeit ein­ge­stuft wer­den.

2. Die Richt­li­nie 93/104 ist fer­ner da­hin aus­zu­le­gen, dass

- sie un­ter Umständen wie den­je­ni­gen des Aus­gangs­ver­fah­rens der Re­ge­lung ei­nes Mit­glied­staats ent­ge­gen­steht, die bei ei­nem in Form persönli­cher An­we­sen­heit im Kran­ken­haus ge­leis­te­ten Be­reit­schafts­dienst - ge­ge­be­nen­falls über ei­nen Ta­rif­ver­trag oder ei­ne auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­trags ge­trof­fe­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung - ei­nen Aus­gleich nur der Be­reit­schafts­dienst­zei­ten zulässt, in de­nen der Ar­beit­neh­mer tatsächlich ei­ne be­ruf­li­che Tätig­keit aus­geübt hat;

- ei­ne Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit von elf zu­sam­menhängen­den St­un­den durch Ab­leis­tung ei­nes Be­reit­schafts­diens­tes, der zur re­gelmäßigen Ar­beits­zeit hin­zu­kommt, nur dann un­ter die Ab­wei­chungs­be­stim­mun­gen in Ar­ti­kel 17 Ab­satz 2 Num­mer 2.1 Buch­sta­be c Zif­fer i die­ser Richt­li­nie fällt, wenn den be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mern gleich­wer­ti­ge Aus­gleichs­ru­he­zei­ten im un­mit­tel­ba­ren An­schluss an die ent­spre­chen­den Ar­beits­pe­ri­oden gewährt wer­den;

- ei­ne sol­che Kürzung der tägli­chen Ru­he­zeit darüber hin­aus in kei­nem Fall zu ei­ner Über­schrei­tung der in Ar­ti­kel 6 der Richt­li­nie fest­ge­setz­ten Höchst­dau­er der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit führen darf.

Ro­dríguez Igle­si­as
Wa­the­let
Sch­int­gen

Tim­mer­m­ans
Gul­mann
Ed­ward

Jann
Skou­ris
Ma­cken

Col­ne­ric
von Bahr
Cun­ha Ro­d­ri­gues

Ro­sas

Verkündet in öffent­li­cher Sit­zung in Lu­xem­burg am 9. Sep­tem­ber 2003.

Der Kanz­ler
Der Präsi­dent

R. Grass
G. C. Ro­dríguez Igle­si­as


1: Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht C-151/02