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Reine Beitragszusage als Form der betrieblichen Altersversorgung
21.04.2017. In der Regel erlahmt der gesetzgeberische Eifer einer Regierungskoalition in den letzten Monaten vor der nächsten Bundestagswahl. Dann sind die Gemeinsamkeiten aufgebraucht und der Wahlkampf tritt an die Stelle des Koalitionsfriedens.
Überraschenderweise ist die große Koalition von SPD und SDU/CSU trotz der bevorstehenden Bundestagswahl dazu entschlossen, eine grundlegende Reform des Betriebsrentenrechts zu verabschieden.
Das geplante Betriebsrentenstärkungsgesetz soll es Arbeitgebern erstmals ermöglichen, Betriebsrenten mit der Maßgabe zu versprechen, dass die Beitragszahlung durch den Arbeitgeber das Betriebsrentenversprechen erfüllt (reine Beitragszusage, "pay and forget"): Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz), Gesetzentwurf der Bundesregierung, vom 22.02.2017, Bundestag-Drucks. 18/11286.
- Warum Betriebsrenten so sicher sind und warum viele Arbeitnehmer davon nichts haben
- Künftig möglich: Betriebsrenten in Form der reinen Beitragszusage
- Tarifvertrag als notwendige Grundlage für Betriebsrenten in Form einer reinen Beitragszusage
- Automatische Entgeltumwandlung zur Finanzierung von Betriebsrenten plus Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer (Optionssystem)
- Anrechnungsfreiheit von Betriebsrenten bis zu 202,00 EUR monatlich bei der Grundsicherung im Alter
- Steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung bei Geringverdienern
- Stellungnahmen der Opposition und der Sozialpartner
- Fazit: Die reine Beitragszusage wird nicht viel bringen, wenn Betriebsrentner nicht finanziell entlastet werden
Warum Betriebsrenten so sicher sind und warum viele Arbeitnehmer davon nichts haben
Zu den wesentlichen Grundsätzen des derzeit geltenden Betriebsrentenrechts gehört die Haftung des Arbeitgebers für die späteren Rentenzahlungen. Dieser Grundsatz ist in § 1 Abs.1 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) festgeschrieben. Satz 1 und Satz 3 dieser Vorschrift lauten:
„Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. (…) Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.“
Auf der Grundlage des aktuellen BetrAVG ist es Arbeitgebern daher nicht möglich, ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen zu machen, die sich allein auf die Zahlung laufender Prämien durch den Arbeitgeber beziehen, z.B. zu einer Lebensversicherung, zu einem Pensionsfonds oder zu einer Pensionskasse. Das gilt gemäß § 1 Abs.2 Nr.1 und Nr.3 BetrAVG auch für Formen der Betriebsrente wie die „beitragsorientierte Leistungszusage“ oder die Entgeltumwandlung, bei denen man auf den ersten Blick nicht denken würde, dass der Arbeitgeber auch hier eine gesetzliche (Ausfall-)Haftung für spätere Rentenzahlungen trägt.
Obwohl der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren immer wieder Anläufe dazu unternommen hat, das Prinzip der Arbeitgeberhaftung für Betriebsrentenzahlungen aufzulockern bzw. durch beitragsbezogene Formen von Betriebsrenten zu ergänzen, wurde die strenge Arbeitgeberhaftung bis heute aufrechterhalten. Dementsprechend verpflichtet § 16 BetrAVG Arbeitgeber dazu, alle drei Jahre über eine (mögliche) Anpassung der laufenden Rentenzahlungen zu entscheiden.
Ergänzt wird die umfassende Betriebsrenten-Haftung des Arbeitgebers durch eine gesetzliche Insolvenzsicherung. Sie greift ein, wenn Arbeitgeber insolvent werden und aus diesem Grund Betriebsrenten nicht mehr zahlen können (§§ 7 bis 15 BetrAVG).
Die rechtliche Absicherung von Betriebsrenten ist positiv für diejenigen Arbeitnehmer, die eine Anwartschaft auf eine spätere Betriebsrente haben oder sogar schon Betriebsrentner sind. Die Kehrseite dieser Rechtssicherheit besteht allerdings darin, dass viele kleine und mittlere Unternehmen gar nicht erst darüber nachdenken, ihren Arbeitnehmern Betriebsrenten zu versprechen, da die damit verbundenen, langfristigen finanziellen und juristischen Risiken für sie nicht tragbar bzw. zu hoch sind. Und da das BetrAVG Arbeitgeber zu Betriebsrentenzusagen nun einmal nicht verpflichtet, gehen Arbeitnehmer kleiner und mittlerer Unternehmen oft leer aus.
Die derzeit gültige gesetzliche Absicherung von Betriebsrentenanwartschaften und Betriebsrentenansprüchen hat daher den unerwünschten Nebeneffekt, dass viele Arbeitnehmer erst gar nicht in den Genuss einer betrieblichen Altersversorgung kommen.
An der Stelle setzt der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentenstärkungsgesetz) ein. In der Begründung zum Gesetzentwurf heißt es (S.1):
„Betriebsrenten sind noch nicht ausreichend verbreitet. Besonders in kleinen Unternehmen und bei Beschäftigten mit niedrigem Einkommen bestehen Lücken. Deshalb sind weitere Anstrengungen und auch neue Wege notwendig, um eine möglichst weite Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung und damit verbunden ein höheres Versorgungsniveau der Beschäftigten durch kapitalgedeckte Zusatzrenten zu erreichen.“
Künftig möglich: Betriebsrenten in Form der reinen Beitragszusage
Wichtigster Bestandteil des Gesetzentwurfes ist die Einführung einer neuen Betriebsrentenform, der „reinen Beitragszusage“. Die geplante Gesetzesänderung schreibt daher in § 1 Abs.2 Nr.2 a) BetrAVG neue Fassung (n.F.) fest, dass eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des Gesetzes auch dann vorliegt, wenn
„der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und § 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage)“.
Da diese Regelung ausdrücklich klarstellt, dass § 1 Abs.1 Satz 3 BetrAVG bei der reinen Beitragszusage nicht gilt, ist eine Haftung des Arbeitgebers für spätere Rentenzahlungen bei dieser Form der Betriebsrente ausgeschlossen. Auch die in § 16 BetrAVG enthaltene Pflicht des Arbeitgebers, alle drei Jahre über eine mögliche Rentenerhöhung zu entscheiden, entfällt bei der reinen Beitragszusage.
Weil der Arbeitgeber bei der reinen Beitragszusage von langfristigen Haftungsrisiken und finanziellen Rückstellungen befreit ist, setzt diese Form der Betriebsrente im Unterschied zum herkömmlichen Betriebsrentenrecht auch keine langjährige „Betriebstreue“ des begünstigten Arbeitnehmers voraus. Daher macht der Gesetzentwurf hier eine Ausnahme von der die für „normale“ Betriebsrenten geltenden Regel, dass Arbeitnehmer erst nach fünfjährigem Bestehen eines Betriebsrentenversprechens eine unverfallbare Anwartschaft erwerben, d.h. eine Anwartschaft, die von einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses unabhängig ist (§ 1b Abs.1 Satz 1 BetrAVG). Abweichend von dieser Regel sind Betriebsrentenanwartschaften aufgrund einer reinen Beitragszusage sofort unverfallbar (§ 22 Abs.2 Satz 1 BetrAVG n.F.).
An die Stelle des Arbeitgebers, der bei der reinen Beitragszusage nicht für die Erfüllung der Rentenzahlungen einstehen muss, tritt die Versorgungseinrichtung. Hierzu sieht der Gesetzentwurf folgende Regelung vor (§ 22 Abs.1 BetrAVG n.F.):
„Bei einer reinen Beitragszusage hat der Pensionsfonds, die Pensionskasse oder die Direktversicherung dem Versorgungsempfänger auf der Grundlage des planmäßig zuzurechnenden Versorgungskapitals laufende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu erbringen.“
Tarifvertrag als notwendige Grundlage für Betriebsrenten in Form einer reinen Beitragszusage
Damit Betriebsrenten aufgrund reiner Beitragszusagen nicht unkontrolliert ins Kraut schießen und möglicherweise zu einer Art „Billigkonkurrenz“ für bestehende Betriebsrentensysteme werden, sieht die geplante Gesetzesreform vor, dass reine Beitragszusagen nur möglich sind,
- wenn es einen entsprechenden Tarifvertrag gibt, und
- wenn die Tarifparteien sich an der Durchführung und Steuerung einer solchen Form der Altersversorgung beteiligen (§ 21 Abs.1 BetrAVG n.F.).
Bei der Durchführungsbeteiligung der Tarifpartner haben die Gesetzesverfasser vor allem sog. gemeinsame Einrichtungen der Tarifparteien vor Augen, die in Form der Sozialkassen der Bauwirtschaft seit Jahrzehnten etabliert sind. Gesetzliche Grundlage für gemeinsame Einrichtungen ist § 4 Abs.2 Tarifvertragsgesetz (TVG).
Bei der tarifvertraglichen Gestaltung von Betriebsrentensystemen und von gemeinsamen Einrichtungen sollen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände weitgehend freie Hand haben. Konkrete Vorgaben macht der Gesetzentwurf den Tarifparteien hier nicht.
Allerdings „soll“ ein Tarifvertrag, der Betriebsrenten auf der Grundlage reiner Beitragszusagen erlaubt, einen Sicherungsbeitrag vorsehen (§ 23 Abs. 1 BetrAVG n.F.). Mit diesem vom Arbeitgeber zu tragenden Zusatzbeitrag könnten Betriebsrenten besser abgesichert werden, indem ein zusätzlicher Kapitalstock aufgebaut wird und/oder indem das Kapital „konservativer“ angelegt wird (Entwurf, S.44).
Gemäß § 24 BetrAVG n.F. können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung fachlich und räumlich einschlägiger Tarifverträge zur Betriebsrente in Form von reinen Beitragszahlung übernehmen. Diese Vorschrift ist wichtig, da viele kleine und mittlere Arbeitgeber nicht tarifgebunden sind, d.h. für ihren Betrieb bzw. Unternehmen keine Tarifverträge abschließen und auch nicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes sind. Wollen sie und ihre Arbeitnehmer von der gesetzlichen Neuregelung Gebrauch machen, setzt das die Möglichkeit voraus, durch arbeitsvertragliche Vereinbarung bestehende Betriebsrenten-Tarifverträge übernehmen zu können.
Die von den Tarifparteien geschaffenen Versorgungseinrichtungen sind allerdings nicht dazu verpflichtet, nicht tarifgebundene Betriebe bzw. deren Arbeitnehmer aufzunehmen, d.h. es gibt hier keinen sog. Kontrahierungszwang (Entwurf, Seite 44 f.).
Automatische Entgeltumwandlung zur Finanzierung von Betriebsrenten plus Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer (Optionssystem)
Gemäß § 20 Abs.2 BetrAVG n.F. kann in einem Tarifvertrag geregelt werden,
„dass der Arbeitgeber für alle Arbeitnehmer oder für eine Gruppe von Arbeitnehmern des Unternehmens oder einzelner Betriebe eine automatische Entgeltumwandlung einführt, gegen die der Arbeitnehmer ein Widerspruchsrecht hat (Optionssystem).“
Eine derartige Zwangs-Betriebsrente sieht das derzeit geltende BetrAVG nicht ausdrücklich vor. Auch künftig ist für eine automatische Entgeltumwandlung nicht nur ein Tarifvertrag notwendig, sondern außerdem die Einhaltung gesetzlicher Verfahrensvorschriften. Ein „Nicht-Widerspruch“ des Arbeitnehmers gegen die geplante Entgeltumwandlung führt nämlich nur dann zur Teilnahme an einem Betriebsrentensystem und damit zur Entgeltumwandlung (§ 20 Abs.2 Satz 2 BetrAVG n.F.),
- wenn das Angebot zur Entgeltumwandlung dem Arbeitnehmer in Textform vorliegt,
- und zwar drei Monate vor dem ersten Gehaltsabzug bzw. vor der ersten Entgeltumwandlung,
- wenn der Arbeitnehmer eine mindestens einmonatige Erklärungsfrist für einen möglichen Widerspruch hat,
- wenn der Arbeitgeber konkret vorrechnet, welcher Betrag und welcher Vergütungsbestandteil in einen Betriebsrentenbeitrag umgewandelt werden soll, und
- wenn der Arbeitnehmer aus der Entgeltumwandlung mit einer Frist von höchstens einem Monat später wieder aussteigen kann.
Eine inhaltliche Vorgabe für künftige Tarifverträge zur Entgeltumwandlung ist im § 23 Abs.2 BetrAVG n.F. enthalten. Diese Vorschrift lautet:
„Bei einer reinen Beitragszusage ist im Fall der Entgeltumwandlung im Tarifvertrag zu regeln, dass der Arbeitgeber mindestens 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung weiterleiten muss, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.“
Hinter dieser Regelung steht die Überlegung, dass der Arbeitgeber bei
- einer Entgeltumwandlung
- auf der Grundlage einer reinen Beitragszusage
keine Haftungsrisiken trägt, dafür aber den auf ihn entfallenden Anteil am Sozialbeitrag spart. Diese Ersparnis soll dem Arbeitnehmer bzw. der dem Aufbau der Betriebsrente zugutekommen.
Anrechnungsfreiheit von Betriebsrenten bis zu 202,00 EUR monatlich bei der Grundsicherung im Alter
Ergänzend zu den Änderungen des BetrAVG sollen Vorschriften im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geändert werden, die die Anrechnung von Einkünften bei der Grundsicherung im Alter regeln. Zusätzliche Altersrenten sollen künftig bis zu einem Höchstbetrag von derzeit 202,00 EUR (Gesetzentwurf, S.46) anrechnungsfrei bleiben, wie sich aus § 82 Abs.4 SGB XII n.F. ergibt:
„(4) Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist ferner ein Betrag von 100 Euro monatlich aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten zuzüglich 30 vom Hundert des diesen Betrag übersteigenden Einkommens aus einer zusätzlichen Altersvorsorge der Leistungsberechtigten abzusetzen, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28.“
Steuerliche Förderung der betrieblichen Altersversorgung bei Geringverdienern
Zu den weiteren flankierenden Maßnahmen zur Reform des BetrAVG gehört schließlich der „Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung (BAV-Förderbetrag)“, mit dem der Arbeitgeberbeitrag zur Betriebsrente künftig bezuschusst werden soll. Der BAV-Förderbetrag wird (etwas theatralisch) in einem neuen § 100 Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt.
Wie viele andere steuerliche „Anreize“ wird auch der BAV-Förderbetrag in kleiner Münze ausgezahlt. Gefördert werden Beiträge, mit denen sich der Arbeitgeber an den Prämien für kapitalgedeckte Betriebsrenten von Geringverdienern beteiligt, d.h. von Arbeitnehmern mit einem monatlichen Bruttolohn von höchstens 2.000,00 EUR. Hier sieht § 100 Abs.1 Satz EStG n.F. vor, dass Arbeitgeber von der einzubehaltenden Lohnsteuer für den geringverdienenden Arbeitnehmer einen Teil seines BAV-Beitrags entnehmen und bei der nächsten Lohnsteuer- Anmeldung absetzen kann, allerdings höchstens 144,00 EUR pro Kalenderjahr. Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung (S.66):
„Der BAV-Förderbetrag soll den Verbreitungsgrad der betrieblichen Altersversorgung von Arbeitnehmern mit unterdurchschnittlichen Einkommen erhöhen, denn der Arbeitgeber wird durch die staatliche Förderung motiviert, zusätzliche Mittel für die betriebliche Altersversorgung seiner Arbeitnehmer aufzubringen. Vom BAV-Förderbetrag profitieren Geringverdiener, die keine ausreichenden eigenen Mittel zur Verfügung haben bzw. für die sich eine auf Entgeltumwandlung basierende betriebliche Altersversorgung aufgrund der niedrigen und nicht vorhandenen Lohnsteuerentlastung steuerlich nicht rechnet.“
Stellungnahmen der Opposition und der Sozialpartner
Die Fraktion DIE LINKE kritisiert an dem Gesetzentwurf, dass er bei der Entgeltumwandlung nur eine gesetzliche (Mindest-)Beteiligung der Arbeitgeber in Höhe von 15 Prozent der Beiträge vorsieht und die Riesterrente weiter fortschreibt, anstatt sie abzuschaffen (Deut. Bundestag, Sten. Bericht, 10.03.2017, S.22386). Die reine Beitragszusage lehnt DIE LINKE ab, da sie mit der Haftung des Arbeitgebers „das feste Versprechen einer ordentlichen und verlässlichen Betriebsrente“ beseitige.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bezweifelt, dass mit der geplanten reinen Beitragszusage auf tarifvertraglicher Grundlage die Verbreitung von Betriebsrenten in kleinen und mittleren Betrieben gestärkt wird, da der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Arbeitnehmer in diesen Betrieben dafür zu gering sei (Deut. Bundestag, Sten. Bericht, 10.03.2017, S.22389). Außerdem sei die Freistellung der Arbeitgeber von der Haftung für künftige Rentenzahlungen nur für „kleine und mittlere Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten“ angemessen.
Die IG Metall bewertet das Sozialpartnermodell im Prinzip positiv, d.h. die Abhängigkeit der Betriebsrente in Form einer reinen Beitragszusage von einer notwendigen tarifvertraglichen Grundlage. Auch der BAV-Förderbeitrag für Geringverdiener und der Freibetrag für den Bezug einer Betriebsrente bei der Grundsicherung im Alter werden für gut befunden. Nachbesserungsbedarf sieht die IG Metall bei der Geringverdienstgrenze für den BAV-Förderbetrag (sie sollte von 2.000,00 EUR auf 2.500,00 EUR pro Monat angehoben werden), und bei der Weitergabe der vom Arbeitgeber bei der Entgeltumwandlung ersparten Sozialbeiträge. Die ersparten Arbeitgeberanteile am Sozialbeitrag sollten die Arbeitgeber generell als Zuzahlungen zur Betriebsrente an den Arbeitnehmer weitergeben und nicht nur in dem Fall, dass die Entgeltumwandlung auf tariflicher Grundlage vorgenommen wird.
Die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) entspricht im Wesentlichen den Bewertungen der IG Metall, wobei der DGB einen Kritikpunkt deutlicher herausstellt, nämlich die Haftungsfreistellung des Arbeitgebers bei der Betriebsrente in Form der reinen Beitragszusage. Der Gesetzentwurf geht, so die Kritik, über den zugunsten des einzelnen Arbeitgebers geltenden (neuen) Grundsatz des „pay and forget“ hinaus, indem er nämlich auch keinen Raum dafür lässt, dass die durchführende Versorgungseinrichtung bzw. Versicherung leistungsbezogene Verpflichtungen eingeht. Dies schränkt aus Sicht des DGB den Handlungsspielraum der Tarifparteien ein und greift ohne sachlichen Grund in das Rechtsverhältnis zwischen Versorgungsträger und versichertem Arbeitnehmer ein (Stellungnahme, S.4).
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) befürwortet in ihrer Stellungnahme die geplante Einführung einer reinen Beitragszusage als Chance zur Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge. Kritisiert wird aber, dass eine reine Beitragszusage ohne entsprechenden Tarifvertrag nicht möglich sein soll, denn dann könnte eine solche Betriebsrente nur von Arbeitgebern angeboten werden, in deren Branche es Tarifverträge zur Einführung der reinen Beitragszusage überhaupt gibt. Kritisiert wird außerdem die derzeit geplante gesetzliche Vorgabe, dass Tarifverträge über eine reine Beitragszusage einen von der Arbeitgeberseite aufzubringenden Sicherungsbeitrag enthalten sollen.
Fazit: Die reine Beitragszusage wird nicht viel bringen, wenn Betriebsrentner nicht finanziell entlastet werden
Die Möglichkeit einer reinen Beitragszusage bringt eine grundlegende Änderung des Betriebsrentenrechts, zu der sich der Gesetzgeber trotz jahrzehntelanger Diskussion bisher nicht hatte durchringen konnte. Aufgrund der erforderlichen tarifvertraglichen Grundlage für ein solches „pay and forget“ ist auch sichergestellt, dass gewerkschaftlicher Sachverstand missbräuchliche Gestaltungen verhindert. Das ist im Prinzip ein Schritt in die richtige Richtung, denn solange die Gewährung von Betriebsrenten eine freiwillige Arbeitgeberleistung ist, darf sie nicht mit Haftungsrisiken verbunden sein, die selbst für viele große Unternehmen kaum mehr tragbar sind.
Fraglich ist allerdings, ob Arbeitnehmer und (kleine) Arbeitgeber dem extrem komplizierten gesetzlichen Betriebsrentenrecht und dem ständigen Daran-Herum-Reformieren überhaupt noch vertrauen oder ob sie einer betrieblichen Altersvorsorge nicht lieber wie bisher aus dem Weg gehen. Immerhin soll die derzeit geplante Reform nichts daran ändern, dass Betriebsrentner weiterhin (wie seit 2004 infolge der rot-grünen Reform der gesetzlichen Krankenversicherung) Krankenversicherungs- und Pflegebeiträge auf ihre betrieblichen Betriebsrenten zahlen müssen (d.h. eine Entlastung ist derzeit nur für die seltene Kombination von Betriebs- und Riester-Rente geplant). Hier muss sich der Staat entscheiden, ob er Betriebsrenten künftig fördern oder Betriebsrentner wie bisher abzocken will.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz), Gesetzentwurf der Bundesregierung, vom 22.02.2017, Bundestag-Drucks. 18/11286
- Deutscher Bundestag, 18. Wahlperiode, Sten. Bericht der 222. Sitzung, Berlin, 10.03.2017 (S.22382 ff.)
- Industriegewerkschaft Metall: Betriebsrentenstärkungsgesetz. Betriebsrente: Wo das neue Gesetz noch Lücken hat, 22.02.2017
- Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 23.11.2016: Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMAS und des BMF zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vom 31.10.2016
- Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Neue Impulse setzen – Chancen für betriebliche Altersvorsorge nutzen. Stellungnahme zum Gesetzentwurf eines Betriebsrentenstärkungsgesetzes pp., März 2017
- Handbuch Arbeitsrecht. Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsvereinbarung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebliche Altersversorgung
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialversicherungsbeitrag, SV-Beitrag
- Arbeitsrecht aktuell: 20/112 Pflicht zur Aufklärung bei Entgeltumwandlung
- Arbeitsrecht aktuell: 18/108 Kein Recht auf Kündigung einer Direktversicherung bei Entgeltumwandlung
- Arbeitsrecht aktuell: 17/167 Betriebsrentenreform 2017 beschlossen
- Arbeitsrecht aktuell: 16/353 Bayrische Landesbank kann sich von Betriebsrentenzusagen freikaufen
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- Arbeitsrecht aktuell: 14/097 Betriebsrente und Altersdiskriminierung
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- Arbeitsrecht aktuell: 13/295 Spätehenklauseln in der betrieblichen Altersversorgung
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Letzte Überarbeitung: 8. Januar 2021
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