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ARBEITSRECHT AKTUELL // 20/112

Pflicht zur Auf­klä­rung bei Ent­gelt­um­wand­lung

Ar­beit­ge­ber müs­sen vor der Ver­ein­ba­rung ei­ner Ent­gelt­um­wand­lung nicht über künf­ti­ge mög­li­che Ge­set­zes­än­de­run­gen in­for­mie­ren.: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 18.02.2020, 3 AZR 206/18
Altersarmut, knappe Rente, Seniorin zählt Geldmünzen

27.11.2020. Ar­beit­ge­ber sind im All­ge­mei­nen nicht zur recht­li­chen In­for­ma­ti­on ih­rer Ar­beit­neh­mer zum The­ma be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung ver­pflich­tet. Wer als Ar­beit­ge­ber trotz­dem in­for­miert, muss dies al­ler­dings rich­tig und voll­stän­dig tun.

Frag­lich ist, ob Ar­beits­ge­ber, der ih­re Mit­ar­bei­ter über den An­spruch auf Ge­halts­um­wand­lung in­for­miert ha­ben, nach­träg­lich über noch kom­men­de Ge­set­zes­än­de­run­gen in­for­mie­ren müs­sen.

Ei­ne sol­che Pflicht be­steht nicht, so das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung: BAG, Ur­teil vom 18.02.2020, 3 AZR 206/18.

Sind Ar­beit­ge­ber beim The­ma Ent­gelt­um­wand­lung aus­nahms­wei­se zur be­triebs­ren­ten­recht­li­chen Aufklärung und Be­ra­tung ver­pflich­tet?

Ar­beit­neh­mer können vom Ar­beit­ge­ber ver­lan­gen, dass ein be­stimm­ter An­teil ih­rer künf­ti­gen Ansprüche auf Lohn bzw. Ge­halt für ei­ne be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung ver­wen­det, al­so nicht aus­ge­zahlt wird. Die­ser An­spruch auf Ge­halts­um­wand­lung er­gibt sich aus § 1a Abs.1 Satz 1 des Ge­set­zes zur Ver­bes­se­rung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung (Be­triebs­ren­ten­ge­setz - Be­trAVG).

Der Um­wand­lungs­an­spruch ist be­grenzt auf vier Pro­zent des Ein­kom­mens­an­teils, der der Bei­trags­pflicht zur ge­setz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung (RV) un­ter­liegt. Ver­langt der Ar­beit­neh­mer ei­ne Ge­halts­um­wand­lung, muss der Ar­beit­ge­ber mit ihm ei­ne ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung tref­fen (§ 1a Abs.1 Satz 2 Be­trAVG). Ei­ne Pflicht zur Aufklärung und/oder Be­ra­tung über recht­li­che und fi­nan­zi­el­le Ri­si­ken und Chan­cen be­steht da­bei al­ler­dings nicht. Sol­che Pflich­ten las­sen sich auch nicht als ver­trag­li­che Ne­ben­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers aus §§ 241 Abs.2 und 242 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) her­lei­ten.

Auf die­ser Li­nie liegt die bis­he­ri­ge Recht­spre­chung des BAG, der zu­fol­ge Ar­beit­ge­ber ih­re Beschäftig­ten noch nicht ein­mal über den An­spruch auf Ent­gelt­um­wand­lung als sol­chen in­for­mie­ren müssen (BAG, Ur­teil vom 21.01.2014, 3 AZR 807/11 - Leit­satz). Al­ler­dings gilt hier ei­ne wich­ti­ge Ein­schränkung: Wenn der Ar­beit­ge­ber Auskünf­te über steu­er­li­che und/oder recht­li­che Din­ge er­teilt (wo­zu er nicht ver­pflich­tet ist), müssen die Auskünf­te rich­tig sein.

Im Streit: Un­ge­plan­te fi­nan­zi­el­le Be­las­tun­gen durch die ge­setz­li­che Bei­trags­pflicht von Be­triebs­rent­nern zur Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung

Ein Ar­beit­neh­mer in­for­mier­te sich im April 2003 auf ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung über das The­ma Ent­gelt­um­wand­lung. Da­bei bot der Ar­beit­ge­ber ei­ne Ent­gelt­um­wand­lung un­ter Be­tei­li­gung ei­ner Pen­si­ons­kas­se an, mit der er ei­ne Rah­men­ver­ein­ba­rung zur Durchführung von Ge­halts­um­wand­lun­gen ab­ge­schlos­sen hat­te. An der In­for­ma­ti­ons­ver­an­stal­tung nahm auch ein Spar­kas­sen-Fach­be­ra­ter teil. Am 23.09.2003 ver­ein­bar­te der Ar­beit­neh­mer ei­ne Ent­gelt­um­wand­lung mit Ka­pi­tal­wahl­recht.

Be­reits zum Zeit­punkt der Ver­ein­ba­rung war ei­ne Ge­set­zesände­rung in der Dis­kus­si­on, der zu­fol­ge Ein­mal­zah­lun­gen aus ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung künf­tig bei­trags­pflich­tig in der ge­setz­li­chen Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung sein soll­ten. Der ent­spre­chen­de Ge­setz­ent­wurf wur­de am 09.09.2003 im Bun­des­tag in ers­ter Le­sung be­ra­ten. Am 14.11.2003 wur­de das Ge­setz be­schlos­sen und trat An­fang 2004 in Kraft („GKV Mo­der­ni­sie­rungs­ge­setz“).

Im De­zem­ber 2014 trat der Ar­beit­neh­mer in den Ru­he­stand und ließ sich sei­ne Zu­satz­ver­sor­gung als Ka­pi­tal­be­trag aus­zah­len (35.101,03 EUR abzüglich 8.362,59 EUR Steu­ern). Dar­auf muss­te er we­gen der seit 2004 gel­ten­den Ge­set­zes­la­ge Beiträge zur Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung zah­len, im­mer­hin 1.253,16 EUR für 2015 und 2016. Die­sen Nach­teil woll­te er nicht hin­neh­men und ver­klag­te sei­nen Ex-Ar­beit­ge­ber auf Scha­dens­er­satz we­gen (an­geb­li­cher) Falsch­be­ra­tung vor Ab­schluss der Ge­halts­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung.

Das Ar­beits­ge­richt Dort­mund wies die Kla­ge ab (Ur­teil vom 11.05.2017, 3 Ca 177/17), während das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Hamm den Ar­beit­ge­ber zum Scha­dens­er­satz ver­ur­teil­te (Ur­teil vom 06.12.2017, 4 Sa 852/17). Denn, so das LAG: Die un­ter­las­se­ne Aufklärung über die künf­ti­ge Bei­trags­pflicht war an­geb­lich ein Be­ra­tungs­feh­ler des Spar­kas­sen­fach­be­ra­ters, der auf der Be­triebs­ver­samm­lung im April 2003 und auch da­nach bis zum Ab­schluss der Um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung im Pflich­ten­kreis des Ar­beit­ge­bers tätig war. Da­her muss­te sich der Ar­beit­ge­ber den Be­ra­tungs­feh­ler des Spar­kas­sen­fach­be­ra­ters als Ver­schul­den sei­nes Erfüllungs­ge­hil­fen gemäß §§ 280 Abs.1, 278 BGB zu­rech­nen las­sen (LAG, Ur­teil, Rn.58, 59).

BAG: Ar­beit­ge­ber müssen vor der Ver­ein­ba­rung ei­ner Ent­gelt­um­wand­lung nicht über künf­ti­ge mögli­che Ge­set­zesände­run­gen in­for­mie­ren.

Das BAG ent­schied wie­der­um zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers (Ur­teil vom 18.02.2020, 3 AZR 206/18). Zur Be­gründung heißt es:

Der Ar­beit­ge­ber hat­te mehr ge­tan, als er recht­lich hätte tun müssen. Er hat­te sei­ne Be­leg­schaft über die Möglich­keit ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung per Ent­gelt­um­wand­lung in­for­miert, und zwar rich­tig.

Und auch dann, wenn der Ar­beit­ge­ber noch wei­te­re In­for­ma­tio­nen hätte er­tei­len müssen, d.h. zu künf­ti­gen Ge­set­zesände­run­gen und/oder auf lau­fen­de Ge­set­zes­vor­ha­ben, würde das vor­aus­set­zen, dass der Ar­beit­ge­ber bei sei­ner Be­ra­tung Din­ge be­spricht, die durch die ge­plan­te Ge­set­zesände­rung zu­las­ten der Ar­beit­neh­mer geändert wer­den könn­ten. Der Ar­beit­ge­ber hat­te sol­che - sehr spe­zi­el­len - In­for­ma­tio­nen aber im Streit­fall gar nicht er­teilt, denn er hat­te nichts über Bei­trags­pflich­ten zur So­zi­al­ver­si­che­rung ge­sagt.

Dem­ent­spre­chend konn­te man dem Ar­beit­ge­ber auch nicht vor­wer­fen, dass er den Ar­beit­neh­mer über die ge­plan­te so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Ge­set­zesände­rung nicht auf­geklärt hat­te. Schluss­end­lich kam es da­her auch nicht dar­auf an, ob der Spar­kas­sen­be­ra­ters im Pflich­ten­kreis des Ar­beit­ge­bers tätig wur­de (wie vom LAG Hamm an­ge­nom­men).

Fa­zit: Über die mögli­chen künf­ti­gen Aus­wir­kun­gen lau­fen­der (!) Ge­set­zes­vor­ha­ben zu in­for­mie­ren, kann je nach Be­ra­tungs­auf­trag von fach­lich ver­sier­ten Steu­er­be­ra­tern oder Anwälten ver­langt wer­den, nicht aber von sämt­li­chen (!) Ar­beit­ge­bern. Denn die Pflicht zur Ge­halts­um­wand­lung gemäß § 1a Be­trAVG trifft je­den Ar­beit­ge­ber, d.h. auch kleins­te Ar­beit­ge­ber ab ei­ner „Beschäftig­ten­zahl“ von ei­nem (!) Ar­beit­neh­mer. Die vom LAG Hamm an­ge­nom­me­nen Aufklärungs­pflich­ten ge­hen da­her viel zu weit.

Übri­gens wur­de die Be­las­tung von Be­triebs­ren­ten mit So­zi­al­ab­ga­ben vor kur­zem wie­der geändert, nämlich durch das GKV-Be­triebs­ren­ten­frei­be­trags­ge­setz vom 21.12.2019 (BGBl I, S.2913). Ab An­fang 2020 gilt ein mo­nat­li­cher Frei­be­trag von 159,25 EUR, d.h. nur Be­triebs­ren­ten, die darüber lie­gen, wer­den an­tei­lig mit Beiträgen zur Kran­ken­kas­se be­las­tet. Die Ge­set­zesände­rung zeigt wie­der ein­mal, was klei­ne und mit­tel­große Ar­beit­ge­ber von der Einführung von Be­triebs­ren­ten­zu­sa­gen abhält. Für sie ist das gan­ze The­ma schlicht zu kom­pli­ziert.

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Letzte Überarbeitung: 16. November 2021

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