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BAG, Ur­teil vom 18.02.2020, 3 AZR 206/18

   
Schlagworte: Entgeltumwandlung, Aufklärungspflicht, Betriebliche Altersversorgung, Betriebsrente
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 3 AZR 206/18
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 18.02.2020
   
Leitsätze: Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung müssen Auskünfte, die ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ohne Rechtspflicht erteilt, richtig, eindeutig und vollständig sein. Eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage zu unterrichten, wenn seine zuvor erteilten Auskünfte unrichtig werden, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber aufgrund besonderer Umstände erkennen kann, dass die Richtigkeit der Auskunft auch für die Zukunft Bedeutung hat.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Dortmund, Urteil vom 11.05.2017, 3 Ca 177/17,
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 06.12.2017, 4 Sa 852/17
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

3 AZR 206/18
4 Sa 852/17
Lan­des­ar­beits­ge­richt
Hamm

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am
18. Fe­bru­ar 2020

UR­TEIL

Kauf­hold, Ur­kunds­be­am­tin
der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

 

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­onskläge­rin,

 

pp.

 

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

 

hat der Drit­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 18. Fe­bru­ar 2020 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Zwan­zi­ger, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Spin­ner, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Wem­heu­er so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schultz und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Knüttel für Recht er­kannt:

 

- 2 -

Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Hamm vom 6. De­zem­ber 2017 - 4 Sa 852/17 - auf­ge­ho­ben.

Die Be­ru­fung des Klägers ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Dort­mund vom 11. Mai 2017 - 3 Ca 177/17 - wird zurück­ge­wie­sen.

Der Kläger hat die Kos­ten der Be­ru­fung und der Re­vi­si­on zu tra­gen.

 

Von Rechts we­gen!

 

Tat­be­stand

 

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die Be­klag­te dem Kläger zum Scha­dens­er­satz ver­pflich­tet ist, weil sie ihn im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss ei­ner Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung nicht über ei­ne be­vor­ste­hen­de Ge­set­zesände­rung hin­sicht­lich der Bei­trags­pflicht zur ge­setz­li­chen Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung nach § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V in­for­miert hat.

1

Der 1950 ge­bo­re­ne Kläger war bei der Be­klag­ten in der Zeit vom 1. Ok­to­ber 1983 bis zum 30. No­vem­ber 2014 beschäftigt. Je­den­falls seit dem Jahr 2003 lag sein Ar­beits­ent­gelt durchgängig ober­halb der Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze für die ge­setz­li­che Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung.

2

Die Be­klag­te ist Mit­glied in der Ver­ei­ni­gung der Kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA). Am 18. Fe­bru­ar 2003 ha­ben die VKA und die Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di ei­nen „Ta­rif­ver­trag zur Ent­gelt­um­wand­lung für Ar­beit­neh­mer im kom­mu­na­len öffent­li­chen Dienst (TV-EUmw/VKA) ge­schlos­sen, der rück­wir­kend zum 1. Ja­nu­ar 2003 in Kraft ge­tre­ten ist. § 6 TV-EUmw/VKA lau­tet:

 

- 3 -

„§ 6

Durchführungs­weg

1Die Ent­gelt­um­wand­lung im Rah­men der durch das Ge­setz zur Ver­bes­se­rung der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung vor­ge­se­he­nen Durchführungs­we­ge ist vor­be­halt­lich der Sätze 2 und 3 bei öffent­li­chen Zu­satz­ver­sor­gungs­ein­rich­tun­gen durch­zuführen. 2Der Ar­beit­ge­ber kann im Rah­men der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung nach Satz 1 auch von der Spar­kas­sen-Fi­nanz­grup­pe oder den Kom­mu­nal­ver­si­che­rern an­ge­bo­te­ne Durchführungs­we­ge be­stim­men. 3Durch lan­des­be­zirk­li­chen Ta­rif­ver­trag können bei Be­darf ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen zu den Sätzen 1 und 2 ge­trof­fen wer­den.“

3

Die Be­klag­te schloss am 20. März 2003 mit der „neue le­ben Pen­si­ons­ver­wal­tung AG“ (im Fol­gen­den neue le­ben), die zur Spar­kas­sen­fi­nanz­grup­pe gehört, ei­nen „Rah­men­ver­trag zur be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung über ei­ne Pen­si­ons­kas­se bzw. ei­ne Di­rekt­ver­si­che­rung“.

4

Am 9. April 2003 führ­te der Be­triebs­rat der Be­klag­ten ei­ne Be­triebs­ver­samm­lung durch, auf der - ver­an­lasst durch die Be­klag­te - ein Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se L (nun­mehr Spar­kas­se Li; im Fol­gen­den Spar­kas­se), Herr B, als „Fach­be­ra­ter für be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung“ die Ar­beit­neh­mer der Be­klag­ten mit Hil­fe von Fo­li­en über Fra­gen der Ent­gelt­um­wand­lung und hier­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­de steu­er­recht­li­che As­pek­te in­for­mier­te. Auf dem Kopf der Fo­li­en wa­ren die Spar­kas­se und die Be­klag­te aus­ge­wie­sen. Der Ta­ges­ord­nungs­punkt 2 im Ein­la­dungs­schrei­ben zur Be­triebs­ver­samm­lung lau­te­te:

„Die Spar­kas­se L in­for­miert zu dem The­ma:

Ent­gelt­um­wand­lung über ei­ne Pen­si­ons­kas­se (Be­triebs­ren­te) ‚Möglich­keit der Vor­sor­ge und Chan­ce der Net­to-Loh­nerhöhung‘.“

5

Der Kläger nahm an der Be­triebs­ver­samm­lung teil. Die Beschäftig­ten der Be­klag­ten hat­ten die Möglich­keit, sich durch Herrn B in Ein­zel­gesprächen während ih­rer Ar­beits­zeit wei­ter in­for­mie­ren zu las­sen.

 

- 4 -

6

Am 23. Sep­tem­ber 2003 schlos­sen die Par­tei­en, oh­ne dass der Kläger ei­ne ent­spre­chen­de Ein­zel­be­ra­tung in An­spruch ge­nom­men hat­te, ei­ne Ent­gelt-um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung. Sie lau­tet aus­zugs­wei­se:

„Ver­ein­ba­rung zur Ent­gelt­um­wand­lung über ei­ne Pen­si­ons­kas­se

Zwi­schen
Stadt­wer­ke L GmbH
nach­ste­hend ‚Ar­beit­ge­ber‘ ge­nannt
und Herrn S
nach­ste­hend ‚Ar­beit­neh­mer‘ ge­nannt

wird in Abände­rung/Ergänzung des Dienst- bzw. Ar­beits­ver­tra­ges mit Wir­kung ab 11.03 (MM.JJ) fol­gen­de Ver­ein­ba­rung ge­trof­fen:

1. Der Ar­beit­neh­mer ver­ein­bart mit dem Ar­beit­ge­ber ei­ne Ent­gelt­um­wand­lung, wo­nach bis auf wei­te­res aus sei­nem Ge­halt ein Be­trag in Höhe von 2.448,--EUR jähr­lich zu­guns­ten ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung über ei­ne Pen­si­ons­kas­se ver­wen­det wird. Die­se Ver­ein­ba­rung be­zieht sich nur auf zukünf­ti­ge, noch nicht fällig ge­wor­de­ne Ent­gelt­ansprüche.
...  
4. Nach den der­zeit gel­ten­den steu­er­recht­li­chen Re­ge­lun­gen sind erst die späte­ren Ver­sor­gungs­leis­tun­gen ein­kom­men­steu­er­pflich­tig. Steu­er­recht­li­che und bei­trags­recht­li­che Ände­run­gen in der Zu­kunft ge­hen nicht zu Las­ten des Ar­beit­ge­bers.
..."  

7

Zu­dem schloss die Be­klag­te zu­guns­ten des Klägers als ver­si­cher­ter Per­son mit Ver­si­che­rungs­be­ginn zum 1. De­zem­ber 2003 mit der neue le­ben ei­nen Ren­ten­ver­si­che­rungs­ver­trag mit Ka­pi­tal­wahl­recht.

8

Am 14. No­vem­ber 2003 wur­de das „Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung“ (BGBl. I S. 2190) ver­ab­schie­det, das am 1. Ja­nu­ar 2004 in Kraft trat. § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V er­hielt fol­gen­de Fas­sung:

„Tritt an die Stel­le der Ver­sor­gungs­bezüge ei­ne nicht re­gelmäßig wie­der­keh­ren­de Leis­tung oder ist ei­ne sol­che

 

- 5 -

Leis­tung vor Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls ver­ein­bart oder zu­ge­sagt wor­den, gilt ein Ein­hun­dert­zwan­zigs­tel der Leis­tung als mo­nat­li­cher Zahl­be­trag der Ver­sor­gungs­bezüge, längs­tens je­doch für ein­hun­dert­zwan­zig Mo­na­te.“

9

Die Vorgänger­re­ge­lung in § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V ent­hielt noch nicht den Ein­schub „oder ist ei­ne sol­che Leis­tung vor Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls ver­ein­bart oder zu­ge­sagt wor­den“.

10

Der Kläger er­hielt von der neue le­ben jähr­lich ei­ne Mit­tei­lung über den ak­tu­el­len Stand sei­ner Ver­sor­gungs­an­wart­schaft, die ab 2009 ei­nen Hin­weis auf die Bei­trags­pflich­tig­keit von Ein­mal­zah­lun­gen aus ei­ner be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung ent­hiel­ten. Während der Lauf­zeit der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba-rung wan­del­te der Kläger ins­ge­samt Ar­beits­ent­gelt iHv. 30.704,00 Eu­ro brut­to um.

11

Der Kläger be­zieht seit dem 1. De­zem­ber 2014 ei­ne Al­ters­ren­te für langjährig Ver­si­cher­te und Leis­tun­gen der VBL-Zu­satz­ver­sor­gung. Er über­nahm zu­dem die bei der neue le­ben ab­ge­schlos­se­ne Ren­ten­ver­si­che­rung und kündig­te sie vor­zei­tig zum 31. Ja­nu­ar 2015. Dar­auf­hin wur­de ihm ein Ka­pi­tal­be­trag iHv. 35.101,03 Eu­ro aus­ge­zahlt, auf den Steu­ern iHv. 8.362,59 Eu­ro zu ent­rich­ten wa­ren.

12

Mit Schrei­ben vom 15. März 2016 for­der­te die Tech­ni­ker Kran­ken­kas­se (im Fol­gen­den TK) den bei ihr ver­si­cher­ten Kläger auf, So­zi­al­ver­si­che­rungs­bei­träge auf die er­hal­te­ne Ka­pi­tal­leis­tung zu zah­len. Die­se be­tru­gen für das Jahr 2015 Bei­trags­leis­tun­gen zur Kran­ken­ver­si­che­rung iHv. mo­nat­lich 42,71 Eu­ro zuzüglich ei­nes Zu­satz­bei­trags iHv. 2,34 Eu­ro und ei­nes Bei­trags zur Pfle­ge­ver­si­che­rung iHv. 6,87 Eu­ro. Für das Jahr 2016 be­lie­fen sich die mo­nat­li­chen Bei­trags­for­de­run­gen zur Kran­ken­ver­si­che­rung auf 42,71 Eu­ro, der Zu­satz­bei­trag auf 2,93 Eu­ro und der Bei­trag zur Pfle­ge­ver­si­che­rung auf 6,87 Eu­ro. Ins­ge­samt ent­rich­te­te der Kläger für die Jah­re 2015 und 2016 So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge iHv. 1.253,16 Eu­ro. Die TK kündig­te ei­ne Bei­trags­pflicht bis En­de Feb­ru­ar 2025 an.

 

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13

Der Kläger hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die Be­klag­te schul­de ihm Scha­dens­er­satz, da sie ihn im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss der Ent­gelt-um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung nicht dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass ab dem 1. Ja­nu­ar 2004 auch Ein­mal­ka­pi­tal­leis­tun­gen iSd. § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig sei­en. Das Ge­biet der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung sei so kom­plex, dass ein um­fas­sen­der Be­ra­tungs­be­darf bei den Ar­beit­neh­mern be­ste­he. Dies gel­te ins­be­son­de­re, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­nen Durch­führungs­weg be­stim­me. Die Be­klag­te hätte ihn über die Ri­si­ken der gewähl­ten Ver­sor­gung in­for­mie­ren müssen, um ei­nen mögli­chen Scha­den kal­ku­lie­ren und ggf. von ei­ner Ent­gelt­um­wand­lung Ab­stand neh­men zu können. Sie hätte sich bei ei­ner Zeit­span­ne von ca. ei­nem hal­ben Jahr zwi­schen der Be­triebs­ver­samm­lung und der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung ver­ge­wis­sern müssen, ob die er­teil­ten In­for­ma­tio­nen noch rich­tig sei­en. Zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses der Ver­ein­ba­rung sei in Fach­krei­sen be­kannt ge­we­sen, dass die streit­ge­gen­ständ­li­che Ge­set­zesände­rung kom­me. Die be­reits im Som­mer 2003 vor­lie­gen­den Hin­wei­se auf die an­ste­hen­de Bei­trags­pflicht hätte Aus­wir­kun­gen auf die Be­ra­tungs­pra­xis hin­sicht­lich emp­foh­le­ner Pro­duk­te ha­ben müssen. Die Mög­lich­keit ei­ner Be­ra­tung durch ei­nen Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se ent­las­te sie nicht. Die­ser sei als Be­ra­ter im Pflich­ten­kreis der Be­klag­ten tätig ge­wor­den und in­so­weit ihr Erfüllungs­ge­hil­fe ge­we­sen.

14

Die Be­klag­te ha­be be­son­de­res Ver­trau­en er­weckt, in­dem sie den Ein­ druck ver­mit­telt ha­be, es han­de­le sich bei der von ihr vor­ge­schla­ge­nen be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung um die güns­tigs­te Art der Um­wand­lung. Der Mit­ar­bei­ter der Spar­kas­se ha­be auf der Be­triebs­ver­samm­lung am 9. April 2003 das Fi­nanz­pro­dukt der neue le­ben als das „High­light“ un­ter den Vor­sor­ge­mo­del­len emp­foh­len.

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Die Be­klag­te ha­be möglichst vie­le Ar­beit­neh­mer für ei­ne Ent­gelt­um­wand­lung ge­win­nen wol­len, da sie so in er­heb­li­chem Um­fang So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge spa­ren konn­te. Es sei un­er­heb­lich, dass es in Ein­z­elfällen - wie er ei­ner sei - kei­ne Ein­spa­run­gen ge­ge­ben ha­be, denn an­dern­falls ent­fal­le ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht ge­genüber bes­ser­ver­die­nen­den Ar­beit­neh­mern.

 

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Bei Kennt­nis der be­vor­ste­hen­den Ge­set­zesände­rung hätte er statt der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung ei­ne ver­gleich­ba­re pri­va­te Vor­sor­ge ab­ge­schlos­sen, mit der er zu die­sem Zeit­punkt noch ei­nen bes­se­ren Zins­ge­winn hät­te er­zie­len können. Un­ter Berück­sich­ti­gung von Bei­trags­stei­ge­run­gen in den Fol­ge­jah­ren würden auf die Ein­mal­zah­lung ins­ge­samt Beiträge iHv. we­nigs­tens 6.550,00 Eu­ro ent­fal­len. Zwar hätte er oh­ne Ent­gelt­um­wand­lung ein höhe­res Ar­beits­ent­gelt ver­steu­ern müssen. Die­se Be­las­tung wäre aber nicht mess­bar höher ge­we­sen als die nach­ge­la­gert ge­zahl­ten Steu­ern. Da sein Ein­kom­men deut­lich ober­halb der je­wei­li­gen Bei­trags­be­mes­sungs­gren­ze ge­le­gen ha­be und ab 2009 Beiträge zur be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung nicht mehr von der So­zi­al­ver­si­che­rungs­pflicht be­freit ge­we­sen sei­en, wären auch „Mehr­beiträge“ zu den oh­ne­hin zu zah­len­den Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­run­gen nicht an­ge­fal­len. Hilfs­wei­se ma­che er die Dif­fe­renz zwi­schen dem ein­ge­zahl­ten Ent­gelt und dem Aus­zah­lungs­be­trag abzüglich der zu leis­ten­den Beiträge gel­tend. Der Scha­den be­lau­fe sich in­so­weit auf we­nigs­tens 2.113,00 Eu­ro.

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Ihn tref­fe auch kein Mit­ver­schul­den. Dass die neue le­ben in ih­ren jähr­li­chen Mit­tei­lun­gen ei­nen Hin­weis auf die künf­ti­ge Bei­trags­pflicht auf­ge­nom­men ha­be, sei un­be­acht­lich. Die­ser sei oh­ne druck­tech­ni­sche Her­vor­he­bun­gen im Fließtext er­folgt. Im Jahr 2009 ha­be er den Ein­tritt ei­nes Scha­dens nicht mehr ver­hin­dern können. Ei­ne Kündi­gung des Ver­trags sei nicht möglich bzw. mit Ver­lus­ten in Höhe der nun­mehr zu ent­rich­ten­den Bei­trags­zah­lun­gen ver­bun­den ge­we­sen. Das hätte auch für ei­ne Bei­trags­frei­stel­lung ge­gol­ten.

18

Der Kläger hat be­an­tragt,

1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an ihn 1.253,16 Eu­ro nebst Zin­sen iHv. fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 2. Au­gust 2016 zu zah­len und 
2. fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, ihm den wei­te­ren Scha­den, der ihm da­durch ent­stan­den ist, dass die Be­klag­te ihm bei Ab­schluss der Ver­ein­ba­rung über die Ent­gelt­um­wand­lung vom 23. Sep­tem­ber 2003 nicht über die be­vor­ste­hen­de Bei­trags­pflicht von Leis­tun­gen auch von ein­ma­li­gen Ka­pi­tal­leis­tun­gen aus be­trieb­li­cher Al­ters­ver­sor­gung ab dem 1. Ja­nu­ar 2004 auf­geklärt hat, zu er­set­zen,

 

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ins­be­son­de­re die von ihm ab dem 1. Ja­nu­ar 2017 wei­ter­hin zu zah­len­den Beiträge zur Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung.

19
Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. 20

Der Kläger hat erst­in­stanz­lich der Spar­kas­se den Streit verkündet. Die­se ist dem Rechts­streit nicht bei­ge­tre­ten.

21

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Auf die Be­ru­fung des Klägers hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt das erst­in­stanz­li­che Ur­teil ab­geändert und der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit ih­rer Re­vi­si­on er­strebt die Be­klag­te die Wie­der­her­stel­lung der kla­ge­ab­wei­sen­den Ent­schei­dung des Ar­beits­ge­richts. Der Kläger be­gehrt die Zurück­wei­sung der Re­vi­si­on.

22

 

Ent­schei­dungs­gründe

 

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ist be­gründet. Der Kläger hat kei­nen An­spruch auf Scha­dens­er­satz we­gen Ver­let­zung von Be­ra­tungs-, Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten ge­gen die Be­klag­te.

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I. Die Kla­ge ist zulässig. Dies gilt auch für den Fest­stel­lungs­an­trag zu 2. 24

1. Der Kla­ge­an­trag ist iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hin­rei­chend be­stimmt. Der Kläger be­gehrt die Fest­stel­lung, die Be­klag­te sei im We­ge des Scha­dens­er­sat­zes ver­pflich­tet, ihm die Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rungs­beiträge zu er­set­zen, die er ab dem 1. Ja­nu­ar 2017 an die TK zah­len muss, weil die ein­ma­li­ge Ka­pi­tal­leis­tung aus der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Sep­tem­ber 2003 so­zi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig ist.

25
2. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 256 Abs. 1 ZPO lie­gen vor. 26

a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Kla­ge auf Fest­stel­lung des Be­ste­hens oder Nicht­be­ste­hens ei­nes Rechts­verhält­nis­ses er­ho­ben wer­den, wenn der

 

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Kläger ein recht­li­ches In­ter­es­se dar­an hat, dass das Rechts­verhält­nis durch rich­ter­li­che Ent­schei­dung als­bald fest­ge­stellt wer­de. Bei ei­ner Kla­ge auf Fest­stel­lung der Ver­pflich­tung zum Er­satz künf­ti­ger Schäden ist das Fest­stel­lungs­in­ter­es­se grundsätz­lich dann ge­ge­ben, wenn Scha­dens­fol­gen in der Zu­kunft möglich sind, auch wenn ih­re Art, ihr Um­fang und so­gar ihr Ein­tritt noch un­ge­wiss sind. Es muss al­ler­dings ei­ne ge­wis­se Wahr­schein­lich­keit für ei­nen Scha­den­s­ein­tritt be­ste­hen (vgl. BAG 28. April 2011 - 8 AZR 769/09 - Rn. 26 mwN).

27

b) Vor­lie­gend geht es um die Fra­ge, ob die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, dem Kläger Scha­dens­er­satz we­gen ei­ner Ver­let­zung von Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten zu leis­ten, weil er auf die ein­ma­li­ge Ka­pi­tal­leis­tung aus der Ent­geltum-wand­lungs­ver­ein­ba­rung vom 23. Sep­tem­ber 2003 So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge ent­rich­ten muss. Da­mit geht es um die Klärung ei­nes ge­genwärti­gen bzw. zu­künf­ti­gen Rechts­verhält­nis­ses. Da die TK mit dem Schrei­ben vom 15. März 2016 dem Kläger mit­ge­teilt hat, sie ge­he von ei­ner Bei­trags­pflicht bis zum 28. Fe­bru­ar 2025 aus, ist der Ein­tritt ei­nes mögli­chen Scha­dens hin­rei­chend wahr­schein­lich.

28

II. Die Kla­ge ist je­doch nicht be­gründet. Die Be­klag­te hat kei­ne Be­ra­tungs- bzw. Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten ver­letzt, die ei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB be­gründen könn­ten.

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1. Ei­ne ent­spre­chen­de Ver­pflich­tung der Be­klag­ten er­gibt sich nicht aus dem Ge­setz. Zum Zeit­punkt des Ab­schlus­ses der Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung des Klägers am 23. Sep­tem­ber 2003 sah das Ver­si­che­rungs­ver­trags­ge­setz (VVG; ursprüng­lich Ge­setz über den Ver­si­che­rungs­ver­trag vom 30. Mai 1908, RGBl. S. 263, idF vom 26. No­vem­ber 2001, BGBl. I S. 3138; er­setzt durch Ver­si­che­rungs­ver­trags­ge­setz vom 23. No­vem­ber 2007, BGBl. I S. 2631; zu­letzt geändert durch Art. 2 Ge­setz zur Ände­rung von Vor­schrif­ten über die außer­ge­richt­li­che Streit­bei­le­gung in Ver­brau­cher­sa­chen und zur Ände­rung wei­te­rer Ge­set­ze vom 30. No­vem­ber 2019, BGBl. I S. 1942) kei­ne Be­ra­tungs­pflich­ten vor Ab­schluss ei­nes Ver­si­che­rungs­ver­trags vor. §§ 6, 6a VVG nor­mie­ren sie nun­mehr le­dig­lich für den Ver­si­che­rer. Et­was an­de­res folgt auch nicht aus dem

 

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Ver­si­che­rungs­auf­sichts­ge­setz (VAG). § 10a VAG - so­wohl in der zum Zeit­punkt des Ver­trags­schlus­ses gel­ten­den Fas­sung vom 22. April 2002 (BGBl. I S. 1310) als auch in der am 1. Ja­nu­ar 2008 in Kraft ge­tre­te­nen (BGBl. I S. 2631) und bis zum 31. De­zem­ber 2015 gel­ten­den Fas­sung (BGBl. I S. 3248) - sah In­for­ma­ti­ons­pflich­ten nur für den Ver­si­che­rer vor.

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Eben­so we­nig fal­len Auskünf­te über Bei­trags­pflich­ten in der Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rung bei Ent­gelt­um­wand­lun­gen un­ter die vom Ar­beit­ge­ber nach § 4a Be­trAVG zu er­tei­len­den Auskünf­te.

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2. Ein An­spruch des Klägers folgt auch nicht aus Ta­rif­ver­trag. Der TV-EUmw/VKA re­gelt kei­ne ent­spre­chen­den Be­ra­tungs- bzw. In­for­ma­ti­ons- und Hin­weis­pflich­ten für die Ar­beit­ge­ber.

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3. Sch­ließlich kann der Kläger - ent­ge­gen der An­nah­me des Lan­de­sar­beits­ge­richts - sei­nen An­spruch nicht auf ei­ne Ver­let­zung ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht iSv. § 241 Abs. 2 BGB stützen.

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a) Zwar tref­fen den Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­verhält­nis kei­ne all­ge­mei­nen Be­ra­tungs­pflich­ten. Er ist auf­grund ei­ner ar­beits­ver­trag­li­chen Ne­ben­pflicht je­doch ver­pflich­tet, die im Zu­sam­men­hang mit dem Ar­beits­verhält­nis ste­hen­den In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers so zu wah­ren, wie dies un­ter Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen und Be­lan­ge bei­der Ver­trags­par­tei­en nach Treu und Glau­ben ver­langt wer­den kann. Dies gilt auch für die Vermögens­in­ter­es­sen der Ar­beit­neh­mer. Zwar hat je­de Par­tei grundsätz­lich für die Wahr­neh­mung ih­rer In­te­res­sen selbst zu sor­gen und sich Klar­heit über die Fol­gen ih­res Han­delns zu ver­schaf­fen. Aus der Schutz- und Rück­sicht­nah­me­pflicht können sich gleich­wohl Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers er­ge­ben. Die­se Pflich­ten be­ru­hen auf den be­son­de­ren Umständen des Ein­zel­falls und sind das Er­geb­nis ei­ner um­fas­sen­den In­ter­es­sen­abwägung (BAG 20. Ju­ni 2017 - 3 AZR 179/16 - Rn. 86 f.).

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b) Da­nach können den Ar­beit­ge­ber in fol­gen­den Kon­stel­la­tio­nen In­for­ma­ti­ons- und Hin­weis­pflich­ten tref­fen:

 

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aa) Ge­stei­ger­te In­for­ma­ti­ons­pflich­ten können den Ar­beit­ge­ber vor al­lem dann tref­fen, wenn ei­ne nach­tei­li­ge Ver­ein­ba­rung - et­wa über die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses - auf sei­ne Initia­ti­ve und in sei­nem In­ter­es­se ge­trof­fen wird (vgl. BAG 15. April 2014 - 3 AZR 288/12 - Rn. 45 mwN). Denn durch das An­ge­bot ei­nes sol­chen Ver­trags kann der Ar­beit­ge­ber den Ein­druck er­we­cken, er wer­de auch die In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers wah­ren und ihn nicht oh­ne aus­rei­chen­de Aufklärung er­heb­li­chen, aty­pi­schen Ver­sor­gungs­ri­si­ken aus­set­zen (BAG 17. Ok­to­ber 2000 - 3 AZR 605/99 - zu II 2 a der Gründe mwN).

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bb) Ei­ne Hin­weis­pflicht kann aber auch dann be­ste­hen, wenn ei­ne Maß­nah­me nicht auf ei­ner Initia­ti­ve des Ar­beit­ge­bers be­ruht. Die er­kenn­ba­ren In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis­se des Ar­beit­neh­mers ei­ner­seits und die Be­ra­tungsmöglich­kei­ten des Ar­beit­ge­bers an­de­rer­seits sind stets zu be­ach­ten (BAG 14. Ja­nu­ar 2009 - 3 AZR 71/07 - Rn. 29 mwN). Wie groß das In­for­ma­ti­ons­bedürf­nis des Ar­beit­neh­mers ist, hängt ins­be­son­de­re von der Schwie­rig­keit der Rechts­ma­te­rie so­wie dem Aus­maß der dro­hen­den Nach­tei­le und de­ren Vor­aus­seh­bar­keit ab. Der Ar­beit­ge­ber darf al­ler­dings we­der durch das Be­ste­hen noch durch den In­halt der ar­beits­ver­trag­li­chen In­for­ma­ti­ons­pflicht über­for­dert wer­den (vgl. et­wa BAG 11. De­zem­ber 2012 - 3 AZR 611/10 - Rn. 69 mwN). Ei­ne Aus­kunfts­pflicht be­steht da­her, wenn der Ar­beit­ge­ber ge­genüber dem Ar­beit­neh­mer über ei­ne größere „In­for­ma­ti­onsnähe“ verfügt. Dies ist et­wa der Fall, wenn der Ar­beit­ge­ber die In­for­ma­ti­on be­sitzt oder - an­ders als der Ar­beit­neh­mer, der sie benö­tigt - oh­ne Schwie­rig­kei­ten be­schaf­fen kann.

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cc) Er­teilt schließlich der Ar­beit­ge­ber Auskünf­te - oh­ne dass er im kon­k­re­ten Fall zur Ver­mei­dung von Rechts­nach­tei­len für den Ar­beit­neh­mer ge­hal­ten ist, von sich aus ge­eig­ne­te Hin­wei­se zu ge­ben - müssen die­se rich­tig, ein­deu­tig und vollständig sein (vgl. et­wa BAG 15. De­zem­ber 2016 - 6 AZR 578/15 - Rn. 20). Dies gilt für den Be­reich der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung in be­son­de­rem Maße im Hin­blick auf die fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen auf die lang­fris­ti­ge Le­bens­pla­nung des Ar­beit­neh­mers, die je­den­falls ein dem Ar­beit­ge­ber of­fen­ba­res In­for­ma­ti­ons­in­ter­es­se be­gründen (vgl. BAG 15. De­zem­ber 2016 - 6 AZR

 

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578/15 - Rn. 27). Kann der Ar­beit­ge­ber auf­grund be­son­de­rer Umstände im Zeit­punkt der Er­tei­lung der In­for­ma­ti­on er­ken­nen, dass de­ren Rich­tig­keit auch für die Zu­kunft Be­deu­tung hat, kann sich auch hier­aus ei­ne Pflicht des Ar­beit­ge­bers er­ge­ben, den Ar­beit­neh­mer auf Ände­run­gen der Sach- und Rechts­la­ge hin­zu­wei­sen, wenn die­se zum Nach­teil des Ar­beit­neh­mers Aus­wir­kun­gen auf die Rich­tig­keit der ursprüng­li­chen In­for­ma­ti­on ha­ben.

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c) Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen schei­det ein Scha­dens­er­satz­an­spruch des Klägers aus.

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aa) Ei­ne Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflicht der Be­klag­ten er­gibt sich vor­lie­gend nicht dar­aus, dass ei­ne für den Kläger nach­tei­li­ge Ver­ein­ba­rung auf Be­stre­ben der Be­klag­ten zu­stan­de ge­kom­men ist. Der TV-EUmw/VKA eröff­net - wie § 1a Be­trAVG - le­dig­lich die Möglich­keit, Ent­gelt um­zu­wan­deln. Die Ent­schei­dung zur Vor­nah­me ei­ner Ent­gelt­um­wand­lung ob­liegt da­her al­lein dem Ar­beit­neh­mer (zur ge­setz­li­chen Re­ge­lung nach § 1a Be­trAVG vgl. BAG 21. Ja­nu­ar 2014 - 3 AZR 807/11 - Rn. 20, BA­GE 147, 155). Umstände, die da­rauf schließen las­sen, die Be­klag­te ha­be be­son­ders stark dar­auf hin­ge­wirkt, dass die Ar­beit­neh­mer von die­ser Möglich­keit Ge­brauch ma­chen, sind we­der fest­ge­stellt noch lässt sich dies dem Vor­trag der Par­tei­en ent­neh­men.

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bb) Die Be­klag­te trifft auch un­abhängig da­von, auf wes­sen Initia­ti­ve die Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung zu­stan­de ge­kom­men ist, kei­ne ent­spre­chen­de Aufklärungs­pflicht. Sie verfügt nicht über ei­ne größere „In­for­ma­ti­onsnähe“. Zwi­schen ihr und dem Kläger be­steht im Hin­blick auf die (ge­plan­te) Pflicht, auch auf Ein­mal­ka­pi­tal­beiträge Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­rungs­beiträge leis­ten zu müssen, kein Kom­pe­tenz- und/oder In­for­ma­ti­ons­gefälle, wel­ches nach Treu und Glau­ben ei­ne Aufklärung er­war­ten las­sen könn­te. Sie er­gibt sich aus je­der­mann zugäng­li­chen und in­so­weit oh­ne Wei­te­res verständ­li­chen Ge­set­zes­ma­te­ria­li­en wie et­wa Bun­des­tags­druck­sa­chen. Es kann des­halb vom Ar­beit­neh­mer er­war­tet wer­den, dass er sich die Kennt­nis die­ser Rechts­vor­schrift selbst ver­schafft (vgl. BAG 21. Ja­nu­ar 2014 - 3 AZR 807/11 - Rn. 18, BA­GE 147, 155).

 

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cc) Die Be­klag­te hat kei­ne Pflicht ver­letzt, weil sie den Kläger nicht rich­tig un­ter­rich­tet und ihn später nicht auf die Ände­rung der Rechts­la­ge hin­ge­wie­sen hat.

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(1) Auf der Be­triebs­ver­samm­lung am 9. April 2003 be­stand kein An­lass, über ei­ne Bei­trags­pflicht auch für Ka­pi­tal­aus­zah­lun­gen im Rah­men der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung zu in­for­mie­ren. Denn nach § 229 Abs. 1 Satz 3

SGB V aF be­stand kei­ne Bei­trags­pflicht, wenn Ka­pi­tal­leis­tun­gen - wie im Fall des Klägers - vor Ein­tritt des Ver­sor­gungs­falls ver­ein­bart wur­den (vgl. BSG 30. März 1995 - 12 RK 10/94 -).

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Sol­che Ein­mal­ka­pi­tal­leis­tun­gen wur­den erst auf­grund ei­ner Ände­rung des § 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2004 bei­trags­pflich­tig. Dies gilt da­nach auch, wenn der Ver­si­che­rungs­ver­trag wie beim Kläger vor­zei­tig be­en­det und der Rück­kaufs­wert aus­ge­zahlt wur­de (sh. BSG 25. April 2012 - B 12 KR 26/10 R -). Selbst nach dem Vor­brin­gen des Klägers stand die­se Ge­set­zesände­rung aber erst ab Som­mer 2003 und da­mit nach der Be­triebs­ver­samm­lung im April 2003 im Raum.

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(2) Die Be­klag­te muss­te den Kläger vor dem Hin­ter­grund der von Herrn B auf der Be­triebs­ver­samm­lung am 9. April 2003 er­teil­ten In­for­ma­tio­nen auch nicht über die ge­setz­li­che Ent­wick­lung un­ter­rich­ten. Zwar be­stand spätes­tens mit dem am 8. Sep­tem­ber 2003 ein­ge­brach­ten Ge­setz­ent­wurf von SPD, CDU/CSU und Bünd­nis 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 15/1525) - und da­mit vor der streit­ge­genständ­li­chen Ent­gelt­um­wand­lungs­ver­ein­ba­rung - die Möglich­keit ei­ner ent­spre­chen­den Ge­set­zesände­rung. Die Ver­pflich­tung, über ei­ne mögli­che Ge­set­zesände­rung nachträglich zu un­ter­rich­ten, setzt je­doch vor­aus, dass sich die Ge­set­zesände­rung bzw. das Ge­set­zes­vor­ha­ben ge­ra­de auf die As­pek­te be­zieht, die Ge­gen­stand der ursprüng­lich er­teil­ten Aus­kunft wa­ren. Auf der Ver­an­stal­tung am 9. April 2003 ist über die im Zu­sam­men­hang mit der Ent­geltum-wand­lung ste­hen­den so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Fra­gen je­doch nicht in­for­miert wor­den.

 

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Dar­aus konn­ten die Ar­beit­neh­mer - ent­ge­gen der vom Kläger in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Se­nat geäußer­ten Auf­fas­sung - auch nicht be­rech­tigt schließen, dass es hin­sicht­lich die­ses Rechts­ge­bie­tes und der da­mit im Zu­sam­men­hang ste­hen­den Fra­ge­stel­lun­gen kei­ne Pro­ble­me ge­ben wird bzw. ihr Auf­tre­ten ei­ne In­for­ma­ti­ons­pflicht auslöst. Wenn der Ar­beit­ge­ber über so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Re­ge­lun­gen wie die Bei­trags­pflicht Aus­kunft gibt, muss er dies rich­tig und vollständig tun. Ei­ne sol­che In­for­ma­ti­on ist aber nicht au­to­ma­tisch Ge­gen­stand ei­ner Un­ter­rich­tung über et­wa steu­er­recht­li­che Ge­sichts­punk­te.

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Hin­zu kommt, dass die vor der Ge­set­zesände­rung be­ste­hen­de Bei­trags­frei­heit der­je­ni­gen Ka­pi­tal­leis­tun­gen, die vor Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls in An­spruch ge­nom­men wur­den, ei­ne Aus­nah­me von der Bei­trags­pflicht für Ren­ten­leis­tun­gen der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung und der nach Ein­tritt des Ver­si­che­rungs­falls ge­for­der­ten Ka­pi­tal­leis­tun­gen war. Über Ent­wick­lun­gen, die sol­che spe­zi­el­len Fall­ge­stal­tun­gen be­tref­fen, muss der Ar­beit­ge­ber nur un­ter­rich­ten, wenn er be­reits zu­vor über die­sen As­pekt in­for­miert hat.

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4. Da es aus den dar­ge­leg­ten Gründen be­reits kei­ne Ver­let­zung von Hin­weis- und In­for­ma­ti­ons­pflich­ten gibt, konn­te im Streit­fall of­fen­blei­ben, ob sich die Be­klag­te das Ver­hal­ten des Fach­be­ra­ters der Spar­kas­se zu­rech­nen las­sen muss, weil die­ser für sie als Erfüllungs­ge­hil­fe iSv. § 278 Satz 1 BGB auf­ge­t­re­ten ist. Lässt ein Ar­beit­ge­ber zu, dass über Pro­duk­te ei­nes Trägers der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung im Zu­sam­men­hang mit der Ent­gelt­um­wand­lung in­for­miert wird, führt dies nicht da­zu, dass die han­deln­den Per­so­nen sei­ne Erfül­lungs­ge­hil­fen sind. Die­se wer­den - so­fern sie in den Ver­trieb des Ver­sor­gungs­trägers ein­ge­bun­den sind - für die­sen oder aber für ein selbständi­ges Ver­mitt­lungs­un­ter­neh­men tätig. Et­was an­de­res folgt vor­lie­gend auch nicht dar­aus, dass Herr B auf ei­ner Be­triebs­ver­samm­lung auf­ge­tre­ten ist, denn die­se wer­den nicht vom Ar­beit­ge­ber, son­dern vom Be­triebs­rat durch­geführt (§ 43 Be­trVG).

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III. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. 49

 

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