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LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2014, 5 Sa 518/14
Schlagworte: | Betriebliches Eingliederungsmanagement, BEM | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz | |
Aktenzeichen: | 5 Sa 518/14 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 18.12.2014 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Mainz, Urteil vom 25.06.2014, 10 Ca 493/14 | |
Aktenzeichen:
5 Sa 518/14
10 Ca 493/14
Arbeitsgericht Mainz
Entscheidung vom 18.12.2014
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25. Juni 2014, Az. 10 Ca 493/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes zu Gesprächen des betrieblichen Eingliederungsmanagements verlangen kann.
Die Beklagte gehört zu einem Versicherungskonzern. Die 1971 geborene Klägerin ist seit Dezember 1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Sachbearbeiterin zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt € 3.706,- mit 38 Wochenstunden in Vollzeit angestellt. Sie wurde zunächst am Standort Saarbrücken eingesetzt. Aufgrund einer unternehmensweiten Umstrukturierung wurde sie mit ihrem Einverständnis ab 01.10.2007 am Standort Mainz beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 07.09.2007 vereinbarten die Parteien den Dienstort Mainz. Die Klägerin behielt jedoch ihren Wohnsitz in der Nähe von Saarbrücken bei und pendelte nach Mainz.
Nach der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2010 nahm die Klägerin Elternzeit bis zum 13.04.2012 in Anspruch, die einvernehmlich bis zum 13.04.2013 verlängert wurde. Seit 14.04.2013 ist die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben.
In einem weiteren Rechtsstreit (LAG Rheinland-Pfalz 5 Sa 378/14) streiten die Parteien darüber, ob die Klägerin befristet bis zum 30.09.2016 neben einer Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden - womit die Beklagte einverstanden ist -, auch eine Verlagerung ihres Arbeitsortes von Mainz nach Saarbrücken, hilfsweise die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes beanspruchen kann.
Die Beklagte beabsichtigt, das gem. § 84 Abs. 2 SGB IX vorgeschriebene betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) durchführen. Deshalb lud sie die Klägerin bereits im September 2013 zu einem BEM-Gespräch ein. Auf Seiten der Beklagten sollen die lokale Personalsachbearbeiterin sowie die Vorgesetzte der Klägerin teilnehmen. Außerdem sollen ein Mitglied des Betriebsrats und ggf. der Schwerbehindertenvertreter des Standorts Mainz teilnehmen, wenn die Klägerin dem nicht widerspricht. Die Klägerin ist mit der Durchführung des BEM einverstanden; sie verlangt jedoch die Teilnahme ihres Prozessbevollmächtigten als Rechtsbeistand an dem BEM-Gespräch. Dies lehnt die Beklagte ab. Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.06.2014 (dort S. 2 bis 6) Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihren Rechtsbeistand Sch. zu den Gesprächen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zwischen ihr und der Beklagten zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach vorausgegangenem Versäumnisurteil abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin könne die Teilnahme ihres Prozessbevollmächtigten an dem BEM-Gespräch nicht erzwingen. § 84 Abs. 2 SGB IX sehe einen derartigen Anspruch nicht vor. Ein Anspruch folge weder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) noch aus Fürsorgegesichtspunkten (§ 242 BGB). Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf S. 7 bis S. 13 des erstinstanzlichen Urteils vom 25.06.2014 Bezug genommen. Gegen das am 30.07.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 01.09.2014 (Mo) beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 30.10.2014 verlängerten Begründungsfrist mit am 30.10.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.
Die Klägerin macht zur Begründung der Berufung geltend, sie habe einen Anspruch auf Hinzuziehung ihres Rechtsbeistandes aus § 84 Abs. 2 SGB IX iVm. § 242 BGB. Das Arbeitsgericht habe zu hohe Anforderungen an die Voraussetzungen für dessen Hinzuziehung gestellt. Der Arbeitnehmer sei während des BEM besonders schutzbedürftig. Auch wenn beim Arbeitgeber eine betriebliche Interessenvertretung iSd. §§ 84 Abs. 2, 93 SGB IX gebildet sei und eine Schwerbehindertenvertretung bestehe, müsse der Schutz des Arbeitnehmers durch Hinzuziehung weiterer Personen gewährleistet werden. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Teilnahme eines Rechtsanwalts nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht komme, widerspreche der gesetzgeberischen Intension, die strukturelle Unterlegenheit des Arbeitnehmers auszugleichen. Dem Arbeitnehmer sei auch aus Gründen der Waffengleichheit ein Recht auf Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes zuzubilligen. Der Arbeitgeber habe die Möglichkeit, sich durch einen oder mehrere - auch juristisch - ausgebildete Mitarbeiter beim BEM vertreten zu lassen, ohne dass der Arbeitnehmer widersprechen könne. Die Überzahl und das in der Regel zuvor untereinander abgestimmte Vorgehen der Vertreter auf Arbeitgeberseite stelle für den Arbeitnehmer eine Überforderungssituation dar, der der Arbeitnehmer im Hinblick auf den dadurch ausgelösten psychischen Stress nicht gewachsen sei. Insbesondere bei einem krankheitsbedingt geschwächten Arbeitnehmer sei der Arbeitgeber gehalten, diesem zum Ausgleich des situativ und strukturell bedingten Ungleichgewichts die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes zuzubilligen.
Im Streitfall bestehe aber auch eine Ausnahmesituation, die die Teilnahme ihres Rechtsanwaltes am BEM-Gespräch erfordere. Der von der Beklagten ausgeübte Druck, sie müsse nach der Elternzeit auf ihren bisherigen Arbeitsplatz nach Mainz zurückkehren, habe sie derart überfordert, dass sie seitdem durchgängig arbeitsunfähig erkrankt sei. Ihre Arbeitsunfähigkeit sei durch die Weigerungshaltung der Beklagten bedingt. Ausgelöst durch den Arbeitsplatzkonflikt leide sie an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode. Aus therapeutischer Sicht sei wichtig, ihr die Beschäftigung zu erhalten. Die Arbeitsbedingungen müssten jedoch so umgestaltet werden, dass das gesundheitliche Risiko unter Erhaltung ihrer Ressourcen minimiert werde. Eine Psychotherapie könne sinnvollerweise erst eingeleitet werden, wenn sich ihre Arbeitsplatzsituation geklärt habe. Vor diesem Hintergrund sei ihr nicht zuzumuten, BEM-Gespräche ohne ihren Rechtsbeistand zu führen.
Im Übrigen sei nicht auszuschließen, dass die Beklagte im Rahmen des BEM-Gesprächs die Möglichkeit ergreife, ihr die Beendigung des Arbeitsverhältnisses anheimzustellen. Die Beendigung sei schließlich bereits im März/April 2013 zwischen den Parteien thematisiert worden. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie von der Beklagten als mitwirkungsberechtigte und gleichberechtigte Partnerin ansehen werde. Auch insofern sei von ihrer strukturellen Unterlegenheit auszugehen, die nur durch die Hinzuziehung ihres Rechtsbeistandes zum BEM-Gespräch überwunden werden könne. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 30.10.2014 und vom 10.12.2014 Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,
das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 25.06.2014, Az. 10 Ca 493/13, abzuändern und unter Aufhebung des klageabweisenden Versäumnisurteils vom 31.03.2014 die Beklagte zu verurteilen, den Rechtsbeistand der Klägerin Sch. zu den Gesprächen des betrieblichen Eingliederungsmanagements zwischen den Parteien zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung bereits für unzulässig, weil weder die Berufungsschrift noch die Begründungsschrift formwirksam unterzeichnet worden seien. In der Sache verteidigt sie das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 02.12.2014 und des Schriftsatzes vom 12.12.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend.
Entscheidungsgründe:
I. Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und inhaltlich ausreichend begründet worden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten entsprechen sowohl die Berufungsschrift als auch die Berufungsbegründungsschrift den an bestimmende Schriftsätze zu stellenden förmlichen Anforderungen (§ 130 ZPO). Die Berufungskammer bezweifelt nicht, dass der individuelle Schriftzug des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine formgültige Unterschrift darstellt. Das handschriftliche Gebilde, mit dem Rechtsanwalt Sch. die Schriftsätze gezeichnet hat, steht für seinen Namen. Es ist von individuellem Gepräge und hat charakteristische Merkmale, welche die Identität dessen, von dem es stammt, ausreichend kennzeichnen. Das genügt, wenn - wie hier - die Autorenschaft gesichert ist (vgl. BAG 30.08.2000 - 5 AZB 17/00 - NZA 2000, 1248).
II. In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinzuziehung ihres Rechtsbeistandes zu Gesprächen im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM).
Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen der Klägerin veranlasst lediglich folgende Ausführungen:
Nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht keine Pflicht der Beklagten, den Rechtsbeistand der Klägerin zu einem BEM-Gespräch hinzuzuziehen. Die Klägerin stellt an das Verhalten der Beklagten Anforderungen, die über die gesetzlichen Vorgaben in § 84 Abs. 2 SGB IX hinausgehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der auch die Berufungskammer folgt, entspricht jedes Eingliederungsmanagement den gesetzlichen Erfordernissen des § 84 Abs. 2 SGB IX, das die zu beteiligenden Personen und Stellen unterrichtet, das sie - ggf. abhängig von ihrer Zustimmung - einbezieht, das kein vernünftigerweise in Betracht zu ziehendes Ergebnis ausschließt und in dem die von diesen Personen und Stellen eingebrachten Vorschläge erörtert werden (vgl. BAG 10.12.2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 16, NZA 2010, 639).
Das Gesetz benennt die vom Arbeitgeber neben dem betroffenen Arbeitnehmer zu beteiligenden Personen und Stellen ausdrücklich. Es sieht mit Zustimmung des Arbeitnehmers die Einbeziehung der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX (Betriebsrat oder Personalrat) und bei schwerbehinderten Menschen außerdem der Schwerbehindertenvertretung vor. Soweit erforderlich wird der Werks- oder Betriebsarzt hinzugezogen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen.
Von diesen gesetzlichen Erfordernissen muss die Beklagte nicht abweichen. § 84 Abs. 2 SGB IX sieht gerade nicht vor, dass der Arbeitnehmer sich von einem Rechtsbeistand zum BEM-Gespräch begleiten lässt. Aus diesem Grund ist das Arbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin aus § 84 Abs. 2 SGB IX keinen Anspruch auf die Teilnahme ihres Rechtsbeistandes an einem BEM-Gespräch herleiten kann. Hat sich der Gesetzgeber entschieden, den Rechtsbeistand des Arbeitnehmers nicht in den Teilnehmerkreis des § 84 Abs. 2 SGB IX aufzunehmen, darf ein Hinzuziehungsanspruch nicht über § 242 BGB herbeigeführt werden, wie dies der Klägerin vorschwebt. Dies würde bedeuten, sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegzusetzen und unzulässig in dessen Kompetenzen einzugreifen. Deshalb verfängt auch die Argumentation der Klägerin nicht, die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes sei generell als Ausgleich für die "strukturelle Unterlegenheit" der Arbeitnehmer im BEM-Gespräch erforderlich bzw. aus Gründen der "Waffengleichheit" in jedem Fall notwendig. Der Gesetzgeber hat die Beteiligung der betrieblichen Interessenvertretung (Betriebsrat oder Personalrat) und ggf. der Schwerbehindertenvertretung, des Werks- oder Betriebsarztes sowie der örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder des Integrationsamtes für ausreichend erachtet. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist eine Vertretung der Arbeitnehmer im BEM durch Rechtsanwälte nicht erforderlich.
Zwar lässt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Zusammenhang mit der Anhörung des Arbeitnehmers zu einer Verdachtskündigung erkennen, dass dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben sein dürfte, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen (vgl. BAG 13.03.2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18, NZA 2008, 809). In der Literatur wird vertreten, dass es angebracht sei, dem Arbeitnehmer in dieser Situation grundsätzlich das Recht zuzubilligen, zum Anhörungsgespräch auch dann einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, wenn der Arbeitgeber nicht anwaltlich oder durch einen anderen externer (Verbands-)Vertreter vertreten ist, weil sich die Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung von einem üblichen Gespräch über die Ausgestaltung und den Inhalt des Arbeitsverhältnisses erheblich unterscheide, weil der Arbeitgeber den Bestand des Arbeitsverhältnisses bereits gefährdet sehe (vgl. Eylert/ Friedrichs DB 2007, 2203, 2204 f.). Beim BEM iSd. § 84 Abs. 2 SGB IX besteht jedoch keine Parallele zur Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung, denn die Situation des Arbeitnehmers ist nicht annähernd vergleichbar. Das Eingliederungsmanagement zielt - wie der Name schon sagt - darauf ab, dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zu erhalten. Eine grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, zum BEM-Gespräch einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen, kann daher nicht angenommen werden.
Ob ein Arbeitgeber in "extremen Ausnahmefällen" verpflichtet sein kann, einem Arbeitnehmer zu gestatten, BEM-Gespräche in Begleitung eines Rechtsbeistandes zu führen, kann dahinstehen. Ein Ausnahmefall liegt nach den vorliegenden Gesamtumständen nicht vor.
Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich ein Ausnahmefall nicht mit dem Argument begründen, der Arbeitnehmer sei im BEM-Gespräch krankheitsbedingt geschwächt. Die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit stellt gem. § 84 Abs. 2 SGB IX gerade den Grund für die Durchführung des BEM dar. Die Erkrankung des Arbeitnehmers kann deshalb für sich allein betrachtet, keine besondere Schutzbedürftigkeit begründen, die die Teilnahme eines Rechtsanwalts am BEM-Gespräch bedingen könnte, um eine "strukturelle Unterlegenheit" auszugleichen. Dies wäre sonst bei jedem BEM der Fall.
Auch das von der Klägerin angeführte Argument der "Waffengleichheit" führt nicht weiter. Sinn und Zweck des BEM besteht nicht darin, widerstreitende Interessen der Arbeitsvertragsparteien auszufechten, sondern krankheitsbedingte Kündigungen zu verhindern. Durch die dem Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden. Ziel des BEM ist die frühzeitige Klärung, ob und ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen (vgl. BAG 30.09.2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 32 mwN, NZA 2011, 39). Eine mangelnde "Waffengleichheit" ist nicht zu besorgen. Um das Ziel des BEM zu erreichen, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht zwingend erforderlich.
Entgegen der Ansicht der Berufung begründet die gesundheitliche Situation der Klägerin nicht ausnahmsweise ein Recht zur Teilnahme ihres Prozessbevollmächtigten am BEM-Gespräch. Die Klägerin leidet ausweislich der vorgelegten ärztlichen Atteste an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode. Aus Sicht der Ärzte ist die Erkrankung auf die Arbeitsplatzsituation der Klägerin zurückzuführen, die nach Beendigung der Elternzeit ab 14.04.2013 - bei Arbeitsfähigkeit - von ihrem Wohnort im Saarland zu ihrem Arbeitsort nach Mainz hätte pendeln müssen. Die Beklagte, die zwar mit der gewünschten Teilzeitarbeit von 20 Stunden pro Woche einverstanden ist, weigert sich aus betrieblichen Gründen, das Verlangen der Klägerin, ihr eine Beschäftigung in Saarbrücken anzubieten oder einen Heimarbeitsplatz einzurichten, zu erfüllen. Auch wenn der Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung und der Weigerung der Beklagten, dem Begehren der Klägerin zu entsprechen, offensichtlich ist, führt der Umstand, dass die Beklagte auf ihrem (zutreffenden) Rechtsstandpunkt beharrt, die Klägerin sei arbeitsvertraglich verpflichtet, ihre Arbeitsleistung - auch bei einer Teilzeitbeschäftigung - am Standort in Mainz erbringen, zu keinem Verschulden am Krankheitsfall. Der Beklagten ist nicht als Verschuldensbeitrag zuzurechnen, dass die Klägerin, deren Arbeitsort seit dem 01.10.2007 in Mainz liegt, ihren Wohnsitz im Saarland beibehalten hat, so dass sie sich nach der Elternzeit ab 14.04.2013 nicht in der Lage sieht, zur Arbeitsstelle zu pendeln und gleichzeitig für die Kinderbetreuung zu sorgen.
Ein Ausnahmefall liegt auch nicht deshalb vor, weil die Klägerin vermutet, dass die Beklagte mit ihr im BEM-Gespräch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses reden wolle. Die Beklagte hat im Verlauf des Rechtsstreits wiederholt versichert, dass sie mit der Klägerin nicht (mehr) über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verhandeln wolle. Aus dem Schreiben der Beklagten vom 28.03.2013 an den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin lässt sich keine Erkenntnis über ihre Absichten im BEM-Gespräch gewinnen. Die Beklagte hatte der Klägerin damals mitgeteilt, sie könne sich prinzipiell eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende der Elternzeit vorstellen, wenn die Klägerin wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten nicht an ihren Arbeitsort in Mainz zurückkehren könne. Entgegen der Ansicht der Klägerin, kann aus dem damaligen Bemühen der Beklagten, Streitigkeiten vorzubeugen, nicht geschlossen werden, sie werde das BEM-Gespräch entgegen ihrer ausdrücklichen Beteuerung "missbrauchen", um die Klägerin zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bewegen.
III. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Berufung fallen der Klägerin nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
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