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BAG, Ur­teil vom 17.05.2011, 1 AZR 473/09

   
Schlagworte: Gewerkschaft
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 1 AZR 473/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 17.05.2011
   
Leitsätze: Aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG ergibt sich bei tarifwidrigen betrieblichen Regelungen ein gegen den Arbeitgeber gerichteter Anspruch der Gewerkschaften auf Beseitigung und Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen. Der Beseitigungsanspruch umfasst jedoch nicht die Wiederherstellung des tarifkonformen Zustands durch Nachzahlung der tariflichen Leistungen an die Arbeitnehmer.
Vorinstanzen: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 18.06.2009, 2 Sa 176/08
Arbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 6.08.2009, 11 Ca 81/08
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

1 AZR 473/09

2 Sa 176/08

Lan­des­ar­beits­ge­richt Ham­burg

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 17. Mai 2011

UR­TEIL

Klapp, Ur­kunds­be­am­ter der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläge­rin, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Ers­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 17. Mai 2011 durch die Präsi­den­tin des Bun­des­ar­beits­ge­richts


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Schmidt, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Linck und Prof. Dr. Koch so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Dr. Fe­der­lin und Pla­tow für Recht er­kannt:

1. Die Re­vi­si­on der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ham­burg vom 18. Ju­ni 2009 - 2 Sa176/08 - wird zurück­ge­wie­sen.

2. Die Kläge­rin hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über den An­spruch ei­ner Ge­werk­schaft auf Be-

sei­ti­gung der in­di­vi­du­al­recht­li­chen Fol­gen ei­ner ta­rif­wid­ri­gen be­trieb­li­chen Ar­beits­zeit- und Vergütungs­re­ge­lung.

Die Be­klag­te ver­treibt und mon­tiert me­di­zi­nisch-tech­ni­sche Geräte. Bei

ihr be­ste­hen auf­grund ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung nach § 3 Be­trVG ein Be­triebs­rat für den Außen­dienst und ein Be­triebs­rat für den In­nen­dienst. Im Außen­dienst beschäftigt die Be­klag­te rund 650 Ar­beit­neh­mer, im In­nen­dienst ca. 320 Ar­beit­neh­mer. Die Be­klag­te ist nicht ta­rif­ge­bun­den.

Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten ist die P M S GmbH. De­ren Ver-

mögen über­nahm die Be­klag­te im We­ge der Ver­schmel­zung durch Auf­nah­me, die am 6. Au­gust 2008 ins Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen wur­de.

Die P M S GmbH war Mit­glied von Nord­me­tall, ei­nem Ver­band der

Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie. Sie wand­te in ih­ren Be­trie­ben die zwi­schen Nord­me­tall und der Kläge­rin ab­ge­schlos­se­nen Ta­rif­verträge an. Die Kläge­rin ist in den Be­trie­ben der Be­klag­ten und de­ren Rechts­vorgänge­rin ver­tre­ten.

Nach dem Man­tel­ta­rif­ver­trag für die Me­tall- und Elek­tro­in­dus­trie

Ham­burg/Schles­wig-Hol­stein (MTV) beträgt die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit 35 St­un­den.


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Die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten schloss En­de 2005 mit dem Be

triebs­rat für den Außen­dienst die am 1. März 2006 in Kraft ge­tre­te­ne Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst“ (BV tech­ni­scher Außen­dienst). Dar­in war ua. ab 1. März 2006 ei­ne Erhöhung der Wo­chen­ar­beits­zeit auf 40 St­un­den ge­re­gelt. Als Aus­gleich hierfür er­hiel­ten die Mit­ar­bei­ter an­stel­le et­wai­ger an­de­rer Vergütungs­ansprüche ei­nen „leis­tungs-bzw. er­folgs­abhängi­gen Bo­nus“.

Mit dem Be­triebs­rat für den In­nen­dienst ver­ein­bar­te die Rechts­vor-

gänge­rin der Be­klag­ten am 16. Fe­bru­ar 2007 die ab dem 1. März 2007 gel­ten­de Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst“ (BV In­nen­dienst). Da­nach rich­te­te sich die Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit nach dem Ar­beits­ver­trag bzw. dem je­weils gülti­gen Ta­rif­ver­trag. In ei­ner zeit­gleich ab­ge­schlos­se­nen und in Kraft ge­tre­te­nen Pro­to­koll­no­tiz Nr. 1 war ergänzend be­stimmt, dass al­le Ar­beit­neh­mer ver­pflich­tet sind, bei ent­spre­chen­dem Ar­beits­an­fall durch­schnitt­lich fünf St­un­den pro Wo­che Mehr­ar­beit zu leis­ten. Als Aus­gleich hierfür er­hiel­ten sie ei­nen Ziel­er­rei­chungs­bo­nus.

Bei­de Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen wur­den am 4. Au­gust 2008 durch die

Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten und die bei­den Be­triebsräte mit so­for­ti­ger Wir­kung auf­ge­ho­ben. Gleich­zei­tig ver­ein­bar­ten sie den In­halt der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen er­neut als Re­ge­lungs­ab­re­de.

Die Kläge­rin hat gel­tend ge­macht, die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen sei­en

un­wirk­sam, weil sie die Dau­er der ta­rif­lich ge­re­gel­ten re­gelmäßigen Ar­beits­zeit um fünf St­un­den erhöhten. Zu­dem wer­de die über 35 Wo­chen­stun­den hin­aus­ge­hen­de Ar­beits­zeit nicht mit der ta­rif­lich gel­ten­den (Mehr­ar­beits-)Vergütung ent­lohnt, son­dern durch ei­ne Bo­nus­zah­lung ab­ge­gol­ten. Das ta­rif­wid­ri­ge Ver­hal­ten ha­be sie in ih­rer Ko­ali­ti­ons­frei­heit be­ein­träch­tigt. Ihr ste­he des­halb ge­gen die Be­klag­te ein Be­sei­ti­gungs­an­spruch zu.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt:

1. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Mit­ar­bei­tern und

Mit­ar­bei­te­rin­nen, die von der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für
den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005)


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er­fasst wer­den, für die in der Zeit vom 1. März 2006 bis 3. Au­gust 2008 über 35 St­un­den pro Wo­che hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den (Aus­gleichs­zeiträume 1. März 2006 bis 31. Au­gust 2006, 1. Sep­tem­ber 2006 bis 28. Fe­bru­ar 2007, 1. März 2007 bis 31. Au­gust 2007, 1. Sep­tem­ber 2007 bis 29. Fe­bru­ar 2008, 1. März 2008 bis 3. Au­gust 2008) an­zu­bie­ten, die Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder in Frei­zeit ab­zu­gel­ten;

2. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den von der Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005) be­trof­fe­nen Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen an­zu­bie­ten, al­le gemäß Zif­fer 4.1 der BV „Ar­beits­zeit­re­ge­lung für den tech­ni­schen Außen­dienst (VM-PW-1004/2005)“ bis zum 1. Au­gust 2008 ver­fal­le­nen Zeit­gut­ha­ben durch Frei­zeit oder Be­zah­lung ab­zu­gel­ten;

3. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den in den Gel­tungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst (VM-PW 1001/2007)“ fal­len­den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen an­zu­bie­ten, al­le im Zeit­raum 1. März 2007 bis 3. Au­gust 2008 über durch­schnitt­lich 35 St­un­den pro Wo­che (Aus­gleichs­zeit­raum 1. März 2007 bis 31. Au­gust 2007, 1. Sep­tem­ber 2007 bis 29. Fe­bru­ar 2008, 1. März 2008 bis 3. Au­gust 2008) hin­aus­ge­hen­den Mehr­ar­beits­stun­den durch Frei­zeit oder Be­zah­lung ab­zu­gel­ten;

4. die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, den Mit­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­te­rin­nen, die in den Gel­tungs­be­reich der Be­triebs­ver­ein­ba­rung „Glei­ten­de Ar­beits­zeit im In­nen­dienst (VM-PW 1001/2007)“ fal­len, an­zu­bie­ten, al­le gemäß Zif­fer 4.1 Ab­satz 2 die­ser BV bis zum 1. Au­gust 2008 ver­fal­le­nen Zeit­gut­ha­ben durch Be­zah­lung oder Frei­zeit ab­zu­gel­ten.

Die Be­klag­te hat zur Be­gründung ih­res Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trags aus-

geführt, die Kla­ge sei be­reits un­zulässig, weil die Kla­ge­anträge man­gels na­ment­li­cher Nen­nung der Ge­werk­schafts­mit­glie­der nicht hin­rei­chend be­stimmt sei­en. Die Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ver­stießen auch nicht ge­gen den MTV, weil sie die re­gelmäßige Ar­beits­zeit nicht dau­er­haft erhöhten, son­dern le­dig­lich vorüber­ge­hen­de Mehr­ar­beit an­ord­ne­ten. Bei vol­ler Ziel­er­rei­chung führe die Bo­nus­re­ge­lung nicht zu ei­ner Ta­rif­un­ter­schrei­tung. Die Kläge­rin be­geh­re


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schließlich nicht die Be­sei­ti­gung ta­rif­wid­ri­ger nor­ma­ti­ver Zustände, son­dern die Erfüllung in­di­vi­du­el­ler Ansprüche. Hier­zu sei sie je­doch nicht be­fugt.

Die Kläge­rin hat in ei­nem ein­heit­li­chen Be­schluss­ver­fah­ren Un­ter­las-

sungs- und Be­sei­ti­gungs­ansprüche gel­tend ge­macht. Das Ar­beits­ge­richt hat die in der Re­vi­si­on noch streit­ge­genständ­li­chen Anträge durch Be­schluss vom 9. Ja­nu­ar 2008 ab­ge­trennt und in das Ur­teils­ver­fah­ren ver­wie­sen. In­so­weit hat es so­dann die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Kläge­rin zurück­ge­wie­sen. Mit ih­rer Re­vi­si­on ver­folgt die­se ihr Kla­ge­be­geh­ren wei­ter.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on der Kläge­rin ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen

ha­ben die Kla­ge im Er­geb­nis zu Recht ab­ge­wie­sen.

I. Die Ent­schei­dung des Lan­des­ar­beits­ge­richts war nicht des­we­gen
auf­zu­he­ben, weil das Ar­beits­ge­richt den Rechts­streit in das Ur­teils­ver­fah­ren überführt hat. Für den An­spruch ei­ner Ge­werk­schaft auf die Be­sei­ti­gung von Fol­gen ta­rif­wid­ri­ger Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Re­ge­lungs­ab­re­den, die da­zu be­stimmt sind, die ta­rif­li­che Ord­nung zu ver­drängen, ist wie für de­ren Un­ter­las­sungs­be­geh­ren (hier­zu BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B I 2 b der Gründe, BA­GE 91, 210) das Be­schluss­ver­fah­ren die zu­tref­fen­de Ver­fah­rens­art. Nach § 73 Abs. 2 iVm. § 65 ArbGG ist al­ler­dings die Zulässig­keit der Ver­fah­rens­art in der Re­vi­si­on nicht mehr zu prüfen. Das Ar­beits­ge­richt hat nach ei­ner Rüge der Ar­beit­ge­be­rin die zunächst im Be­schluss­ver­fah­ren anhängig ge­mach­ten Ansprüche durch rechts­kräfti­gen Be­schluss vom 9. Ja­nu­ar 2008 in das Ur­teils­ver­fah­ren ver­wie­sen. Dar­an war das Lan­des­ar­beits­ge­richt ge­bun­den (§§ 88, 65 ArbGG).

II. Die Kla­ge ist zulässig.


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1. Die Anträge bedürfen al­ler­dings der Aus­le­gung.

a) Die Kläge­rin ver­langt von der Be­klag­ten die Ab­ga­be von An­ge­bo­ten an
die Beschäftig­ten, die in die Gel­tungs­be­rei­che der BV tech­ni­scher Außen­dienst und der BV In­nen­dienst fal­len. Hier­zu hat sie in den Vor­in­stan­zen aus­geführt, sie wol­le da­mit er­rei­chen, dass die Be­klag­te den ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern das An­ge­bot ei­ner Ver­ein­ba­rung macht, das die Fol­gen der nach Auf­fas­sung der Kläge­rin ta­rif­wid­ri­gen Vor­ge­hens­wei­se der Be­klag­ten be­sei­tigt. Die Anträge sind da­mit auf die Vor­nah­me von Hand­lun­gen, nämlich die Aus­ar­bei­tung und Un­ter­brei­tung von An­ge­bo­ten durch die Be­klag­te an die in den Anträgen be­zeich­ne­ten Beschäftig­ten ge­rich­tet. Es geht der Kläge­rin nicht un­mit­tel­bar um die Ab­ga­be ei­ner be­stimm­ten Wil­lens­erklärung, son­dern die Aus­ar­bei­tung ei­nes auf die ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer zu­ge­schnit­te­nen An­ge­bots. Die­ses soll sich un­ter Außer­acht­las­sung ta­rif­ver­trag­li­cher Aus­schluss­fris­ten auf die in den be­nann­ten Zeiträum­en ent­stan­de­nen Vergütungs­dif­fe­ren­zen be­zie­hen, die sich nach Maßga­be der Ta­rif­re­ge­lun­gen un­ter Zu­grun­de­le­gung der je­weils tatsächlich ge­leis­te­ten Ar­beits­stun­den aus der hierfür zu zah­len­den ta­rif­li­chen Mehr­ar­beits­vergütung abzüglich des aus­ge­zahl­ten Bo­nus er­ge­ben.

Die Voll­stre­ckung des von der Kläge­rin er­streb­ten Ti­tels rich­tet sich bei

die­sem An­trags­verständ­nis nach § 888 ZPO. Die Vor­schrift des § 894 ZPO ist bei ei­ner sol­chen An­trags­aus­le­gung nicht an­wend­bar, weil die Kläge­rin von der Be­klag­ten nicht die Ab­ga­be aus­for­mu­lier­ter An­ge­bo­te be­gehrt, son­dern de­ren Aus­ar­bei­tung.

b) Von den Anträgen wer­den in zeit­li­cher Hin­sicht al­le Ar­beit­neh­mer
er­fasst, die bis zur Auf­he­bung der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen am 4. Au­gust 2008 in de­ren Gel­tungs­be­reich fie­len. In persönli­cher Hin­sicht sind hier­von nach dem Vor­brin­gen der Kläge­rin lei­ten­de und AT-An­ge­stell­te so­wie die Beschäftig­ten aus­ge­nom­men, mit de­nen zu­vor ta­rif­ver­trags­gemäß (§ 3 Nr. 1.2 MTV) ei­ne in­di­vi­du­el­le re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 40 St­un­den ver­ein­bart war.


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2. In die­ser Aus­le­gung sind die Anträge zulässig, ins­be­son­de­re hin-

rei­chend be­stimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

a) Da­nach muss die Kla­ge­schrift ne­ben der An­ga­be des Ge­gen­stands und
des Grun­des des er­ho­be­nen An­spruchs auch ei­nen be­stimm­ten An­trag ent­hal­ten. Ein Kla­ge­an­trag ist grundsätz­lich hin­rei­chend be­stimmt, wenn er den er­ho­be­nen An­spruch kon­kret be­zeich­net. Da­durch wer­den der Rah­men der ge­richt­li­chen Ent­schei­dungs­be­fug­nis (§ 308 ZPO) ab­ge­steckt und In­halt und Um­fang der ma­te­ri­el­len Rechts­kraft der be­gehr­ten Ent­schei­dung (§ 322 ZPO) fest­ge­legt. Zu­gleich wird ver­mie­den, dass das Ri­si­ko ei­nes Un­ter­lie­gens des Klägers durch ei­ne ver­meid­ba­re Un­ge­nau­ig­keit auf den Be­klag­ten ab­gewälzt wird oder der Streit in ein sich an­sch­ließen­des Zwangs­voll­stre­ckungs­ver­fah­ren ver­la­gert wird. Maßgeb­lich für die Be­stimmt­heit ei­nes Kla­ge­an­trags sind die Be­son­der­hei­ten des an­zu­wen­den­den ma­te­ri­el­len Rechts und die Umstände des Ein­zel­falls. Hier­bei ist das zu schützen­de In­ter­es­se ei­nes Be­klag­ten, sich ge­gen die Kla­ge erschöpfend ver­tei­di­gen zu können, so­wie sein In­ter­es­se an Rechts­klar­heit und Rechts­si­cher­heit hin­sicht­lich der Ent­schei­dungs­wir­kun­gen mit dem eben­falls schutzwürdi­gen In­ter­es­se des Klägers an ei­nem wirk­sa­men Rechts­schutz ab­zuwägen (BGH 28. No­vem­ber 2002 - I ZR 168/00 - zu II 2 b (1) der Gründe, BGHZ 153, 69). Ge­ne­ra­li­sie­ren­de For­mu­lie­run­gen können da­her im Ein­zel­fall un­ver­meid­lich sein. An­dern­falls würde die Möglich­keit, ge­richt­li­chen Rechts­schutz zu er­lan­gen, durch pro­zes­sua­le An­for­de­run­gen un­zu­mut­bar er­schwert, wenn nicht gar be­sei­tigt (BAG 22. Ju­ni 2010 - 1 AZR 179/09 - Rn. 18, AP GG Art. 9 Nr. 142 = EzA GG Art. 9 Nr. 101).

b) Nach die­sen Grundsätzen sind die be­gehr­ten Hand­lun­gen so
kon­kre­ti­siert, dass die Be­klag­te er­ken­nen kann, was von ihr ver­langt wird.

aa) Der Per­so­nen­kreis ist be­stimm­bar be­zeich­net. Glei­ches gilt für die

An­spruchs­zeiträume. Die Be­klag­te hat nur auf die ein­zel­nen Ar­beit­neh­mer zu­ge­schnit­te­ne An­ge­bo­te aus­zu­ar­bei­ten. Es bleibt den ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern über­las­sen, die in­halt­li­che Rich­tig­keit der je­wei­li­gen An­ge­bo­te zu über­prüfen und sich dann für ei­nen Frei­zeit- und/oder Ab­gel­tungs­an­spruch in Geld zu ent­schei­den. Die von der Kläge­rin gewähl­te An­trags­for­mu­lie­rung ist


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hin­zu­neh­men, weil es für sie kei­nen an­de­ren Weg zur pro­zes­sua­len Durch­set­zung der von ihr be­haup­te­ten Ansprüche gibt. In­so­weit ist zu berück­sich­ti­gen, dass ihr die zur For­mu­lie­rung kon­kre­ter An­ge­bo­te er­for­der­li­chen tatsächli­chen Umstände nicht be­kannt sind. Zur Gewährung ef­fek­ti­ven Rechts­schut­zes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) muss ihr je­doch die Möglich­keit eröff­net wer­den, die Fra­ge klären zu las­sen, ob sie we­gen der von ihr be­haup­te­ten Ver­let­zung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit (Art. 9 Abs. 3 GG) aus ei­ge­nem Recht von der Be­klag­ten die Be­sei­ti­gung der hier­durch be­wirk­ten Be­ein­träch­ti­gun­gen in Ge­stalt der den ein­zel­nen Ar­beit­neh­mern ent­stan­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le ver­lan­gen kann.

bb) Der Be­stimmt­heit der Anträge steht nicht ent­ge­gen, dass den Ar­beit-

neh­mern die Wahl ein­geräumt wer­den soll, sich zwi­schen Aus­zah­lung der Ar­beits­vergütung oder Frei­zeit ent­schei­den zu können. Hier­bei han­delt es sich um ei­ne Wahl­schuld iSd. § 262 BGB. Ei­ne sol­che liegt vor, wenn meh­re­re Leis­tun­gen in der Wei­se ge­schul­det wer­den, dass nach späte­rer Wahl nur ei­ne von ih­nen zu er­brin­gen ist. Auch ei­ne Wahl­schuld kann ei­ne be­stimm­te Leis­tung sein, weil nur ein ein­heit­li­cher An­spruch be­steht, der je­doch ei­nen al­ter­na­ti­ven In­halt hat (Pa­landt/Grüne­berg BGB 70. Aufl. § 262 Rn. 1). Be­steht im Ein­zel­fall Streit über die in­halt­li­che Rich­tig­keit ei­nes An­ge­bots, wäre die­ser in ei­nem In­di­vi­du­al­ver­fah­ren zwi­schen dem je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mer und der Be­klag­ten zu klären.

cc) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten muss­te die Kläge­rin in den

Anträgen nicht die Per­so­nen na­ment­lich be­zeich­nen, die bei ihr Mit­glied sind. Die Be­klag­te be­ruft sich in­so­weit zu Un­recht auf die Ent­schei­dung des Vier­ten Se­nats des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 19. März 2003 (- 4 AZR 271/02 - BA­GE 105, 275). Die­se be­trifft ei­nen an­de­ren Sach­ver­halt. Der Vier­te Se­nat hat­te ge­ra­de nicht über ei­nen auf al­le Ar­beit­neh­mer be­zo­ge­nen An­trag zu ent­schei­den, son­dern über ei­nen Un­ter­las­sungs­an­trag, der nur die bei der Ar­beit­ge­be­rin beschäftig­ten Mit­glie­der der kla­gen­den Ge­werk­schaft be­traf. Den ein­schränkungs­los auf al­le Mit­ar­bei­ter ge­rich­te­ten Haupt­an­trag hat­ten die Vor­in­stan­zen be­reits rechts­kräftig ab­ge­wie­sen. Im vor­lie­gen­den Fall hat die


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Kläge­rin ih­ren An­trag je­doch nicht auf Ge­werk­schafts­mit­glie­der be­schränkt. Die na­ment­li­che Be­nen­nung der Ge­werk­schafts­mit­glie­der ist für die Be­stimmt­heit des An­trags je­den­falls dann ent­behr­lich, wenn der An­trag nicht auf die­se ein­ge­grenzt ist (vgl. K. Schmidt RdA 2004, 152, 157 f.).

III. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Die BV tech­ni­scher Außen­dienst und die BV

In­nen­dienst ver­s­toßen zwar ge­gen den Ta­rif­vor­rang aus § 77 Abs. 3 Be­trVG und sind des­halb un­wirk­sam. Hier­durch ist die Kläge­rin in ih­rer Ko­ali­ti­ons­frei­heit be­ein­träch­tigt wor­den. Mit dem Wirk­sam­wer­den der Ver­schmel­zung der P M S GmbH auf die Be­klag­te am 6. Au­gust 2008 hat die­ser Ein­griff je­doch ge­en­det, weil die Be­klag­te selbst nicht ta­rif­ge­bun­den ist. Für ein auf die Nach­zah­lung von Ar­beits­vergütung an die Ar­beit­neh­mer ge­rich­te­tes Kla­ge­be­geh­ren fehlt es an ei­ner An­spruchs­grund­la­ge.

1. Die BV tech­ni­scher Außen­dienst und die BV In­nen­dienst ha­ben ta­rif­lich

ge­re­gel­te Ar­beits­be­din­gun­gen zum Ge­gen­stand und ver­s­toßen des­halb ge­gen § 77 Abs. 3 Be­trVG.

a) Nach die­ser Be­stim­mung können Ar­beits­ent­gel­te und sons­ti­ge Ar­beits-
be­din­gun­gen, die durch Ta­rif­ver­trag ge­re­gelt sind oder übli­cher­wei­se ge­re­gelt wer­den, nicht Ge­gen­stand ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Ta­rif­ver­trag den Ab­schluss ergänzen­der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen aus­drück­lich zulässt. Ei­ne sol­che Öff­nungs­klau­sel ent­hal­ten die hier maßge­ben­den Ta­rif­verträge al­ler­dings nicht. Auch be­darf es kei­ner Ent­schei­dung, ob der Ta­rif­vor­rang auch für Re­ge­lungs­ab­re­den gilt (da­zu BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 1 b der Gründe, BA­GE 91, 210). Die in den Kla­ge­anträgen be­zeich­ne­ten Zeiträume rei­chen nur bis zu der von den Be­triebs­par­tei­en ver­ein­bar­ten Auf­he­bung der bei­den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen.

b) Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben in die­sen die ta­rif­ver­trag­lich ge­re­gel­te
re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 35 auf 40 St­un­den erhöht und hierfür ein ei­genständi­ges Vergütungs­re­gime in Form von Bo­nus­zah­lun­gen er­rich­tet. Die­se Ar­beits­zeit­verlänge­rung ist in Nr. 2.1 der BV tech­ni­scher Außen­dienst ein­deu­tig ver­ein­bart, gilt aber auch für die in der Pro­to­koll­no­tiz Nr. 1 zur BV


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In­nen­dienst ge­trof­fe­nen Re­ge­lung. Zwar ist hier­in nicht aus­drück­lich ei­ne re­gelmäßige Wo­chen­ar­beits­zeit von 40 St­un­den vor­ge­se­hen, son­dern nur die Ver­pflich­tung der Mit­ar­bei­ter, bei ent­spre­chen­dem Ar­beits­an­fall durch­schnitt­lich fünf St­un­den pro Wo­che Mehr­ar­beit zu leis­ten. Aus der in Nr. 3.1 BV In­nen­dienst ver­ein­bar­ten tägli­chen Sol­l­ar­beits­zeit von ei­nem Fünf­tel der je­weils gülti­gen Wo­chen­ar­beits­zeit, die in der Re­gel an fünf Werk­ta­gen in der Wo­che von Mon­tag bis Frei­tag zu er­brin­gen ist, so­wie der Re­ge­lung bei Ab­we­sen­heit in Nr. 11 der Pro­to­koll­no­tiz Nr. 1, wo­nach be­zahl­te Ab­we­sen­heit so­wie Ur­laub und Krank­heit bei Voll­zeit­beschäftig­ten mit acht St­un­den täglich im Ar­beits­zeit­kon­to berück­sich­tigt wer­den, er­gibt sich je­doch hin­rei­chend deut­lich, dass auch im Gel­tungs­be­reich der BV In­nen­dienst ei­ne Erhöhung der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 35 auf 40 St­un­den er­folgt ist.

c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Be­klag­ten ist die Re­ge­lungs­sper­re des

§ 77 Abs. 3 Be­trVG nicht ent­fal­len, weil die BV tech­ni­scher Außen­dienst und die Pro­to­koll­no­tiz Nr. 1 zur BV In­nen­dienst Ar­beits­zeit­fra­gen be­tref­fen, für die ein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats be­steht. Zwar gilt nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts die Sper­re des § 77 Abs. 3 Satz 1 Be­trVG dann nicht, wenn es um An­ge­le­gen­hei­ten geht, die nach § 87 Abs. 1 Be­trVG der er­zwing­ba­ren Mit­be­stim­mung des Be­triebs­rats un­ter­lie­gen (GS 3. De­zem­ber 1991 - GS 2/90 - zu C I 4 der Gründe, BA­GE 69, 134; 9. De­zem­ber 2003 - 1 ABR 52/02 - zu B II 1 b der Gründe, EzA Be­trVG 2001 § 77 Nr. 6). Hier­an fehlt es vor­lie­gend. Re­ge­lungs­ge­gen­stand der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ist nicht die vorüber­ge­hen­de Verlänge­rung der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 3 Be­trVG.

aa) Vorüber­ge­hend ist ei­ne Verlänge­rung der Ar­beits­zeit, wenn für ei­nen

über­schau­ba­ren Zeit­raum von de­ren re­gulärem Vo­lu­men ab­ge­wi­chen wird, um an­sch­ließend zum be­triebsübli­chen Um­fang zurück­zu­keh­ren. Die Verlänge­rung darf nicht auf Dau­er er­fol­gen. Maßgeb­lich ist die zum Zeit­punkt der Ände­rung be­ste­hen­de Pla­nung des Ar­beit­ge­bers. Der vorüber­ge­hen­de Cha­rak­ter ei­ner Verände­rung der Ar­beits­zeit wird ins­be­son­de­re dann deut­lich, wenn die­se Maßnah­me bis zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt oder bis zur Er­rei­chung ei­nes


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be­stimm­ten Zwecks be­fris­tet wird (BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 - Rn. 17, BA­GE 122, 127).

bb) Für ei­ne nur vorüber­ge­hen­de Verlänge­rung der re­gelmäßigen Ar­beits

zeit gibt es in den Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und Pro­to­koll­no­ti­zen kei­ne ob­jek­ti­ven An­halts­punk­te. Die­se sind we­der auf ei­nen be­stimm­ten Zeit­punkt oder bis zur Er­rei­chung ei­nes be­stimm­ten Zwecks be­fris­tet. Auch der Ge­samt­zu­sam­men­hang der ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen weist nicht auf ei­ne mit­be­stim­mungs­pflich­ti­ge Ände­rung der Ar­beits­zeit hin. Viel­mehr macht die Präam­bel der BV tech­ni­scher Außen­dienst ge­ra­de deut­lich, dass es den Be­triebs­par­tei­en um ei­ne dau­er­haf­te Ar­beits­zeit­erhöhung ging, um „stei­gen­den Kun­den- und Markt­an­for­de­run­gen“ ge­recht zu wer­den. Die BV In­nen­dienst soll­te es nach ih­rer Präam­bel den Ar­beit­neh­mern ermögli­chen, durch die dar­in ent­hal­te­ne Gleit­zeit­re­ge­lung Be­ginn und En­de der Ar­beits­zeit selbst zu be­stim­men. Auch dies spricht für ei­ne un­be­fris­te­te Re­ge­lung.

2. Durch die ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ist die Kläge­rin in ih­rer

Ko­ali­ti­ons­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG ver­letzt wor­den.

a) Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht nur den Ein­zel­nen in sei­ner Frei­heit, ei­ne

Ver­ei­ni­gung zur Wah­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen zu gründen, ihr bei­zu­tre­ten oder fern­zu­blei­ben oder sie zu ver­las­sen. Geschützt ist auch die Ko­ali­ti­on selbst in ih­rem Be­stand, ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Aus­ge­stal­tung und ih­ren Betäti­gun­gen, so­fern die­se der Förde­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen die­nen. Der Schutz ist nicht von vorn­her­ein auf ei­nen Kern­be­reich ko­ali­ti­onsmäßiger Betäti­gun­gen be­schränkt, die für die Si­che­rung des Be­stands der Ko­ali­tio­nen un­erläss­lich sind. Er er­streckt sich viel­mehr auf al­le ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­schen Ver­hal­tens­wei­sen. Da­zu gehören sämt­li­che Betäti­gun­gen, die dem Zweck der Ko­ali­tio­nen die­nen, die Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen zu wah­ren und zu fördern (BVerfG 6. Fe­bru­ar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394). Das be­trifft ins­be­son­de­re den Ab­schluss von Ta­rif­ver­trägen, in de­nen das Ar­beits­ent­gelt und an­de­re ma­te­ri­el­le Ar­beits­be­din­gun­gen wie et­wa die Ar­beits­zeit ge­re­gelt sind.


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b) Die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütz­te Ko­ali­ti­ons­frei­heit wird nicht erst
dann be­ein­träch­tigt, wenn ei­ne Ko­ali­ti­on dar­an ge­hin­dert wird, Ta­rif­recht zu schaf­fen. Ei­ne Ein­schränkung oder Be­hin­de­rung die­ses Frei­heits­rechts liegt nach der Se­nats­recht­spre­chung (20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BA­GE 91, 210) auch in Ab­re­den oder Maßnah­men, die dar­auf ge­rich­tet sind, die Wir­kung des von Ko­ali­tio­nen ge­schaf­fe­nen Ta­rif­rechts zu ver­ei­teln oder leer­lau­fen zu las­sen. Unschädlich ist, dass ent­spre­chen­de Ab­re­den nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nich­tig sind, al­so die ta­rif­li­che Ord­nung nicht in recht­lich er­zwing­ba­rer Wei­se er­set­zen können. Die Be­ein­träch­ti­gung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit liegt nämlich in der Eig­nung sol­cher Ab­spra­chen, auf­grund ih­res erklärten Gel­tungs­an­spruchs fak­tisch an die Stel­le der ta­rif­li­chen Re­ge­lung zu tre­ten. Dar­auf zie­len ta­rif­wid­ri­ge Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ab. Ihr of­fen­kun­di­ger Zweck ist es, Ta­rif­nor­men als kol­lek­ti­ve Ord­nung zu ver­drängen und sie da­mit ih­rer zen­tra­len Funk­ti­on zu be­rau­ben.

c) Nach die­sen Grundsätzen ist die Kläge­rin durch die BV tech­ni­scher
Außen­dienst und die BV In­nen­dienst in ih­rer Ko­ali­ti­ons­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG ver­letzt wor­den. Die Be­triebs­par­tei­en ha­ben hier­durch ver­sucht, ein ta­rif­wid­ri­ges Ar­beits­zeit- und dar­auf be­zo­ge­nes Ent­gelt­re­gime in dem Be­trieb zu im­ple­men­tie­ren und die bei der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten gel­ten­den Ta­rif­nor­men als kol­lek­ti­ve Ord­nung bezüglich der Re­ge­lung der Dau­er der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit und der hierfür zu ent­rich­te­ten Vergütung außer Kraft zu set­zen.

3. Die Be­ein­träch­ti­gung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit der kla­gen­den Ge­werk­schaft

hat aber am 6. Au­gust 2008 mit dem Wirk­sam­wer­den der Ver­schmel­zung (§ 20 Abs. 1 Um­wG) ge­en­det. Mit die­sem Zeit­punkt en­de­te die nor­ma­ti­ve Wir­kung der maßgeb­li­chen Ver­bands­ta­rif­verträge, weil die Be­klag­te ih­rer­seits nicht ta­rif­ge­bun­den ist. Nur im Fal­le ei­nes Fir­men­ta­rif­ver­trags wäre die Be­klag­te gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Um­wG in die vom ver­schmol­ze­nen Recht­sträger ver­ein­bar­ten Ta­rif­verträge als Ta­rif­ver­trags­par­tei ein­ge­tre­ten (BAG 4. Ju­li 2007 - 4 AZR 491/06 - BA­GE 123, 213). Flächen- und Ver­bands­ta­rif­verträge wer­den da­ge­gen


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von der Ge­samt­rechts­nach­fol­ge nicht er­fasst (BAG 24. Ju­ni 1998 - 4 AZR 208/97 - BA­GE 89, 193).

4. Die Ansprüche der Kläge­rin, mit de­nen sie von der Be­klag­ten die

Aus­ar­bei­tung von An­ge­bo­ten zum Aus­gleich von Vergütungs­dif­fe­ren­zen for­dert, die den Beschäftig­ten durch die An­wen­dung der ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ent­stan­den sind, er­ge­ben sich nicht aus dem in § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG ge­re­gel­ten Be­sei­ti­gungs­an­spruch. Sie sind nicht auf die Be­sei­ti­gung von Be­ein­träch­ti­gun­gen der kol­lek­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit ge­rich­tet, die der Kläge­rin durch die ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ent­stan­den sind.

a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Ei­gentümer vom Störer die Be-
sei­ti­gung und wei­te­re Un­ter­las­sung der Be­ein­träch­ti­gung ver­lan­gen, wenn das Ei­gen­tum in an­de­rer Wei­se als durch Ent­zie­hung oder Vor­ent­hal­tung des Be­sit­zes be­ein­träch­tigt wird. Die­se Ansprüche sind nicht auf Ei­gen­tums­ver­let­zun­gen be­schränkt, son­dern be­ste­hen darüber hin­aus zur Ab­wehr von Ein­grif­fen in al­le nach § 823 Abs. 1 BGB geschütz­ten Rech­te, Le­bensgüter und In­ter­es­sen (Münch­KommBGB/Bal­dus 5. Aufl. § 1004 Rn. 9). Zu den nach § 823 Abs. 1 BGB geschütz­ten Rechtsgütern und In­ter­es­sen gehört auch das durch Art. 9 Abs. 3 GG gewähr­leis­te­te Recht ei­ner von Ar­beit­neh­mern ge­bil­de­ten Ko­ali­ti­on auf ge­werk­schaft­li­che Betäti­gung. Aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG er­gibt sich des­halb nach der Se­nats­recht­spre­chung bei ta­rif­wid­ri­gen be­trieb­li­chen Re­ge­lun­gen ein Un­ter­las­sungs­an­spruch der Ge­werk­schaf­ten ge­gen den Ar­beit­ge­ber (20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 der Gründe, BA­GE 91, 210).

b) Zwar kann in die­sen Fällen auch ein Be­sei­ti­gungs­an­spruch der Ge-
werk­schaft aus § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG in Be­tracht kom­men. Doch ist die­ser nicht auf die Wie­der­her­stel­lung ei­nes ta­rif­gemäßen Zu­stands durch Nach­zah­lung ta­rif­li­cher Leis­tun­gen an die be­trof­fe­nen Beschäftig­ten ge­rich­tet.


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aa) Die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­sei­ti­gungs­an­spruchs nach § 1004 Abs. 1

Satz 1 BGB und ei­nes auf Un­ter­las­sung ge­rich­te­ten An­spruchs nach Satz 2 die­ser Vor­schrift un­ter­schei­den sich dar­in, dass Letz­te­rer die Be­sorg­nis wei­te­rer Be­ein­träch­ti­gun­gen ver­langt, der Be­sei­ti­gungs­an­spruch hin­ge­gen auf die Auf­he­bung fort­dau­ern­der Be­ein­träch­ti­gun­gen ge­rich­tet ist. Das um­fasst auch die Be­sei­ti­gung sol­cher Be­ein­träch­ti­gun­gen, die zwangsläufig durch die primäre Störung ent­ste­hen. Be­ein­träch­ti­gun­gen, die aber als wei­te­re Fol­ge die­ser Störung ent­ste­hen, können nur im We­ge ei­nes auf Na­tu­ral­re­sti­tu­ti­on ge­rich­te­ten Scha­dens­er­sat­zes nach § 823 Abs. 1 BGB aus­ge­gli­chen wer­den (vgl. BGH 4. Fe­bru­ar 2005 - V ZR 142/04 - NJW 2005, 1366; 12. De­zem­ber 2003 - V ZR 98/03 - NJW 2004, 1035). Da­bei ist die Ab­gren­zung von Be­sei­ti­gung und Scha­dens­er­satz ei­ne Fra­ge des Ein­zel­falls (vgl. Bam­ber­ger/Roth/Fritz­sche BGB 2. Aufl. § 1004 Rn. 57 ff.; Münch­KommBGB/Bal­dus § 1004 Rn. 103 ff.).

bb) Hier­nach er­ge­ben sich die von der Kläge­rin gel­tend ge­mach­ten An-

sprüche nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Der dar­auf gestütz­te Be­sei­ti­gungs­an­spruch um­fasst nicht die Wie­der­her­stel­lung des ta­rif­kon­for­men Zu­stands durch Nach­zah­lung der ta­rif­li­chen Leis­tun­gen an die Ar­beit­neh­mer. Hier­durch wird die be­reits be­en­de­te Störung der Ko­ali­ti­ons­betäti­gungs­frei­heit der Kläge­rin nicht be­sei­tigt. Die nachträgli­che Er­brin­gung der ta­rif­li­chen Leis­tun­gen zielt viel­mehr auf ei­nen in­di­vi­du­al­recht­li­chen Aus­gleich der den Ar­beit­neh­mern durch die ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ent­stan­de­nen wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le und nicht auf die Be­sei­ti­gung fort­wir­ken­der kol­lek­tiv­recht­li­cher Störun­gen. Die Be­ein­träch­ti­gung der kol­lek­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit liegt nicht in der Nicht­zah­lung der ta­rif­li­chen Leis­tun­gen für ta­rif­wid­rig ge­leis­te­te Ar­beits­zeit, son­dern in der Ver­ein­ba­rung ei­ner ta­rif­wid­ri­gen be­trieb­li­chen Re­ge­lung, wel­che die ta­rif­li­chen Vor­schrif­ten als kol­lek­ti­ve Ord­nung im Be­trieb zu ver­drängen ver­sucht. Die­se Be­ein­träch­ti­gung kann durch die Nicht­an­wen­dung der (oh­ne­hin rechts­un­wirk­sa­men) Be­triebs­ver­ein­ba­rung und ei­ne dar­auf ge­rich­te­te, ge­genüber den Ar­beit­neh­mern ab­zu­ge­ben­de aus­drück­li­che Erklärung des Ar­beit­ge­bers be­sei­tigt wer­den.


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5. Der gel­tend ge­mach­te An­spruch folgt auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB 43
iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Die Kläge­rin hat durch das Ver­hal­ten der Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten kei­nen ma­te­ri­el­len Scha­den er­lit­ten. Das be­haup­tet sie selbst nicht. Sie hat aber auch kei­nen Nicht­vermögens­scha­den iSd. § 253 BGB er­lit­ten. Durch die Ver­let­zung ih­rer Ko­ali­ti­ons­frei­heit aus Art. 9 Abs. 3 GG ist der Kläge­rin bei nor­ma­ti­ver Be­trach­tung eben­falls kein im­ma­te­ri­el­ler Scha­den der gel­tend ge­mach­ten Art ent­stan­den, des­sen Höhe sich nach den Ver­dienstein­bußen der be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer rich­tet.

6. Die Kläge­rin kann ih­re Ansprüche nicht aus § 23 Abs. 3 Be­trVG her-
lei­ten. Die be­gehr­te Rechts­fol­ge ei­ner aus­sch­ließlich ver­gan­gen­heits­be­zo­ge­nen Re­sti­tu­ti­on zurück­lie­gen­der Verstöße ge­gen den Ta­rif­vor­rang aus § 77 Abs. 3 Be­trVG gibt die­se Vor­schrift nicht her. Das Ver­fah­ren nach § 23 Abs. 3 Be­trVG zielt viel­mehr auf ein künf­ti­ges Ver­hal­ten des Ar­beit­ge­bers. Mit dem Weg­fall der Ta­rif­bin­dung am 6. Au­gust 2008 war je­doch die Be­ein­träch­ti­gung der Ko­ali­ti­ons­frei­heit der Kläge­rin be­en­det.

7. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin be­steht auch kein un­ab­weis-
ba­res Bedürf­nis für ei­ne rich­ter­li­che Rechts­fort­bil­dung zur Be­gründung des be­gehr­ten Fol­gen­be­sei­ti­gungs­an­spruchs. Die Kläge­rin ist im Hin­blick auf die Be­sei­ti­gung des ta­rif­wid­ri­gen Zu­stands ver­fah­rens­recht­lich nicht recht­los ge­stellt. Sie kann ei­ne sol­che Be­ein­träch­ti­gung ih­rer kol­lek­ti­ven Ko­ali­ti­ons­frei­heit im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes durch ei­ne Re­ge­lungs­verfügung nach § 940 ZPO ver­hin­dern oder zu­min­dest verkürzen. Das genügt dem Ge­bot ef­fek­ti­ver Rechts­schutz­gewährung. Dem­ent­spre­chend hätte sie zu der Zeit, zu der sie Kennt­nis von den ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen er­hielt, im We­ge des einst­wei­li­gen Rechts­schut­zes die Un­ter­las­sung der An­wen­dung der Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen und ei­ne Erklärung der Be­klag­ten ver­lan­gen können, die


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auf die Be­sei­ti­gung des fak­ti­schen Gel­tungs­an­spruchs der ta­rif­wid­ri­gen Be­triebs­ver­ein­ba­run­gen ge­genüber der Be­leg­schaft zielt.

Schmidt Koch Linck

Fe­der­lin Pla­tow

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