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Keine Klage einer Gewerkschaft auf Feststellung "falscher" Tarifanwendung
21.04.2012. Gehälter, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen, die in Tarifverträgen festgelegt sind, gelten gemäß § 3 Abs.1 in Verb. mit § 4 Tarifvertragsgesetz (TVG) unmittelbar und zwingend zugunsten eines Arbeitnehmers, wenn er Gewerkschaftsmitglied ist und wenn sein Arbeitgeber entweder Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes ist oder den Tarifvertrag selbst vereinbart hat (Haustarifvertrag). In einem solchen Fall der beiderseitigen "Tarifbindung" gilt der Tarifvertrag wie ein Gesetz, d.h. eine Abweichung zu Ungunsten des Arbeitnehmers ist rechtlich unzulässig.
Gewerkschaften haben es allerdings schwer, die Einhaltung der in "ihren" Tarifverträgen festgelegten Arbeitsbedingungen vor den Arbeitsgerichten durchzusetzen, wie eine am Mittwoch dieser Woche ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wieder einmal bestätigt (BAG, Urteil vom 18.04.2011, 4 AZR 371/10).
- Tarifverträge gelten zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern wie Gesetze - aber was tun bei Tarifbruch?
- Können Gewerkschaften die Anwendung von Tarifverträgen zugunsten ihrer Mitglieder per Unterlassungsklage durchsetzen?
- Der Streitfall: Gewerkschaft klagt auf Feststellung einer angeblich falschen Tarifanwendung durch tarifgebundene Sendeanstalt
- BAG: Keine arbeitsgerichtliche Feststellung auf der Grundlage von § 9 TVG, dass eine bestimmte Tarifanwendung durch einen Arbeitgeber tarifwidrig ist
Tarifverträge gelten zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern wie Gesetze - aber was tun bei Tarifbruch?
Obwohl die Wirksamkeit von Tarifverträgen durch § 3 TVG in Verb. mit § 4 TVG rechtlich stark abgesichert ist, kommt es vor, dass tarifgebundene Arbeitgeber Tarifverträge nicht beachten. Dass betroffene Arbeitnehmer dann auf Erfüllung ihrer tariflichen Rechte klagen können, ist klar, nur dass sie das meist nicht möchten. Denn niemand legt sich gerne in einem laufenden Arbeitsverhältnis mit seinem Arbeitgeber an.
Daher wäre es sinnvoll, wenn die Gewerkschaft in ihrem Namen, aber zugunsten ihrer Mitglieder auf Einhaltung der Tarifverträge klagen könnte, d.h. Tariflohnklagen oder Eingruppierungsklagen für die Gewerkschaftsmitglieder führen könnte. Eine solche Möglichkeit gibt es aber in Deutschland nicht. Denn auch der Tariflohnanspruch eines Gewerkschaftsmitglieds gegen einen tarifgebundenen Arbeitgeber ist ein "Individualanspruch", und den muss jeder selbst im eigenen Namen vor Gericht einklagen - oder es bleiben lassen.
Deshalb versuchen Gewerkschaften immer wieder, auf Umwegen die tarifvertraglichen Rechte ihrer Mitglieder gerichtlich durchzusetzen.
Können Gewerkschaften die Anwendung von Tarifverträgen zugunsten ihrer Mitglieder per Unterlassungsklage durchsetzen?
Eine der wenigen rechtlichen Möglichkeiten ist die gegen den Arbeitgeber gerichtete Unterlassungsklage, mit der dem tarifgebundenen Arbeitgeber gerichtlich untersagt wird, künftig (weiterhin) untertarifliche Betriebsvereinbarungen oder sonstige Arbeitsbedingungen anzuwenden.
Allerdings hat die Gewerkschaft in einem solchen Verfahren keine rechtliche Handhabe, die Beseitigung der finanziellen Auswirkungen einer tarifwidrigen Praxis für die Vergangenheit zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer gerichtlich durchzusetzen, d.h. ihnen zu ihrem tariflichen Recht zu verhelfen (wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell 11/145 Gewerkschaft: Kein Anspruch auf Ausgleich für tarifwidrige Betriebsvereinbarung).
Und es gibt einen weiteren Pferdefuß einer solchen Unterlassungsklage: Die klagende Gewerkschaft muss ihre Mitglieder, zu deren Gunsten sie die tarifwidrige Arbeitgeberpraxis durch Unterlassungsklage abwehren will, vor Gericht namtlich benennen, und dazu wiederum braucht sie das vorherige Einverständnis der einzelnen Mitglieder, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) schon im Jahre 2003 entschieden hat (BAG, Urteil vom 19.03.2003, 4 AZR 271/02).
Vor diesem Hintergrund haben gewerkschaftliche Klagen mit dem Ziel, eine korrekte arbeitgeberseitige Tarifanwendung durchzusetzen, wenig Erfolgsaussichten. In einem am Mittwoch dieser Woche entschiedenen Fall zog die klagende Gewerkschaft wieder einmal den Kürzeren (BAG, Urteil vom 18.04.2011, 4 AZR 371/10 - Pressemitteilung).
Der Streitfall: Gewerkschaft klagt auf Feststellung einer angeblich falschen Tarifanwendung durch tarifgebundene Sendeanstalt
Geklagt hatten zwei Gewerkschaften, die Parteien eines Haustarifvertrages mit dem Bayerischen Rundfunk waren. Hintergrund der Klage war, dass die beklagte Rundfunkanstalt bestimmte Führungspositionen am oberen Ende des tariflichen Gehaltssystems regelmäßig nur befristet besetzte, und daher gruppierte er die "auf Zeit beförderten" Arbeitnehmer nicht in die an sich richtige (höhere) Tarifgruppe ein, sondern beließ sie in der niedrigeren Gruppe und zahlte nur einen Zuschlag.
Die Gewerkschaften bewerteten das als tarifwidrig und klagten gegen den Arbeitgeber mit dem Ziel, ihn dazu zu verpflichten, Führungskräfte bestimmter Tarifgruppen entsprechend ihrer Tätigkeit dauerhaft einzugruppieren. Hilfsweise klagten sie auf die gerichtliche Feststellung, dass die Übertragung von Führungsverantwortung auf Zeit und die Umgehung einer höheren Eingruppierung unzulässig sei. Dabei nannten die Gewerkschaften allerdings keine Gewerkschaftsmitglieder, die von dieser Tarifhandhabung betroffen waren. Der Arbeitgeber bestritt mit Nichtwissen, dass es überhaupt konkret betroffene Gewerkschaftsmitglieder gab.
Das Arbeitsgericht München wies die Klage als unbegründet ab, weil es die streitige Handhabung des Tarifvertrags durch den Arbeitgeber für rechtens hielt (Arbeitgericht München, Urteil vom 29.09.2008, 2a Ca 246/08). Das Landesarbeitsgericht (LAG) München wies die Klagen ebenfalls ab, aber mit einer anderen Begründung (LAG München, Urteil vom 06.10.2009, 7 Sa 36/09). Seiner Meinung nach waren die Klagen bereits unzulässig, da die Gewerkschaften keinen Mitglieder namentlich benannt hatten, die von der streitigen Tarifanwendung betroffen waren.
BAG: Keine arbeitsgerichtliche Feststellung auf der Grundlage von § 9 TVG, dass eine bestimmte Tarifanwendung durch einen Arbeitgeber tarifwidrig ist
Auch das BAG entschied gegen den Gewerkschaften, und wie das LAG war auch das BAG der Ansicht, dass die Klagen bereits unzulässig waren, so dass es gar nicht auf die umstrittene Frage ankam, ob der Tarifvertrag eine befristete Übertragung von Führungsverantwortung zulässt oder nicht.
Allerdings lautete die Begründung des BAG anders als die des LAG. Denn der beklagte Arbeitgeber war zugleich auch Tarifvertragspartei des Haustarifvertrags, so dass sich die Gewerkschaften zur Begründung ihrer Feststellungsklagen auch auf § 9 TVG berufen konnten. Über ihren Wortlaut hinaus erlaubt diese Vorschrift nämlich nicht nur die gerichtliche Feststellung der Wirksamkeit einer Tarifvertrags ("Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages"), sondern auch die Klärung von Auslegungsfragen.
Hier hatten die Gewerkschaften aber gar keine allgemeinen bzw. abtrakten Auslegungsfragen formuliert, die die mit der Klage befassten Arbeitsgerichte hätten klären können, sondern sie hatten nur die Feststellung begehrt, dass es "nicht zulässig" sei, Gewerkschaftsmitglieder mit den Arbeitsaufgaben der tariflichen Positionen 16, 17 oder 18 in die Tarifgruppen 15 oder 16 einzugruppieren und sie mit einer Funktionszulage abzuspeisen. Streitig war damit keine abstrakte Auslegungsfrage (z.B. danach, wie einer bestimmter im Tarifvertrag verwendeter Begriff zu verstehen sei), sondern eine konkrete Tarifhandhabung im Hause der beklagten Rundfunkanstalt.
Dazu heißt es in der Pressemeldung des BAG: Eine Feststellungsklage gemäß § 9 TVG setzt voraus, dass sich die Klageanträge "auf die abstrakte und fallübergreifende Auslegung einer Tarifnorm beziehen. Das konkrete Verhalten eines tarifgebundenen Arbeitgebers kann damit auch dann nicht zum Streitgegenstand einer Klage nach § 9 TVG gemacht werden, wenn dem Streit ein unterschiedliches Verständnis von Tarifnormen zugrunde liegt." Die von den Gewerkschaften angegriffene ">Unzulässigkeit< der Tarifpraxis" der beklagten Rundfunkanstalten ist "kein mit einer solchen Klage feststellbares Rechtsverhältnis", so das BAG. Den Arbeitsgerichten ist es nach Ansicht des BAG auch nicht gestattet, anstelle einer klagenden Gewerkschaft selbst eine oder mehrere Auslegungsfragen zu formulieren, die dem Streit der Parteien - möglicherweise - zu Grunde liegt.
Fazit: Gewerkschaftliche Klagen auf Feststellung einer "falschen" Tarifanwendung sind auf der Grundlage von § 9 Tarifvertragsgesetz (TVG) nicht möglich, d.h. von vornherein unzulässig. Das gilt auch dann, wenn es um die Tarifanwendung durch einen Arbeitgeber geht, der selbst Tarifpartei eines Haustarifvertrags ist, denn auch dann ist eine bestimmte faktische Tarifhandhabung durch den Arbeitgeber noch lange keine allgemeine Rechts- oder Auslegungsfrage.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2011, 4 AZR 371/10 (Pressemitteilung)
- Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 06.10.2009, 7 Sa 36/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 11/145 Gewerkschaft: Kein Anspruch auf Ausgleich für tarifwidrige Betriebsvereinbarung
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 16. Mai 2014
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