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Flashmob-Aktionen sind zulässig
09.10.2009. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat kürzlich entschieden, dass so genannte Flashmob-Aktionen im Rahmen eines gewerkschaftlichen Streiks nicht generell unzulässig sind.
Auch eine konkrete Flashmob-Aktion vom Dezember 2007, die die Gewerkschaft ver.di im Rahmen eines Tarifkonflikts im Berliner Einzelhandel organisierte und die zur Folge hatte, dass ein Einzelhandelsgeschäft für etwa eine Stunde durch den massenhaften Ansturm von Scheinkunden lahmgelegt wurde, wurde vom BAG nicht als zu weitgehend angesehen: BAG, Urteil vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08.
- "Flashmob" als zulässiges Arbeitskampfmittel?
- Der Fall: 40 prall gefüllte Einkaufswagen einfach an der Kasse stehen gelassen
- BAG: Kein Verbot von "Flashmob"-Aktionen im Arbeitskampf
"Flashmob" als zulässiges Arbeitskampfmittel?
Obwohl Streiks, die von einer Gewerkschaft zur Erzwingung eines Tarifvertrags geführt werden, als Bruch des Arbeitsvertrags an sich gegen das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) verstoßen, sind sie rechtlich erlaubt, da sie von der Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer und der Gewerkschaft (Art.9 Abs. 3 Grundgesetz - GG) abgedeckt sind.
Denn ohne das Recht zum Streik bzw. ohne glaubwürdige Streikdrohung wären die von den Gewerkschaften aufgestellten Tarifforderungen kaum mehr als „kollektives Betteln“, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in mehreren Entscheidungen deutlich herausgestellt hat.
Und da das Aushandeln von Tarifverträgen von der Koalitionsfreiheit umfasst ist, muss dies auch für Streiks gelten, da diese ein notwendiges Machtmittel im Rahmen von Tarifverhandlungen sind. Im Ergebnis laufen diese Rechtsgrundsätze auf ein an Tarifverhandlungen gebundenes „Recht zum (begrenzten) Rechtsbruch“ hinaus.
Obwohl das Streikrecht an sich allgemein anerkannt ist, ist die Zulässigkeit konkreter Streiks und streikbegleitender Aktionen bei vielen und vor allem bei hart geführten Tarifkonflikten umstritten und zuweilen sogar Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Denn Arbeitgeber und Arbeitgeberverbände tun sich verständlicherweise schwer mit der Einsicht, dass das gezielte Lahmlegen von Betrieben in der Absicht der wirtschaftlichen Schädigung erlaubt sein soll.
Hinzu kommt, dass Streikaktionen hin und wieder eskalieren und sich dann hart an der Grenze der Nötigung (z.B. von Streikbrechern, Kunden oder Lieferanten) oder des Hausfriedensbruchs (bei Betriebsbesetzungen) bewegen. Juristisch fragt sich in solchen Fällen, ob die Streikaktion „verhältnismäßig“ ist.
Diese Frage stellt sich auch bei sog. Flashmob-aktionen, mit denen Einzelhandels- und Dienstleistungsunternehmen unter Druck gesetzt werden sollen. Bei einem Flashmob stürmen plötzlich viele (Schein-)Kunden in den Laden und legen den Betrieb lahm, indem sie massenhaft Bestellungen aufgeben oder das Servicepersonal in anderer Weise beanspruchen. An einem Flashmob beteiligen sich, anders als das bei einem „normalen“ Streik der Fall ist, oft auch Personen, die weder Mitglied der Gewerk-schaft sind noch Arbeitnehmer des vom Flashmob betroffenen Betriebs.
Zu der Frage, ob streikbegleitende Flashmobaktionen im Einzelhandel erlaubt sind, hat vor kurzem das Bundesarbeitsgericht (BAG) Stellung bezogen (Urteil vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08).
Der Fall: 40 prall gefüllte Einkaufswagen einfach an der Kasse stehen gelassen
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di führte im Dezember 2007 Arbeitskampfmaßnahmen im Berliner Einzelhandel durch und rief dabei zu einer Flashmobaktion auf. Betroffen war ein Einzelhandelsbetrieb in Berlin. An der Aktion beteiligten sich etwa 40 Personen für knapp eine Stunde.
Die an der Aktion beteiligten Personen tauchten dabei plötzlich in dem Filialgeschäft auf, forderten eine der dort tätigen Arbeitnehmerinnen zum Streik auf und hängten ein Flugblatt auf. Sie kauften Pfennigsartikel und füllten Einkaufswagen mit Ware. Insgesamt wurden etwa 40 Einkaufswagen gefüllt und ohne Begründung oder mit dem Vorwand, das Geld vergessen zu haben, stehen gelassen. Eine der Teilnehmerinnen fuhr mit einem Einkaufswagen, der mit Kleinstartikeln gefüllt war, zur Kasse und gab dort zunächst an, bezahlen zu können. Nachdem die Kassiererin die Artikel mit einem Gesamtwert von 371,78 EUR gebongt hatte, erklärte sie, ihr Geld vergessen zu haben, und stellte den Einkaufswagen unter Beifall der übrigen Beteiligten an der Kasse ab.
Der Arbeitgeberverband ging daraufhin im Februar 2008 gerichtlich gegen ver.di vor mit dem Ziel, ihr den Aufruf zu derartigen Flashmobaktionen untersagen zu lassen. Aus seiner Sicht lag hier ein „Streikexzess“ vor, und zwar in Gestalt einer verbotenen Betriebsblockade, eines strafbaren Hausfriedensbruchs und einer Sachbeschädigung, da die Einkaufswagen von den Aktivisten teilweise mit verderblichen Lebensmitteln gefüllt wurden. Hier konnte ver.di allerdings darauf verweisen, dass man in dem Aufruf zum Flashmob gebeten hatte, keine Frischware in die Einkaufswagen zu legen.
Das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 01.04.2008, 34 Ca 2402/08) und das in der zweiten Instanz zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 22.09.2008, 5 Sa 967/08) wiesen die Klage des Arbeitgeberverbandes ab.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG betonten dabei die grundrechtlich abgesicherte Freiheit der Gewerkschaft bei der Wahl ihrer Arbeitskampfmittel, d.h. das Recht, neben dem Streik auch andere Kampfmittel einzusetzen. Die Flashmobaktion sah das LAG auch deshalb als zulässig an, weil keine Betriebsblockade vorgelegen habe.
BAG: Kein Verbot von "Flashmob"-Aktionen im Arbeitskampf
Das BAG bestätigte das Urteil des LAG und entschied damit ebenfalls zugunsten der Gewerkschaft ver.di, die damit über drei Instanzen gewonnen hatte.
Soweit man dies der derzeit vorliegenden Pressemitteilung des BAG entnehmen kann, war für das BAG wesentlich, dass der hier betroffene Arbeitgeber die Möglichkeit der Gegenwehr hatte. Dies unterschied die hier streitige Flashmobaktion von einer Betriebsblockade. Im vorliegenden Fall konnte der Arbeitgeber nämlich durch Ausübung seines Hausrechts oder durch eine kurzfristige Betriebsschließung dem Flashmob ein Ende setzen. Da dem Arbeitgeber bei Flashmobaktionen dieser Art somit Abwehrmöglichkeiten bleiben, sind sie nicht generell unverhältnismäßig und daher auch nicht allgemein verboten.
Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen, da das in Art. 9 Abs. 3 GG verankerte Grund-recht der Gewerkschaft zum Arbeitskampf nicht mit dem Streikrecht identisch ist, sondern auch andere Arbeitskampfformen umfasst. Auch Boykottmaßnahmen oder Flashmobaktionen sind vom Koalitionsgrundrecht gedeckt, da die Gewerkschaften (wie auch die Arbeitgeberverbände) rechtlich frei sind in der Wahl ihrer Arbeitskampfmittel (Mittelwahlfreiheit als Teil der Arbeitskampffreiheit).
Fazit: Liegen im Rahmen einer Tarifauseinandersetzung die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Streik vor, kann sich die Gewerkschaft auch dazu entscheiden, anstelle oder in Kombination mit einem Streik Flashmobaktionen durchzuführen. Dies gilt jedenfalls dann, solange der Flashmob nicht mit vorhersehbaren Sachbeschädigungen verbunden ist und sich nicht so viele Personen daran beteiligen, dass es zu einer völligen Betriebsblockade kommt.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.09.2009, 1 AZR 972/08
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.09.2008, 5 Sa 967/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Streik
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Flashmob-Urteil des BAG als verfassungskonform abgesegnet, d.h. eine gegen dieses Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Den Beschluss des BVerfG und eine Kommentierung finden Sie hier:
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.03.2014, 1 BvR 3185/09
- Arbeitsrecht aktuell: 14/130 Streikbegleitende Flashmob-Aktionen sind nicht generell verboten
Letzte Überarbeitung: 15. August 2018
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