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Bundesverwaltungsgericht mahnt gesetzliche Regelung des Beamtenstreikrechts an
11.03.2014. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in Leipzig hat Ende Februar 2014 einen vorläufigen Schlussstrich unter einen jahrelangen juristischen Streit über die Folgen einer Streikbeteiligung von Beamten gezogen.
Obwohl das generelle Streikverbot des deutschen Beamtenrechts mit Art.11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unvereinbar ist, gilt es bis zu einer gesetzlichen Reform des Beamtenstreikrechts vorläufig weiter, so das BVerwG.
Daher haben die Leipziger Richter eine Disziplinarstrafe, die eine Beamtin wegen einer Streikaktion kassierte, zwar im Prinzip abgesegnet, den Gesetzgeber aber zu einer Reform des Beamtenstreikrechts aufgefordert: BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13 (Pressemeldung).
- Art.33 Abs.5 Grundgesetz contra Art.11 Abs.2 Europäische Menschenrechtskonvention?
- Was sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum Streikrecht von Staatsbediensteten?
- Der Streitfall: Verbeamtete Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an Warnstreiks der GEW
- BVerwG: Das allgemeine Streikverbot des deutschen Beamtenrechts widerspricht Art.11 EMRK, gilt aber trotzdem vorerst weiter
- Jetzt sind das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gefragt
- Wann kommt das Beamtenstreikrecht?
Art.33 Abs.5 Grundgesetz contra Art.11 Abs.2 Europäische Menschenrechtskonvention?
Deutsche Beamte dürfen nach herrschender Meinung in der Rechtsprechung und juristischen Literatur nicht streiken, denn ihre Arbeitsbedingungen und Bezüge werden nicht per Tarifvertrag geregelt, sondern per Gesetz.
Daher können sich Beamte zwar in gewerkschaftlichen Interessenverbänden organisieren und damit von ihrem Grundrecht aus Art.9 Abs.3 Satz 1 Grundgesetz (GG) Gebrauch machen. Ein Streikrecht gewährt dieses Koalitionsgrundrecht Beamten aber nicht.
Vor diesem Hintergrund gehört das Streikverbot für Beamte zu den "hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" im Sinne von Art. 33 Abs.5 GG. Das Streikverbot gilt nach herrschender Meinung für alle Beamten und nicht etwa nur für diejenigen, die in sicherheitsrelevanten Bereichen und/oder in der eigentlich hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind. Ein Finanzbeamter oder ein verbeamteter Lehrer muss das Verbot daher ebenso befolgen wie ein Polizeibeamter.
Diese in Deutschland bestehende Rechtslage passt aber nicht so gut mit Art.11 EMRK zusammen. Diese Vorschrift lautet:
"Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
(1) Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.
(2) Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Dieser Artikel steht rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung nicht entgegen."
Da Deutschland die EGMR ratifiziert hat, gelten deren Vorschriften als Bestandteil des Bundesrechts, d.h. sie sind Teil des einfachen auf Bundesebene geltenden Gesetzesrechts. "Einfaches" Gesetzesrecht heißt, dass die EGMR nicht Teil der Verfassung ist, sondern im Rang der Gesetzesvorschriften unterhalb der Verfassung, d.h. des Grundgesetzes steht.
Da das Streikrecht in Art.11 EGMR nicht ausdrücklich erwähnt wird, kommt es hier auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) an. Er hat in den vergangenen Jahren einige Urteile zu diesem Thema gefällt.
Was sagt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zum Streikrecht von Staatsbediensteten?
Die Vereinigungsfreiheit als Menschenrecht umfasst nach der Rechtsprechung des EGMR auch das Recht zu Tarifverhandlungen (EGMR, Urteil vom 12.11.2008, 34503/97 - Demir u. Baykara ./. Türkei, Rn.153, 154), und außerdem das Streikrecht, das allerdings nicht "absolut" geschützt ist, sondern Angehörigen des öffentlichen Dienstes verboten werden kann, wenn sie im Namen des Staates Hoheitsgewalt ausüben (EGMR, Urteil vom 21.04.2009, 68959/01 - Enerji Yapi-Yol Sen ./. Türkei, Rn.32).
Außerdem hat der EGMR gefordert, dass Vorschriften über das Streikrecht bzw. über seine Beschränkung für Angehörige des öffentlichen Dienstes so eindeutig und so eng begrenzt wie möglich die davon betroffenen Beschäftigtengruppen bestimmen müssen (EGMR, Urteil vom 21.04.2009, 68959/01 - Enerji Yapi-Yol Sen ./. Türkei, Rn.32).
Aufgrund dieser beiden Urteile ist ziemlich klar, dass der EGMR das Streikrecht als ein Recht ansieht, das im Ausgangspunkt allen Staatsbediensteten zusteht, d.h. Arbeitnehmern und Beamten, und dass Einschränkungen des Streikrechts nur zulässig sind, wenn sie mit Art.11 Abs.2 EMRK zu vereinbaren sind.
Weniger klar ist, ob das in Deutschland für alle Beamten geltende Streikverbot dem Schrankenvorbehalt des Art.11 Abs.2 Satz 2 EMRK entspricht oder nicht.
Hier könnte man argumentieren, dass Beamte immer, eben weil sie Beamte sind und keine Angestellten, zur "Staatsverwaltung" im Sinne von Art.11 Abs.2 Satz 2 zu zählen sind. So gesehen ist das für alle Beamten in Deutschland geltende Streikverbot mit Art.11 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR zu vereinbaren. In diesem Sinne hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NRW) im März 2012 entschieden (OVG NRW, Urteil vom 07.03.2012, 3d A 317/11.O), und ähnlich auch das Verwaltungsgericht Osnabrück (Urteil vom 19.08.2011, 9 A 1/11 - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/168 Streikverbot für Beamte müssen auch Lehrer beachten).
Die Gegenmeinung lautet: Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern und Beamten ist für Art.11 EMRK und für die Rechtsprechung des EGMR unerheblich. Streiken dürfen im Ausgangspunkt alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, und Ausnahmen lässt der EGMR nur zu, wenn die vom Streikrecht ausgeschlossenen Beschäftigtengruppen (Angestellte oder Beamte) im Namen des Staates Hoheitsgewalt ausüben.
Und das tun zum Beispiel verbeamtete Lehrer nicht oder nur in sehr geringem Umfang, z.B. beim Erteilen von Abschlussnoten. Verbeamtete Lehrer dürfen daher streiken (so das Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 27.07.2011, 28 K 1208/10.KS.D) oder zumindest nicht für eine Streikteilnahme mit einer Disziplinarmaßnahme bestraft werden (so das Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2010, 31 K 3904/10.O).
Der Streitfall: Verbeamtete Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen beteiligt sich an Warnstreiks der GEW
Anfang 2009 beteiligte sich eine verbeamtete Lehrerin, die in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) aktiv war, an drei verschiedenen Tagen an einem Warnstreik der GEW und kassierte dafür eine Disziplinarstrafe in Form einer Geldbuße von 1.500,00 EUR.
Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen und zog vor das Verwaltungsgericht Düsseldorf. Dort hatte sie Erfolg: Das Gericht meinte, dass die Lehrerin als Beamtin zwar an das Streikverbot gebunden sei, dass aber eine Disziplinarstrafe wegen der in Art.11 EMRK auch für Beamte garantierten Streikfreiheit nicht rechtens sei (Urteil vom 15.12.2010, 31 K 3904/10.O - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 11/110: Streik beamteter Lehrer rechtfertigt keine Disziplinarstrafe).
Gut ein Jahr später kam dann die kalte Dusche vor dem OVG NRW. Das OVG interpretierte die Rechtsprechung des EGMR lang und breit und kam zu dem Schluss, dass das für alle Beamten geltende Streikverbot weder gegen Art.11 EMRK verstößt noch gegen die bisherigen Urteile des EGMR (OVG NRW, Urteil vom 07.03.2012, 3d A 317/11.O - wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/104 Streikrecht für Beamte?). Obwohl sich das OVG seitenlang mit komplizierten Fragen der Interpretation von Art.11 EMRK und der Rechtsprechung des EGMR herumschlug und der Fall daher offensichtlich "grundsätzliche Bedeutung" hatte, ließ das OVG die Revision zum BVerwG nicht zu.
Diese Fehlentscheidung hat das BVerwG mit Beschluss vom 02.01.2013 (2 B 46.12) korrigiert und auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Lehrerin hin die Revision zugelassen. Ende Februar 2014 hat das BVerwG nunmehr sein Urteil in dem Revisionsverfahren gefällt.
BVerwG: Das allgemeine Streikverbot des deutschen Beamtenrechts widerspricht Art.11 EMRK, gilt aber trotzdem vorerst weiter
Das BVerwG segnete die umstrittene Disziplinarstrafe im Prinzip ab, meinte aber, dass eine geringere Geldbuße 300,00 EUR angemessen gewesen wäre (eine Herabsetzung war nicht mehr möglich, da die Klägerin noch während des Verfahrens aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden war). Soweit der bisher allein vorliegenden Pressemeldung des BVerwG zu entnehmen ist, begründet das Gericht sein Urteil mit folgenden Überlegungen:
Das in Deutschland bestehende Streikverbot gilt für alle Beamten, d.h. auch für Beamte außerhalb des Bereichs der Hoheitsverwaltung. Es gehört zu den "hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" im Sinne von Art. 33 Abs.5 GG. Damit ist das generelle Beamtenstreikverbot, so das BVerwG, Teil des deutschen Verfassungsrechts, d.h. es steht über den einfachen Gesetzen.
In Abweichung von dieser deutschen (Verfassungs-)Rechtslage entnimmt der EGMR, so die Leipziger Richter, Art.11 EMRK ein Recht aller Staatsbediensteten auf Tarifverhandlungen und ein daran anknüpfendes Streikrecht. Das Recht auf Tarifverhandlungen und das Recht auf Streik können gemäß Art.11 Abs.2 Satz 2 EMRK nur für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staatsverwaltung allgemein ausgeschlossen werden.
Nach der Rechtsprechung des EGMR, so wie sie das BVerwG versteht, gehören nur solche Staatsbedienstete (Angestellte oder Beamte) der hoheitlichen Staatsverwaltung an, "die an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt" sind. Zu dieser hoheitlichen "Staatsverwaltung" zählen die öffentlichen Schulen in Deutschland und die dort unterrichtenden Lehrer nach Ansicht des BVerwG nicht.
Damit widerspricht das deutsche Beamtenrecht derzeit dem Recht auf Tarifverhandlungen und dem Streikrecht derjenigen Beamten, die außerhalb der hoheitlichen Staatsverwaltung tätig sind, so die Leipziger Richter.
Diesen Widerspruch können allerdings dem BVerwG zufolge nicht die Gerichte auflösen, sondern hier muss der Gesetzgeber tätig werden, der dabei zwischen verschiedenen Möglichkeiten einer Reform wählen kann. Der Gesetzgeber könnte zum Beispiel
"die Bereiche der hoheitlichen Staatsverwaltung, für die ein generelles Streikverbot gilt, bestimmen und für die anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung die einseitige Regelungsbefugnis der Dienstherren zugunsten einer erweiterten Beteiligung der Berufsverbände der Beamten einschränken. Die Zuerkennung eines Streikrechts für die in diesen Bereichen tätigen Beamten würde einen Bedarf an Änderungen anderer, den Beamten günstiger Regelungen, etwa im Besoldungsrecht, nach sich ziehen."
Schließlich ist der BVerwG der Meinung, dass das generelle Streikverbot in Deutschland vorläufig weiter gilt, d.h. für die "Übergangszeit bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung". Für die deutschen Beamten, denen damit bis auf weiteres ein vom EGMR anerkanntes Recht verweigert wird, ist das zumutbar, denn sie können auch ohne Streiks verlangen, dass ihre Gehälter entsprechend der Tariflohnentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst werden. Dazu das BVerwG:
"Hierfür ist von Bedeutung, dass den Tarifabschlüssen für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes aufgrund des Alimentationsgrundsatzes nach Art.33 Abs.5 GG maßgebende Bedeutung für die Beamtenbesoldung zukommt. Die Besoldungsgesetzgeber im Bund und in den Ländern sind verfassungsrechtlich gehindert, die Beamtenbesoldung von der Einkommensentwicklung, die in den Tarifabschlüssen zum Ausdruck kommt, abzukoppeln."
Dieser Hinweis ist eine Steilvorlage für den Beamtenbund, der immer wieder Grund zu der Klage hat, dass die Erhöhung der Beamtenbezüge hinter den Tariflohnerhöhungen im öffentlichen Dienst zurückbleibt.
Jetzt sind das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gefragt
Obwohl das BVerwG den Bundesgesetzgeber für "berufen" hält, das deutsche Beamtenrecht zu reformieren, wird die große Koalition dieser Berufung sicherlich erst einmal nicht folgen, sondern die weitere Entwicklung abwarten. Mit ernstgemeinten Gesetzentwürfen ist daher vorerst nicht zu rechnen.
Wahrscheinlicher ist, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens mit Hilfe der GEW Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des BVerwG einlegt. Und sollte auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Streikverbot festhalten, dürfte die Klägerin bzw. die GEW Klage beim EGMR einreichen.
Bis dahin, d.h. bis zu einer explizit auf deutsche Beamtenstreikrecht bezogenen Entscheidung des EGMR, werden CDU/CSU und SPD das Problem aussitzen. Diese Untätigkeit lässt sich sogar juristisch rechtfertigen, denn solange nicht der EGMR über einen aus Deutschland stammenden Fall des Beamtenstreikrechts entschieden hat, sind alle juristischen Aussagen zu den angeblichen streikrechtlichen Vorgaben des EGMR letztlich spekulativ.
Aus Sicht der GEW ist das Urteil des BVerwG daher enttäuschend, denn das generelle Streikverbot für alle Beamten wird wohl noch einige Jahre Bestand haben.
Andererseits kann man verstehen, warum das BVerwG davor zurückscheut, ein Streikrecht für Beamte aus dem Richterhut zu ziehen. Denn man kann nicht einfach hingehen und das derzeit geltende Beamtenrecht um ein Streikrecht ergänzen.
Denn die vom Bundesarbeitsgericht (BAG) seit den 50er Jahren entwickelten Rechtsregeln, die für Frage der Rechtmäßigkeit von Arbeitnehmerstreiks gelten, passen nicht auf streikende Beamte:
- Derzeit wird die Besoldung von Beamten gesetzlich geregelt, d.h. es gibt keine für Beamten geltenden Tarifverträge. Ohne ein tariflich regelbares Ziel sind Streiks (von Arbeitnehmern) aber rechtswidrig. Sollen künftig Beamtenverbände für Beamte Tarifverträge abschließen und sollen Beamte dafür streiken können, braucht es entsprechende gesetzliche Regelungen.
- Wer als Arbeitnehmer streikt, kann für die Dauer der Streikteilnahme keinen Lohn beanspruchen. Diese Selbstverständlichkeit gilt aber nicht für Beamte, denn sie werden ja nicht für ihre Arbeitsleistung "entlohnt", sondern erhalten eine amtsangemessene Alimentation. Soll der Anspruch auf Alimentation für die Dauer einer Streikteilnahme gekürzt werden, sind gesetzliche Regelungen erforderlich.
- Ist der Mechanismus von Tarifverhandlungen einmal in Gang gekommen, ist er durch Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt. Dann muss der Arbeitgeber aber auch in der Spur bleiben, d.h. einseitige gesetzliche Regelungen sind dann nicht mehr ohne weiteres möglich.
Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass es nicht Aufgabe der Gerichte, sondern des Gesetzgebers ist, das Beamtenrecht in Deutschland so zu reformieren, dass nicht hoheitlich tätige Beamte künftig streiken dürfen.
Wann kommt das Beamtenstreikrecht?
Viele Beamte und vor allem die wichtigste Interessenvertretung der Beamten, der DBB Beamtenbund und Tarifunion, lehnen ein Streikrecht für Beamte ausdrücklich ab. So hat der Bundesvorsitzende des DBB, Klaus Dauderstädt, das BVerwG-Urteil vom 27.02.2014 ausdrücklich begrüßt. Der DBB, so Dauderstädt,
"hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Beamtenstreiks mit Artikel 33 Absatz 5 des Grundgesetzes unvereinbar sind und eindeutig gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verstoßen."
In diesem Sinne hat sich auch der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, geäußert. Der Lehrerverband lehnt ein Streikrecht verbeamteter Lehrer ausdrücklich ab. Begründung:
"Wir haben in Deutschland eine Schulpflicht, davon abgeleitet bestehen Bildungsrechte der heranwachsenden Generation. In dem Moment, in dem Lehrer streiken dürfen, kann dieses Bildungsrecht nicht mehr eingelöst werden. Was das bedeutet, wissen wir aus Ländern, in denen Lehrerstreiks immer wieder vorkommen - dort wird oft wochenlang der Bildungsbetrieb und manchmal auch der Prüfungsbetrieb lahmgelegt, dies geht besonders zu Lasten der schwächeren Schüler."
Demgegenüber setzt sich die GEW für ein Streikrecht verbeamteter Lehrer ein. Dementsprechend kämpferisch fiel die Reaktion auf das BVerwG-Urteil aus. Die GEW bedauert, "dass das BVerwG seine Spielräume nicht ausgeschöpft" habe, meint GEW-Vorstandsmitglied Andreas Gehrke. Gehrke weiter:
"Wir hoffen, dass jetzt das Bundesverfassungsgericht das unzeitgemäße und vordemokratische Verbot des Beamtenstreiks endgültig zu Grabe trägt."
Fazit: Die Einführung eines Beamtenstreikrechts durch Richterspruch ist unwahrscheinlich. Und der Gesetzgeber wird abwarten, bis der EGMR ein Urteil zum generellen Streikverbot für deutsche Beamte gefällt hat. Denn erstens ist die Rechtslage unklar, zweitens müsste man das System der Beamtenbesoldung bei Anerkennung eines Beamtenstreikrechts grundlegend ändern und drittens vertreten auch die betroffenen Verbände gegensätzliche Auffassungen zu diesem Thema. Bis das Beamtenstreikrecht kommt, werden daher voraussichtlich noch Jahre vergehen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13 (Pressemeldung)
- Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.01.2013, 2 B 46.12
- Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2012, 3d A 317/11.O
- Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2010, 31 K 3904/10.O
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21.04.2009, 68959/01 (Enerji Yapi-Yol Sen ./. Türkei)
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 12.11.2008, 34503/97 (Demir und Baykara ./. Türkei)
- Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 19.08.2011, 9 A 1/11
- Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 27.07.2011, 28 K 1208/10.KS.D
- DBB Beamtenbund und Tarifunion: dbb begrüßt Bundesverwaltungsgerichtsurteil gegen Streikrecht für Beamte (Pressemeldung vom 27.02.2014)
- Deutscher Lehrerverband (DL): Lehrerverband: „Streikverbot für Lehrer garantiert Bildungsrecht für Schüler“ (Pressemeldung vom 27.02.2014)
- Handbuch Arbeitsrecht: Streik, Streikrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Streikrecht und Kirche
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Verwaltungsgericht Düsseldorf (Webseite)
- Arbeitsrecht aktuell: 18/140 Streikverbot für Beamte bleibt bestehen
- Arbeitsrecht aktuell: 12/104 Streikrecht für Beamte?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/110 Streik beamteter Lehrer rechtfertigt keine Disziplinarstrafe
- Arbeitsrecht aktuell: 11/168 Streikverbot für Beamte müssen auch Lehrer beachten
- Arbeitsrecht aktuell: 10/080 Dritte dürfen Streik nicht unterbinden
- Arbeitsrecht aktuell: 09/185 Flashmob-Aktionen sind zulässig.
Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2018
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