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Streikverbot für Beamte bleibt bestehen
12.06.2018. Bestimmte Beamtengruppen wie z.B. Lehrer sind nicht oder nicht in erster Linie „hoheitlich“ tätig, wie das bei Polizisten, Staatsanwälte oder Justizvollzugsbeamte der Fall ist.
Aber dürfen Lehrer und andere, nicht primär hoheitlich tätige Beamte daher auch streiken? Über diese Frage wird seit Jahren heftig gestritten.
Heute hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) diese Streitfrage mit einem klaren Nein beantwortet: BVerfG, Urteil vom 12.06.2018, 2 BvR 1738/12, 2 BvR 646/15, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 1395/13.
- Streikrecht von Lehrern und ähnlichen Beamtengruppen: Pro-Argumente
- Streikrecht von Lehrern und ähnlichen Beamtengruppen: Contra-Argumente
- Muss der Gesetzgeber aktiv werden, um das Beamtenstreikrecht gesetzlich zu regeln?
- Die Streitfälle der Beschwerdeführer
- BVerfG: Das Streikverbot gilt für alle Beamtengruppen als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und ist vom Gesetzgeber zu respektieren
Streikrecht von Lehrern und ähnlichen Beamtengruppen: Pro-Argumente
Auch Beamte können sich auf die Koalitionsfreiheit, d.h. auf Art.9 Abs.3 Grundgesetz (GG) berufen. Sie können daher Beamtenverbänden und Gewerkschaften beitreten, wobei Gewerkschaften wiederum nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) nicht nur Erzwingungsstreiks in eigenen Tarifstreitigkeiten führen dürfen, sondern auch zum sog. Sympathie- bzw. Solidaritätsstreik aufrufen können (BAG, Urteil vom 19.06.2007, 1 AZR 396/06, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 07/24 Bundesarbeitsgericht: Solidaritätsstreiks zulässig).
Mit Sympathiestreiks wollen die Streikenden andere Arbeitnehmergruppen bzw. die Gewerkschaftsforderungen in anderen Tarifkonflikten unterstützen, wobei sich die sympathiestreikenden Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften oft mittelbare Vorteile für ihre eigene Position versprechen.
Damit weisen Sympathiestreiks von Arbeitnehmern und Beamtenstreiks viele Gemeinsamkeiten auf. Denn wenn z.B. verbeamtete Lehrer die Forderungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) durch eine Streikteilnahme unterstützen, können sie darauf spekulieren, dass die nächste gesetzliche Erhöhung der Beamtenbezüge umso höher ausfallen wird, je besser der Tarifabschluss der GEW ausfällt. Solche Beamtenstreiks kann man daher als eine Art von Sympathie- bzw. Solidaritätsstreik ansehen.
Ein weiteres Pro-Argument im Streit um das Beamten-Streikrecht folgt aus Art.11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) dazu. Art.11 EMRK lautet:
"Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit
(1) Jede Person hat das Recht, sich frei und friedlich mit anderen zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen; dazu gehört auch das Recht, zum Schutz seiner Interessen Gewerkschaften zu gründen und Gewerkschaften beizutreten.
(2) Die Ausübung dieser Rechte darf nur Einschränkungen unterworfen werden, die gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sind für die nationale oder öffentliche Sicherheit, zur Aufrechterhaltung der Ordnung oder zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer. Dieser Artikel steht rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung nicht entgegen."
Nachdem Deutschland die EMRK ratifiziert hat, gehören deren Vorschriften zum Bundesrecht, d.h. sie sind Teil des einfachen, auf Bundesebene geltenden Gesetzesrechts. Als „einfaches“ Gesetzesrecht ist die EMRK nicht Teil der Verfassung, d.h. des GG, sondern steht im Rang unter dem GG.
Immerhin beinhaltet Art.11 EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR ein Streikrecht für alle Staatsbediensteten, das (nur?) zulasten derjenigen eingeschränkt werden kann, die im Namen des Staates Hoheitsgewalt ausüben (EGMR, Urteil vom 21.04.2009, 68959/01 - Enerji Yapi-Yol Sen ./. Türkei, Rn.32). Solche Beschränkungen des Streikrechts müssen außerdem möglichst eindeutig und eng formuliert sein (EGMR, Urteil vom 21.04.2009, 68959/01 - Enerji Yapi-Yol Sen ./. Türkei, Rn.32).
Daraus folgt, dass das deutsche Beamtenrecht zumindest „näher dran“ an Art.11 EMRK wäre, wenn es zwischen streikberechtigten (= nicht hoheitlich tätigen) Beamten (wie z.B. Lehrern) und nicht streikberechtigten (= hoheitlich tätigen) Beamten (wie z.B. Polizisten) unterscheiden würde.
In diesem Sinne haben in den vergangenen Jahren einige Gerichte entschieden. So war das Verwaltungsgericht (VG) Kassel der Ansicht, verbeamtete Lehrer dürfen streiken (VG Kassel, Urteil vom 27.07.2011, 28 K 1208/10.KS.D). Und das VG Düsseldorf lehnte zwar ein Streikrecht ab, meinte aber, eine Streikteilnahme dürfte zumindest nicht mit einer Disziplinarmaßnahme bestraft werden (VG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2010, 31 K 3904/10.O, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 11/110: Streik beamteter Lehrer rechtfertigt keine Disziplinarstrafe).
Streikrecht von Lehrern und ähnlichen Beamtengruppen: Contra-Argumente
Nach herrschender Meinung dürfen deutsche Beamte nicht streiken, und das gilt nach dieser Ansicht auch für nicht hoheitlich tätige Beamtengruppen.
Zur Begründung für dieses umfassende Streikverbot hat man sich lange Zeit mit dem Hinweis darauf begnügt, dass die Beamtenbesoldung in Bund und Ländern gesetzlich geregelt ist, d.h. nicht durch Tarifvertrag. Und da Streiks nur zulässig sind, wenn sie gewerkschaftlich getragen sind und die Gewerkschaft damit in Tarifverhandlungen Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben will, haben Beamtenstreiks keine rechtlich anzuerkennende Funktion, und daher sind sie eben illegal.
So einfach liegen die Dinge zwar heute nicht (mehr), doch ist die gesetzliche Regelung der Beamtenbezüge als Bestandteil der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ immer noch das wichtigste Argument gegen ein Streikrecht von Beamten. Es wird aus Art.33 Abs.5 GG hergeleitet, d.h. aus der institutionellen Garantie der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ als Grundlage der rechtlichen Ausgestaltung des Beamtenrechts in Deutschland. Dabei wird behauptet, das Streikverbot gehöre (ebenso wie gesetzliche Regelung der Besoldung, die Treuepflicht und das Alimentationsprinzip) zu diesen hergebrachten Grundsätzen (worüber sich aber streiten lässt). Art.33 Abs.5 GG lautet:
„Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.“
Gehört das Streikverbot aber zu den durch Art.33 Abs.5 GG garantierten Grundprinzipien des deutschen Beamtenrechts, setzt es auch der Koalitionsfreiheit (Art.9 Abs.3 GG) Grenzen.
Ein weiteres Contra-Argument bezieht sich auf Art.11 EMRK. Es lautet schlicht, dass alle Beamten zur "Staatsverwaltung" im Sinne von Art.11 Abs.2 Satz 2 EMRK gehören. Und in dieser Vorschrift heißt es ja ausdrücklich, dass die Garantien dieses Artikels den „rechtmäßigen Einschränkungen der Ausübung dieser Rechte für Angehörige (…) der Staatsverwaltung nicht entgegen[stehen]“.
So gesehen ist das nach deutschem Recht für alle Beamten bestehende Streikverbot mit Art.11 EMRK und mit der Rechtsprechung des EGMR zu vereinbaren.
In diesem Sinne hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen (NRW) im März 2012 entschieden (OVG NRW, Urteil vom 07.03.2012, 3d A 317/11.O, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/104 Streikrecht für Beamte?), sowie das VG Osnabrück (Urteil vom 19.08.2011, 9 A 1/11, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 11/168 Streikverbot für Beamte müssen auch Lehrer beachten).
Muss der Gesetzgeber aktiv werden, um das Beamtenstreikrecht gesetzlich zu regeln?
Anfang 2014 hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) einen Prozess zu entscheiden, in dem sich eine verbeamtete Lehrerin gegen eine Disziplinarmaßnahme wehrte, die gegen sie wegen einer Streikbeteiligung verhängt worden war (BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/082 Bundesverwaltungsgericht mahnt gesetzliche Regelung des Beamtenstreikrechts an).
In diesem Urteil, das zu Ungunsten der Klägerin ausging, vertrat das BVerwG eine Art Kompromiss zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Beamtenstreikrechts:
Der EGMR, so jedenfalls das BVerwG, weicht in seiner Rechtsprechung vom deutschen Verfassungsrecht bzw. von Art.33 Abs.5 GG ab und interpretiert Art.11 EMRK in der Weise, dass diese Vorschrift ein Recht aller (!) Staatsbediensteten auf Tarifverhandlungen und auf Streik beinhalte. Ein solches Streikrecht kann auf der Grundlage von Art.11 Abs.2 Satz 2 EMRK nur für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei und der hoheitlichen Staatsverwaltung ausgeschlossen werden, so die Auslegung der EGMR-Rechtsprechung durch das BVerwG.
Nach der EGMR-Rechtsprechung (so wie sie das BVerwG versteht) gehören nur solche Beamten zur hoheitlichen Staatsverwaltung, "die an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse zumindest beteiligt" sind. Dazu zählen die Lehrer an öffentlichen Schulen nicht, so das BVerwG (BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13, S.21).
Damit ergibt sich ein Widerspruch zwischen dem geltenden deutschen Beamtenrecht und seiner verfassungsrechtlichen Grundlage (Art.33 Abs.5 GG) einerseits und, andererseits, dem Streikrecht für nicht hoheitlich tätige Beamte gemäß Art.11 EMRK bzw. gemäß der Rechtsprechung des EGMR, so jedenfalls das BVerwG.
Im Ergebnis muss daher der Gesetzgeber aktiv werden, um das deutsche Beamtenrecht an die Vorgaben des Art.11 EMRK bzw. der EGMR-Rechtsprechung anzupassen (BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13, S.20). Konkret könnte das nach den Vorstellungen des BVerwG etwa so aussehen:
„Aufgrund dieser Besonderheiten kann die Beamtenbesoldung in die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst einbezogen werden, ohne die Balance des beamtenrechtlichen Regelungsgefüges zu gefährden. Dies hätte zur Folge, dass die Gewerkschaften der Beamten an den Tarifverhandlungen teilnehmen und sich die Beamten außerhalb der von Art.33 Abs.4 GG erfassten Bereiche der öffentlichen Verwaltung insoweit an kollektiven Kampfmaßnahmen beteiligen könnten.“ (BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13, S.24)
Bekanntlich hat der Gesetzgeber diesen Gesetzgebungsauftrag aus Leipzig bislang nicht erfüllt. Damit lag er angesichts des aktuellen BVerfG-Urteils richtig.
Die Streitfälle der Beschwerdeführer
In den vier Verfassungsbeschwerden ging es um zwei niedersächsische Lehrkräfte, die ihre Prozesse jeweils bis zum Niedersächsischen OVG getrieben hatten (2 BvR 1738/12 und 2 BvR 1395/13), um eine schleswig-holsteinische Lehrerin, deren Fall rechtskräftig vom Schleswig-Holsteinischen OVG entschieden worden war (2 BvR 646/15) sowie um eine Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen.
Ihr Prozess beschäftigte zunächst das VG Düsseldorf (Urteil vom 15.12.2010, 31 K 3904/10.O, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell 11/110: Streik beamteter Lehrer rechtfertigt keine Disziplinarstrafe), daraufhin das OVG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 07.03.2012, 3d A 317/11.O, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 12/104 Streikrecht für Beamte?) und in der Revision das BVerwG (BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13, wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 14/082 Bundesverwaltungsgericht mahnt gesetzliche Regelung des Beamtenstreikrechts an), um schlussendlich in Karlsruhe beim BVerfG zu landen (2 BvR 646/15).
Alle vier Beschwerdeführer waren beamtete Lehrer bzw. Lehrerinnen, die sich an gewerkschaftlich getragenen Streikaktionen beteiligt hatten und dafür disziplinarrechtlich belangt worden waren. Dagegen hatten sie vor den Verwaltungsgerichten geklagt, letztlich aber ohne Erfolg. Daher erhoben sie gegen die disziplinarrechtlichen Sanktionen und gegen die zu ihren Ungunsten ergangenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen Verfassungsbeschwerde.
BVerfG: Das Streikverbot gilt für alle Beamtengruppen als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums und ist vom Gesetzgeber zu respektieren
Das BVerfG wies die vier Verfassungsbeschwerden zurück, und zwar mit folgender Begründung:
Das Koalitionsgrundrecht (Art.9 Abs.3 GG) steht auch Beamten zu und schützt zunächst einmal alle koalitionsspezifischen Betätigungen und damit auch die Beteiligung an einem gewerkschaftlich getragenen Streik (Urteil, Rn.116, 140).
Allerdings setzt sich diese Grundrechtsposition, d.h. das Koalitionsgrundrecht einschließlich des Rechts zur Beteiligung an einem Sympathiestreik, im Ergebnis der Abwägung gegenüber den beamtenrechtlichen Vorgaben des GG nicht durch, denn zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art.33 Abs.5 GG) gehört auch das Streikverbot (Urteil, Rn.144).
Das Streikverbot galt für Beamte schon in der Weimarer Republik, so das BVerfG, und hat daher eine ausreichend lange Tradition (Urteil, Rn.147, 148).
Außerdem ist es sachlich eng mit anderen beamtenrechtlichen Verfassungsgrundsätzen verbunden. Ihnen zufolge sind Beamte im Rahmen ihrer Anstellung auf Lebenszeit zur umfassenden persönlichen Treue gegenüber dem Staat und seinen rechtlichen Regeln verpflichtet, weshalb der Dienstherr im Gegenzug dazu verpflichtet ist, sie amtsangemessen und auf gesetzlicher Grundlage zu „alimentieren“ (Urteil, Rn.120, 150 bis 152).
In dieses rechtliche Gefüge von wechselseitigen Pflichten und Rechten passt ein Streikrecht der Beamten nach Ansicht des Gerichts nicht hinein. Vor allem würde es der Treuepflicht des Beamten widersprechen (Urteil, Rn.121, 149 bis 152).
Auch ein Streikrecht für einzelne Beamtengruppen wäre mit den beamtenrechtlichen institutionellen Garantien des Art.33 Abs.5 GG nicht vereinbar und wird daher ausdrücklich als künftige gesetzgeberische Option ausgeschlossen (Urteil, Rn.153, 161). Denn für den Gesetzgeber gilt die Pflicht, das Streikverbot für alle Beamtengruppen als Teil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu beachten („Beachtenspflicht“).
Würde der Gesetzgeber daher, wie vom BVerwG gefordert (BVerwG, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13, S.24), ein Beamtenstreikrecht auf gesetzlicher Grundlage für einzelne Beamtengruppen einführen, verstieße er damit gegen Art.33 Abs.5 GG. Hierzu heißt es in dem Urteil (Rn.153):
„Ein Streikrecht für Beamte passte daher nicht lediglich die Ausgestaltung des Dienstrechts den jeweiligen Entwicklungen der Staatlichkeit an und stellte das Beamtenrecht in die Zeit. Es griffe vielmehr in den von Art.33 Abs.5 GG gewährleisteten Kernbestand von Strukturprinzipien ein. Die für das Streikverbot geltende Beachtenspflicht versperrt daher den Weg zu tiefgreifenden strukturellen Veränderungen durch den einfachen Gesetzgeber (…).“
Schließlich versucht das BVerfG zu begründen, warum das aus Art.33 Abs.5 GG folgende Streikverbot für sämtliche Beamtengruppen sowohl mit Art.11 EMRK als auch mit der Rechtsprechung des EGMR vereinbar ist (Urteil, Rn.163 bis 188), wobei es sich ausführlich mit den einschlägigen Entscheidungen des EGMR auseinandersetzt.
Fazit: Das BVerfG hat mit der heute ergangenen Entscheidung klare Kante gezeigt.
Es hat sich von vornherein nicht auf die Diskussion eingelassen, in welcher Weise ein Streikrecht für eine mögliche Sondergruppe der „Tarifbeamten“ oder „Randbereichsbeamten“ ausgestaltet werden könnte und wie man diese Beamtengruppe von den nicht zum Streik berechtigten „Kernbereichsbeamten“ abgrenzen könnte.
Eine solche Diskussion wäre auf der Grundlage der heutigen Entscheidung auch gegenstandslos, weil in diese Richtung gehende Gesetzesreformen verfassungswidrig wären.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 12.06.2018, 2 BvR 1738/12, 2 BvR 646/15, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 1395/13
- Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung Nr. 46/2018 vom 12. Juni 2018
- Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.02.2014, 2 C 1.13
- Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.03.2012, 3d A 317/11.O
- Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2010, 31 K 3904/10.O
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21.04.2009, 68959/01 (Enerji Yapi-Yol Sen ./. Türkei)
- Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 12.11.2008, 34503/97 (Demir und Baykara ./. Türkei)
- Verwaltungsgericht Osnabrück, Urteil vom 19.08.2011, 9 A 1/11
- Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 27.07.2011, 28 K 1208/10.KS.D
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.06.2007, 1 AZR 396/06
- Handbuch Arbeitsrecht: Streik und Streikrecht
- Handbuch Arbeitsrecht: Streikrecht und Kirche
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 18/286 BAG erlaubt Streikmaßnahmen auf Firmenparkplatz
- Arbeitsrecht aktuell: 18/199 Streikprämien sind rechtmäßig
- Arbeitsrecht aktuell: 14/082 Bundesverwaltungsgericht mahnt gesetzliche Regelung des Beamtenstreikrechts an
- Arbeitsrecht aktuell: 12/104 Streikrecht für Beamte?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/168 Streikverbot für Beamte müssen auch Lehrer beachten
- Arbeitsrecht aktuell: 11/110 Streik beamteter Lehrer rechtfertigt keine Disziplinarstrafe
- Arbeitsrecht aktuell: 10/080 Dritte dürfen Streik nicht unterbinden
- Arbeitsrecht aktuell: 09/185 Flashmob-Aktionen sind zulässig.
- Arbeitsrecht aktuell: 07/24 Bundesarbeitsgericht: Solidaritätsstreiks zulässig
Letzte Überarbeitung: 28. Juni 2020
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