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Barbara Emme kann ein Revisionsverfahren durchführen
29.07.2009. In dem Kündigungsschutzverfahren der Berliner Kaiser´s-Kassiererin Barbara ("Emmely") Emme, der infolge einer von Kaiser´s behaupteten Unterschlagung zweier Leergutbons im Wert von 1,30 EUR fristlos gekündigt worden war, hatten das Arbeitsgericht Berlin und das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gegen Frau Emme entschieden (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2009, 7 Sa 2017/08).
Da das LAG in seinem Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen hat, hatte Frau Emme beim BAG eine sog. Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, um ihren Fall auf diesem Wege in das Revisionsverfahren hineinzubringen.
Gestern hat das BAG der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben und damit die Revision gegen das LAG-Urteil zugelassen: BAG, Beschluss vom 28.07.2009, 3 AZN 224/09.
- Kann das Verhalten eines gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess bei der Überprüfung einer Kündigung eine Rolle spielen?
- Der Fall der Berliner Kaiser´s-Kassiererin Barbara ("Emmely") Emme geht durch die Instanzen
- BAG: Die Frage der Bedeutung des Prozessverhaltens eines Arbeitnehmers bei der Überprüfung einer Kündigung ist von grundsätzlicher Bedeutung
Kann das Verhalten eines gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess bei der Überprüfung einer Kündigung eine Rolle spielen?
Arbeitsrechtliche Streitigkeiten werden vor den Arbeitsgerichten ausgetragen. Die Partei, die hier im Prozess (teilweise) unterliegt, kann in der Regel Berufung zum zuständigen Landesarbeitsgericht (LAG) einlegen, das den Fall dann erneut in allen Hinsichten prüft, d.h. in bezug auf die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen und natürlich auch in rechtlicher Hinsicht.
Wird gegen ein LAG-Urteil die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt, prüft dieses allein, ob das LAG rechtliche Fehler begangen hat, ohne die das Urteil anders ausgefallen wäre. In der Revisionsinstanz vor dem BAG werden dagegen zwischen den Parteien streitige Tatsachen nicht aufgeklärt, d.h. das BAG ist keine "Tatsacheninstanz". In Erfurt geht es nur noch um die Klärung von Rechtsfragen auf der Grundlage der (wahren, schiefen oder ggf. sogar falschen) Tatsachenfeststellungen, die sich im Urteil des LAG finden.
Über diese gravierenden Einschränkungen des Gegenstandes eines Revisionsverfahrens hinaus ist ein solches auch nicht gegen jedes LAG-Urteil möglich.
Vielmehr enthält § 72 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) eine abschließende Auflistung von Revisionsgründen, die vorliegen müssen, damit eine Revision in Betracht kommt.
Und damit nicht genug: Das Vorliegen eines solchen Revisionsgrundes muss vom LAG selbst (!) in seinem Urteil festgestellt werden, d.h. das LAG muss die Revision gegen sein eigenes (!) Urteil ausdrücklich zulassen. Hält das LAG keinen der gesetzlichen Revisionsgründe für gegeben und lässt es die Revision daher nicht zu, kann sie demzufolge im Normalfall auch nicht eingelegt bzw. durchgeführt werden.
Da die Entscheidung des LAG über die Zulassung oder Nichtzulassung der Revision aber falsch sein kann, sieht das ArbGG als letzten Notanker die Nichtzulassungsbeschwerde vor.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verlangt die vor dem LAG unterlegene Partei, dass das BAG die Revision zulässt, die das LAG in seinem Urteil nicht zugelassen hat. Auf der Grundlage einer Nichtzulassungsbeschwerde prüft das BAG dann, ob - entgegen der Annahme des LAG - ein Revisionsgrund vorliegt.
Eine solche Nichtzulassungsbeschwerde hat auch die in zwei Instanzen unterlegene Barbara ("Emmely") Emme eingelegt - und damit gestern überraschender Weise Erfolg gehabt.
Der "Aufhänger" für diese BAG-Entscheidung war die Rechtsfrage, ob das Verhalten des gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess eine rechtliche Bedeutung für die Bewertung der umstrittenen Kündigung haben kann oder nicht.
Dagegen spricht, dass die Kündigungsgründe allesamt zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorgelegen haben müssen, so dass spätere Ereignisse keine Bedeutung für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung haben können.
Trotzdem berücksichtigen viele Arbeitsgerichte das Verhalten eines gekündigten Arbeitnehmers vor Gericht, v.a. bei der Frage, wie sich das gekündigte Arbeitsverhältnis voraussichtlich entwickeln würde, wenn die Kündigung unwirksam wäre.
Unklar ist aber nicht nur die Antwort auf diese Rechtsfrage, ob nämlich das prozessuale Verhalten eines gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess eine Rolle bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung spielen darf.
Unbeantwortet ist auch die damit zusammenhängende revisionsrechtliche Frage, ob diese Rechtsfrage (Zulässigkeit der Verwertung von Prozessverhalten bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung) grundsätzliche Bedeutung hat, so dass zum Zwecke der Klärung dieser Rechtsfrage die Revision zuzulassen ist.
Ja, so die Antwort des BAG auf diese revisionsrechtliche Frage: Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 28.07.2009 (3 AZN 224/09).
Der Fall der Berliner Kaiser´s-Kassiererin Barbara ("Emmely") Emme geht durch die Instanzen
Die klagende Arbeitnehmerin Barbara Emme, die aufgrund einer von der Gewerkschaft ver.di mit großem Aufwand geführten Kampagne unter dem Spitznamen „Emmely“ bundesweit bekannt geworden ist, war bis zu ihrer fristlosen Kündigung über 30 Jahre als Kassiererin bei der Supermarktkette Kaiser´s in Berlin beschäftigt. Kaiser´s kündigte ihr fristlos aufgrund des Verdachts, sie habe zwei von einer Kollegin gefundene Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 EUR bei einem Einkauf zum eigenen Vorteil eingelöst.
Dies bestritt Frau Emme und erhob Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Berlin. In dem Prozess gab sie unter anderem an, die Pfandbons seien in Wirklichkeit schon Monate vor dem von dem Arbeitgeber behaupteten Zeitpunkt gefunden worden und die Bons müssten ihr von einer Kollegin in ihr Portemonnaie gelegt worden sein. Das Arbeitsgericht sah dennoch die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung gegeben und wies die Klage ab.
In dem hiergegen vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.02.2009, 7 Sa 2017/08) eingelegten Berufungsverfahren gab die Klägerin an, die Bons könnten von ihrer Tochter oder deren Freunden eingelöst worden sein. Dass sie nicht - wie sonst - gegengezeichnet worden seien, könne nur daran liegen, dass der Kassenvorgang zu ihren Lasten manipuliert worden sei.
Das LAG Berlin-Brandenburg wies die Berufung zurück. Es hielt die streitige Kündigung dabei nicht lediglich als Verdachtskündigung für wirksam, sondern sogar als Tatkündigung, d.h. es sah es als erwiesen an, dass die Klägerin den ihr vorgeworfenen Pflichtenverstoß begangen hatte.
Das LAG führt in seinen Entscheidungsgründen aus, dass bei der Interessenabwägung zu Lasten der Arbeitnehmerin gewertet werden musste, dass sie die Tat beharrlich geleugnet und Dritte als mögliche Quelle für die Leergutbons benannt hat. Im Prozess, so das LAG, hat die Arbeitnehmerin den Sachverhalt solange bestritten, bis er aufgrund der Beweisaufnahme nicht mehr zu bestreiten war und versucht, den Verdacht auf andere Mitarbeiter abzuwälzen, ohne dass sich dies als annähernd haltbar erwiesen habe.
Die Revision ließ das LAG nicht zu. Hiergegen erhob die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde vor dem BAG. Sie hält die Klärung der Frage, ob ihr Verhalten im Prozess bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden durfte für revisionserheblich.
BAG: Die Frage der Bedeutung des Prozessverhaltens eines Arbeitnehmers bei der Überprüfung einer Kündigung ist von grundsätzlicher Bedeutung
Das Bundesarbeitsgericht entschied zu Gunsten von „Emmely“ und ließ die Revision zu.
Nachdem das BAG sich zunächst mit der Frage auseinandersetzt, ob das LAG mit seiner Entscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung abgewichen ist und dies verneint, prüft es, ob die Frage der Verwertbarkeit prozessualen Verhaltens eines gekündigten Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess eine (ungeklärte) Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist.
Dies bejaht das BAG. Die Klärung der eingangs geschilderten Rechtsfrage ist nach Ansicht des BAG von allgemeiner Bedeutung.
Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage liegt nämlich, so das BAG, derzeit noch nicht vor. Nach seiner Bewertung der bisherigen Rechtsprechung ist bislang höchstrichterlich nur entschieden, dass die Gerichte im Allgemeinen nur Umstände berücksichtigen dürfen, die bis zum Ausspruch der Kündigung entstanden sind; außerdem wurde entschieden, dass von diesem Grundsatz Ausnahmen zulässig sind. Umstände die nach der Kündigung eingetreten sind, dürfen demnach bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden, „wenn sie das frühere Verhalten des Gekündigten in einem anderen Licht erscheinen lassen“.
Diese Entscheidung, so das BAG, bezieht sich jedoch auf das vorprozessuale Verhalten eines Arbeitnehmers nach einer Kündigung. Die Frage, ob auch das prozessuale Verhalten zu berücksichtigen ist, ist bisher dagegen ungeklärt. Es besteht nach Ansicht des BAG ein grundsätzlicher Unterschied, ob ein gekündigter Arbeitnehmer nach der Kündigung (vorprozessual) die ihm vorgeworfene „Tat“ wiederholt oder ob er (auch) eine „unseriöse Rechtsverteidigung“ im Prozess führt.
Fazit: Barbara Emme kann jetzt vor dem BAG im Rahmen der vom BAG nachträglich zugelassenen Revision über die Wirksamkeit der Kündigung weiter streiten. In dem nunmehr anhängigen Revisionsverfahren kann das BAG alle Rechtsfragen prüfen, die für das angegriffene Urteil des LAG Berlin-Brandenburg entscheidungserheblich waren. Dazu gehört die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine außerordentliche fristlose Kündigung bei Vermögensdelikten im Bagaellbereich zulässig ist.
Dagegen wird die in den vergangenen Monaten heiß diskutierte Frage, ob Verdachtskündigungen zulässig sind oder nicht, vor dem BAG keine Rolle spielen, weil das LAG (anders als das Arbeitsgericht) ausdrücklich nicht von einer Verdachtskündigung, sondern von der Tatbegehung durch Frau Emme ausging. Die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung spielte für das Urteil des LAG Berlin-Brandenburg deshalb keine Rolle.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.07.2009, 3 AZN 224/09
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.02.2009, 7 Sa 2017/08
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung
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- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verdachtskündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Arbeitsrecht aktuell 12/122: Diebstahlsverdacht - fristlose Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell 10/136: Emmely arbeitet wieder als Kassiererin.
- Arbeitsrecht aktuell 10/009: Zugriff auf fremde E-Mails rechtfertigt fristlose Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell 09/066: Urteilsgründe im Fall "Emmely" - Kündigung wegen 1,30 EUR
- Arbeitsrecht aktuell 09/031: Der Fall "Emmely" als Politikum
- Arbeitsrecht aktuell 09/028: Fristlose Kündigung wegen 1,30 EUR bestätigt
Letzte Überarbeitung: 8. Juni 2014
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