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LAG Bremen, Urteil vom 19.06.2013, 2 Sa 91/11
Schlagworte: | Haftung des Arbeitnehmers, Schaden, Arbeitnehmerhaftung | |
Gericht: | Landesarbeitsgericht Bremen | |
Aktenzeichen: | 2 Sa 91/11 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 19.06.2013 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 08.06.2011, 2 Ca 2006/10 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.05.2015, 8 AZR 116/14 |
|
LANDESARBEITSGERICHT BREMEN
Verkündet am:
19.06.2013
IM NAMEN DES VOLKES
SCHLUSS-URTEIL
2 Sa 91/11
2 Ca 2006/10 Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven (Bremen)
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter,
Proz.-Bev.:
Beklagte und Berufungsklägerin,
Proz.-Bev.:
hat die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Bremen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2013
durch
den Vorsitzenden Richter am
Landesarbeitsgericht die ehrenamtliche Richterin
die ehrenamtliche Richterin
für Recht erkannt:
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 08.06.2011 wie folgt geändert:
1. Der Kläger wird auf Antrag der Beklagten aus der Widerklage, an sie € 23.281,71 zu zahlen, verurteilt, an die Beklagte € 11.662,89 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.12.2010 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird dieser Antrag der Beklagten zurückgewiesen.
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II. Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
III. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 08.06.2011 teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.180,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 89 %, der Kläger zu 11 %.
Die Revision für den Kläger wird nicht zugelassen.
Für die Beklagte wird die Revision gemäß Ziffer I. 2. des Tenors zugelassen.
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Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil kann von der Beklagten gemäß Ziffer I. 2. des Tenors
Revision
eingelegt werden.
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Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in siebenfacher Ausfertigung - für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr - bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
TATBESTAND:
Die Parteien streiten noch – nachdem durch Teilurteil vom 31.10.2012 die Berufung der Beklagten gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die fristlosen Kündigungen der Beklagten für unwirksam zu erklären – um einen Anspruch des Klägers auf die vollständige Zahlung einer Mehrarbeitspauschale in Höhe von ca. 1300 € und Schadensersatzansprüche der Beklagten in Höhe von ca. 74.000 €. Der Tatbestand des Teilurteils wird ergänzend in Bezug genommen.
Der Kläger arbeitete seit dem 01.03.2001 als Sachbearbeiter im Bereich Arbeitswirtschaft für die Beklagte. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach dem Anstellungsvertrag und einer Zusatzvereinbarung vom 11.12.2000, die die Zahlung einer monatlichen Mehrarbeitspauschale vorsah. Die Bruttovergütung des Klägers betrug zuletzt € 4.125,00 monatlich. Zuletzt wurde auf Grundlage der Zusatzvereinbarung ein Betrag von 409,03 EUR gezahlt. Aufgrund einer weiteren Zusatzvereinbarung vom 24.06.2005 hatten alle Mitarbeiter ab 01.07.2005 auf 25 % der monatlichen Mehrarbeitspauschale verzichtet. Diese Kürzung sollte bei einer Besserung des Betriebsergebnisses für das vorhergehende Geschäftsjahr zzgl. 10 % nachgezahlt werden.
Die Beklagte kündigte die Zusatzvereinbarung über die Zahlung einer Mehrarbeitspauschale mit Wirkung zum 31.01.2009. Der Kläger hat dies mit einer Feststellungsklage angegriffen. Durch Urteil des Arbeitsgerichts Bremen wurde festgestellt, dass diese Kündigung unwirksam ist (Az.: 8 Ca 8150/09). Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 21.06.2010 zurückgewiesen (1 Sa 174/09). Im September 2010 zahlte die Beklagte die Mehrarbeitspauschale für das vorhergehende Geschäftsjahr 2009 an alle Mitarbeiter nach, nicht allerdings an den Kläger. Die Beklagte hat an den Kläger für den Januar 2009 bis zur fristlosen Kündigung im Dezember 2009 die gekürzte Pauschale gezahlt. An den Kläger wurden Euro 306,77 statt Euro 409,03 gezahlt.
Der Kläger begehrt mit seiner am 23.12.2010 bei Gericht eingegangenen, und am 06.01.2011 der Beklagten zugestellten Klage (Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven – Az.:
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2 Ca 2588/10) für diesen Zeitraum die Nachzahlung auf der Basis eines monatlichen Betrages von 409,03 EUR. Durch Beschluss vom 20.04.2011 wurde dieses Verfahren durch das Arbeitsgericht mit dem vorliegenden Verfahren verbunden.
Die Beklagte produziert Autoteile, die sie u.a. in Heimarbeit fertigen lässt. Die dort zu fertigenden Teile (u.a. Schläuche und Schlauchgruppen) sind in Arbeitsplänen beschrieben. Die Arbeitspläne werden durch Prozessplaner der Abteilung Fertigungsplanung erstellt. In den Plänen werden im Einzelnen die notwendigen Arbeitsvorgänge, die zu verwendenden Materialien, die einzelnen Arbeitsschritte, zu beachtende Besonderheiten, die Betriebsmittel sowie die Vorgabe- und Maschinenlaufzeiten beschrieben. Eine weitere detaillierte Aufschlüsselung der Arbeitsvorgänge erfolgt in Arbeitsplatzkarten. Arbeitspläne und Arbeitsplatzkarten werden durch die Fertigungsplanung jeweils abstrakt für den jeweiligen Arbeitsvorgang geplant. Je nach Auftragsmenge sind hiervon zwischen 10 und 20 Heimarbeiterinnen jeweils betroffen. Die Arbeitspläne unterliegen stetigen Veränderungen, zum Beispiel durch Änderung des Arbeitsinhaltes, des Arbeitsablaufes, der Einzelteile oder der Betriebsmittel. Hierdurch wird jeweils die Erstellung eines neuen Arbeitsplanes erforderlich. Im Rahmen der Erstellung eines solchen Arbeitsplanes verwendet der Prozessplaner der Abteilung Fertigungsplanung für die Arbeitszeit, die eine Heimarbeiterin für die Erstellung des jeweiligen Gewerks benötigt, zunächst einen fiktiven kalkulatorischen Wert, der mit „K“ gekennzeichnet ist. Diese Planung legt die Beklagte für die Auftragskalkulation zugrunde.
Die Aufgabe des Klägers bestand darin, die tatsächlich erforderliche Arbeitszeit nach arbeitswissenschaftlichen Methoden zu erfassen und den bis dahin verwendeten kalkulatorischen Wert „K“ durch den ermittelten tatsächlichen Arbeitszeitaufwand zu ersetzen. Dar-über hinaus oblag es dem Kläger, diesen tatsächlichen Wert im Computersystem für die Berechnung der Arbeitsleistungen der Heimarbeiterinnen freizugeben. Die Abrechnung der Arbeitsleistungen der Heimarbeiterinnen erfolgte nicht auf Grundlage des „K“ Wertes, sondern ausschließlich auf Grundlage des vom Kläger eingegebenen und freigegebenen Wertes. Im Rahmen seiner vertraglich geschuldeten Tätigkeit oblag es dem Kläger, jährlich zwischen 900 und 1200 Fertigungszeiten zu ermitteln. Der Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge F. , übermittelte dem Kläger ca. alle zwei Wochen eine Liste mit zu rund 70 zu bearbeitenden Arbeitsvorgängen.
Die Beklagte stellte im Jahr 2009 fest, dass der Kläger Fehler bei der Umsetzung der Zeiterfassungen gemacht habe. Deswegen führten die Parteien am 03.06.2009 ein Personalgespräch, an dem u.a. der Personalleiter Herr M. , ein weiterer Mitarbeiter der Arbeitswirtschaft, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende sowie der Geschäftsführer
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der Beklagten teilnahmen. Die Beklagte übergab dem Kläger in diesem Gespräch ein auf den 27.05.2009 datiertes Abmahnungsschreiben. In diesem Schreiben rügt die Beklagte Schlechtleistung in der Arbeitsausführung im Bezug auf sechs konkrete Arbeitsabläufe, die der Kläger fehlerhaft erbracht haben soll und droht mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen im Wiederholungsfall. Unter anderem wird die Höhe der Vorgabezeit zum Arbeitsvorgang R5-YJ02 als fehlerhaft bezeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Blatt 196 der Akte verwiesen.
Am 09.06.2009 führten die Parteien erneut ein Personalgespräch, in dem die Beklagte den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung und eine etwaige Strafanzeige in Aussicht stellte. Die Parteien schlossen daraufhin einen Aufhebungsvertrag. Diesen Aufhebungsvertrag hat der Kläger am 19.06.2009 angefochten und Klage vor dem Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven Fortbestand des Arbeitsverhältnisses erhoben. Die Anfechtungsklage des Klägers war erfolgreich. Dies hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 07.10.2009 (Az.: 8 Ca 8389/09) entschieden.
Im Anschluss daran hörte die Beklagte mit Schreiben vom 23.10.2009 den Kläger zu dem Vorwurf an, er habe vorsätzlich Vorgabezeiten zu hoch angesetzt, vermutlich, um sich oder Dritte vorsätzlich zu bereichern. Die Beklagte gab dem Kläger Gelegenheit, zu diesen Vorwürfen bis zum 30.10.2009 Stellung zu nehmen.
Darin heißt es unter anderem:
"1. Es konnten bisher ca. 90 Arbeitspläne insbesondere im Bereich der Vormontage und Endmontage von Schlauchgruppen überprüft werden. Bei der Mehrzahl der enthaltenen Vorgabezeiten, die Sie hier bearbeitet haben, sind die Werte offensichtlich zu hoch angesetzt. Dies beruht bei der Vormontage insbesondere darauf, dass sie für die Montage der ein-zelnen Rastkupplungen/Raststecker fast immer eine Vorgabezeit von 18´% angesetzt haben, die auf eine Erhebung vom 23.01.1997 zurück-geht und der Arbeitsplatzkennzahl R5 YK 17 zugeordnet war.
...2. Im Bereich der Endmontage gab es eine alte Vorgabezeit von 123 ´% von hundert Teile aus dem Jahre 1997, zugeordnete Arbeitsplatzkenn¬zahl R5 YJ02. Diese Vorgabezeiten beruhten zum einen auf einer spe¬ziellen Schlauchgruppe mit zusätzlichen angebauten Winkelstücken und entsprechenden Schlauchenden, die die Montage zeitlich verlängerten. Zum andern war die Zeitvorgabe aufgrund diverser Modernisierungen (...) inhaltlich überholt und sie haben deshalb selber diverse neue Durchschnittswerte für die einzelnen entscheidenden Arbeitsschritte... ermittelt.“
Im Schreiben der Beklagten wurden unter anderem Fehler bei den Schlauchgruppen 166 063-95 und 168 404-84, 164 754-00 und 164 755-00 angesprochen. Weiter wurden Teile
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der Arbeitsausführung im Bereich EMF an der "MARC und Forthaus"-Schlauchschneideeinrichtung gerügt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens wird auf Bl. 52-55 der Akte verwiesen.
Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers verlängerte die Beklagte die Frist zur Stellungnahme. Gleichzeitig nennt die Beklagte einen weiteren Arbeitsvorgang, bei dem der Kläger einen veralteten Wert, anstatt einen von ihm gemessenen Wert verwendet hat (Schlauchgruppe 164 756-81). Wegen der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 56 f. der Akte verwiesen.
Der Kläger nahm durch Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 03.12.2009 zu den Vorwürfen Stellung. Hierin äußerte sich der Kläger u.a. dahingehend, dass die nicht unmittelbare Umsetzung neuer Vorgabezeiten mit den Vorgesetzten abgesprochen, oder zum Teil wegen Bedenken der Fertigungsplanung zurückgestellt worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird auf Bl. 58-60 der Akte verwiesen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nach Anhörung des Betriebsrates am 17.12.2009 fristlos. Die fristlose Kündigung war Gegenstand des Teilurteils vom 30.10.2012. Die hierin durch das Arbeitsgericht festgestellte Unwirksamkeit wurde bestätigt.
Mit Schreiben vom 10.02.2010 machte die Beklagte einen Schaden in Höhe von 381.174,93 EUR geltend. Sie bezifferte im Hinblick auf einzelne Vorgabezeiten für Schlauchgruppen den Schaden jeweils konkret. Unter anderem wird für die Schlauch-gruppe 164 756-007 ein Schaden in Höhe von 31.203 EUR angegeben. Sie führt weiter aus, dass die Geltendmachung im Umfang des ersichtlichen Teilschadens erfolge, weitere Ansprüche blieben vorbehalten. Vorsorglich werde auch die Haftung des Klägers für alle Schäden von ihm nicht oder falsch umgesetzten Vorgabezeiten dem Gründe nach geltend gemacht. Wegen der Einzelheiten des Geltendmachungsschreibens wird auf Bl. 530 der Akte verwiesen.
Am 29.06.2010 wies das Landesarbeitsgericht Bremen die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 07.10.2009 zurück (Az.: 1 Sa 175/09). Das Urteil des Arbeitsgerichts zur erfolgreichen Anfechtung des Aufhebungsvertrages wurde rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 13.12.2010 kündigte die Beklagte erneut, ebenfalls nach Anhörung des Betriebsrates, fristlos. Sie begründete die Kündigung gegenüber dem Betriebsrat mit
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weiteren entdeckten Fehlleistungen des Klägers. Sie teilte dem Betriebsrat mit, sie habe am 06.12.2010 durch den Vorgesetzten des Klägers, Herrn F. , Kenntnis über weitere Vertragsverstöße des Klägers erhalten. Die Beklagte beschrieb im Weiteren einzelne Arbeitsabläufe, die vom Kläger falsch bewertet bzw. umgesetzt worden sein sollen. In dem Schreiben sind Vertragsverletzungen in Bezug auf die Schlauchgruppen 167 313-81, 167 313-007, 166 063-81 und -83, 166 063-007, 166 063-91 und -93, 166 063-017, 161 262¬81, 161 262-007, 161 262-91, 161 262-017 beschrieben (im Einzelnen wird auf das Anhörungsschreiben Bl. 100 ff. zum Az. 2 Ca 2583/10 verwiesen). Auch über diese Kündigung hat die Berufungskammer durch Teilurteil vom 30.10.2012 entschieden, und die erstinstanzliche Entscheidung, die Kündigung sei unwirksam, bestätigt.
Bereits vor Ausspruch der Kündigung machte die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.07.2010 widerklagend Schadensersatzansprüche in Höhe von 51.310,50 EUR geltend.
Mit Schriftsatz vom 14.12.2010 erweiterte die Beklagte ihre Widerklage um weitere Schadenspositionen in Höhe von 23.281,71 €.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe für den Zeitraum Januar bis Dezember 2009 einen Differenzanspruch in Höhe von € 1.180,10 brutto zur bislang im Dezember 2009 gezahlten Mehrarbeitspauschale. Die arbeitsvertraglich vereinbarte Mehrarbeitspauschale sei zwar durch Zusatzvereinbarung vom 24.06.2005 um 25 % gekürzt worden. Eine Nachzahlung habe nach der Zusatzvereinbarung – insoweit unstreitig – erfolgen sollen, wenn gegenüber dem Vorjahr ein verbessertes Geschäftsjahresergebnis erreicht werde. Im September 2010 habe die Beklagte an alle Mitarbeiter die Kürzungsbeträge für das vorhergehende Geschäftsjahr 2009 nachgezahlt. Eine solche Nachzahlung habe er jedoch nicht erhalten.
Der Kläger hat beantragt,
...
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.180,10 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Widerklagend hat die Beklagte beantragt:
1. der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte € 51.310,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung des Widerklageschriftsatzes vom 29.07.2010 zu zahlen.
2. der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte weitere € 23.281,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zu-stellung dieser Klageerweiterung zu zahlen.
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Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage auf Zahlung einer Mehrarbeitspauschale sei unschlüssig. Tatsächlich habe die Beklagte für den Zeitraum Februar bis Juni 2009 eine Nachberechnung und Nachzahlung der Mehrarbeitspauschale an den Kläger vorgenommen, weitergehende Ansprüche seien nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte hat ihre Widerklage und die Erweiterung der Widerklage damit begründet, dass der Kläger fortgesetzt und vorsätzlich zu lange Arbeitszeitvorgaben für einzelne Arbeitsvorgänge der Heimarbeiterinnen vorgegeben habe. Hierdurch sei der Beklagten ein Schaden in der Größenordnung von € 800.000,00 entstanden. Bereits vor Ausspruch der Abmahnung am 03.06.2009 habe der Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge F. , den Kläger mehrfach ermahnen und dazu anhalten müssen, die zu überprüfenden Vorgabezeiten zeitnah zu ermitteln und im Computersystem umzusetzen. Erst nach Ausspruch dieser Abmahnung habe der Zeuge F. durch weitere Nachforschungen feststellen müssen, dass der Kläger nicht nur in wenigen Einzelfällen, sondern massiv und fortgesetzt seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Es sei insbesondere festgestellt worden, dass der Kläger falsche Vorgabezeiten fast ausschließlich zulasten der Beklagten vorgegeben habe, d. h., dass in den vom Zeugen F. überprüften Fällen die durch den Kläger eingetragenen Vorgabezeiten fast ausschließlich zu lang und damit nachteilig für die Beklagte gewesen seien. Fälle, in denen die vom Kläger vorgegebenen Arbeitszeiten zu kurz gewesen seien, habe es so gut wie gar nicht gegeben. Insbesondere habe die Beklagte feststellen müssen, dass der Kläger trotz erkennbarer Veränderungen des Arbeitsablaufs veraltete und erkennbar zu lange Arbeitszeiten für den neuen Arbeitsvorgang übernommen habe und er in anderen Fällen von ihm ermittelte kürzere Vorgabezeiten nicht umgesetzt, also nicht in das Computersystem eingegeben habe, mit der Folge, dass die Vergütung der Heimarbeiterinnen im Ergebnis zu hoch gewesen sei. Eine Nichtumsetzung oder verspätete Umsetzung veränderter Vorgabezeiten sei mit der Beklagten, insbesondere mit dem Vorgesetzten F. , zu keinem Zeitpunkt vereinbart worden. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Umsetzung neuer Arbeitszeiten an Besonderheiten des Einzelfalles gescheitert sei, da seine Aufgabe darin bestanden habe – insoweit unstreitig –, die Arbeitszeiten abstrakt, also losgelöst vom einzelnen Arbeitsplatz für eine gesamte Arbeitsgruppe zu ermitteln. Der Vorgesetzte des Klägers, der Zeuge F. , habe die Arbeitsvorgänge des Klägers neben seiner regulären Arbeitszeit zusätzlich in mühevoller Kleinarbeit ermitteln müssen. Dies habe eine erhebliche Zeit in Anspruch genommen. Aus den unverzüglich nach der Abmahnung und dem
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Abschluss des Aufhebungsvertrages eingeleiteten weiteren Recherchen hätten sich schwerwiegende Anhaltspunkte ergeben, die dem Fehlverhalten des Klägers ein deutlich höheres Gewicht gegeben hätten. Die Beklagte habe danach davon ausgehen müssen, dass nicht nur ein fahrlässig schlechtes Arbeitsverhalten des Klägers vorgelegen habe, sondern der Kläger der Beklagten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig habe schaden wollen, gegebenenfalls auch um sich oder Dritte zu bereichern.
Auch nach Ausspruch der ersten fristlosen Kündigung am 17.12.2009 habe der Vorgesetzte F. weitere Überprüfungen vorgenommen. Hiervon habe die Geschäftsleitung erst am 06.12.2010 erfahren. Insgesamt hätte sich aufgrund der Vielzahl der Vorwürfe für die Beklagte das Bild ergeben, dass der Kläger vorsätzlich zulasten der Beklagten gehandelt habe. In vielen Fällen habe es weder eine Anweisung der Beklagten gegeben, noch sei ein nachvollziehbarer Grund dafür ersichtlich, warum der Kläger kürzere Vorgabezeiten nicht im Computersystem umgesetzt habe. Bei den Vorgaben der Schlauchgruppe 164 756-81 und 164 756-007 habe der Kläger im Zeitraum 2006 bis 2009 einen Schaden in Höhe von insgesamt € 51.310,35 verursacht (zum Vortrag der Beklagten im Einzelnen wird auf das Vorbringen im Beklagtenschriftsatz vom 29.07.2010, Bl. 43 – 47 d. A. sowie auf das Vorbringen im Beklagtenschriftsatz vom 01.02.2011, Bl. 241 d. A. verwiesen).
In Bezug auf die Schlauchgruppen 167 313-81 und -83 sei ein Schaden in Höhe von € 177,29 Personalkosten und € 197,06 Maschinenkosten entstanden; für die Schlauchgruppe 167 313-007 € 168,36 Personalkosten und € 197,06 Maschinenkosten; für die Schlauchgruppen 166 063-81 und -83 sowie 166 063-91 und -93 € 2012,10 Personalkosten und € 2110,47 Maschinenkosten; für die Schlauchgruppen 166 063-007 und -017 € 4779,20 Personalkosten und € 4775,66 EUR Maschinenkosten; für die Schlauchgruppen 161 262-81 und -91 € 3047,27 Personalkosten und € 2550,61 Maschinenkosten und für die Schlauchgruppen 161 262-007 und -017 € 1724,32 Personalkosten und € 1456,90 Maschinenkosten. Die Gesamtschadenssumme für die mit der Widerklageerweiterung benannten Schlauchgruppen betrage € 23.081,71 (im Einzelnen wird auf das Vorbringen aus dem Beklagtenschriftsatz vom 14.12.2010, Bl. 115 – 123 und dem Schriftsatz vom 01.02.2011, Bl. 239 – 243 d. A. verwiesen).
Die korrekten Vorgabezeiten seien durch den Vorgesetzten F. im Einzelnen ermittelt worden. Die Listen, anhand derer der Kläger die jeweiligen Vorgaben im Zeitraum 2006 bis 2010 abzuarbeiten gehabt habe, lägen nicht mehr vor. Anhand der Historie der einzelnen Arbeitspläne seien jedoch die Änderungen der Pläne im Einzelnen nachvollziehbar. Soweit bei diesen Arbeitsvorgängen zwischen dem Bearbeitungszeitpunkt des Klägers und der Überprüfung durch den Vorgesetzten F. eine Veränderung stattgefunden ha-
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be, habe es sich hierbei sämtlich um Veränderungen gehandelt, die zu einer längeren Vorgabezeit geführt hätten, sodass die vom Vorgesetzten F. ermittelten Zeiten, gemessen an dem Zeitpunkt, an dem sie vom Kläger hätten ermittelt werden müssen, noch als zu lang betrachtet werden müssten. Die fehlerhaften Vorgabezeiten hätten dazu geführt, dass die Beklagte höhere Aufwendungen für die mit der Fertigung befassten Heimarbeiter habe erbringen müssen. Weiter sei ein Maschinenschaden dadurch entstanden, dass auf Grundlage der zu hohen Vorgabezeiten mehr Maschinen angeschafft worden seien, als nötig.
Die Beklagte habe die weitere Prüfung der vom Kläger bearbeiteten Arbeitsvorgänge in der gebotenen Eile durchgeführt, da der Zeuge F. – neben seiner sonstigen Vollzeittätigkeit – für die Bewertung dieser Vorgabezeiten einschließlich der Zeitaufnahmen ca. ein bis eineinhalb Tage benötige. Im Personalgespräch vom 03.06.2009 seien nicht alle für das angebliche Fehlverhalten des Klägers erforderlichen Daten herangezogen worden. Die Beklagte habe in diesem Gespräch nur die Vorwürfe heranziehen können, die ihr bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen seien. Das seien die wenigsten gewesen.
Sofern der Kläger bestreitet, dass im Anschluss an das Gespräch vom 03.06.2009 weitere Pflichtverletzungen festgestellt worden seien, werde vorgetragen, dass alle Kündigungs-gründe, soweit nicht schon konkret in der am 03.06.2009 ausgesprochenen Abmahnung vom 27.05.2009 nach dem 03.06.2009 festgestellt worden seien.
Der Kläger hat bestritten, dass in 90 Arbeitsplänen lediglich in 6 Fällen die Vorgabezeiten zu hoch angesetzt und damit zulasten der Beklagten festgelegt worden seien. Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe hätten sich im Nachhinein nicht erheblich geändert. Der Beklagten sei der angebliche Umfang des Schadens bereits im Juni 2009 bekannt gewesen, als der Kläger zu einem Aufhebungsvertrag gezwungen worden sei. Im Personalgespräch am 09.06.2009 sei dem Kläger von Herrn M. ein angeblicher Schaden von ca. 500.000 EUR vorgehalten, der durch die falschen Zeitvorgaben entstanden sein solle. Dabei sei es im Wesentlichen auch um die hier streitigen Zeitvorgaben gehandelt. Später habe die Beklagte den angeblichen Schaden auf 800.000 EUR beziffert, dies jedoch nicht ansatzweise belegt.
Zu den Vorwürfen im Einzelnen hat der Kläger vorgetragen, es sei in den Donnerstags-Runden in Anwesenheit des Vorgesetzten F. mehrfach vereinbart worden, dass bestimmte Vorgabezeiten in einem Zug geändert werden sollten. Es sei richtig, dass in vielen Fällen eine veraltete Vorgabezeit von 123 Minuten bzw. 18 Minuten pro 100 Teile vor-gegeben gewesen sei und klar gewesen sei, dass diese Zeiten nicht mehr aktuell seien.
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Hinsichtlich dieser Zeiten sei jedoch ausdrücklich abgesprochen worden, zunächst die alten Zeiten fortzuschreiben, da sich bereits seit 2007 der Trend abgezeichnet habe, dass sich diese Vorgaben ändern würden. Teilweise sei die Umsetzung neuer Vorgabezeiten auch von der Fertigung abgelehnt worden. So hätte beispielsweise bei der Schlauchgruppe 164 756-81 eine Montage in einem Zug, also Vor- und Endmontage, erfolgen sollen. Dies sei jedoch von der Fertigung abgelehnt worden, weshalb dieser Vorgang zunächst erneut von der Planung überarbeitet worden sei. Bei der Schlauchgruppe 167 844-00 habe er eine Messung bei der Mitarbeiterin K. vorgenommen, da diese um Überprüfung gebeten habe, weil sie die Vorgabezeiten nicht habe schaffen können. Der von ihm ermittelte Wert 115,06 habe zu dem vorgegebenen Wert von 106 Minuten pro 100 Stück eine Abweichung im Rahmen einer 10%igen Toleranz ergeben. Ein solcher Toleranzwert in Höhe von 10 % sei seitens der Beklagten akzeptiert worden. Im Übrigen seien die konkreten Vorwürfe der Beklagten für ihn nicht einlassungsfähig, da die jeweiligen Vorgänge viele Jahre zurücklägen und er in Ermangelung entsprechender Unterlagen hierzu nicht Stellung nehmen könne. Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass sich seit den hier streitigen Zeiträumen die wesentlichen Vorgaben für die Montage, etwa Betriebsmittel, Umgebungseinflüsse u.ä. geändert haben können. Ohne nähere Erläuterung seien daher für ihn die Behauptungen der Beklagten nicht überprüfbar und daher nicht einlassungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in 1. Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO verwiesen.
Das Arbeitsgericht Bremen-Bremerhaven hat am 08.07.2011 durch Urteil entschieden, dass die fristlosen Kündigungen unwirksam seien. Es hatte im Übrigen die Zahlungsklage des Klägers und die Widerklage der Beklagten abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe durch eine Vielzahl von Schlechtleistungen einen erheblichen Schaden vorsätzlich verursacht, sei an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, die fristlosen Kündigungen seien nach Maßgabe des § 626 BGB unter Beachtung der widerstreitenden Interessen unverhältnismäßig und damit unwirksam. Ein Motiv, die Beklagte vorsätzlich schädigen zu wollen, sei nicht erkennbar.
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von 1180,10 brutto als Mehrarbeitspauschale. Auf die Zahlung der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Pauschale und der tatsächlich von der Beklagten gezahlten Pauschale habe der Kläger durch Zu-
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satzvereinbarung vom 24.06.2005 wirksam verzichtet. Ein gegenüber dem Vorjahr verbessertes Geschäftsjahresergebnis der Beklagten habe der Kläger nicht dargelegt.
Die Widerklage sei abzuweisen, weil die Beklagte gegen den Kläger keinen Schadensersatzanspruch habe. In Bezug auf den geltend gemachten Schadensersatz wegen Maschinenkosten sei die Widerklage unschlüssig. Der Schadensersatz hinsichtlich der behaupteten Personalkosten sei für die Kammer in der Berechnung zwar nachvollziehbar, hinsichtlich der behaupteten Differenz zwischen den angeblich zu langen Vorgabezeiten des Klägers und den behaupteten "richtigen Zeiten" der Beklagten fehle es jedoch im Ergebnis an einem nachprüfbaren detaillierten Sachvortrag.
Insbesondere erweise sich der Vortrag der Beklagten für den Kläger als nicht einlassungsfähig.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils (Bl. 343 Rückseite bis Blatt 347 Rückseite der Akte) verwiesen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde der Beklagten am 20.06.2011 zugestellt. Deren Berufung ging am 15.07.2011, die Berufungsbegründung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 20.09.2011 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven wurde dem Kläger am 16.06.2011 zugestellt. Dessen Berufung ging am 18.07.2011, einem Montag, die Berufungsbegründung nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am Montag den 17.10.2011 beim Landesarbeitsgericht Bremen ein.
Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung seinen Anspruch auf Zahlung der ungekürzten monatlichen Mehrarbeitspauschale für die Monate Januar bis November 2009 weiter und erweitert seinen Antrag um eine zehnprozentige Erhöhung gemäß der Zusage der Beklagten.
Der Kläger rügt die Abweisung seiner Leistungsklage durch das Arbeitsgericht als Überraschungsentscheidung. Die Beklagte selbst habe nicht bestritten, dass die in der Vereinbarung genannten Bedingungen eingetreten seien. Im Übrigen habe der Kläger zwischenzeitlich erfahren, dass die Auszahlung zuzüglich der 10 % an alle Mitarbeiter erfolgt sei. Selbst wenn die Bedingung des verbesserten Geschäftsjahres nicht eingetreten sei, bestünde ein Anspruch des Klägers aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kläger habe den Anspruch auch rechtzeitig geltend gemacht. Die Kündigung der Mehrarbeitspauschale durch die Beklagte habe der Kläger durch Erhebung einer Kündi-
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gungsschutzklage angegriffen. Damit seien Ansprüche auch für die Zukunft geltend gemacht worden. Nach Rechtskraft des Urteils habe die Beklagte im Herbst 2010 gegenüber den Mitarbeitern und dem Betriebsrat erklärt, dass die Voraussetzungen für eine Nachzahlung aufgrund der Ergebnisse des Geschäftsjahres 2009/2010 vorliegen würden. Demgemäß hätten alle Mitarbeiter, die wie der Kläger die Zusatzvereinbarung unterzeichnet hätten, im November 2010 eine Nachzahlung in Höhe des Differenzbetrages zuzüglich eines zehnprozentigen Zuschlages erhalten. Der Anspruch des Klägers auf eine höhere Mehrarbeitspauschale sei auch fristgerecht geltend gemacht worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bremen-Bremerhaven vom 08.06.2011 zu verurteilen, an den Kläger Euro 1298,10 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit dem 01.10.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
den Kläger widerklagend zu verurteilen, an die Beklagte Euro 51.310,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 29.07.2010 und Euro 23.281,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins-satz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 14.12.2010 zu zahlen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte greift die erstinstanzliche Entscheidung unter Vertiefung ihres Sachvortrages mit Rechtsausführungen an.
Der Kläger habe entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts ein eigennütziges Motiv, die Umsetzung der von ihm selbst ermittelten, kürzeren Vorgabezeiten zu unterlassen. Er habe die Kritik von Seiten der Heimarbeiterinnen und des Betriebsrates ebenso vermeiden wollen, wie die ansonsten für ihn anfallende Mehrarbeit bei Überprüfungen. Im Übrigen habe das Arbeitsgericht unzutreffenderweise angenommen, der Kläger kenne die Heimarbeiterinnen nicht. Er habe durchschnittlich einmal die Woche eine Zeitaufnahme bei einem Zeitaufwand von mehreren Stunden durchgeführt und sein gutes persönliches Verhältnis zu den Heimarbeiterinnen betont. Der Kläger habe in Kenntnis seiner Alleinverantwortlichkeit für die Festsetzung zutreffender Vorgabezeiten und des Fehlens einer Prüfungsinstanz die zutreffenden Zeiten weder umgesetzt, noch zeitnah nachgeholt, noch seinen Vorgesetzten auf die sich immer weiter aufsummenden, nicht korrigierten Vorgabezeiten aufmerksam gemacht, damit die Beklagte wenigstens eine Schadensbegrenzung hätte einleiten können. Der Kläger habe in den regelmäßigen Arbeitsbesprechungen, je-
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denfalls am 15. November, 22. November und 13.12.2007 dem Zeugen F. , der bemerkt habe, dass die abzuarbeitenden Listen immer länger geworden seien, versichert, er habe alles im Griff, fühle sich deutlich unterfordert und sei komplexere Arbeitsanforderungen gewohnt. Der Kläger habe am 13.12.2007 ausdrücklich bestätigt, er werde die letzten Änderungen bis Januar 2008 vornehmen.
Bei der weiter anhaltenden Durcharbeitung von mehreren 100 Aktenordnern (mit mehreren 1000 Arbeitsplatzfotos) des Klägers durch den Zeugen F. sei herausgekommen, dass der Kläger bereits im Jahre 2002 unzutreffende Vorgabezeiten freigegeben und trotz besseren Wissens nicht korrigiert habe. Im Rahmen der Schlauchgruppe 157 848-00 habe der Kläger eine Vorgabezeit von 123,8 Minuten/100 Teile zugrunde gelegt und zuzüglich einer Verteilzeit 128,7 Minuten/100 Teile am 03.01.2002 freigegeben, ohne eine konkrete zeitnahe Zeitermittlung durchgeführt zu haben. Diese sei erst 9 Monate später erfolgt und habe eine neue Vorgabezeit von 78,7 Minuten/100 Teile erbracht. Die Zeitaufnahmeunterlagen des Klägers hätten unter dem Datum vom 11.12.2002 unter der Überschrift „Neue Vorgabezeiten inklusive Verpackung“ eine notwendige Zeitänderung von 45,1 Minuten/100 Teile enthalten. Zwischen der – schon um 9 Monate verspäteten – Feststellung einer zu reduzierenden Vorgabezeit von fast einem Drittel und dem Aus-scheiden des Klägers im Juni 2009 habe der Kläger nichts veranlasst. Er habe also keineswegs versucht, seine ältesten Fehler wieder auszubügeln. Im Gegenteil sei der Kläger offenbar davon ausgegangen, dass die Vorgänge der Vergessenheit anheimfallen würden. Nachdem der Kläger die schon seit 2006 notwendigen Umstellungen bis Anfang 2008 nicht vorgenommen habe, habe er es auch unterlassen, seine Vorgesetzten darüber zu informieren. Gerade die Lüge gegenüber seinem Vorgesetzten und das Vortäuschen einer ordnungsgemäßen Situation belege ein planvolles Vorgehen des Klägers zulasten der Beklagten.
Der in der Abmahnung erhobene Vorwurf, veraltete Vorgabezeiten vergeben zu haben, habe insgesamt 116 von 137 überprüften Arbeitsplänen betroffen. Von den falschen Vorgabezeiten seien insgesamt 1.827.394 Teile verkauft worden. In dem vom Zeugen F. überprüften Zeitraum bis zu seinem faktischen Ausscheiden hat der Kläger im SAP-System insgesamt 282 Änderungen von Arbeitsplänen dokumentiert.
Die Schadensersatzforderungen der Beklagten unterlägen nicht der tariflichen Ausschlussfrist, weil diese nicht für vorsätzliche unerlaubte Handlungen gelte. Der Kläger habe gewusst, dass durch sein Verhalten der Beklagten ein finanzieller Schaden entstehe. Er habe sowohl hinsichtlich seines Verhaltens, als auch des Schadenseintrittes mit direktem Vorsatz, wobei Eventualvorsatz bereits ausreichend wäre, gehandelt. Die mit der
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Widerklage vom 29.07.2010 geltend gemachten Schadensersatzansprüche hätten die Ausschlussfrist gewahrt. Die Beklagte habe nicht vor der rechtskräftigen Entscheidung des LAG am 29.06.2010 über die erfolgreiche Anfechtung des Aufhebungsvertrages ihre Ansprüche geltend machen müssen. Außerdem sei von einem einheitlichen Lebenssach-verhalt auszugehen, was zur Folge habe, dass maßgeblicher Zeitpunkt für das Laufen der Ausschlussfrist die Aufdeckung des letzten Schadensfalles sei. Der Kläger sei planmäßig vorgegangen.
Im Übrigen könne die Ausschlussfrist auch erst dann laufen, wenn die Beklagte ausreichend das Ausmaß des Verschuldens des Klägers habe erkennen können. Dies sei auch erst mit der Stellungnahme des Klägers vom Dezember 2009 auf ihre Anfragen vom Oktober 2009 möglich gewesen.
Die Beklagte vertritt weiter die Auffassung, die widerklagend geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verfallen. Das Aufforderungsschreiben der Beklagten vom 10.02.2010 (Anlage B 25 – Blatt 530 der Akte) habe die tarifliche Ausschlussfrist gewahrt. Die mit der Widerklageerweiterung vom 14.12.2010 geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien der Beklagten durch den Zeugen F. am 06.12.2010 bekannt gemacht worden.
Die Beklagte weist darauf hin, dass der Kläger detailliert zu den einzelnen Vorgängen Stellung nehmen könne, weil er Zugriff zu den gesamten Unterlagen im Betrieb habe.
Die Beklagte unterhalte einen Pool an Maschinen. Auf jeder Maschine könnten in den meisten Fällen jeweils mehrere unterschiedliche Schlauchgruppen hergestellt werden. Es bedürfe oft nur kleinere Umbaumaßnahmen an der Maschine selbst. Für die Beklagte sei es bei ihrer Auftragsplanung deshalb nicht maßgeblich, ob auf einer bestimmten Maschine eine bestimmte Schlauchgruppe innerhalb eines konkreten Zeitraums hergestellt werden könne, sondern ob die Gesamtkapazität aller vorhandenen Maschinen ausreichend sei, um alle nachgefragten Schlauchgruppen zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten herzustellen. Bei einer steigenden Nachfrage von bestimmten Produkten ermittle die Beklagte jeweils, ob die für die Produktion benötigte Gesamtkapazität ihrer vorhandenen Maschinen ausreiche. Dabei greife sie auf die jeweils freigegebenen Vorgabezeiten zurück. Durch den Kläger sei sie über die zur Verfügung stehende Gesamtkapazität der Maschinen getäuscht worden. Die Maschinen seien ab dem Jahr 2006 sukzessive angeschafft, nämlich immer dann, wenn die Gesamtkapazität an einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr ausreichend erschienen sei. Hätte der Kläger nicht die zu langen Vorgabezeiten freigegeben, hätte die Beklagte die jeweils genannten Maschinen nicht angeschafft. Die
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Gesamtkapazität der ursprünglich vorhandenen Maschinen sei völlig ausreichend gewesen.
Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und wiederholt seinen Vortrag, die bisherigen, längeren Vorgabezeiten hätten nicht Stück für Stück, sondern in einem Zug geändert werden sollen. Dies habe im Frühjahr 2009 erfolgen sollen, sei immer wieder erörtert worden und auch Thema der so genannten Donnerstagsrunden gewesen. Abgesehen davon stelle sich die Umsetzung von Vorgabezeiten als komplexer Vorgang dar, der teilweise nicht durchgeführt worden sei, weil die Betriebsmittel nicht in Ordnung gewesen seien oder weil die Umsetzung neuer Vorgabezeiten von der Fertigung abgelehnt worden sei.
Die Beklagte habe auch nicht erst nach und nach und kurz vor den Kündigungen von den behaupteten Pflichtverstößen des Klägers Kenntnis erhalten. Dies sei der Beklagten bereits Anfang 2009 bekannt gewesen. Deswegen habe es bereits am 24.02.2009 ein Beurteilungsgespräch gegeben. Dies sei auch im Personalgespräch am 03.06.2009 erörtert worden und sei Gegenstand der Abmahnung vom 27.05.2009 gewesen. Es wäre ohne Weiteres bereits Anfang 2009 festzustellen gewesen, welchen Umfang das angebliche Fehlverhalten des Klägers gehabt habe, zumal dem Kläger bereits im Zusammenhang mit dem Aufhebungsvertrag im Sommer 2009 vorgeworfen worden sei, einen Schaden von ca. 500.000 EUR verursacht zu haben.
Der Kläger habe weder sich noch einzelnen Heimarbeiterinnen einen Vorteil verschaffen wollen. Eine vorsätzliche Schädigung der Beklagten liege nicht vor.
Die Ausführungen der Beklagten zur Höhe des Maschinenschadens seien nicht nachvollziehbar. Die Anschaffung von neuen Schlauchschneidemaschinen beruhe auf verschiedenen Gründen, wobei die wichtigsten Gründe die Auftragslage, die Auslastung der Betriebsmittel, der Ersatz von älteren Maschinen und die Anschaffung von neueren, effektiveren Maschinen seien. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Anschaffung der aufgeführten Maschinen und den Vorgabezeiten sei nicht belegt, nicht nachvollziehbar und auch unzutreffend. Neue Maschinen seien nur nach Verschleiß, Erhöhung der Auftragszahlen und neuen Anläufen angeschafft worden. Die von der Beklagten angeschafften Maschinen, auch die von ihr aufgeführten, seien stets in der Produktion eingesetzt gewesen, keine einzige Maschine habe stillgestanden. Lediglich seit dem Jahr 2009 sei es zu Stillständen gekommen, nicht aber weil falsche Vorgabezeiten ermittelt worden seien, sondern weil es an Aufträgen gemangelt habe.
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Der Kläger ist weiter der Auffassung, der Schadensersatzanspruch der Beklagten sei verfallen. Entscheidend sei das Schadensereignis, auf dem der angebliche Schaden beruhe. Dieses sei der Beklagten spätestens bei Ausspruch der Abmahnung bzw. dem Abschluss des Aufhebungsvertrages bekannt gewesen. Dem Kläger sei damals vorgehalten worden, er habe Vorgabezeiten nicht umgesetzt und dadurch einen Schaden von ca. 800.000 EUR verursacht. Die Behauptung der Beklagten, sie habe das Ausmaß des Schadens nicht einmal ansatzweise überblicken können, sei unrichtig. Nach dem Gespräch mit dem Kläger bzw. nach der Abmahnung habe sie ohne weiteren den möglichen Schadensersatz ermitteln und schriftlich geltend machen können. Die Auffassung der Beklagten, die Geltendmachung sei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bezüglich des Aufhebungsvertrages nicht notwendig gewesen, sei abwegig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in 2. Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat gemäß Beschluss vom 19.06.2013 Beweis durch Vernehmung des von der Beklagten benannten Zeugen F. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 19.06.2013 (Bl. 319 ff) verwiesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I.
Die Berufung des Klägers ist nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie ist form- und frist-gerecht eingelegt und begründet worden. Die Erweiterung der Klage hält die Berufungskammer für sachdienlich, weil sie zu einer endgültigen Klärung der Ansprüche des Klägers auf Nachzahlung der Mehrarbeitspauschale führt.
Die Berufung der Beklagten ist ebenfalls nach § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Auch sie ist Form und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.
II.
1. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet. Sie scheitert nur zum Teil an der Ausschlussfrist des § 16 des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrages Unterweser zwischen Nordmetall Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V. Bremen und der IG-Metall Bezirksleitung Hamburg.
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a) In der Höhe des erstinstanzlich beantragten Betrages ist die Ausschlussfrist durch die Klage, die am 06.01.2010 zugestellt worden ist, gewahrt. Anknüpfungspunkt für den Beginn der dreimonatigen Ausschlussfrist ist nicht der jeweilige Fälligkeitszeitpunkt, an dem die Mehrarbeitspauschale zu zahlen gewesen wäre, sondern der Zeitpunkt der Abrechnung und Auszahlung der Mehrarbeitspauschale durch die Beklagte im Dezember 2010.
Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die Beklagte die Vereinbarung über die Zahlung einer Mehrarbeitspauschale mit Wirkung zum 31.01.2009 gekündigt hat, was der Kläger erfolgreich mit einer Feststellungsklage angegriffen hat. Mit der Feststellungsklage hat der Kläger hinreichend deutlich gemacht, dass er an seinem Anspruch aus der Vereinbarung auf Zahlung der Mehrarbeitspauschale festhält. Der abschließenden Entscheidung des LAG Bremen über die Unwirksamkeit der Kündigung der Zusatzvereinbarung ist die Beklagte mit der Abrechnung im Dezember 2010, nachdem sie auf Grundlage der erstinstanzlichen Entscheidung über die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigungen den Kläger im Rahmen eines Prozessrechtsarbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt hat, nachgekommen. Damit gilt § 16 Ziffer 1.1 a) MTV, wonach die – verkürzte – Ausschlussfrist von 4 Wochen zum Zeitpunkt der Abrechnung zu laufen beginnt. Auch diese Frist hat der Kläger mit der der Beklagten im Januar 2010 zugestellten Klage gewahrt.
Soweit der Kläger in der Klageerweiterung einen Zuschlag auf die ungekürzte Mehrarbeitspauschale in Höhe von 10 % verlangt, ist der Anspruch untergegangen, weil die Ausschlussfrist nicht gewahrt worden ist. Der Anspruch selbst ist erst mit der widerklagerweiternden Berufung geltend gemacht worden, mithin weit außerhalb der tariflichen Ausschlussfrist.
b) Die Begründung der Klage ist zwar knapp, aber schlüssig. Der Kläger hat die vertraglichen Grundlagen – Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag und Vereinbarung über die Kürzung vom 24.06.2005 vorgelegt. Er hat weiter vorgetragen, die Beklagte habe dem Betriebsrat und den Mitarbeitern gegenüber Mitteilung über ein verbessertes Betriebsergebnis gemacht und hieraus die Konsequenz war gezogen, den Mitarbeitern die Pauschale ungekürzt entsprechend der Zusage vom 24.06.2005 auszuzahlen. Eine entsprechende Mitteilung an den Betriebsrat hat die Beklagte nach Auffassung der Berufungskammer nicht ausdrücklich bestritten. Sie beschränkt sich letztlich darauf, das Vorliegen eines verbesserten Betriebsergebnisses zu bestreiten.
Die Konsequenzen, die das Arbeitsgericht aus dem Sachvortrag der Beklagten gezogen hat – der Kläger habe ein verbessertes Betriebsergebnis darzulegen – hält die Berufungs-
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kammer für falsch. Der Kläger kann das Betriebsergebnis nicht kennen. Ebenfalls sind keine Umstände ersichtlich, wonach der Kläger Einzelheiten über die Höhe des Betriebsergebnisses 2009 im Vergleich zu 2008 kennen kann. Der Kläger war bis zur Verkündung der erstinstanzlichen Entscheidung über seine Kündigungsschutzklage nicht im Betrieb der Beklagten beschäftigt. Im Rahmen von § 138 ZPO wäre es an der Beklagten gewesen, konkrete Angaben zum Betriebsergebnis und der behaupteten Mitteilung an Betriebsrat und Mitarbeiter zu machen. Das schlichte Bestreiten eines verbesserten Betriebsergebnisses reicht nicht aus, um den Kläger prozessual zu zwingen, näheres vorzutragen.
Gleiches gilt für den Vortrag des Klägers, die ungekürzte Mehrarbeitspauschale sei auch an alle Mitarbeiter ausgezahlt worden, womit der Kläger sich auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz beruft. Wenn die Beklagte dies für ungenügend hält, weil der Kläger nicht angegeben hat, an welche Mitarbeiter die Auszahlung erfolgt sei, missversteht sie offenbar den Vortrag des Klägers. Seiner Begründung der Klageforderung ist jedenfalls zu entnehmen, dass nur die Mitarbeiter gemeint sein können, die eine Zusatzvereinbarung, die der seinen entspricht, getroffen haben. Auch insoweit ist der Vortrag des Klägers knapp, aber seinem Kenntnisstand und seinen Kenntnismöglichkeiten entsprechend und damit schlüssig. Die Beklagte selbst hat nicht vorgetragen, sie habe keine Nachzahlungen auf Grundlage der Zusatzvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung vorgenommen.
Die erstinstanzliche Rüge unschlüssiger Berechnung durch die Beklagte bezieht sich offenbar auf die ursprüngliche Begründung der Klageforderung, die die Abrechnung der Mehrarbeitspauschale im Dezember 2010 – so der Vortrag des Klägers – noch nicht hat berücksichtigen können. Die Berechnung des Klägers selbst geht dann von den Zahlungen der Beklagten aus und fordert lediglich den Ausgleich der Kürzungen der Pauschale entsprechend der Zusatzvereinbarung aus dem Jahr 2005. Hierauf ist die Beklagte weder in 1. noch in 2. Instanz eingegangen. Insoweit war die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und die Beklagte entsprechend dem erstinstanzlichen Antrag des Klägers zu verurteilen.
2. Die Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet.
a) Die mit der Widerklage vom 29.07.2010 und die mit der Erweiterung der Widerklage geltend gemachten Schadensersatzforderungen in Bezug auf die Schlauchgrup-pen167 313-81 und -83 und 167 313-007 sind nicht innerhalb der Frist des § 16 MTV Unterweser geltend gemacht worden.
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aa) Die mit der Schlauchgruppe 164 756-81 verbundenen Schäden sind von der Beklagten erst mit der Widerklage im Juli 2010 geltend gemacht worden. Die auf die Schlauchgruppe 164 756-007 bezogenen Schäden, die in der Widerklage beziffert worden sind, sind im Schreiben der Beklagten vom 10.02.2010 als Schadensersatzforderung gegenüber dem Kläger angemeldet worden. Wie die Beweisaufnahme ergeben hat, war der Schadensumfang in Bezug auf die beiden in der Widerklage genannten Schlauchgruppen bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages mit dem Kläger im Juni 2009 bekannt.
Der Zeuge F. hat hierzu erklärt, die Schadensermittlung in diesem Bereich sei Grundlage für die Hochrechnung der von der Beklagten erwarteten Schäden gewesen. Dies wiederum war bereits Grundlage für die Bemühungen der Beklagten, sich vom Kläger zu trennen. Der Zeuge F. hat hierzu ausgesagt, seine Feststellungen hierzu hätten zu der Situation geführt, die in den Aufhebungsvertrag eingemündet ist. Für die Berufungskammer ist nicht ersichtlich, inwieweit für die Beklagte noch weiterer Aufklärungsbedarf über Verantwortlichkeit des Klägers und das Ausmaß seines Verschuldens bestanden hat. Sie hat ausweislich des Tatbestands des Urteils des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 29.06.2010 auf Basis einer Hochrechnung, die auf den ermittelten Schäden für beide Schlauchgruppen beruhte – wie der Zeuge erklärt hat – dem Kläger mit Schadensersatzforderungen im oberen sechsstelligen Bereich und mit einer Strafanzeige gedroht. Damit ist davon auszugehen, dass der Beklagten ausreichend Informationen über die Verantwortlichkeit des Klägers und das Ausmaß seines Verschuldens vorlagen, die eine Schadensersatzforderung begründen. Die in der Widerklageerweiterung genannten, oben er-wähnten Schlauchgruppen gehören zur Arbeitsplatzkennzahl R5YJ02, die bereits Gegenstand der Abmahnung des Klägers vom 27.05.2009 war. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass Art und Ausmaß des Schadens der Beklagten bereits vor Abschluss des Aufhebungsvertrages bekannt war. Damit waren die Schadensersatzforderung für die genannten Schlauchgruppen entstanden und im Juni 2009 fällig, mit der Folge, dass die tarifliche Ausschlussfrist zu laufen beginnt.
bb) Die Aufforderung an den Kläger im Oktober und November 2009 zu bestimmten Fehlleistungen des Klägers unter anderem im Bezug auf die Schlauchgruppe 164 756 – 007 Stellung zu nehmen, belegt deshalb kein weitergehendes Bedürfnis der Beklagten, Informationen über die Verantwortlichkeit des Klägers zu erlangen. Die Beklagte hat hier-mit offenbar auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 07.10.2009 reagiert und hat gegenüber dem Betriebsrat eine fristlose, auch auf Verdacht gestützte Kündigung vorbereiten wollen.
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Da bereits ausreichende Informationen vorlagen, kommen diese Schreiben als Ausgangspunkt für den Lauf der Frist des § 16 MTV nicht in Betracht.
cc) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie darauf habe vertrauen dürfen, der Aufhebungsvertrag beende das Arbeitsverhältnis und stehe der Geltendmachung Ihrer Schadensersatzansprüche entgegen.
Das LAG Bremen hat rechtskräftig durch Urteil vom 29.06.2010 bestätigt, dass die Beklagte den Abschluss des Aufhebungsvertrages durch widerrechtliche Drohung herbeigeführt hat mit der Folge, dass der Aufhebungsvertrag wirksam angefochten wurde. Die erfolgreiche Anfechtung führt nach § 142 BGB dazu, dass die Vereinbarung als nichtig an-zusehen ist. Sie ist von Anfang an nicht als existent zu werten. Das angefochtene Geschäft wird nach § 142 BGB nicht in „reformiert“, sondern kassiert, wobei die rückwirkende Vernichtung absolut wirkt (Erman-Palm BGB 11. Auflage § 142 Rdn. 4). Dies hat zur Folge, dass das Arbeitsverhältnis nicht beendet und auch nicht als unterbrochen anzusehen ist. Die wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind auch für den bis zur rechtskräftigen Entscheidung entstandenen Schwebezeitraum nach den einschlägigen Normen des Manteltarifvertrages abzuwickeln. Damit fällt die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Ausgleichsklausel weg, die der Realisierung eines Schadensersatzanspruches entgegenstünde, und zwar rückwirkend. Sie ist als nicht existent anzusehen.
Die Beklagte hat kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass der Arbeitsvertrag bestand hat (vergleiche BAG Urteil vom 03.12.1998 – Az. 2 AZR 754/97 – AP Nr. 49 zu § 123 BGB). Das BAG hat dort entschieden, dass kein Grund besteht, von der Regelfolge des § 142 BGB dann abzuweichen, wenn der Arbeitnehmer, der die Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch Täuschung erreicht hat, Leistungen des Arbeitgebers, ohne eine Gegenleistung zu erbringen – im konkreten Fall Entgeltfortzahlung, erhalten hat. Die Entscheidung zieht die Konsequenz aus der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsfolgen bei unterschiedlichem Anfechtungsgrund. Für die Anfechtung nach §§ 118, 119, 120 BGB sieht das Gesetz in § 122 BGB vor, dass der Vertrauensschaden des Anfechtungsgegners zu ersetzen ist. Eine vergleichbare Vorschrift für die Anfechtung nach § 123 BGB fehlt. Der Grund hierfür liegt darin, dass die zur Anfechtung berechtigenden Willensmängel aus der Sphäre des Anfechtungsgegners stammen und von ihm zu verantworten sind. Eine Abweichung von den Rechtsfolgen des § 142 hält das BAG nur dann für gerechtfertigt, wenn im Zeitraum zwischen Abgabe der angefochtenen Willenserklärung und der erfolgreichen Anfechtung Leistungen ausgetauscht worden sind. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer Arbeitsleistung erbracht und hierfür Arbeitsentgelt erhalten hat. Eine Rückabwicklung ist dann ausgeschlossen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht
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um die Rückabwicklung eines Dauerschuldverhältnisses, sondern um die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeiführen sollte.
Auf die Entscheidung des BAG vom 14.03.2001 (Az. 4 AZR 152/00 – AP Nr. 161 zu § 4 TVG Ausschlussfristen) kann die Beklagte ihre Auffassung nicht stützen, dass der Zeit-punkt der Fälligkeit ihrer Schadensersatzforderungen erst mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages eintritt. Die Anwendung der tariflichen Ausschlussklausel hängt nicht von der – von den Parteien unterschiedlich beurteilten – Rechtsqualität der Rechtsbeziehung ab, sondern davon, ob der Aufhebungsvertrag als existent oder von Anfang an als nicht existent anzusehen ist. In der Entscheidung vom 14.03.2001 hatte das BAG die im einschlägigen Tarifvertrag verankerte Ausschlussfrist den Ansprüchen der Klägerin entgegengehalten, weil diese sich selbst als Arbeitnehmerin sah und hieraus tarifliche Ansprüche abgeleitet hat. Die Rückforderungsansprüche des Beklagten hingegen unterlagen hingegen nach Auffassung des BAG den tariflichen Ausschlussfristen solange nicht, wie nicht rechtskräftig die Statusfrage geklärt war. Das BAG hielt eine frühere Geltendmachung der Rückforderungsansprüche für den Arbeitgeber nicht für zumutbar, weil von ihm ein widersprüchliches Verhalten verlangt würde. Er müsste den Rückzahlungsanspruch mit der Begründung geltend machen, dass das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sei, obwohl er zur gleichen Zeit im Rahmen des Statusprozesses den entgegengesetzten Standpunkt vertritt. Dem könne auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die Geltendmachung vorsorglich erfolgen könne. Dies lässt sich nach Auffassung der Berufungskammer jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Zum einen werden die Rechtsfolgen durch § 142 BGB gesetzlich festgelegt, zum anderen hat die Beklagte durch widerrechtliche Drohung die Situation herbeigeführt, in der sie glaubte, auf Geltendmachung verzichten zu können. Ein Vertrauensschutz ist deshalb nicht zu gewähren.
Die Beklagte kann auch keinen Vertrauensschutz deswegen beanspruchen, weil ihr aus-reichend Handlungsmöglichkeiten gegeben waren, ihren Schadenersatzanspruch vor Abschluss des Aufhebungsvertrages oder vorsorglich nach dessen Abschluss geltend zu machen. Das Ausmaß des Schadens über die in der Widerklage bezeichneten arbeitsvertraglichen Fehlleistungen des Klägers war ihr – wie der Zeuge F. bekundet hat – bekannt. Spätestens mit der Anfechtungserklärung des Klägers vom 19.06.2009 hat sie damit rechnen müssen, dass der Aufhebungsvertrag keinen Bestand haben wird.
dd) Die Einhaltung der Frist des § 16 MTV ist nicht wegen dessen Ziffer 1.4 entbehrlich. Das Gericht hat bereits im Teilurteil vom 31.10.2012 nicht feststellen können, der
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Kläger habe die Beklagte vorsätzlich geschädigt. Es hat auch eine auf den Verdacht der vorsätzlichen Schädigung gestützte Verdachtskündigung für unwirksam erklärt. Insoweit wird auf II. 2. und 3. c) der Entscheidungsgründe des Teilurteils verwiesen. Dem Kläger ist somit kein unter § 823 Abs. 1 BGB subsumierbares Verhalten vorzuhalten. Die vorgehaltenen Fehlleistungen sind als Vertragsverletzung zu werten, die die in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechte nicht beeinträchtigen, sondern lediglich zu einem von § 823 nicht erfassten Vermögensschaden führen. Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung ist nach den Ausführungen des Gerichts im Teilurteil ebenfalls nicht anzunehmen.
ee) Die Berufungskammer teilt die Auffassung der Beklagten nicht, die Ausschlussfrist beginne erst mit der Mitteilung der zuletzt entdeckten Fehlleistungen des Klägers am 06.12.2010 zu laufen mit der Folge, dass alle bislang festgestellten Schäden unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Aufdeckung mit der Klageerweiterung ausreichend geltend gemacht worden sind. Dies ergibt sich auch nicht aus der von der Beklagten herangezogene Entscheidung des BAG vom 05.08.2008 (Az.: 8 AZR 886/07 – EZA § 4 TVG Ausschlussfrist Nr. 192). Der dort entschiedenen Fall betraf eine fortgesetzte vorsätzliche unerlaubte Handlung – Untreue des Arbeitnehmers – die das BAG als einen einheitlichen Lebenssachverhalt angesehen hat. Ähnlich hat das Bundesarbeitsgericht in Mobbing-Fällen entschieden. Auch hier hat es darauf abgestellt, dass der durch Persönlichkeitsverletzung entstandene Schaden auf systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammengesetzte Verletzungshandlungen zurückzuführen sind (BAG, Urteil vom 16.05.2007 – 8 AZR 709/06 – AP Nr. 5 zu § 611 BGB Mobbing).
Die Bewertung der Schlechtleistungen des Klägers als durch einen einheitlichen Vorsatz zusammengehaltene einheitliche Tat hat die Berufungskammer bereits im Teilurteil abgelehnt (II. 3 c). Dem Kläger ist vielmehr eine Vielzahl von einzelnen abgrenzbaren Fehlleistungen vorzuhalten. Die Beklagte jedenfalls hat sich in Ihrem Geltendmachungsschreiben vom Februar 2010 dafür entschieden, jeden einzelnen Schaden konkret aufzuführen und zu beziffern. Die Fälligkeit von Schadensersatzansprüchen bezogen auf die einzelnen Fehlleistungen tritt somit jeweils nach Aufdeckung und Kenntnis der Beklagten ein.
b) Die mit der Erweiterung der Widerklage geltend gemachten Schäden sind bis auf die zuvor genannten nicht nach § 16 MTV verfallen. Der Zeuge F. hat in seiner Aussage bestätigt, er habe diese in der Widerklageerweiterung genannten Schlauchgruppen Mitte bis Ende Oktober anhand der entsprechenden Unterlagen untersucht und das Ergebnis seiner Untersuchung der Geschäftsleitung mitgeteilt.
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Die Berufungskammer sieht keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit des Zeugen infrage zu stellen.
aa) Der Beklagten kann nach Auffassung der Berufungskammer nicht vorgehalten werden, sie habe nicht entsprechend der Rechtsprechung des BAG zügig aufgeklärt, in welchem Umfang durch den Kläger Schäden entstanden seien. In seiner Entscheidung vom 30.10.2008 (Az.: 8 AZR 886/07 – EzA § 4 TVB Ausschlussfristen Nr. 192) hat das BAG entschieden, dass Schadensersatzforderungen fällig werden, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann. Der Rechtsbegriff des „schuldhaften Zögerns“ beinhalte zwar das Verbot, grundlos und in vorwerfbarer Weise untätig zu bleiben und enthalte die Verpflichtung, zumutbare Ermittlungen anzustellen, gleichwohl müsse der Geschädigte nicht Personal von seinen eigenen Arbeitsaufgaben freistellen, um „zügig“ festzustellen, in welchen Fällen und in welcher ungefähren Höhe ein Schaden eingetreten sei.
Ausgehend hiervon kann zum einen das schädigende Verhalten des Klägers, wie oben ausgeführt, nicht zu einem einheitlichen Tatgeschehen zusammengefasst werden. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass das Arbeitsfeld des Klägers eine Vielzahl von Arbeitsprozessen umfasste. Nach den Feststellungen, die die Beklagte bis zur Erhebung der Widerklage getroffen hat, sah sie sich vor die Notwendigkeit gestellt, den gesamten Arbeitsbereich des Klägers auf Fehler hin zu durchforsten, wobei sie gleichzeitig entdeckte Fehler zu korrigieren hatte. Hierzu hat die Beklagte ausgeführt, der Zeuge F. habe diese Arbeit neben seiner eigenen erledigen müssen. Das Ergebnis der Ermittlungen des Zeugen hat zu der bezifferten Wiederklagerweiterung geführt.
Es gibt keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die in der Widerklageerweiterung – mit Ausnahme der ersten beiden – genannten Schlauchgruppen bereits vorher untersucht und die hiermit verbundenen Schäden erkannt und beziffert worden sind. Dass sie möglicherweise – ohne zuvor genau geprüft worden zu sein – in die Hochrechnung der Beklagten vom Juni 2009 eingeflossen sind, hindert die spätere Geltendmachung nach genauer Schadensermittlung nicht.
bb) Da „Fälligkeit“ im Sinne der tariflichen Ausschlussklausel erst dann eintritt, wenn die Schadensdimensionen erkennbar sind, kann die Berufungskammer nicht auf ihre Entscheidung zur Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB im Teilurteil zurückgreifen. Dort ging die Berufungskammer davon aus, dass die Beklagte schon frühzeitig die Dimensionen des Schadens und die Intensität der Schlechtleistungen des Klägers erkannt hat. Da-
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raus folgt aber nicht, dass die Beklagte die Schäden der jeweiligen einzelnen Pflichtverletzungen des Klägers hat beziffern können.
Die Schadensersatzforderung der Beklagten ist – soweit rechtzeitig geltend gemacht - zum Teil begründet. Die Beklagte hat ihre Mehrkosten, die durch fehlerhafte Vorgabezeiten bei der Honorierung der Heimarbeiter/Heimarbeiterinnen entstanden sind, ausreichend schlüssig dargelegt. Die geltend gemachten Maschinenkosten hat die Berufungskammer allerdings nicht nachvollziehen können.
Der Kläger hat seine arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber der Beklagten verletzt. Seine Aufgabenstellung im Betrieb war es, nach arbeitswissenschaftlichen Grundlagen zu ermitteln, wie lange die einzelnen, von Heimarbeiter/Heimarbeiterinnen zu verrichtenden Fertigungsprozesse dauern. Damit sollten die zunächst von der Fertigungsplanung kalkulierten Vorgaben in der Praxis überprüft und korrigiert werden. Mit den Vorgabezeiten war unmittelbar die Bezahlung der Heimarbeiter/Heimarbeiterinnen verbunden. Eine zu hohe Vorgabezeit führt zwangsläufig zu einer Erhöhung der Stückkosten. Angesichts der bei der Beklagten üblichen Massenfertigung verursachen erhöhte Vorgabezeiten erhebliche finanzielle Mehrbelastungen, die zu vermeiden zu der Aufgabenstellung des Klägers gehörte.
Die Beklagte hat diesen Zusammenhang ausreichend konkret dargelegt. Sie hat für die Schlauchgruppen 166 063-81 und -83,166 063-007, 166 063-91 und -93, 166 063-017 vorgetragen, wann der Kläger vom kalkulatorischen bzw. veralteten Wert abweichende und kürzere Vorgabezeiten ermittelt hat, ohne die neu ermittelten Zeiten in das EDV-System einzugeben mit der Folge, dass die Abrechnung der Tätigkeit der Heimarbeiter/Heimarbeiterinnen nach wie vor auf Grundlage der unzutreffenden und zu hohen Zeiten vorgenommen wurde. Sie hat weiter vorgetragen, dass überhaupt keine Unterlagen über die Ermittlung von Vorgabezeiten vorliegen in Bezug auf die Endmontage dieser Schlauchgruppen. Gleiches gilt für die Schlauchgruppen 161 262-81, 161 262-007, 161 262-91 und 191 262-017.
Angesichts der klar definierten Arbeitsaufgabe des Klägers reicht dies aus, um eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten als gegeben anzusehen. Dass es sich nicht um im Rahmen verantwortliche Tätigkeit vorkommende und hinzunehmende gelegentliche Fehlleistungen handelt, zeigt die – auch vor dem Hintergrund der Vielzahl der zu überprüfenden Arbeitsvorgänge – beachtliche Anzahl von vergleichbaren Versäumnissen des Klägers. Von der Beklagten kann letztlich, um eine schwere Vertragsverletzung darzulegen, nicht mehr verlangt werden, als Häufigkeit von Fehlleistungen und den Zeitraum fehlender
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Anpassung vorzutragen. Beides zusammengenommen ist ein ausreichendes Indiz für gewichtige Verletzungen der arbeitsvertraglichen Pflichten durch den Kläger. Die Beklagte hat somit den Schaden in diesem Bereich und die Ersatzflüchtigkeit des Klägers ausreichend substantiiert dargelegt.
Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, darzulegen, aus welchem Grund die von der Beklagten genannten Vorfälle zu typischerweise seiner Arbeitsaufgabe verbundenen und kaum vermeidbaren Fehlern oder Versäumnissen gehört. Der Kläger hat hierzu allerdings nur sehr allgemein vorgetragen und denkbare Gründe dargelegt, die ihn möglicherweise im Einzelfall entlasten könnten. Die Berufungskammer hält die Einlassungen des Klägers allerdings zum großen Teil nicht für plausibel. Konkret äußert sich der Kläger lediglich zur Schlauchgruppe 164 756-81, zu der durch das Gericht wegen der Versäumung der Ausschlussfrist durch die Beklagte an sich nichts weiter aufzuklären war. Die Berufungskammer greift den Vortrag des Klägers aber deswegen auf, weil er symptomatisch für die Bemühungen des Klägers ist, sich zu entlasten. Der Kläger hatte zu dieser Schlauchgruppe vorgetragen, der Vorgang sei an die Fertigung zurückgegeben worden, er habe jedoch auf mehrere Nachfragen hin die Antwort erhalten, man sei noch nicht fertig. Dies erklärt, ohne dass weitere Umstände erläutert werden, keineswegs die dreijährige Untätigkeit des Klägers in diesem Bereich. Angesichts seiner eigenen Ermittlungen musste ihm klar sein, dass die von ihm behauptete zögerliche Bearbeitung durch die Fertigung für die Beklagte erhebliche finanzielle Einbußen mit sich bringt. Angesichts seiner hervorgehobenen Stellung im Produktionsprozess wäre zu erwarten gewesen, dass er sich hiermit nicht zufrieden gibt, sondern gegebenenfalls auch seine eignen Vorgesetzten auf den Missstand hinweist und auf Abhilfe drängt. Die weiteren Darlegungen des Klägers zur behaupteten Übereinstimmung darüber, dass neue Vorgabezeiten zur Vermeidung von Verankerung in einem Zug hätten umgesetzt werden sollen, erklärt letztlich das Verhalten des Klägers auch nicht. Der Kläger spricht davon, dass man zu dieser Übereinkunft im Jahr 2007 gekommen sei, d.h. rund ein Jahr später als die Umsetzung neuer Vorgabezeiten durch ihn an sich erforderlich gewesen wäre. Damit bleibt immer noch ein nicht zu rechtfertigender Zeitraum der Untätigkeit, der zu vermeidbaren Vermögensschäden der Beklagten geführt hat. Der Vortrag des Klägers wäre ohnehin nur geeignet, das Maß seiner Verantwortlichkeit für den Vermögensschaden der Beklagten zu relativieren, wenn zugleich erläutert worden wäre, dass der sogenannten Donnerstagsrunde oder seinem Vorgesetzten F. bekannt gewesen wäre, in welchem Umfang und welchen Bereichen Zeitaufnahmen noch nicht umgesetzt waren.
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Der wenig greifbare Vortrag des Klägers kann auch nicht mit dem Hinweis auf die lange Zeit zwischen den Vorgängen und deren Aufklärung im Rahmen des Prozesses ausreichend erklärt werden. Der Kläger hat – wie die Beklagte unbestritten vorgetragen hat – in der Zeit seiner Weiterbeschäftigung während der Laufzeit dieses Prozesses Zugriff auf die Unterlagen gehabt, die die Beklagte zur Begründung ihrer Schadensersatzforderungen herangezogen hat. Angesichts dieses Umstandes war eine konkretere Stellungnahme zu den einzelnen Vorgängen zu erwarten. Im übrigen hat der Kläger in seinem letzten Schriftsatz vom 12.06.2013 – unmittelbar vor dem Termin anhand der ihm zugänglichen SAP-Daten zumindest konkretere Angaben zu produzierten Mengen und zu Vorgabezeiten gemacht, ohne dass dies allerdings so erläutert wird, dass die in einer Tabelle zusammengefassten Angaben durch die Berufungskammer nachvollziehbar gewesen wären. Eine weitere Aufklärung durch das Gericht hatte jedoch zu unterbleiben, weil der Schriftsatz verspätet und damit der neue Sachvortrag zurückzuweisen war.
Soweit die Beklagte verlangt, den sogenannten Maschinenschaden ersetzt zu erhalten, war die Berufung auch in Bezug auf die rechtzeitig geltend gemachten Versäumnisse des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte hat nicht konkret dargelegt, inwieweit sie durch das Verhalten des Klägers in Bezug auf die Schlauchgruppen 166 063-81 und -83,166 063-007, 166 063-91 und -93, 166 063-017 sich veranlasst sah, mehr Maschinen zu kaufen und einzusetzen, als dies bei Eingabe der zutreffenden Vorgabezeiten notwendig gewesen wäre. Dies wäre notwendig gewesen, weil der Kläger die Berechnungsmodalitäten, die die Entscheidung über den Kauf von Maschinen bestimmen, entgegengetreten ist.
Die Beklagte hat letztlich alle im Rahmen dieses Verfahrens Schadensersatzforderungen begründenden Vorgänge abstrakt umgerechnet und ausgehend von der Gesamtzahl der gekauften Maschinen einen Durchschnittswert ermittelt, den sie den einzelnen Vorgängen zugeordnet. Die Berufungskammer ist überdies nicht ganz sicher, ob die Beklagte nicht von einer Schätzung des Anteils des klägerischen Fehlverhaltens nicht nur im Hinblick auf die ausdrücklich durch Widerklage bezeichneten Vorgänge, ausgeht. Die Beklagte hat dies in ihrem Schriftsatz vom 05.04.2013 für die Schlauchgruppen 164 756-81 und 164 756-007 ihre Berechnung näher erläutert. Sie hat weiter in Bezug auf 25 Schlauchgruppen Angaben über den Zeitpunkt fehlerhafter Freigaben durch den Kläger, die korrekten Vorgabezeiten und die hierfür angeschafften Maschinen mit ihrem Wert und dem Datum ihrer Anschaffung gemacht. Damit ist allerdings nichts gewonnen. In der Tabelle zum Schriftsatz vom 05.04.2013 sind nur solche Schlauchgruppen genannt, die im Rahmen
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dieses Prozesses nicht zur Grundlage von Schadensersatzforderungen herangezogen worden sind. Insofern kann die Berufungskammer nicht überprüfen, welche zusätzlichen Anschaffungskosten für Maschinen durch die in der Widerklage genannten und rechtzeitig geltend gemachten Fehlleistungen des Klägers entstanden sind. Eine ausreichende Grundlage für eine Schätzung nach § 246 ZPO bieten die Angaben der Beklagten nicht, da die Faktoren, die im Einzelnen den Entschluss zum Kauf neuer Maschinen begründen, unklar bleiben und auch nicht gewichtet werden können.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.
Die Berufungskammer hat in Bezug auf den eingeklagten Maschinenschaden die Revision für die Beklagte zugelassen. Im Übrigen sah die Berufungskammer keinen Anlass, die Revision zuzulassen. Auf die Möglichkeit, Nichtzulassungsbeschwerde zu erheben, wird hingewiesen (§ 72a ArbGG).
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