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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 10.01.2012, 2 Sa 305/11

   
Schlagworte: Anhörung des Betriebsrats
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 2 Sa 305/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 10.01.2012
   
Leitsätze: Beabsichtigt ein Arbeitgeber, ein Arbeitsverhältnis wegen Diebstahls oder des Verdachts des Diebstahls zu kündigen, hat er den in seinem Betrieb gebildeten Betriebsrat auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die von ihm vorgenommene Interessenabwägung zu unterrichten.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Neumünster, Urteil vom 30.06.2011, 4 Ca 284 b/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

Ak­ten­zei­chen: 2 Sa 305/11
4 Ca 284 b/11 ArbG Ne­umüns­ter (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 10.01.2012

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 2. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 10.01.2012 durch die Präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts ... als

 

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Vor­sit­zen­de und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter vom 30.06.2011 – 4 Ca 284 b/11 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um zwei frist­lo­se und zwei hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gun­gen der Kläge­rin.

Die Kläge­rin jetzt 41 Jah­re alt. Sie ist seit 01.04.1999 als Rei­ni­gungs­kraft/Auf­sicht im Stadt­bad beschäftigt. Sie ist ver­hei­ra­tet, je­doch ge­trennt le­bend und ei­nem ei­ge­nen Kind zum Un­ter­halt ver­pflich­tet. Darüber hin­aus gibt sie an, sie ha­be das Kind ih­rer im letz­ten Jahr ver­stor­be­nen Schwes­ter in ih­ren Haus­halt zur Pfle­ge auf­ge­nom­men. Die Kläge­rin er­hielt zu­letzt ei­ne Vergütung von durch­schnitt­lich 2.900,00 EUR brut­to. Sie ist be­hin­dert mit ei­nem Grad der Be­hin­de­rung (GdB) von 30. Der Gleich­stel­lungs­an­trag vom 20.01.2011 ist mit Be­scheid vom 23.06.2011 (Bl. 95) zurück­ge­wie­sen wor­den.

Die Kläge­rin er­hielt im Mai 2009 ei­ne Ab­mah­nung we­gen Ver­las­sens des Geländes oh­ne vor­he­ri­ge Ab­mel­dung bei dem zuständi­gen Schichtführer. Am 17.08.2010 wur­de sie we­gen Ver­las­sens des Ar­beits­plat­zes oh­ne Ab­mel­dung (Bl. 33 d.A.) und am 07.01.2011 we­gen Führens ei­nes pri­va­ten Te­le­fon­gespräches während der Ar­beits-

 

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zeit oh­ne Kenn­zeich­nung des Gespräches als "pri­vat" (Bl. 31/32 d.A.) er­mahnt. Un­strei­tig hat des­we­gen ein Gespräch zwi­schen der Kläge­rin, dem Be­triebs­lei­ter Herrn K. und dem Be­triebs­rat statt­ge­fun­den, in dem der Kläge­rin u.a. na­he­ge­legt wur­de, sich ei­ne an­de­re Stel­le zu su­chen.

Seit dem 20.01.2011 war die Kläge­rin ar­beits­unfähig er­krankt. Am 04.02.2011 er­schien sie zwi­schen 18:30 Uhr und 19:00 Uhr im Stadt­bad und durch­such­te das Fund­sa­chen­re­gal nach ei­nem Tauch­ring. Strit­tig ist, ob es sich um den – na­ment­lich ge­kenn­zeich­ne­ten – Tauch­ring des Soh­nes der Kläge­rin oder um ir­gend­ei­nen Tauch­ring han­del­te. Nach der Be­haup­tung der Be­klag­ten fand sie ei­nen gel­ben Tauch­ring, warf ihn auf ei­nen am Bo­den lie­gen­den Sta­pel Schwimm­klei­dung und ver­ließ so­dann mit Klei­dungsstücken be­packt das Gebäude. Hier­von er­fuhr die Be­klag­te am 10.02.2011. Mit Schrei­ben vom 15.02.2011 hörte die Be­klag­te den Be­triebs­rat zur be­ab­sich­tig­ten frist­lo­sen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Kündi­gung an (Bl. 35 bis 38 d.A.). Der Be­triebs­rat äußer­te am 17.02.2011 Be­den­ken (Bl. 39 d.A.). Der or­dent­li­chen Kündi­gung wi­der­sprach er am 21.02.2011. Eben­falls mit Schrei­ben vom 15.02.2011 (Bl. 40 d.A.) hörte die Be­klag­te die ge­bil­de­te Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung an. Die­se äußer­te ge­gen bei­de be­ab­sich­tig­ten Kündi­gun­gen mit Schrei­ben vom 17.02.2011 Be­den­ken (Bl. 41, 42 d.A.). Eben­falls mit Schrei­ben vom 15.02.2011 be­an­trag­te die Be­klag­te vor­sorg­lich die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes zur be­ab­sich­tig­ten Kündi­gung. Das In­te­gra­ti­ons­amt er­teil­te der frist­lo­sen Kündi­gung mit Be­scheid vom 24.02.2011 (Bl. 43 bis 44 d.A.) und der or­dent­li­chen Kündi­gung mit Be­scheid vom 25.02.2011 (Bl. 45/46) die Zu­stim­mung. Die Be­schei­de gin­gen der Be­klag­ten am 28.2.2011 zu. Die Be­klag­te sprach dar­auf­hin un­ter dem 28.02.2011 die frist­lo­se Kündi­gung aus. Die­se ging der Klägern am sel­ben Tag zu. Die or­dent­li­che Kündi­gung vom 02.03.2011 ging der Kläge­rin am 03.03.2011 zu.

Am 24.02.2011 for­der­te die Be­klag­te die Kläge­rin auf, nach En­de der bis 25.02.2011 pro­gnos­ti­zier­ten Ar­beits­unfähig­keit am 28.02.2011 in ei­nem Per­so­nal­gespräch Stel­lung zu neh­men zu den Vorfällen vom 04.02.2011 (Bl. 47 d.A.). Da­bei teil­te sie der Kläge­rin mit, es wer­de ihr vor­ge­wor­fen, am 04.02.2011 aus dem Fund­sa­chen­re­gal nicht in ih­rem Ei­gen­tum be­find­li­che Ge­genstände oh­ne Er­laub­nis des Ar­beit­ge­bers ent­wen­det zu ha­ben. Die­ses Gespräch sag­te die Kläge­rin ab. Die Be­klag­te for­der­te

 

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die Kläge­rin mit Schrei­ben vom 28.02.2011 auf, bis zum 03.03.2011 schrift­lich zu den Vorwürfen Stel­lung zu neh­men (Bl. 48 d.A.). Auf die­ses Schrei­ben mel­de­te sich die Pro­zess­be­vollmäch­tig­te der Kläge­rin am 03.03.2011 (Bl. 49 d.A.) und erklärte, dass die Kläge­rin den ver­lo­re­nen Tauch­ring ih­res Soh­nes nicht ge­fun­den ha­be. Sie ha­be dann le­dig­lich aus ih­rem Spind persönli­che Sa­chen ge­holt und sei nach Hau­se ge­gan­gen. We­gen des Ver­dachts des Dieb­stahls ei­nes Tauch­rin­ges hörte die Be­klag­te den Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 08.03.2011 (Bl. 50 bis 56 d.A.) we­gen ei­ner wei­te­ren aus­zu­spre­chen­den frist­lo­sen, hilfs­wei­se or­dent­li­chen Ver­dachtskündi­gung an. Der Be­triebs­rat äußer­te am 10.03.2011 Be­den­ken (Bl. 57 d.A.). Die Be­klag­te hörte auch vor­sorg­lich die Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tung mit Schrei­ben vom 08.03.2011 an. Auch die­se äußer­te Be­den­ken (Bl. 68, 69 d.A.). Die Be­klag­te be­an­trag­te er­neut vor­sorg­lich die Zu­stim­mung des In­te­gra­ti­ons­am­tes zu den be­ab­sich­tig­ten Ver­dachtskündi­gun­gen am 09.03.2011, wel­ches am 24.03.2011 die Zu­stim­mung zur frist­lo­sen (Bl. 70 bis 72 d.A.) und am 25.3.2011 die Zu­stim­mung zur frist­gemäßen Kündi­gung er­teil­te (Bl. 73 bis 75 d.A.). Die­se Be­schei­de gin­gen der Be­klag­ten am 28.03.2011 zu. Die Be­klag­te sprach dar­auf­hin er­neut Kündi­gun­gen aus. Die­se gin­gen der Kläge­rin ab 28.03.2011 zu.

Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, die frist­lo­sen Kündi­gun­gen sei­en rechts­wid­rig, die or­dent­li­che Kündi­gung sei so­zi­al­wid­rig. Die Vorwürfe sei­en nicht be­rech­tigt.

Die Be­klag­te hat be­haup­tet, Frau J. E. ha­be die Kläge­rin beim Durch­su­chen des Fund­re­gals und Her­aus­neh­men ei­nes gel­ben Tauch­rin­ges be­ob­ach­tet. Sie ha­be ge­se­hen, wie die Kläge­rin den Tauch­ring auf ei­nen be­reit­ge­leg­ten Sta­pel Schwimm­klei­dung ge­wor­fen hat. Frau G. ha­be dann ge­se­hen, dass die Kläge­rin mit ei­nem Sta­pel Klei­dung un­ter ih­rem Arm zu ih­rem Fahr­zeug ge­gan­gen sei.

Die Kläge­rin hat er­wi­dert, sie ha­be nach ei­nem na­ment­lich ge­kenn­zeich­ne­ten Tauch­ring ih­res Soh­nes ge­sucht und nicht ge­fun­den. Mit der Klei­dung aus ih­rem Spind ha­be sie dann das Gelände ver­las­sen. In der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 30.06.2011 hat sie ihr Vor­brin­gen da­hin­ge­hend kor­ri­giert, dass sie zu­erst Sa­chen aus ih­rem Spind ge­holt ha­be und so­dann im Fund­sa­chen­re­gal den Schwimm­ring ge­sucht ha­be.

 

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Das Ar­beits­ge­richt hat mit dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil vom 30.06.2011 fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis we­der durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 28.02.2011 noch durch die frist­ge­rech­te Kündi­gung vom 02.03.2011 mit Ab­lauf des 30.09.2011 noch durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 28.03.2011 und auch nicht durch die hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung vom 28.03.2011 mit Ab­lauf des 30.09.2011 be­en­det wor­den ist. Ge­gen die­ses am 11.07.2011 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Be­klag­te am 11.08.2011 mit Fax und 10.08.2011 im Ori­gi­nal Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Frist­verlänge­rung am 10.0 10.2011 be­gründet.

Die Be­klag­te wie­der­holt und ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen und trägt wei­ter vor, sie be­an­stan­de ins­be­son­de­re die vom Ar­beits­ge­richt vor­ge­nom­me­ne In­ter­es­sen­abwägung. Das Ar­beits­ge­richt un­ter­stel­le, dass der Aus­spruch ei­ner Ab­mah­nung aus­ge­reicht hätte. Da­bei stütze es sei­ne Einschätzung dar­auf, dass das Fund­sa­chen­re­gal nicht ge­nau­er über­wacht wer­de und die Auf­be­wah­rungs­dau­er le­dig­lich drei Mo­na­te be­tra­ge. Die Schluss­fol­ge­rung des Ar­beits­ge­richts, die Kläge­rin ha­be da­durch den Ein­druck ge­win­nen müssen, der Ver­bleib der Fund­sa­chen sei der Be­klag­ten gleichgültig ge­we­sen und die un­be­rech­tig­te Weg­nah­me von Ge­genständen wir­ke sich nicht auf den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses aus, tref­fe je­doch nicht zu. Hier­ge­gen spre­che die be­ste­hen­de An­ord­nung, selbst nach Ab­lauf der Auf­be­wah­rungs­frist oh­ne be­son­de­re Ge­neh­mi­gung Fund­sa­chen nicht an Mit­ar­bei­ter aus­zuhändi­gen. Während der Auf­be­wah­rungs­zeit dürf­ten Mit­ar­bei­ter ge­ra­de des­halb nicht darüber verfügen. Der Lei­ter des Schwimm­ba­des ha­be anläss­lich sei­nes Dienst­an­tritts im Ju­li 2010 in ei­ner Mit­ar­bei­ter­be­spre­chung deut­lich erklärt, dass aus dem Fund­sa­chen­re­gal auf kei­nen Fall Ge­genstände mit­ge­nom­men wer­den durf­ten. Die­ser Sach­ver­halt sei da­mit al­len Mit­ar­bei­tern be­kannt ge­we­sen. Die Kläge­rin selbst ha­be auch nie be­haup­tet, sie ha­be nicht ge­wusst, dass ei­ne Ent­nah­me aus dem Fund­sa­chen­re­gal nicht ge­dul­det wer­de. Ei­ne Ab­mah­nung hätte nicht zu neu­en Er­kennt­nis­sen der Kläge­rin geführt. Sie ha­be auch oh­ne dies ge­wusst, dass die un­be­rech­tig­te Weg­nah­me den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses gefähr­de.
Auch gefähr­de ei­ne fall­be­zo­ge­ne Hand­ha­bung der In­ter­es­sen­abwägung je nach La­ge des Fal­les un­ter Berück­sich­ti­gung der Wie­der­ho­lungs­ge­fahr, des Um­fangs der Schädi­gung, der Ver­werf­lich­keit des Ver­hal­tens so­wie der Un­ter­halts­pflich­ten und des Fa­mi­li­en­stan­des des Mit­ar­bei­ters je­de Rechts­si­cher­heit.

 

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Darüber hin­aus sei es fragwürdig, ob ei­ne lan­ge Dau­er der Be­triebs­zu­gehörig­keit da­zu führe, dass im Fall ei­nes Vermögens­de­lik­tes nur ein Teil des Ver­trau­ens zerstört wer­de. Im Ge­gen­teil müsse bei be­son­ders lan­ger Be­triebs­zu­gehörig­keit un­ter­stellt wer­den, dass die Iden­ti­fi­ka­ti­on des Mit­ar­bei­ters mit dem Un­ter­neh­men be­son­ders hoch sei. Ei­ne Ver­trau­ens­ver­let­zung führe zu ei­ner be­son­ders ho­hen Enttäuschung.
Zwei­fel­haft sei, ob ei­ne Be­triebs­zu­gehörig­keits­dau­er von elf Jah­ren ei­ne be­son­ders lan­ge Be­triebs­zu­gehörig­keit dar­stel­le und ob das Ver­trau­ens­kon­to be­son­ders hoch an­ge­wach­sen sei. Zu­dem sei das Ar­beits­verhält­nis nicht un­be­las­tet ge­we­sen. Dies ha­be sie be­reits erst­in­stanz­lich vor­ge­tra­gen. Die Kläge­rin sei nicht nur zwei­mal er­mahnt wor­den. Viel­mehr sei­en persönli­che Gespräche mit ihr geführt wor­den. Am 30.12.2010 ha­be der Schwimm­bad­lei­ter ihr drin­gend na­he ge­legt, sich ei­nen neu­en Ar­beits­platz zu su­chen. Die Ein­be­zie­hung von Un­ter­halts­pflich­ten in die In­ter­es­sen­abwägung anläss­lich ei­ner ver­hal­tens­be­ding­ten Kündi­gung er­schei­ne grundsätz­lich sach­wid­rig. Ein Zu­sam­men­hang zwi­schen Un­ter­halts­pflich­ten und der Zu­mut­bar­keit ei­ner Ver­trau­ensstörung be­ste­he nicht. Im Ge­gen­teil müsse man un­ter­stel­len können, dass ein Un­ter­halts­pflich­ti­ger be­son­ders sorgfältig und pflicht­be­wusst auf den Er­halt sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses be­dacht sei. Zu­dem be­strei­te sie, die Be­klag­te, mit Nicht­wis­sen, dass die Kläge­rin den Sohn Ih­rer Schwes­ter dau­er­haft in ih­ren Haus­halt auf­ge­nom­men ha­be, dass die­ser kei­ne ei­ge­nen Einkünf­te er­zie­le und sie, die Kläge­rin, da­her Un­ter­halt leis­te. Hin­ge­gen sei in die In­ter­es­sen­abwägung ein­zu­be­zie­hen, dass es sich bei den Fund­sa­chen um das Ei­gen­tum der Ba­degäste han­de­le. Ge­genüber den Kun­den sei nicht zu ver­tre­ten, dass Ei­gen­tums­de­lik­te nicht ver­folgt wer­den. Das gel­te auch für Sa­chen von ge­ringfügi­gem Wert.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter- 4 Ca 284 b/11 – vom 30. Ju­ni 2011 ab­zuändern und die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

 

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Sie ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und trägt wei­ter vor, die Be­klag­te ha­be zunächst Tatkündi­gun­gen aus­ge­spro­chen. Be­weis hierüber sei nicht er­ho­ben wor­den. Viel­mehr ha­be das Ar­beits­ge­richt zu­gleich ei­ne In­ter­es­sen­abwägung vor­ge­nom­men, was sach­ge­recht sei.
Sie, die Kläge­rin, ha­be den Schwimm­ring nicht ent­wen­det. Auch sei der Ver­dacht nicht be­rech­tigt. Sch­ließlich sei der Vor­wurf nicht ge­eig­net, die Kündi­gung zu recht­fer­ti­gen. Un­ter­stellt, die Kläge­rin hätte den Schwimm­ring an sich ge­nom­men, wäre ei­ne Ab­mah­nung aus­rei­chend ge­we­sen.
Im Übri­gen rüge sie er­neut die Be­triebs­rats­anhörung. Der Be­triebs­rat sei we­der über den den Kündi­gun­gen zu Grun­de lie­gen­den Sach­ver­halt noch über die ent­las­ten­den Mo­men­te aus­rei­chend un­ter­rich­tet wor­den. Was die Be­klag­te dem Be­triebs­rat mit­ge­teilt ha­be, ha­be sie nicht vor­ge­tra­gen. Es rei­che nicht aus, dass sie auf An­la­gen ver­wei­se. Der In­halt die­ser An­la­gen sei schriftsätz­lich nicht ge­schil­dert wor­den. Zu den ent­las­ten­den Umständen, die dem Be­triebs­rat hätten mit­ge­teilt wer­den müssen, gehöre auch der Ver­lauf des Ar­beits­verhält­nis­ses.

Ergänzend wird auf den In­halt der Ak­ten, ins­be­son­de­re die wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze mit An­la­gen und Erklärun­gen zu Pro­to­koll, Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Be­ru­fung hat nicht Er­folg.

Die Be­ru­fung ist zulässig, § 64 Abs. 2 c ArbGG. Sie ist frist­ge­recht ein­ge­reicht und be­gründet wor­den, § 66 Abs. 1 ArbGG.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin ist die Be­ru­fung nicht des­halb un­be­gründet, weil die Be­klag­te nicht ord­nungs­gemäß zur Anhörung des Be­triebs­rats vor­ge­tra­gen hätte. Rich­tig ist, dass die Kläge­rin be­reits in der Kla­ge­schrift vor­ge­tra­gen hat, sie be­strei­te vor­sorg­lich, dass die Be­triebs­rats­anhörung vor Aus­spruch der Kündi­gung ord­nungs­gemäß er­folg­te. Die Be­klag­te hat hier­auf er­wi­dert und mit Schrift­satz vom 03.05.2011 (Bl. 21 ff. der Ak­ten) die Un­ter­la­gen zur Un­ter­rich­tung des Be­triebs­rats ein­ge­reicht. In der Be­ru­fungs­be­gründung war Vor­trag hier­zu nicht er­for­der­lich, da

 

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das Ar­beits­ge­richt die Kündi­gung aus an­de­ren Gründen als un­wirk­sam er­ach­tet hat­te. Die Be­ru­fungs­be­gründung muss sich da­zu äußern, in­wie­weit das Ur­teil an­ge­foch­ten wird, wel­che Abände­run­gen des Ur­teils be­an­tragt wer­den und aus wel­chen Um¬ständen sich ei­ne Rechts­ver­let­zung und de­ren Er­heb­lich­keit für die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung er­ge­ben. Wei­ter sind kon­kre­te An­halts­punk­te, die Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Vollständig­keit der Tat­sa­chen­fest­stel­lung im an­ge­foch­te­nen Ur­teil be­gründen und des­halb ei­ne er­neu­te Fest­stel­lung ge­bie­ten, vor­zu­tra­gen und die neu­en An­griffs und Ver­tei­di­gungs­mit­tel zu be­nen­nen, § 520 Abs. 2 ZPO. Die­sen An­for­de­run­gen genügt die Be­ru­fungs­be­gründung, so dass die Be­ru­fung nicht un­zulässig ist.

Es ist nicht not­wen­dig, dass sich der Be­ru­fungsführer zu al­len für ihn nach­tei­lig be­ur­teil­ten Punk­ten in der Be­ru­fungs­be­gründung um­fas­send äußert. Aus­rei­chend ist es, wenn sich die Be­ru­fungs­be­gründung mit ei­nem ein­zel­nen, den gan­zen Streit­ge­gen­stand be­tref­fen­den Streit­punkt be­fasst. Es kann nicht mehr an Be­gründung ver­langt wer­den als vom Erst­ge­richt selbst auf­ge­wandt wor­den ist (BAG vom 28. 05.2009 – 2 AZR 223/08 – DB 2009,2220).

Die Kläge­rin kann auch nicht da­mit gehört wer­den, die Be­klag­te ha­be erst­in­stanz­lich zur Be­triebs­rats­anhörung le­dig­lich ein An­la­gen­kon­vo­lut ein­ge­reicht, das den An­for­de­run­gen ei­ner sub­stan­ti­ier­ten Be­gründung nicht genüge. Die Be­klag­te hat sich er­kenn­bar die In­hal­te des An­la­gen­kon­vo­luts zur Anhörung des Be­triebs­rats zu Ei­gen ge­macht. Ei­ne Durch­sicht die­ses Kon­vo­luts er­gibt, dass es nicht er­for­der­lich ist, dem Pro­zess­stoff her­aus­zu­su­chen, bzw. die Un­ter­la­gen ein­ge­hend aus­zu­wer­ten. Die Be­klag­te hat die zur je­wei­li­gen Kündi­gung ge­wech­sel­ten Schriftsätze sor­tiert ein­ge­reicht. Aus den Schrei­ben an den Be­triebs­rat er­gibt sich der von der Be­klag­ten der Kündi­gung zu Grun­de ge­leg­te Sach­ver­halt. Die Be­klag­te hat nicht vor­ge­tra­gen, dass sie dem Be­triebs­rat darüber hin­aus wei­te­re In­for­ma­tio­nen er­teilt ha­be. Da­mit kann dem An­la­gen­kon­vo­lut ein­deu­tig ent­nom­men wer­den, wel­cher Sach­ver­halt aus Sicht der Be­klag­ten die Kündi­gung tra­gen soll. Für das Ge­richt ist da­mit er­kenn­bar, wel­che In­for­ma­tio­nen dem Be­triebs­rat, be­zo­gen auf die je­weils aus­ge­spro­che­ne Kündi­gung, mit­ge­teilt wor­den sind (LAG Köln vom 16.10.2000 – 8 (12) Sa 853/99 – ju­ris).

 

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Im Er­geb­nis zu­tref­fend hat das Ar­beits­ge­richt fest­ge­stellt, dass das Ar­beits­verhält­nis durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 28.02.2011, durch die frist­ge­rech­te Kündi­gung vom 02.03.2011, durch die frist­lo­se Kündi­gung vom 28.03.2011 und durch die hilfs­wei­se or­dent­li­che Kündi­gung vom 28.03.2011 nicht be­en­det wor­den ist. Es kann je­doch da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der von der Be­klag­ten er­ho­be­ne Vor­wurf des Dieb­stahls von Fund­sa­chen zu­tref­fend ist und ob die­ser ei­ne Kündi­gung recht­fer­tigt. Denn sämt­li­che Kündi­gun­gen sind un­wirk­sam, weil der Be­triebs­rat nicht ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den ist, § 102 Be­trVG.

Die Be­klag­te hat dem Be­triebs­rat mit Schrei­ben vom 15.02.2011 (Bl. 35) zur be­ab­sich­tig­ten außer­or­dent­li­chen frist­lo­sen hilfs­wei­se frist­ge­rech­ten Kündi­gung un­ter­rich­tet. Sie hat mit­ge­teilt, die Kläge­rin sei von Frau E. be­ob­ach­tet wor­den, als sie im Fund­sa­chen­re­gal such­te. Sie ha­be ei­nen Tauch­ring ge­fun­den und ihn zu ei­nem Sta­pel „wei­te­rer Fund­sa­chen, die sie auf dem Bo­den ge­sam­melt hat­te“ ge­legt. Wei­ter wird ge­schil­dert, dass die Kläge­rin den Sta­pel an sich nahm und sich an­schick­te, mit den Ge­genständen das Gebäude zu ver­las­sen. Sie sei von Frau G. be­ob­ach­tet wor­den, wie sie Be­klei­dungsstücke zu Ih­rem Fahr­zeug trug. Die Be­klag­te führt so­dann aus, der Dieb­stahl an ei­ner dem Kun­den gehören­den Sa­che sei der Ent­wen­dung ei­ner im Ei­gen­tum des Ar­beit­ge­bers ste­hen­den Sa­che gleich­wer­tig. Die Kläge­rin ha­be hier­mit ih­re Pflich­ten aus dem Ar­beits­verhält­nis ver­letzt und das für den Be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses er­for­der­li­che Ver­trau­ens­verhält­nis zerstört. Ein Fest­hal­ten an dem Ar­beits­verhält­nis sei nicht zu­mut­bar. Dem Schrei­ben ist zu ent­neh­men, dass die Be­klag­te ei­ne Tatkündi­gung aus­spre­chen woll­te.

Die Un­ter­rich­tung des Be­triebs­rats mit Schrei­ben vom 08.03.2011 (Bl. 50) ist ent­spre­chend aus­ge­baut die Be­klag­te nimmt auf das vor­her­ge­hen­de Un­ter­rich­tungs­schrei­ben Be­zug und führt aus, dass sie vor­sorg­lich ei­ne Ver­dachtskündi­gung aus­spre­chen wol­le.

Kei­nem von bei­den Schrei­ben kann ent­nom­men wer­den, ob die Be­klag­te ei­ne In­ter­es­sen­abwägung vor­ge­nom­men hat und wel­ches Er­geb­nis die­se hat­te. Der Ar­beit­ge­ber ist ge­hal­ten, dem Be­triebs­rat den bei Ein­lei­tung des Anhörungs­ver­fah­rens vor­han­de­nen Kennt­nis­stand mit­zu­tei­len. Da­zu gehören auch ent­las­ten­de Umstände bei

 

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Pflicht­wid­rig­kei­ten des Ar­beit­neh­mers (Fit­ting, Rn. 24 zu § 102 Be­trVG). Im Hin­blick auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 – DB 2010,2395) ist auch im Fall ei­ner straf­ba­ren Hand­lung des Ar­beit­neh­mers vom Ar­beit­ge­ber ei­ne auf den Ein­zel­fall be­zo­ge­ne Prüfung und In­ter­es­sen­abwägung da­hin­ge­hend vor­zu­neh­men, ob die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses trotz der ein­ge­tre­te­nen Ver­trau­ensstörung zu­min­dest bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist oder nicht. Die Umstände, an­hand de­rer zu be­ur­tei­len ist, ob die Wei­ter­beschäfti­gung zu­min­dest bis zum Ab­lauf der Kündi­gungs­frist zu­mut­bar ist, las­sen sich nicht ab­sch­ließend fest­le­gen. Je­den­falls gehören hier­zu die Dau­er des Ar­beits­verhält­nis­ses und des­sen – störungs­frei­er – Ver­lauf. Hat das Ar­beits­verhält­nis über vie­le Jah­re hin­weg un­gestört be­stan­den, ist ei­ne ge­naue Prüfung da­hin­ge­hend vor­zu­neh­men, ob die sich da­durch ver­fes­tig­te Ver­trau­ens­be­zie­hung durch ei­ne erst­ma­li­ge Enttäuschung des Ver­trau­ens vollständig und un­wie­der­bring­lich zerstört wer­den konn­te.

Die Be­klag­te hat sich zwar auf vor­an­ge­gan­ge­ne Fehl­ver­hal­tens­wei­sen der Kläge­rin be­ru­fen. Sie hat vor­ge­tra­gen, die Kläge­rin sei am sie­ben 20.05.2009 ab­ge­mahnt wor­den, weil sie die Ar­beit oh­ne Ab­mel­dung beim Schichtführer ver­las­sen ha­be. We­gen Ver­las­sens des Ar­beits­plat­zes oh­ne Ab­mel­dung am 04.08.2010 sei nach ei­nem ein­dring­li­chen Gespräch am 17.08.2010 ei­ne Er­mah­nung aus­ge­spro­chen wor­den. Fer­ner ha­be die Kläge­rin am 29.11.2010 ein pri­va­tes Te­le­fo­nat mit ei­ner Dau­er von 15 Mi­nu­ten geführt, oh­ne das Te­le­fo­nat als pri­vat zu kenn­zeich­nen. Des­we­gen sei am 07.01.2011 ei­ne Er­mah­nung aus­ge­spro­chen wor­den. Die­se Ge­sichts­punk­te ste­hen aus Sicht der Be­klag­ten ei­ner Wei­ter­beschäfti­gung der Kläge­rin ent­ge­gen. Aus Sicht der Be­klag­ten ist das Ar­beits­verhält­nis kei­nes­wegs störungs­frei ver­lau­fen, so dass die Kläge­rin sich nicht auf ih­re langjähri­ge Be­triebs­zu­gehörig­keit be­ru­fen könne. Dem Be­triebs­rat sind die­se Ge­sichts­punk­te aber nicht mit­ge­teilt wor­den. Er konn­te sie nicht in sei­ne Stel­lung­nah­me ein­be­zie­hen.

Die Be­klag­te kann sich nicht dar­auf be­ru­fen, dass der Be­triebs­rat die frühe­ren Er­mah­nun­gen und die Ab­mah­nung be­kannt wa­ren, schon weil der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, wie in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung un­strei­tig ge­wor­den ist, bei dem Gespräch im Ja­nu­ar 2011 zu­ge­gen war. Der Be­triebs­rat mag zwar Kennt­nis von die­sen Vorfällen ge­habt ha­ben. Er konn­te aber den bei­den Un­ter­rich­tungs­schrei­ben nicht ent­neh-

 

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men, ob und in­wie­weit die­se Sach­ver­hal­te in die Abwägung ein­ge­flos­sen wa­ren. Dass die Ab­mah­nung und die Er­mah­nun­gen für die Be­klag­te von Be­deu­tung für die Ent­schei­dung über den Fort­be­stand des Ar­beits­verhält­nis­ses wa­ren, er­gibt sich aus dem pro­zess­recht­li­chen Vor­trag der Be­klag­ten. Der Be­triebs­rat hat­te je­doch nicht Ge­le­gen­heit, sich hier­zu zu äußern.

Da so­wohl die Tat- als auch die Ver­dachtskündi­gun­gen we­gen Ver­s­toßes ge­gen § 102 Be­trVG un­wirk­sam sind, ist die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 ZPO.

Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on sind nicht er­sicht­lich.

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