HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/137

Be­triebs­üb­li­che Ar­beits­zeit muss ein­ge­hal­ten wer­den

Re­gelt der Ar­beits­ver­trag die Ar­beits­zeit nicht, ist die be­triebs­üb­li­che Ar­beits­zeit ver­ein­bart: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 15.05.2013, 10 AZR 325/12
Wanduhr

16.05.2013. Wenn ein Ar­beit­neh­mer wäh­rend "sei­ner" Ar­beits­zeit nicht ar­bei­tet, fällt sein An­spruch auf Lohn bzw. Ge­halt weg. Denn im Ar­beits­recht gilt der Grund­satz "Oh­ne Ar­beit kein Lohn".

Frag­lich ist al­ler­dings, wie lan­ge und wann ein Ar­beit­neh­mer über­haupt ar­bei­ten muss, wenn der Ar­beits­ver­trag kei­ne Re­ge­lun­gen zu der wö­chent­li­chen und täg­li­chen Ar­beits­zeit ent­hält.

Auch dann kann der Ar­beit­ge­ber per Wei­sung die Ein­hal­tung der "be­triebs­üb­li­chen" Ar­beits­zei­ten ver­lan­gen und das Ge­halt kür­zen, wenn der Ar­beit­neh­mer die­se Zei­ten nicht ein­hält. Das hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) ges­tern klar­ge­stellt: BAG, Ur­teil vom 15.05.2013, 10 AZR 325/12.

Wel­che Ar­beits­zei­ten gel­ten, wenn der Ar­beits­ver­trag da­zu kei­ne Re­ge­lun­gen enthält?

Ei­gent­lich soll­te im Ar­beits­ver­trag ge­re­gelt sein, wie lan­ge der Ar­beit­neh­mer pro Wo­che ar­bei­ten muss. Und auch wenn ein Ar­beits­ver­trag nur per Hand­schlag ge­schlos­sen wird (was recht­lich zulässig ist), soll­te der Ar­beit­ge­ber den Ar­beit­neh­mer in ei­nem schrift­li­chen Ar­beits­nach­weis über sei­ne Ar­beits­zei­ten in­for­mie­ren.

Aber wie lan­ge muss der Ar­beit­neh­mer ar­bei­ten, wenn ver­trag­li­che Re­ge­lun­gen zur Ar­beits­zeit nicht ge­trof­fen wur­den? Ei­ne ein­sei­ti­ge Fest­set­zung der Ar­beits­zei­ten durch den Ar­beit­ge­ber per Wei­sung ist je­den­falls nicht möglich. Denn die Dau­er der Ar­beits­zeit gehört zu den we­sent­li­chen Ver­trags­be­stand­tei­len, die der Ar­beit­ge­ber nicht per Wei­sung fest­le­gen kann.

Der Streit­fall: Ar­beit­neh­me­rin mit 95.000 EUR Jah­res­ge­halt häuft knapp 700 Mi­nus­stun­den an

Im Streit­fall ging es um ei­ne außer­ta­rif­li­che An­ge­stell­te mit ei­nem Jah­res­ge­halt von et­wa 95.000 EUR. Nach ei­ner Klau­sel in ih­rem Ar­beits­ver­trag muss­te sie „auch außer­halb der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit tätig … wer­den“. An­de­re Ar­beits­zeit­re­ge­lun­gen wa­ren im Ar­beits­ver­trag nicht ent­hal­ten.

Für die ta­rif­li­chen Ar­beit­neh­mer des Be­triebs, die al­ler­dings nur et­wa ein Drit­tel der 800 Ar­beit­neh­mer aus­mach­ten, galt gemäß ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung die ta­rif­li­che Ar­beits­zeit von 38 St­un­den pro Wo­che.

Nach­dem der Ar­beit­ge­ber im Herbst 2010 fest­stell­te, dass die An­ge­stell­te lan­ge Zeit we­ni­ger als 38 St­un­den pro Wo­che ge­ar­bei­tet hat­te, so dass sich auf ih­rem Ar­beits­zeit­kon­to knapp 700 (!) Mi­nus­stun­den an­ge­sam­melt hat­ten, for­der­te er sie auf, täglich min­des­tens 7,6 St­un­den zu ar­bei­ten, um auf die­se Wei­se ei­ne wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 38 St­un­den ein­zu­hal­ten.

Die An­ge­stell­te be­folg­te die­se Wei­sung nicht, wor­auf­hin sie erst Ab­mah­nun­gen er­hielt und zu­letzt ei­ne frist­lo­se ver­hal­tens­be­ding­te Kündi­gung, die das Ar­beits­ge­richt Es­sen (Ur­teil vom 22.06.2011, 5 Ca 581/11) und das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Düssel­dorf für wirk­sam hiel­ten (Ur­teil vom 09.02.2012, 4 Sa 1112/11). Über die­se Kündi­gungs­schutz­kla­ge muss das BAG vor­aus­sicht­lich am 29.08.2013 ent­schei­den (AZ des BAG: 2 AZR 273/12).

In ei­nem wei­te­ren, ei­genständi­gen Ge­richts­ver­fah­ren klag­te die An­ge­stell­te 7.156,40 EUR Ge­halt ein, denn in die­sem Um­fang hat­te der Ar­beit­ge­ber ihr das Ge­halt gekürzt, weil sie trotz Auf­for­de­rung kei­ne 38 St­un­den pro Wo­che ge­ar­bei­tet hat­te. Die An­ge­stell­te hielt das für rechts­wid­rig. Denn nach ih­rer Mei­nung war sie gar nicht ver­pflich­tet, ir­gend­wel­che Ar­beits­zei­ten ein­zu­hal­ten. Auch mit die­ser Lohn­kla­ge hat­te sie aber we­der vor dem Ar­beits­ge­richt Es­sen (Ur­teil vom 30.06.2011, 3 Ca 111/11) noch vor dem LAG Düssel­dorf Er­folg (Ur­teil vom 09.02.2012, 4 Sa 1025/11).

BAG: Re­gelt der Ar­beits­ver­trag die Ar­beits­zeit nicht, ist die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit ver­ein­bart

Auch das BAG ent­schied ge­gen die An­ge­stell­te, d.h. es bestätig­te die Ab­wei­sung ih­rer Ge­halts­kla­ge. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mel­dung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Wenn in ei­nem Ar­beits­ver­trag die Dau­er der Ar­beits­zeit nicht aus­drück­lich ge­re­gelt ist, gilt die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit als ver­ein­bart. Das be­deu­tet, dass der Ar­beit­neh­mer die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit ein­hal­ten muss, und zwar auch dann, wenn er ein "außer­ta­rif­li­cher" An­ge­stell­ter ist.

Und hier im Streit­fall hat­ten die Par­tei­en laut BAG die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit per Ar­beits­ver­trag als Maß für die zu leis­ten­de Ar­beit fest­ge­legt. Denn es gab hier kei­ne An­halts­punk­te dafür, dass die Par­tei­en ei­ne "dem Zeit­maß ent­ho­be­ne Ar­beits­pflicht" ver­ein­ba­ren woll­ten, so das BAG. Da­her muss­te der Ar­beit­ge­ber nur die Zei­ten be­zah­len, während der die An­ge­stell­te ge­ar­bei­tet hat­te.

Die Ent­schei­dung ist in dem Punkt rich­tig, dass der Ar­beits­ver­trag die Kläge­rin ver­pflich­tet, "auch außer­halb der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit" zu ar­bei­ten, denn das ist wohl so zu ver­ste­hen, dass sie zu­min­dest ein­mal die be­triebsübli­chen Zei­ten ein­hal­ten bzw. ar­bei­ten muss. Al­ler­dings ist frag­lich, ob es für AT-An­ge­stell­te in die­sem Be­trieb über­haupt ei­ne be­triebsübli­che Ar­beits­zeit gab, denn die ta­rif­li­chen Ar­beit­neh­mer mit ih­ren 38 St­un­den wa­ren in der Min­der­zahl. An die­ser Stel­le ist die Be­gründung des LAG und auch die des BAG et­was fragwürdig.

Fa­zit: Trotz die­ses Kri­tik­punk­tes ist das Ur­teil des BAG im Er­geb­nis rich­tig, denn die ar­beits­ver­trag­li­che Haupt­pflicht des Ar­beit­neh­mers be­steht nicht dar­in, ir­gend­wel­che Zie­le zu er­rei­chen, son­dern zu ar­bei­ten. Der Ar­beits­ver­trag ist kein Werk­ver­trag, son­dern ein Dienst­ver­trag und ver­pflich­tet den Ar­beit­neh­mer da­her zur "Mühewal­tung". Theo­re­tisch könn­ten die Ar­beits­ver­trags­par­tei­en von die­sem Mo­dell zwar ab­wei­chen, aber dafür braucht es hand­fes­te An­halts­punk­te, die hier im Streit­fall nicht ge­ge­ben wa­ren.

Da­her muss­te auch die An­ge­stell­te hier im Streit­fall gemäß ih­rem Ar­beits­ver­trag in ei­nem kon­kre­ten zeit­li­chen Um­fang ar­bei­ten (auch wenn die­ser Zeit­um­fang schwer fest­zu­stel­len war). Da sie das nicht ge­tan hat­te, konn­te der Ar­beit­ge­ber das Ge­halt kürzen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe schrift­lich ab­ge­fasst und veröffent­licht. Die Ent­schei­dungs­gründe im Voll­text fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 27. November 2020

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de
Bewertung: 4.5 von 5 Sternen (3 Bewertungen)

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 

Für Personaler, betriebliche Arbeitnehmervertretungen und andere Arbeitsrechtsprofis: "Update Arbeitsrecht" bringt Sie regelmäßig auf den neusten Stand der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung. Informationen zu den Abo-Bedingungen und ein kostenloses Ansichtsexemplar finden Sie hier:

Alle vierzehn Tage alles Wichtige
verständlich / aktuell / praxisnah

HINWEIS: Sämtliche Texte dieser Internetpräsenz mit Ausnahme der Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen sind urheberrechtlich geschützt. Urheber im Sinne des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG) ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Martin Hensche, Lützowstraße 32, 10785 Berlin.

Wörtliche oder sinngemäße Zitate sind nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung des Urhebers bzw. bei ausdrücklichem Hinweis auf die fremde Urheberschaft (Quellenangabe iSv. § 63 UrhG) rechtlich zulässig. Verstöße hiergegen werden gerichtlich verfolgt.

© 1997 - 2024:
Rechtsanwalt Dr. Martin Hensche, Berlin
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Lützowstraße 32, 10785 Berlin
Telefon: 030 - 26 39 62 0
Telefax: 030 - 26 39 62 499
E-mail: hensche@hensche.de