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LAG Düs­sel­dorf, Ur­teil vom 20.10.2016, 4 Sa 1025/11

   
Schlagworte: Arbeitszeit
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Aktenzeichen: 4 Sa 1025/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.10.2016
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Essen, Urteil vom 30.6.2011, 3 Ca 111/11
Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.05.2013, 10 AZR 325/12
   

LAN­DES­AR­BEITS­GERICHT DÜSSEL­DORF

IM NA­MEN DES VOL­KES

UR­TEIL

In dem Rechts­streit

der Frau J. I., X. Str. 13, E.,

- Kläge­rin und Be­ru­fungskläge­rin -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

ge­gen

die S. T. & U. GmbH, B. Str. 27, F.,

- Be­klag­te und Be­ru­fungs­be­klag­te -

Pro­zess­be­vollmäch­tig­te:

hat die 4. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Düssel­dorf
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 09.02.2012
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Pe­ter als
Vor­sit­zen­den so­wie den eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Kra­e­mer und den
eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Schmer­bach

für Recht er­kannt:

Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Es­sen vom 30.06.2011 wird kos­ten­pflich­tig zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.

 

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Tat­be­stand:

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob die Kläge­rin ver­pflich­tet ist, bei der Be­klag­ten 38 St­un­den in der Wo­che zu ar­bei­ten. Des Wei­te­ren darüber, ob die Be­klag­te be­rech­tigt ist, auf­grund des Um­stan­des, dass die Kläge­rin die­se Ar­beits­zeit nicht er­bracht hat, das Ge­halt der Kläge­rin ent­spre­chend zu kürzen.

Die Be­klag­te ist ein Toch­ter­un­ter­neh­men des S.-Kon­zerns und beschäftigt am Stand­ort Es­sen et­wa 800 Mit­ar­bei­ter. Da­bei han­delt es sich zu et­wa 1/3 um ta­rif­li­che, zu 2/3 um außer­ta­rif­li­che Mit­ar­bei­ter. Die am 05.09.1968 ge­bo­re­ne, le­di­ge Kläge­rin trat am 01.01.2003 in den Kon­zern ein. Sie ist seit dem 28.12.2005 bei der Be­klag­ten bzw. de­ren Rechts­vorgänge­rin­nen als Re­fe­ren­tin in der Ab­tei­lung N.-G „Gas Mar­ket Ana­ly­sis“ tätig. Nach dem Ar­beits­ver­trag vom 28.12.2005 (Bl. 3 ff. d. A.) ist die Kläge­rin außer­ta­rif­li­che Mit­ar­bei­te­rin.
Un­ter Zif­fer 1 des Ar­beits­ver­tra­ges „Tätig­keit“ be­stimmt:

...
„Sie neh­men Ih­re Tätig­keit als Re­fe­ren­tin bei der S. En­er­gy AG in der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit „Gas Stra­te­gy / Mar­ket Ana­ly­sis“ (EB-NG) auf.´

Sie üben die Ih­nen über­tra­ge­nen Auf­ga­ben als außer­ta­rif­li­che Mit­ar­bei­te­rin (AT-Mit­ar­bei­te­rin) aus.

Als Dienst­ort wird Dort­mund ver­ein­bart.“

Un­ter Zif­fer 2 „Vergütung“ ist in Ab­satz 5 be­stimmt:

...
„ (5) Im Rah­men Ih­rer Auf­ga­ben­stel­lung sind Sie ver­pflich­tet, auch außer­halb der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit tätig zu wer­den. Mit der Vergütung gemäß Zif­fer 2 ist die ge­sam­te Tätig­keit für die S. En­er­gy AG ab­ge­gol­ten; darüber hin­aus­ge­hen­de Zu­la­gen und Zu­schläge wer­den nicht gewährt.“

Wei­te­re Re­ge­lun­gen zur Ar­beits­zeit enthält der Ver­trag nicht. Die ver­trag­li­che Kündi­gungs­frist beträgt 6 Mo­na­te zum Quar­tals­en­de, dass ak­tu­el­le Jah­res­ge­halt ca. 95.000,-- € brut­to.

 

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Bei der Be­klag­ten exis­tiert ei­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 31.03.2009 zur Ar­beits­zeit, die Aus­zugs­wei­se fol­gen­de Re­ge­lun­gen enthält:

„Präam­bel:
Ziel die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung ist ei­ne mo­der­ne Ge­stal­tung der Ar­beits­zeit, um den An­for­de­run­gen des Wett­be­werbs Rech­nung zu tra­gen und den Mit­ar­bei­tern ei­ne fle­xi­ble Ein­tei­lung der Ar­beits­zeit zu ermögli­chen. Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung er­for­dert ei­ne ho­he Ver­ant­wor­tung der Führungs­kräfte und Mit­ar­bei­ter. Die Re­ge­lun­gen die­ser Be­triebs­ver­ein­ba­rung sind von Führungs­kräften und Mit­ar­bei­tern un­ein­ge­schränkt und ak­tiv um­zu­set­zen. Da­zu wird ei­ne in­ten­si­ve Ko­ope­ra­ti­on zwi­schen Führungs­kräften, Mit­ar­bei­tern und dem Be­triebs­rat vor­aus­ge­setzt.

§ 1 Gel­tungs­be­reich

Die­se Be­triebs­ver­ein­ba­rung gilt für al­le Mit­ar­bei­ter (Ta­rif- und AT-Mit­ar­bei­ter) der Ge­sell­schaft am Stand­ort Es­sen mit Aus­nah­me der Lei­ten­den An­ge­stell­ten gemäß § 5 Ab­satz 3,4 Be­trVG so­wie Aus­zu­bil­den­den, Werk­stu­den­ten, Prak­ti­kan­ten und Di­plo­man­den.“

§ 2 Ar­beits­zeit / Ar­beits­zeit­rah­men / Ser­vice­zeit

1. Die re­gelmäßige wöchent­li­che Ar­beits­zeit für Ta­rif­an­ge­stell­te be­stimmt sich nach dem je­weils gel­ten­den Ta­rif­ver­trag (z. Zt.: Man­tel­ta­rif­ver­trag Ta­rif­grup­pe S.) und beträgt der­zeit 38 St­un­den für Voll­zeit­mit­ar­bei­ter ...

2. Die Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit er­folgt in der Re­gel auf die Wo­chen­ta­ge Mon­tag bis Frei­tag je­weils zwi­schen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr. Die Mit­ar­bei­ter können die La­ge der Ar­beits­zeit in­ner­halb die­ses Rah­mens un­ter Berück­sich­ti­gung der be­trieb­li­chen Er­for­der­nis­se und der Ser­vice­zeit gemäß nach­fol­gen­der Zif­fer 3 in Ab­stim­mung mit dem Vor­ge­setz­ten frei wählen.

3. Für die Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten der Ge­sell­schaft gilt ei­ne Ser­vice­zeit an den Wo­chen­ta­gen Mon­tag bis Don­ners­tag je­weils von 9.00 Uhr bis 16.00 Uhr, am Frei­tag von 9.00 Uhr bis 15.00 Uhr. In­ner­halb die­ser Zeit ist die Er­reich­bar­keit der Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­hei­ten zu gewähr­leis­ten. Ei­ne ge­ne­rel­le An­we­sen­heits­pflicht für al­le Mit­ar­bei­ter der je­wei­li­gen Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit während der Ser­vice­zeit ist hier­mit nicht ver­bun­den. ...

 

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§ 5 Gleit­zeit

1. Für je­den Mit­ar­bei­ter wird ein Gleit­zeit­kon­to ein­ge­rich­tet und geführt. Da­von aus­ge­nom­men sind nur AT-Mit­ar­bei­ter, die gemäß Zif­fer II. 2., 3. und 5. der Bo­nus- Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 12. Fe­bru­ar 2008 in Ver­bin­dung mit An­la­ge 2 zur Bo­nus-Be­triebs­ver­ein­ba­rung der Vergütungs­grup­pe „Com­mer­ci­al“ an­gehören. Für die­se AT-Mit­ar­bei­ter wird kein Gleit­zeit­kon­to geführt und kein Ar­beits­zeits­al­do ge­bil­det; die Ar­beits­zei­ten wer­den le­dig­lich do­ku­men­tiert.

2. Das Gleit­zeit­kon­to von Ta­rif­mit­ar­bei­tern er­fasst die Dif­fe­renz aus IST-Ar­beits­zeit, die kei­ne Mehr­ar­beit gemäß § 4 Zif­fer 1 ist, und re­gelmäßiger Ar­beits­zeit.

3. Das Gleit­zeit­kon­to von AT-Mit­ar­bei­tern er­fasst die Dif­fe­renz aus IST-Ar­beits­zeit in­klu­si­ve Mehr­ar­beit und re­gelmäßiger Ar­beits­zeit.

4. Ganztägi­ge Ab­we­sen­hei­ten durch Krank­heit oder Ur­laub wer­den – so­weit es sich um be­zahl­te Fehl­zei­ten han­delt – mit 7,6 St­un­den Ar­beits­zeit be­wer­tet.

§ 7 Gleit­zeit­kon­to AT-Mit­ar­bei­ter

1. Das Gleit­zeit­kon­to für AT-Mit­ar­bei­ter (§ 5 Zif­fer 1) wird auf der Ba­sis der der­zeit gülti­gen ta­rif­li­chen Wo­chen­ar­beits­zeit (38 St­un­den) geführt. Die je­weils gülti­ge ta­rif­li­che Wo­chen­ar­beits­zeit wird aus­sch­ließlich zum Zweck der Führung des Gleit­zeit­kon­tos her­an­ge­zo­gen. Ei­ne ent­spre­chen­de Fest­le­gung der re­gelmäßigen wöchent­li­chen Ar­beits­zeit für AT-Mit­ar­bei­ter er­folgt da­mit nicht.

2. Zeit­gut­ha­ben sol­len vor­ran­gig durch Frei­zeit aus­ge­gli­chen wer­den.

3. So­weit das Gleit­zeit­kon­to ein Zeit­gut­ha­ben von 180 St­un­den oder ei­ne Zeit­schuld von 80 St­un­den er­reicht, ist der Vor­ge­setz­te ver­pflich­tet, mit dem Mit­ar­bei­ter ge­mein­sam mit dem Be­triebs­rat so­wie ei­nem Ver­tre­ter von Hu­man Re­sour­ces ein Gespräch zu führen und Maßnah­men zu ver­ein­ba­ren, die ein wei­te­res An­wach­sen des Zeit­gut­ha­bens, ins­be­son­de­re die Über­schrei­tung ei­nes Zeit­gut­ha­bens von 220 St­un­den, oder der Zeit­schuld ver­hin­dern. Die In­hal­te des Gesprächs sind von dem Vor­ge­setz­ten zu pro­to­kol­lie­ren. Das Pro­to­koll ist Hu­man Re­sour­ces und dem Be­triebs­rat zu­zu­lei­ten.

4. Der Be­triebs­rat kann Hu­man Re­sour­ces und den Vor­ge­setz­ten schon vor Er­rei­chen der in Zif­fer 3 fest­ge­leg­ten Zeits­al­den auf die Ent­wick­lung des Gleit­zeit­kon­tos ei­nes Mit­ar­bei­ters hin­wei­sen. Im Ein­ver­neh­men mit Hu­man Re­sour­ces und dem Vor­ge­setz­ten kann das Gespräch mit dem Mit­ar­bei­ter zur Ver­ein­ba­rung von Maßnah­men zum Ab­bau des Zeit­gut­ha­bens bzw. der Zeit­schuld schon vor Er­rei­chen der in Zif­fer 3 ge­nann­ten Zeits­al­den (-80+180) geführt wer­den.

 

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5. Zum 31.12. ei­nes Ka­len­der­jah­res be­ste­hen­de Zeit­gut­ha­ben ent­fal­len er­satz­los. Et­wai­ge Zeit­schul­den wer­den in vol­lem Um­fang auf das nächs­te Ka­len­der­jahr über­tra­gen und sind auch in die­sem Jahr ab­zu­bau­en.

Mit E-Mail vom 08.10.2010 (Bl. 44 d. A.) for­der­te die Be­klag­te die Kläge­rin auf, min­des­tens 7,6 St­un­den täglich zu ar­bei­ten. Am 15.10.2010 (Bl. 45 d. A.) wie­der­hol­te die Be­klag­te die­se Auf­for­de­rung und bat um Mit­tei­lung bis zum 29.10.2010, wie sie ihr Ar­beits­zeit­kon­to aus­zu­glei­chen ge­den­ke. Die Kläge­rin re­agier­te dar­auf nicht. Ihr Ar­beits­zeit­kon­to wies am 08.11.2010 ein Mi­nus von 686,44 St­un­den auf (Bl. 74 ff. d. A.). Mit Schrei­ben vom 10.11.2010 (Bl. 47 d. A.) for­der­te die Be­klag­te die Kläge­rin auf, ei­ne Wo­chen­ar­beits­zeit von 38 St­un­den ein­zu­hal­ten, und wies dar­auf hin, dass sie be­gin­nend mit dem Mo­nat No­vem­ber 2010 ei­nen Teil des Ge­halts ein­be­hal­ten wer­de, bis das Ar­beits­zeit­kon­to aus­ge­gli­chen sei. Mit ei­nem wei­te­ren Schrei­ben vom 10.11.2010 (Bl. 85 d. A.) sprach die Be­klag­te ei­ne Ab­mah­nung we­gen ei­ner ver­späte­ten Krank­mel­dung am 18.10.2010 (Bl. 85 d. A.) aus. Un­ter dem Da­tum 11.01.2011 er­hielt die Kläge­rin meh­re­re schrift­li­che Ab­mah­nun­gen, die sich auf fol­gen­de Sach­ver­hal­te be­zo­gen:

- un­ent­schul­dig­tes Feh­len am 12.11.2010, Bl. 53 d. A.

- in der 46. KW 2010 nur 21,99 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 54 d. A.

- in der 47. KW 2010 nur 20,55 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 55 d. A.

- in der 48. KW 2010 nur 10,7 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 56 d. A.

- in der 49. KW 2010 nur 8,18 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 57 d. A.

- in der 50. KW 2010 nur 3,07 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 58 d. A.

- in der 52. KW 2010 nur 2,2 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 59 d. A.

- in der 1. KW 2011 nur 3,18 St­un­den ge­ar­bei­tet, Bl. 60 d. A.

- un­ent­schul­dig­tes Feh­len am
09.12.2010, 10.12.2010, 13.12.2010, 15.12.2010, 16.12.2010, 20.12.2010, 21.12.2010, 22.12.2010, 23.12.2010, 27.12.2010, 28.12.2010, 29.12.2010 und 06.01.2011, Bl. 61-73 d. A.

 

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Die Kläge­rin be­an­trag­te am 20.01.2011 we­gen ei­nes Trau­er­falls Ur­laub für die Zeit vom 20.01.2011 bis zum 31.01.2011 (Bl. 81 d.A.). Die­ser wur­de ihr gewährt. Am 28.01.2011 reich­te sie ei­nen Ur­laubs­an­trag für wei­te­re 14 Ta­ge bis ein­sch­ließlich zum 18.02.2011 ein. Die­sen lehn­te die Be­klag­te ab. Dar­auf­hin er­schien die Kläge­rin am Diens­tag den 01.02.2011 wie­der zur Ar­beit, je­doch erst um 14.52 Uhr, ob­wohl sie um 13.00 Uhr ei­nen Ter­min mit ih­rem Vor­ge­setz­ten zur Be­spre­chung der Ziel­ver­ein­ba­rung hat­te. Um 17.23 Uhr be­en­de­te sie die Ar­beit. Am Mitt­woch, den 02.01.2011 er­schien die Kläge­rin um 13.17 Uhr und ging nach 3,63 St­un­den. Am Don­ners­tag, den 03.02.2011 war die Kläge­rin 3,52 St­un­den an­we­send, am Frei­tag den 04.02.2011 2,9 St­un­den, am Mon­tag, den 07.02.2011 3,77 St­un­den. Am Diens­tag, den 08.02.2011 er­schien sie nicht zur Ar­beit.

Die Be­klag­te hat für die hier streit­ge­genständ­li­chen Mo­na­te das Ge­halt der Kläge­rin um die er­mit­tel­ten Fehl­stun­den gekürzt.

In dem Ver­fah­ren 4 Sa 1112/11 – gleich­zei­tig vor der er­ken­nen­den Kam­mer anhängig – hat die Be­klag­te der Kläge­rin frist­los hilfs­wei­se frist­ge­recht gekündigt; ge­gen die­se Kündi­gung wen­det sich die Kläge­rin in je­nem Ver­fah­ren.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, dass sich we­der aus dem Ar­beits­ver­trag noch aus der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ei­ne Ver­pflich­tung ab­lei­ten las­se, an be­stimm­ten Ta­gen und zu be­stimm­ten Zei­ten an­we­send zu sein. Sie be­haup­tet, dass die Be­klag­te für die Kläge­rin in jünge­rer Ver­gan­gen­heit zu we­nig Ar­beit hat­te. Zu­dem ha­be sie zum Teil außer­halb des Be­trie­bes ge­ar­bei­tet und wer­de durch die man­geln­de Ko­ope­ra­ti­on der Be­klag­ten an der Er­brin­gung ih­rer Ar­beits­leis­tung ge­hin­dert.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

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1. Es wird fest­ge­stellt, dass die Kläge­rin kei­ne ar­beits­ver­trag­li­che Ver­pflich­tung zur Ab­leis­tung ei­ner 38-St­un­den-Wo­che hat.

2. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin 4.277,83 € brut­to nebst 45 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit zu be­zah­len.

3. Die Be­klag­te wird ver­ur­teilt, an die Kläge­rin wei­te­re 2.878,57 € zzgl. 5 % Zin­sen über dem Ba­sis­zins­satz seit Rechtshängig­keit an die Kläge­rin zu be­zah­len.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Die Be­klag­te hat die An­sicht ver­tre­ten, dass sich schon aus dem Vor­trag der Kläge­rin nicht er­ge­be, für wel­che Leis­tung sie Vergütungs­ansprüche gel­tend ma­che. Da ei­ne Ver­ein­ba­rung zur Ver­trau­ens­ar­beits­zeit nicht exis­tie­re und die Vor­aus­set­zun­gen für das Be­ste­hen ei­nes An­nah­me­ver­zu­ges we­der vorlägen noch vor­ge­tra­gen sei­en, sei die Kla­ge un­schlüssig. Sie be­haup­tet, dass die Kläge­rin die ihr über­tra­ge­nen Auf­ga­ben kei­nes­wegs er­le­digt ha­be, zu­mal sie für den Vor­ge­setz­ten nicht er­reich­bar ge­we­sen sei.

Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. We­gen der wei­te­ren Dar­stel­lung des Tat­be­stan­des und der Ent­schei­dungs­gründe wird auf das an­ge­foch­te­ne Ur­teil des Ar­beits­ge­rich­tes ver­wie­sen.

Mit der zulässi­gen Be­ru­fung ver­folgt die Kläge­rin un­ter Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens ihr Kla­ge­ziel wei­ter.

Sie weist ins­be­son­de­re dar­auf hin, dass das Ar­beits­ge­richt grund­le­gend die Re­ge­lun­gen der bei der Be­klag­ten be­ste­hen­den Ver­trau­ens­ar­beits­zeit ver­kannt

 

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ha­be. Es sei ge­ra­de für außer­ta­rif­li­che An­ge­stell­te kei­ne Ver­pflich­tung zur Ab­leis­tung ei­ner 38-St­un­den-Wo­che be­gründet wor­den. Erst Recht be­ste­he kei­ne Ver­pflich­tung, täglich min­des­tens 7,6 St­un­den zu ar­bei­ten.

Die im An­stel­lungs­ver­trag ge­trof­fe­nen Re­ge­lun­gen sei­en zu­min­dest un­klar und un­verständ­lich und recht­fer­tig­ten nicht die An­nah­me ei­ner der Kläge­rin ob­lie­gen­den Ar­beits­ver­pflich­tung in dem von der Be­klag­ten be­haup­te­ten Um­fang.

Ins­be­son­de­re ha­be die Be­klag­te zu kei­ner Zeit von ihr in der Ver­gan­gen­heit die Ab­leis­tung ei­ner be­stimm­ten Ar­beits­zeit ver­langt. Im Ge­gen­teil er­ge­be sich aus den von ihr zu den Ak­ten ge­reich­ten Aus­dru­cken und den von der Be­klag­ten er­stell­ten Ar­beits­zeits­al­den, die mo­nat­lich bei der Ge­halts­ab­rech­nung bei­ge­leg­ten hätten, dass un­abhängig da­von, wie tatsächlich ge­ar­bei­tet wor­den sei, der Stand des Ar­beits­zeit­kon­tos bei der Kläge­rin im­mer nur 0 ge­we­sen sei. Deut­li­cher könne aber ei­ne feh­len­de Ver­pflich­tung der Kläge­rin zur Ein­hal­tung ei­ner an­geb­li­chen be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit nicht do­ku­men­tiert wer­den.

Un­abhängig hier­von sei bei den im Jah­re 2005 zwi­schen dem Be­triebs­rat und der Per­so­nal­ab­tei­lung geführ­ten Ver­hand­lun­gen aus­drück­lich das Ver­lan­gen des Be­triebs­ra­tes, in den Verträgen mit Außer­ta­rif­li­chen ei­ne 38-St­un­den-Wo­che zu ver­ein­ba­ren, zurück­ge­wie­sen wor­den, mit der Be­mer­kung, dass der Ar­beit­ge­ber das un­ter­neh­me­ri­sche Ri­si­ko tra­ge und der Be­triebs­rat sich nicht um die­ses nicht der Mit­be­stim­mung un­ter­lie­gen­des The­ma kümmern sol­le.

Die Be­klag­te müsse da­her die Kon­se­quen­zen ei­ner in­trans­pa­ren­ten Re­ge­lung in ih­ren An­stel­lungs­verträgen tra­gen, falls man ent­ge­gen der von ihr ver­tre­te­nen Auf­fas­sung über­haupt zu dem Er­geb­nis ge­lan­ge, dass die Kläge­rin die Ein­hal­tung der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit von 38-St­un­den wöchent­lich schul­de.

Des Wei­te­ren zei­ge die von der Be­klag­ten geübte Pra­xis in der Ver­gan­gen­heit, wie sie von der Kläge­rin im Ein­zel­nen dar­ge­legt und durch die vor­ge­leg­ten

 

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Ar­beits­zeits­al­den ur­kund­lich do­ku­men­tiert wor­den sei, dass nicht von ei­ner ent­spre­chen­den Ver­pflich­tung der Kläge­rin aus­ge­gan­gen wer­den könne.

Sie be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Es­sen ab­zuändern und nach den Anträgen der I. In­stanz zu ent­schei­den.

Die Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

Sie ver­tei­digt un­ter Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens das Ur­teil ers­ter In­stanz. Ins­be­son­de­re weist sie dar­auf hin, dass so­wohl auf­grund der Re­ge­lun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges, als auch der ab­ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung für je­den Ar­beit­neh­mer und da­mit auch für die Kläge­rin klar ge­we­sen sei, dass sie die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit ein­zu­hal­ten hätte. Ins­be­son­de­re ha­be sie zu kei­ner Zeit auf das ihr zu­ste­hen­de Recht ver­zich­tet, die­se Ar­beits­zeit von der Kläge­rin ein­zu­for­dern. An­ge­sichts des auf­ge­tre­te­nen Mi­nus­sal­dos sei sie be­rech­tigt ge­we­sen, von der Kläge­rin – wie ge­sche­hen – die Ein­hal­tung der Ar­beits­zeit zu ver­lan­gen. Kom­me dem die Kläge­rin nicht nach, ha­be sie die sich hier­aus er­ge­ben­den Kon­se­quen­zen zu tra­gen.

Hin­sicht­lich des wei­te­ren Sach- und Streit­stan­des wird auf den übri­gen In­halt der Ak­te ergänzend Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe:

Die zulässi­ge Be­ru­fung der Kläge­rin ist nicht be­gründet.

 

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A.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit zu­tref­fen­den Erwägun­gen, auf die aus­drück­lich Be­zug ge­nom­men wird, die Kla­ge ab­ge­wie­sen.

B.

Un­abhängig hier­von ist zu den Einwänden der Be­ru­fung – für die Kam­mer strei­tent­schei­dend – her­aus­zu­stel­len, dass – vor­ab kurz skiz­ziert –

  • die Be­klag­te be­rech­tigt ge­we­sen ist, auf­grund der Re­ge­lun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges in Ver­bin­dung mit § 106 Ge­wO – zusätz­lich do­ku­men­tiert durch die Re­ge­lung in § 2 Zif­fer 2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 2009 – von der Kläge­rin die Ein­hal­tung ei­ner be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit von 38 St­un­den in der Wo­che ver­lan­gen kann (nach­fol­gend I.)
  • dem­gemäß die An­wei­sung vom 08.10.2010 so­wie die wei­te­re An­wei­sung vom 15.10.2010 – Auf­for­de­rung zur Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che und den Aus­gleich des Ar­beits­zeit­kon­tos vor­zu­neh­men - im Hin­blick auf das ein­ge­tre­te­ne Ne­ga­tiv­sal­do von 688,64 St­un­den im Streit­fall bil­li­gem Er­mes­sen ent­spro­chen hat (nach­fol­gend II.) und dem­ent­spre­chend das Ge­halt der Kläge­rin um die an­ge­fal­le­nen St­un­den zu Recht gekürzt wor­den ist.

I.

Die Kläge­rin ist auf­grund der Re­ge­lun­gen ih­res An­stel­lungs­ver­tra­ges vom 28.12.2005, ins­be­son­de­re der Re­ge­lung in Zif­fer 2 Abs. 5 ver­pflich­tet, bei der Be­klag­ten ei­nen be­triebsübli­che Ar­beits­zeit – hier: von 38 St­un­den wöchent­lich – ein­zu­hal­ten.

1. Da es sich bei dem hier in Fra­ge ste­hen­den Ar­beits­ver­trag – un­strei­tig – um vor­for­mu­lier­te Ver­trags­be­din­gun­gen han­delt und die­se all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen dar­stel­len, sind die­se nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung (statt al­ler BAG NZA 2006, 202) nach ih­rem ob­jek­ti­ven In­halt und ty­pi­schen

 

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Sinn ein­heit­lich aus­zu­le­gen, wie sie von rechts­kun­di­gen, verständi­gen und red­li­chen Ver­trags­part­nern un­ter Abwägung der In­ter­es­sen der nor­ma­ler­wei­se be­tei­lig­ten Ver­kehrs­krei­se ver­stan­den wer­den. Die den Ver­trags­schluss be­glei­ten­den Umstände sind hier­bei nicht bei der Aus­le­gung der all­ge­mei­nen Ver­trags­be­din­gun­gen son­dern bei der Prüfung der un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB zu berück­sich­ti­gen (BAG a. a. O.). Bei der Fest­stel­lung des hier­nach zu er­mit­teln­den Aus­le­gungs­in­hal­tes kommt die Un­klar­hei­ten­re­ge­lung nach § 305 c Abs. 2 BGB nicht schon dann zur An­wen­dung, wenn un­ter­schied­li­che Aus­le­gun­gen möglich sind, son­dern erst dann, wenn von die­sen nach den vor­ran­gi­gen all­ge­mei­nen Aus­le­gungs­prin­zi­pi­en, kei­ne den kla­ren Vor­zug ver­dient (BAG a. a. O., so­wie BGH NJW 2005, 1183). Der da­nach fest­ge­stell­te Aus­le­gungs­in­halt un­ter­liegt gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB ei­ner Trans­pa­renz­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, wo­bei sich die Un­wirk­sam­keit ei­ner Re­ge­lung auch aus ei­ner un­an­ge­mes­se­nen Be­nach­tei­li­gung er­ge­ben kann, die dar­aus re­sul­tiert, dass die Be­din­gun­gen nicht klar und verständ­lich sind. Die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen und Rechts­fol­gen müssen so be­schrie­ben wer­den, dass für den Ver­wen­der kei­ne un­ge­recht­fer­tig­ten Be­ur­tei­lungs­spielräume be­ste­hen, weil ge­ra­de Sinn des Trans­pa­renz­ge­bo­tes ist, der Ge­fahr vor­zu­beu­gen, dass der Ver­trags­part­ner des Klau­sel­ver­wen­ders von der Durch­set­zung be­ste­hen­der Rech­te ab­ge­hal­ten wird (vgl. zu­letzt BAG vom 01.09.2010 – 5 AZR 517/09 – be­zo­gen auf die AGB-Kon­trol­le bei ei­ner Über­stun­den­pau­scha­lie­rungs­ab­re­de).

2. Geht man von die­sen Grundsätzen im Streit­fall aus, ist der Kläge­rin zunächst zu­zu­ge­ste­hen, dass die Be­klag­te die ihr gemäß der Re­ge­lung in § 2 Zif­fer 7 des Nach­weis­ge­setz­tes ob­lie­gen­de Ver­pflich­tung, die ver­ein­bar­te Ar­beits­zeit im An­stel­lungs­ver­trag zu ver­ein­ba­ren, ver­letzt hat und da­mit letzt­lich nicht un­er­heb­lich zu dem hier vor­lie­gen­den Rechts­streit bei­ge­tra­gen hat (vgl. da­zu nach­fol­gend un­ter III.). Die­se Ver­let­zung der ihr ob­lie­gen­den Ver­pflich­tung ändert je­doch nichts dar­an, dass die streit­ge­genständ­li­chen Re­ge­lun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges nach Auf­fas­sung der Kam­mer kei­nen Zwei­fel dar­an las­sen, dass die Kläge­rin ver­pflich­tet ge­we­sen ist, die be­triebsübli­che wöchent­li­che Ar­beits­zeit von 38 St­un­den ein­zu­hal­ten und die Be­klag­te le­dig­lich

 

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dar­auf in der Ver­gan­gen­heit ver­zich­tet hat, die Ein­hal­tung die­ser Re­ge­lun­gen zu über­prüfen. Dies ändert je­doch nichts dar­an, dass sie je­der­zeit be­rech­tigt ge­we­sen ist, die Ein­hal­tung der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit von der Kläge­rin zu for­dern.

Im Ein­zel­nen:

a) Her­aus­zu­stel­len ist zunächst, dass in Zif­fer 1 des An­stel­lungs­ver­tra­ges aus­drück­lich als Dienst­ort Dort­mund – jetzt Es­sen – ver­ein­bart wor­den ist, wor­aus sich be­reits er­sch­ließt, dass die Kläge­rin grundsätz­lich ver­pflich­tet ist, am Dienst­ort in Dort­mund zu ar­bei­ten und nicht zu Hau­se.

b) Des Wei­te­ren und – in­so­weit kaum miss­zu­ver­ste­hen – ist in Zif­fer 2 Abs. 5 aus­drück­lich ver­ein­bart, dass die Kläge­rin im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben­stel­lung ver­pflich­tet ist, auch außer­halb der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit tätig zu wer­den. Die­se Be­stim­mung be­inhal­tet zwangsläufig, dass die Kläge­rin zu­min­dest ver­pflich­tet ist, die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit ein­zu­hal­ten und in­ner­halb die­ser be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit tätig zu wer­den, je­den­falls dann, wenn die Be­klag­te es auf­grund die­ser Re­ge­lung ver­langt (ver­glei­che nach­fol­gend II.). Die ge­gen­tei­li­ge Ar­gu­men­ta­ti­on der Kläge­rin zur Ver­trau­ens­ar­beits­zeit ver­kennt in die­sem Zu­sam­men­hang, dass die Kläge­rin – in­so­weit un­strei­tig – nicht über ei­nen Ver­trag über ei­nen Heim­ar­beits­platz verfügt, wie er gleich­falls zu­wei­len bei der Be­klag­ten ab­ge­schlos­sen wird, son­dern sie als abhängi­ge Ar­beit­neh­me­rin auf­grund des An­stel­lungs­ver­tra­ges tätig ist. Da nach dem Ar­beits­ver­trag aber – je­dem Ar­beit­neh­mer be­kannt – die Leis­tung von Ar­beit und – wird kei­ne ge­gen­tei­li­ge Ver­pflich­tung ver­ein­bart – nicht ein Er­folg oder ei­ne be­stimm­te Art der Auf­ga­ben­erfüllung ge­schul­det wird, gilt grundsätz­lich die be­trieb­li­che Ar­beits­zeit als ver­ein­bart, wenn die Par­tei­en kei­ne aus­drück­li­che Ver­ein­ba­rung über Dau­er und La­ge der Ar­beits­zeit ge­trof­fen ha­ben (vgl. BAG NZA 93, 89 so­wie Schaub, Ar­beits­rechts­hand­buch, § 45 Rz. 49 m. w. N.). Ein Ar­beit­neh­mer, der in ei­nem abhängi­gen Ar­beits­verhält­nis beschäftigt ist, kann die hier streit­ge­genständ­li­che Be­stim­mung des Ar­beits­ver­tra­ges nach ih­rem ty­pi­schen Sinn nur so ver­ste­hen, dass er eben nicht frei ist darüber zu ent­schei­den, wann und zu wel­cher Zeit er in den Be­trieb kommt, son­dern er

 

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ver­pflich­tet ist, ei­ne be­triebsübli­che Ar­beits­zeit von 38 St­un­den je­den­falls dann ein­zu­hal­ten, wenn dies der Ar­beit­ge­ber von ihm for­dert – mag auch der Ar­beit­ge­ber zu­vor von die­ser Ein­for­de­rung der dem Ar­beit­neh­mer ob­lie­gen­den Ver­pflich­tung ab­ge­se­hen ha­ben. Sch­ließlich ist die Ein­hal­tung ei­ner be­stimm­ten Ar­beits­zeit – mag auch, wie von der Kläge­rin ge­schil­dert, ei­ne Ver­trau­ens­ar­beits­zeit be­ste­hen, We­sens­in­halt ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses.

c) So­weit die Kläge­rin in die­sem Zu­sam­men­hang zur Fest­stel­lung des Ver­trags­in­hal­tes dar­auf ver­wie­sen hat, es ge­be bei der Be­klag­ten ge­ra­de kei­ne be­triebsübli­che Ar­beits­zeit für außer­ta­rif­li­che An­ge­stell­te, wird zwei­er­lei ver­kannt: Da in der streit­ge­genständ­li­chen Be­stim­mung ge­ra­de die Ver­pflich­tung nor­miert ist, auch außer­halb der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit tätig zu wer­den, er­gibt die­se Ver­pflich­tung nur ei­nen Sinn, wenn die dort ge­nann­te be­triebsübli­che Ar­beits­zeit die­je­ni­ge ist, die „nor­ma­ler­wei­se“ von den Ar­beit­neh­mern ein­zu­hal­ten ist, dies ist aber für Ta­rif­an­ge­stell­te un­strei­tig die 38-St­un­den-Wo­che. Des Wei­te­ren ver­kennt die Kläge­rin, dass die Fra­ge, ob ein außer­ta­rif­li­cher An­ge­stell­ter grundsätz­lich ver­pflich­tet ist zu­min­dest die 38-St­un­den-Wo­che ein­zu­hal­ten, von der wei­te­ren Fra­ge zu tren­nen ist, ob die ein­zu­hal­ten­de Ver­pflich­tung auch von dem Ar­beit­ge­ber über­prüft, oder die­ser – wie bei der Be­klag­ten ge­sche­hen – zunächst dar­auf ver­zich­tet hat, die Ein­hal­tung die­ser be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit ein­zu­for­dern. Das Un­ter­las­sen ei­ner sol­chen Ein­for­de­rung ändert aber nichts dar­an, dass nach dem Sinn der hier in Fra­ge ste­hen­den ver­trag­li­chen Re­ge­lun­gen die grundsätz­li­che Ver­pflich­tung der Kläge­rin be­steht, die 38-St­un­den-Wo­che ein­zu­hal­ten, je­den­falls dann, wenn dies der Ar­beit­ge­ber aus­drück­lich von ihr ver­langt (nach­fol­gend II.).

d) Aus die­sem Grun­de ist es auch – sei­tens der Kläge­rin im Schrift­satz vom 09.02.2012 un­ter Be­weis­an­tritt vor­ge­tra­gen – völlig un­er­heb­lich, ob bei Gesprächen zwi­schen der Per­so­nal­ab­tei­lung und dem Be­triebs­rat Einwände des Be­triebs­ra­tes, dass in den Verträgen nicht auf die 38-St­un­den-Wo­che Be­zug ge­nom­men wor­den sei, sei­tens des Ar­beit­ge­bers mit der Be­gründung zurück­ge­wie­sen wur­den, dass der Ar­beit­ge­ber das un­ter­neh­me­ri­sche Ri­si­ko

 

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dar­aus tra­ge. Ab­ge­se­hen da­von, dass die­se hier sei­tens der Kläge­rin zwi­schen dem Be­triebs­rat und dem Ar­beit­ge­ber ge­schil­der­ten Ver­hand­lun­gen nichts dar­an ändern, dass ob­jek­ti­ver In­halt des ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges die Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che ist, be­deu­tet die da­nach zu­ge­sag­te Über­nah­me des un­ter­neh­me­ri­schen Ri­si­kos nicht, dass die Be­klag­te zu­gleich auf ihr Recht ver­zich­tet hat, je­den­falls im Ein­zel­fall auf­grund der streit­ge­genständ­li­chen Re­ge­lun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges die Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che zu for­dern, weil sie – wie vor­ge­hend dar­ge­legt – sich ge­ra­de aus den Be­stim­mun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges er­sch­ließt.

e) Aus die­sem Grun­de ist es – was den In­halt der hier fest­ge­stell­ten Ver­pflich­tung der Kläge­rin zur Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che be­trifft – auch un­er­heb­lich, dass die Kläge­rin – wie sie im Ein­zel­nen im Schrift­satz vom 03.02.2012 dar­ge­legt hat – je­weils mit der mo­nat­li­chen Ge­halts­ab­rech­nung die von ihr bei­gefügten Ar­beits­zeits­al­den er­hal­ten hat, wor­aus sich der Stand des Ar­beits­zeit­kon­tos bei der Kläge­rin „null“ er­ge­ben hat. Die Kläge­rin ver­kennt auch in­so­weit, dass ge­ra­de weil – un­strei­tig – sie nicht an der Gleit­zeit­er­fas­sung teil­ge­nom­men hat und teil­neh­men muss­te, zwangsläufig sich dar­aus die hier über­reich­ten Ar­beits­zeits­al­den er­ge­ben ha­ben. Dies ändert je­doch nichts dar­an, dass die Ver­pflich­tung der Kläge­rin zur Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che ar­beits­ver­trag­lich aus den ge­nann­ten Gründen be­stan­den hat, so­dass die Be­klag­te be­rech­tigt ist, im Ein­zel­fall von ei­nem außer­ta­rif­li­chen An­ge­stell­ten – wie bei der Kläge­rin ge­sche­hen – die Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che zu for­dern.

3. Zu­sam­men­fas­send lässt sich da­mit fest­stel­len, dass ob­jek­ti­ver In­halt des hier zu be­ur­tei­len­den An­stel­lungs­ver­tra­ges die Ver­pflich­tung des außer­ta­rif­li­chen An­ge­stell­ten ist, während der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit zu ar­bei­ten, d. h. aber in der 38-St­un­den-Wo­che. Ei­ne an­de­re hier­von zu tren­nen­de Fra­ge ist wie­der­um, ob die­se Be­stim­mung hin­rei­chend verständ­lich ge­we­sen und die Be­klag­te be­rech­tigt ge­we­sen ist, im Ein­zel­fall von der Kläge­rin – wie un­strei­tig ge­sche­hen – die Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che zu ver­lan­gen.

 

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II.

Die sei­tens der Be­klag­ten un­ter dem 08.10.2010 und 15.10.2010 er­teil­te Auf­for­de­rung, min­des­tens 7,6 St­un­den täglich zu ar­bei­ten im Hin­blick auf das auf­ge­lau­fe­ne Mi­nus­sal­do von 686,44 St­un­den und die wei­te­re Auf­for­de­rung, je­den­falls ei­ne Wo­chen­ar­beits­zeit von 38-St­un­den ein­zu­hal­ten (Schrei­ben vom 10.11.2010) ist rechts­wirk­sam, weil sie bil­li­gem Er­mes­sen ent­spro­chen hat.

1. Ent­ge­gen der sei­tens der Kläge­rin ver­tre­te­nen Auf­fas­sung sind die streit­ge­genständ­li­chen Be­stim­mun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges nicht des­halb un­an­ge­mes­sen, weil sie nicht klar und verständ­lich sind und da­her - man­gels ent­ge­gen­ste­hen­der Re­ge­lun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges - die Kläge­rin nicht ver­pflich­tet ge­we­sen ist, die hier er­teil­ten An­wei­sun­gen zu be­fol­gen.

a) Aus den hier er­folg­ten Re­ge­lun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges er­gibt sich, dass je­der verständi­ge und red­li­cher Ver­trags­part­ner, der - wie die Kläge­rin - als außer­ta­rif­li­cher Ar­beit­neh­mer und da­mit in ei­nem abhängi­gen Ar­beits­verhält­nis beschäftigt ist, ver­pflich­tet ist, zu­min­dest - wie in dem An­stel­lungs­ver­trag ge­re­gelt - die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit von 38 St­un­den des­halb ein­zu­hal­ten, weil er ge­ra­de auch außer­halb der be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit zur Ar­beits­leis­tung ver­pflich­tet ist, mit­hin al­so zu­min­dest - wie vor­ge­hend dar­ge­legt - die be­triebsübli­che Ar­beits­zeit ein­zu­hal­ten hat. Vor dem - wei­ter­hin je­dem verständi­gen Ver­trags­part­ner be­kann­tem - Hin­ter­grund der ge­setz­li­chen Re­ge­lung in § 106 Ge­wO, wo­nach der Ar­beit­ge­ber un­ter an­de­rem die Zeit der Ar­beits­leis­tung be­stim­men kann, so­weit nicht im An­stel­lungs­ver­trag et­was an­de­res ge­re­gelt ist, er­gibt sich wei­ter­hin, dass der Kläge­rin klar sein muss­te - wie im Übri­gen je­dem an­de­ren außer­ta­rif­li­chen An­ge­stell­ten auch -, dass sie - ge­ra­de weil sie ar­beits­ver­trag­lich we­der ei­nen Heim­ar­beits­platz hat­te noch ar­beits­ver­trag­lich le­dig­lich ver­pflich­tet ge­we­sen ist, ei­ne be­stimm­te Auf­ga­be un­abhängig von ei­ner be­triebsübli­chen Ar­beits­zeit zu erfüllen - nicht „ar­bei­ten konn­te, wie sie woll­te“, son­dern ver­pflich­tet war, die­se be­triebsübli­che Ar­beits­zeit ein­zu­hal­ten. Al­lein der Um­stand, dass die Be­klag­te da­von Ab­stand nahm, die­se be­triebsübli­che Ar­beits­zeit - wie in der Be­triebs­ver­ein­ba­rung 2009

 

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do­ku­men­tiert - nicht durch Führung ei­nes Gleit­zeit­kon­tos bei den außer­ta­rif­li­chen An­ge­stell­ten zu über­wa­chen, ändert nichts dar­an, dass die Kläge­rin zur Erfüllung der 38-St­un­den-Wo­che nach den Be­stim­mun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges man­gels ent­ge­gen­ste­hen­der aus­drück­li­cher Re­ge­lung ver­pflich­tet ge­we­sen ist. Es geht in­so­weit nicht um mehr­deu­ti­ge Re­ge­lun­gen, son­dern um Be­stim­mun­gen des An­stel­lungs­ver­tra­ges, die bei verständi­ger Würdi­gung je­den­falls an den Ver­trags­in­halt - zu­min­dest Ab­leis­tung der 38-St­un­den-Wo­che - kei­nen Zwei­fel las­sen.

b) Nichts an­de­res er­gibt sich aus der hier ge­schlos­se­nen Be­triebs­ver­ein­ba­rung 2009, in der in glei­cher Wei­se verständ­lich nor­miert ist, dass sie, die Be­triebs­ver­ein­ba­rung, für al­le An­ge­stell­ten – und da­mit auch die Außer­ta­rif­li­chen – gilt (§ 1) und dann le­dig­lich durch die Re­ge­lun­gen in § 2, Zif­fer 1 für Ta­rif­an­ge­stell­te ei­ne 38,5-St­un­den-Wo­che be­stimmt ist, mit der im Fol­gen­den nor­mier­ten Ver­pflich­tung zur Führung ei­nes Gleit­zeit­kon­tos, wo hin­ge­gen für außer­ta­rif­li­che An­ge­stell­te wie der Kläge­rin die Führung ei­nes Gleit­zeit­kon­tos un­ter­blieb und le­dig­lich ih­re Ar­beits­zei­ten do­ku­men­tiert wur­den (§ 5 Zif­fer 1). Auch die­se Re­ge­lun­gen der Be­triebs­ver­ein­ba­rung ändern nichts an der grundsätz­li­chen Ver­pflich­tung zur Ein­hal­tung der 38-St­un­den-Wo­che für außer­ta­rif­li­che An­ge­stell­te und an der Be­rech­ti­gung der Be­klag­ten, die­se Ein­hal­tung im Ein­zel­fall zu for­dern und zu über­wa­chen. Ab­ge­se­hen da­von, dass sich die­ses Recht der Be­klag­ten be­reits aus der ge­setz­li­chen Re­ge­lung in § 106 Ge­wO er­gibt, wird es in glei­cher Wei­se durch die Re­ge­lung in § 2 Abs. 2 der Be­triebs­ver­ein­ba­rung nor­miert, wo­nach die Ver­tei­lung der wöchent­li­chen Ar­beits­zeit in der Re­gel auf die ge­nann­ten Wo­chen­ta­ge er­folgt und die Mit­ar­bei­ter in­ner­halb die­ses Rah­mens in Ab­stim­mung mit dem Vor­ge­setz­ten die Ar­beits­zei­ten frei wählen können. „Ab­stim­mung mit dem Vor­ge­setz­ten“ schließt aber nicht aus, dass im Ein­zel­fall – wie hier ge­sche­hen – ein außer­ta­rif­li­cher Mit­ar­bei­ter zur Ein­hal­tung je­den­falls der 38-St­un­den-Wo­che an­ge­wie­sen wird. Die­se Re­ge­lung der Be­triebs­ver­ein­ba­rung trifft er­sicht­lich al­lein den „übli­chen“ Fall ei­ner Ab­stim­mung der Ar­beits­zei­ten, schließt aber ge­ra­de nicht das ar­beit­ge­ber­sei­ti­ge ge­setz­li­che Di­rek­ti­ons­recht nach § 106 Ge­wO aus.

 

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c) War da­nach die Be­klag­te be­rech­tigt, von der Kläge­rin die Ein­hal­tung ei­ner Wo­chen­ar­beits­zeit von 38 St­un­den zu ver­lan­gen, war die Be­klag­te auch kraft Di­rek­ti­ons­rechts be­rech­tigt, die Kläge­rin kon­kret auf­zu­for­dern, min­des­tens 7,6 St­un­den täglich zu ar­bei­ten, um zu­min­dest auf die­se Wei­se nicht ein wei­te­res An­wach­sen der Mi­nus­stun­den hin­zu­neh­men. Die­se An­wei­sung ent­sprach bil­li­gem Er­mes­sen. „Bil­li­ges Er­mes­sen“ er­for­dert nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung auch die Berück­sich­ti­gung der In­ter­es­sen des Ar­beit­neh­mers. An­ge­sichts ei­nes auf­ge­lau­fe­nen Mi­nus von 686,44 St­un­den – dies ent­spricht im­mer­hin ei­ner „Fehl­zeit“ von gut 4 Ar­beits­mo­na­ten – ist es aber nicht zu be­an­stan­den, wenn die Be­klag­te die „Not­brem­se“ zieht, um bei ei­nem außer­ta­rif­li­chen Mit­ar­bei­ter, der – wie die Kläge­rin – of­fen­sicht­lich die be­ste­hen­de Ver­trau­ens­ar­beits­zeit miss­ver­stan­den hat, die not­wen­di­gen ar­beits­recht­li­chen Schrit­te zur Ein­hal­tung der ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tun­gen ein­zu­for­dern. Die Kläge­rin kann sich dem ge­genüber nicht dar­auf be­ru­fen, dies sei in der Ver­gan­gen­heit nicht, bzw. nicht mit dem nöti­gen Nach­druck ge­sche­hen, weil – wie vor­ge­hend dar­ge­legt – die of­fen­bar bis­her sei­tens der Be­klag­ten geübte Pra­xis nichts an der grundsätz­li­chen ar­beits­ver­trag­li­chen Ver­pflich­tung der Kläge­rin ei­ne 38-St­un­den-Wo­che ein­zu­hal­ten, geändert hat.

Dem­ent­spre­chend ist die Be­klag­te da­her be­rech­tigt ge­we­sen, das Ge­halt der Kläge­rin um die an­ge­fal­le­nen Fehl­stun­den zu kürzen.

III.

Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Kam­mer hat der Re­vi­si­on we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der hier an­ge­spro­che­nen Fra­gen im Zu­sam­men­hang mit der bei der Be­klag­ten be­ste­hen­den Ver­trau­ens­ar­beits­zeit für außer­ta­rif­li­che An­ge­stell­te zu­ge­las­sen.

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