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ARBEITSRECHT AKTUELL // 13/294

Streik­auf­ruf durch Be­triebs­rat

Be­triebs­rä­te dür­fen zwar als Ge­werk­schafts­mit­glie­der zum Streik auf­ru­fen, aber nicht über dienst­li­che E-Mail-Adres­sen: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Be­schluss vom 15.10.2013, 1 ABR 31/12
Streik sechs Streikende

16.10.2013. Dass Be­triebs­rä­te und Be­triebs­rats­mit­glie­der in ih­rer Ei­gen­schaft als be­trieb­li­che Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter nicht zum Streik auf­ru­fen dür­fen, ist all­ge­mein an­er­kannt.

Eben­so klar ist auf der an­de­ren Sei­te, dass sie das "als Ge­werk­schafts­mit­glie­der" na­tür­lich dür­fen: Be­triebs­rats­mit­glie­der dür­fen zum Streik auf­ru­fen oder ge­werk­schaft­li­che Streik­auf­ru­fe wei­ter ver­brei­ten, wenn sie da­bei deut­lich ma­chen, dass sie das als Ge­werk­schafts­mit­glie­der tun.

Bis­lang hat­te das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) nicht ent­schie­den, ob Be­triebs­rä­te und/oder ih­re Mit­glie­der "als Ge­werk­schafts­mit­glie­der" bzw. "als Pri­vat­per­so­nen" zum Streik auf­ru­fen dür­fen, da­bei aber dienst­li­che E-Mail-Adres­sen ih­res Ar­beit­ge­bers ver­wen­den dür­fen.

In ei­ner ges­tern er­gan­ge­nen Ent­schei­dung hat das BAG ent­schie­den, dass die Nut­zung dienst­li­cher E-Mail-Adres­sen des Ar­beit­ge­bers zum Zwe­cke des Streik­auf­rufs ge­ne­rell un­zu­läs­sig ist: BAG, Be­schluss vom 15.10.2013, 1 ABR 31/12.

Dürfen Ar­beit­neh­mer oder Be­triebsräte - als Ge­werk­schafts­mit­glie­der - über dienst­li­che E-Mail-Adres­sen zum Streik auf­ru­fen?

Be­triebsräte und Be­triebs­rats­mit­glie­der sind nach § 74 Abs.2 Satz 1 Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz (Be­trVG) da­zu ver­pflich­tet, "Maßnah­men des Ar­beits­kamp­fes" zu un­ter­las­sen. Denn Ar­beits­kampf­maßnah­men wer­den durch die­se ge­setz­li­che Vor­schrift für "un­zulässig" erklärt.

Al­ler­dings stellt das Ge­setz so­fort im An­schluss dar­an klar, dass "Ar­beitskämp­fe ta­riffähi­ger Par­tei­en" durch die­ses Ver­bot "nicht berührt" wer­den. Ta­riffähig sind auf Sei­ten der Ar­beit­neh­mer nur die Ge­werk­schaf­ten, d.h. nur sie (und nicht et­wa ein Be­triebs­rat) können Ta­rif­verträge ab­sch­ließen.

Die­se Re­ge­lung läuft dar­auf hin­aus, dass Be­triebs­rats­mit­glie­der beim The­ma Streik und Streik­auf­ruf ge­dank­lich zwei Kap­pen be­reit hal­ten soll­ten - die Kap­pe des Be­triebs­rats und die Kap­pe des Ge­werk­schafts­mit­glieds. Ru­fen sie zum Streik auf, dürfen sie die Be­triebs­rats­kap­pe nicht tra­gen.

Da­her ver­s­toßen Streik­auf­ru­fe per E-Mail ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot, wenn in ei­ner E-Mail-Si­gna­tur auf das Amt des Ab­sen­ders als Be­triebs­rat hin­ge­wie­sen wird. In die­sem Sin­ne hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) München im Jah­re 2010 ent­schie­den (LAG München, Be­schluss vom 06.05.2010, 3 TaBV Ga 10/10 - wir be­rich­te­ten darüber in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 10/183 Tren­nung von Be­triebs­rats­ar­beit und Ar­beits­kampf).

Aber wie ist es, wenn der Ab­sen­der ei­nes Streik­auf­rufs per E-Mail sei­ne Mail nicht "als Be­triebs­rats­mit­glied" ver­schickt, aber ei­ne dienst­li­che E-Mail-Adres­se be­nutzt, d.h. ei­nen E-Mail-Ac­count, den der Ar­beit­ge­ber ein­ge­rich­tet hat? Das Hes­si­sche LAG hat ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se 2010 als rech­tens be­wer­tet und ei­ne dar­auf gestütz­te Ab­mah­nung als un­zulässig, da es die Be­ein­träch­ti­gung der Be­lan­ge des Ar­beit­ge­bers als mi­ni­mal be­wer­te­te (Hes­si­sches LAG, Ur­teil vom 20.08.2010, 19 Sa 1835/09 - wir be­rich­te­ten in Ar­beits­recht ak­tu­ell: 11/045 Auf­ruf zum Streik vom ei­ge­nen Ar­beits­platz).

Aber auch wenn ein zum Streik auf­ru­fen­des Be­triebs­rats­mit­glied bei ei­ner sol­chen Vor­ge­hens­wei­se nicht ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot des § 74 Abs.2 Satz 1 Be­trVG verstößt, bleibt doch die Tat­sa­che, dass er da­bei die Ein­rich­tun­gen des Ar­beit­ge­bers für die Or­ga­ni­sa­ti­on ei­nes Streiks be­nutzt. Das ist für Ar­beit­ge­ber schwer zu ver­dau­en.

Der Fall des BAG: Be­triebs­rats­mit­glied ruft als ver.di-Mit­glied zum Warn­streik auf und be­nutzt da­zu ei­ne dienst­li­che E-Mail-Adres­se sei­nes Ar­beit­ge­bers

Im Streit­fall ging es um ei­nen Warn­streik in ei­nem Ber­li­ner Kran­ken­haus mit 870 Ar­beit­neh­mern. Der Vor­sit­zen­de des Be­triebs­rats und sein Stell­ver­tre­ter wa­ren Mit­glie­der der Ge­werk­schaft ver.di. Im Rah­men von Ta­rif­ver­hand­lun­gen rief die ver.di für den 13.04.2011 zu ei­nem Warn­streik auf.

Der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de lei­te­te den Streik­auf­ruf an Ar­beit­neh­mer des Kran­ken­hau­ses wei­ter, und zwar als An­la­ge zu ei­ner E-Mail vom 11.04.2011, die er von sei­nem dienst­li­chen E-Mail-Ac­count aus ab­sand­te. In sei­ner E-Mail rief „die Be­triebs­grup­pe ver.di“ al­le Beschäftig­ten auf, sich an dem Warn­streik zu be­tei­li­gen. Als Un­ter­zeich­ner wa­ren für die „Be­triebs­grup­pe ver.di“ sein Na­me und der Na­me des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den an­ge­ge­ben und außer­dem de­ren Durch­wahl-Num­mern im Be­triebs­ratsbüro und die pri­va­ten Han­dy­num­mern des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und des Stell­ver­tre­ters.

Der Kran­ken­haus­be­trei­ber be­wer­te­te das als Ver­s­toß ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot gemäß § 74 Abs.2 Satz 1 Be­trVG und ver­klag­te den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und den Stell­ver­tre­ter vor dem Ar­beits­ge­richt Ber­lin auf Un­ter­las­sung. Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin (Be­schluss vom 14.07.2011, 1 BV 6960/11) und das für die Be­schwer­de zuständi­ge LAG Ber­lin-Bran­den­burg ga­ben dem Ar­beit­ge­ber recht (LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 31.01.2012, 7 TaBV 1733/11).

Das LAG stütz­te sei­ne Ent­schei­dung auf § 74 Abs.2 Satz 1 Be­trVG, denn sei­ner Mei­nung hat­te die E-Mail auf­grund der Nut­zung der dienst­li­chen E-Mail-Adres­se und der An­ga­be der Te­le­fon­num­mer des Be­triebs­ratsbüros ei­nen ver­bo­te­nen Be­zug zum Be­triebs­rats­amt. Und da der Vor­sit­zen­de des Be­triebs­rats, der die E-Mail ja gar nicht ver­schickt hat­te, die Vor­ge­hens­wei­se sei­nes Stell­ver­tre­ters recht­fer­tig­te, wur­de auch er zur Un­ter­las­sung ver­ur­teilt.

BAG: Be­triebsräte dürfen zwar als Ge­werk­schafts­mit­glie­der zum Streik auf­ru­fen, aber nicht über dienst­li­che E-Mail-Adres­sen

Auch das BAG ent­schied zu­guns­ten des Ar­beit­ge­bers. In der der­zeit al­lein vor­lie­gen­den Pres­se­mit­tei­lung des BAG heißt es zur Be­gründung:

Der Ar­beit­ge­ber kann auf der Grund­la­ge von § 1004 Abs.1 Satz 2 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB), d.h. auf der Grund­la­ge sei­nes Ei­gen­tums­rechts ver­lan­gen, dass sei­ne Ar­beit­neh­mer ein von ihm ein­ge­rich­te­tes In­tra­net und dienst­li­che E-Mai-Adres­sen nicht da­zu be­nut­zen, ei­nen ge­gen den Ar­beit­ge­ber ge­rich­te­ten Streik zu or­ga­ni­sie­ren. Denn an­dern­falls müss­te der Ar­beit­ge­ber es dul­den, dass sei­ne Be­triebs­mit­tel zur Or­ga­ni­sa­ti­on von Streiks ver­wen­det wer­den.

Da­ge­gen stellt das BAG klar, dass hier ent­ge­gen der An­sicht des LAG Ber­lin-Bran­den­burg kein Ver­s­toß ge­gen § 74 Abs.2 Satz 1 Be­trVG vor­lag. Ob­wohl die Pres­se­mel­dung das nicht wei­ter be­gründet, ist an­zu­neh­men, dass nach Auf­fas­sung des BAG in der strei­ti­gen E-Mail deut­lich ge­nug her­vor­ge­ho­ben wur­de, wer hier zum Streik auf­ruft (nämlich die ver.di bzw. ein Mit­glied der ver.di).

Fa­zit: Ar­beit­neh­mer sind all­ge­mein nicht da­zu be­rech­tigt, ei­nen vom Ar­beit­ge­ber für dienst­li­che Zwe­cke zur Verfügung ge­stell­ten E-Mail-Ac­count für die be­triebs­in­ter­ne Ver­brei­tung ei­nes ge­werk­schaft­li­chen Streik­auf­rufs an die Be­leg­schaft zu nut­zen.

Nähe­re In­for­ma­tio­nen fin­den Sie hier:

Hin­weis: In der Zwi­schen­zeit, d.h. nach Er­stel­lung die­ses Ar­ti­kels, hat das Ge­richt sei­ne Ent­schei­dungs­gründe veröffent­lich. Das Ur­teil mit Ent­schei­dungs­gründen fin­den Sie hier:

Letzte Überarbeitung: 25. November 2018

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