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Hessisches LAG, Urteil vom 20.08.2010, 19 Sa 1835/09
Schlagworte: | Gewerkschaft: Mitgliederwerbung, Streik, Streikaufruf | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 19 Sa 1835/09 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 20.08.2010 | |
Leitsätze: | ||
Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 23.09.2009, 14 Ca 5940/09 | |
Hessisches Landesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 19 Sa 1835/09
(Arbeitsgericht Frankfurt am Main: 14 Ca 5940/09)
Verkündet am:
20. August 2010
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Berufungsverfahren
Klägerin und
Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigt.:
gegen
Beklagte und
Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigt.:
hat das Hessische Landesarbeitsgericht, Kammer 19,
auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2010
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht
und den ehrenamtlichen Richter
und die ehrenamtliche Richterin l
als Beisitzer
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 2009 – 14 Ca 5940/09 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 16. März 2009 ersatzlos aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Die Beklagte wird verurteilt, auch alle anderen Schriftstücke, die auf die Abmahnung vom 16. März 2009 Bezug nehmen oder auf diese verweisen, aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand
Die Parteien streiten um die Entfernung einer Abmahnung.
Das beklagte Universitätsklinikum ist als Anstalt des öffentlichen Rechts organisiert. Die am a geborene und verheiratete Klägerin ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01. März 2002 als Krankenschwester beschäftigt. Ihr Gehalt betrug zuletzt € 2.463,71 brutto monatlich. Sie ist Mitglied und Vertrauensfrau der b. Auf das Arbeitsverhältnis finden die (Haus-) Tarifverträge Anwendung, welche die Beklagte mit b abgeschlossen hat. Dazu gehören der Tarifvertrag für das Universitätsklinikum C (TV-UK C) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten in den Tarifvertrag für das Universitätsklinikum C (TVÜ-UK C). Hinsichtlich des Gehalts ist durch Haustarifvertrag die Anerkennung der Tarifergebnisse der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vereinbart.
Bei der Beklagten gilt seit 01. Oktober 2007 die IT-Nutzungsordnung, die am 28. September 2007 im Nachrichtenblatt der Beklagten auszugsweise abgedruckt und im Intranet für die Beschäftigten im Volltext einsehbar ist. Gemäß 7.1. der Nutzungsordnung darf die IT-Infrastruktur grundsätzlich nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden. Ausnahmen können auf Antrag gestattet werden. Wegen des Wortlauts und der weiteren Regelungen der IT-Nutzungsordnung wird auf Bl. 147 – 155 d.A. Bezug genommen. Die IT-Infrastruktur wird von Beschäftigten der Beklagten nach wie vor auch für private Emails genutzt, ohne dass die Beklagte das bisher sanktionierte. So versandte Prof. Dr. D am 16. April 2009 eine Email an alle Beschäftigten, mit der er auf den Tennis Fed Cup am 25./26. April hinwies.
Am 24. Februar 2009 hatte die Klägerin laut Dienstplan von 12:18 Uhr bis 20:30 Uhr Dienst. Um 15:50 Uhr versandte sie von ihrem Arbeitsplatz aus an die betrieblichen Email-Adressen von ca. 140 Beschäftigten der Beklagten eine Email, in der es auszugsweise unter dem Betreff „Warnstreik am Do, 26.02.09“ wie folgt heißt:
„Da ich Mitglied der betrieblichen Arbeitskampfleitung für die z. Zt. stattfindende Tarifauseinandersetzung bin, wende ich mich auf diesem Weg an Sie/Euch:
Die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder kommen nicht voran. Trotz guter Warnstreikaktionen der letzten Wochen haben die Arbeitgeber kein verhandlungsfähiges Angebot, sondern eine Mogelpackung auf den Tisch gelegt. Eine Erhöhung der Löhne um 4,2 % für 24 Monate (bis Ende 2010) liegt weit unter den Abschlüssen im kommunalen Bereich und kann von uns nicht akzeptiert werden. Eine soziale Komponente (die unteren Vergütungsgruppen ein bisschen mehr als die oberen) lehnen die Arbeitgeber strikt ab.
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Wir haben deshalb keine Wahl: Wir müssen den Arbeitgebern zeigen, dass wir auch im Gesundheitswesen nicht länger alles nur hinnehmen. Sie hoffen, dass wir jetzt einknicken, was aber fatal wäre. Also:
Wer an seinen Arbeitsbedingungen etwas ändern will, muss sich beteiligen. ... Ablauf Warnstreik:
Auch wenn`s kalt ist – wir müssen noch mal Druck machen! Streikaufruf siehe Anlage!
Also hoffentlich bis Donnerstag früh!!!“
Der Email, wegen deren vollständigen Wortlauts auf Bl. 5 f. d.A. verwiesen wird, war ein Streikaufruf der Gewerkschaft b, wegen dessen Inhalt auf Bl. 7 f. d.A. Bezug genommen wird, und ein Beitrittsformular beigefügt. Eine gleichlautende Email mit entsprechender Anlage übersandte die Klägerin noch an weitere Beschäftigte der Beklagten, wobei sie in Blöcken vorging und beabsichtigte, auf diesem Weg jeden der rund 4.000 bei der Beklagten Beschäftigten zu erreichen.
Am 01. März 2009 kamen die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder zum Abschluss. In der Tarifeinigung (Bl. 135 – 1140 d.A.) heißt es unter 11.:
Maßregelungsklausel
Die Arbeitgebervertreter erklären, dass von Maßregelungen (Abmahnung, Entlassungen o.ä.) aus Anlass gewerkschaftlicher Warnstreiks, die bis einschließlich 28. Februar 2009, 24:00 Uhr, durchgeführt wurden, abgesehen wird, wenn sich die Teilnahme an diesen Warnstreiks im Rahmen der Regelungen für rechtmäßige Arbeitskämpfe gehalten hat.
Nach Anhörung der Klägerin vom 26. Februar 2009 erteilte die Beklagte der Klägerin unter dem 16. März 2009 die streitgegenständliche Abmahnung, die folgenden Wortlaut hat:
Abmahnung wegen Verstoß gegen den Betriebsfrieden
am 24. Februar 2009 um 15.50 Uhr haben Sie eine E-Mail an Klinikumsbeschäftigte verschickt, in der Sie „Kolleginnen und Kollegen“ zum Streik am 26.02.2009 aufgerufen haben.
Mit Schreiben vom 26.02.2009 haben wir Ihnen Gelegenheit gegeben, sich schriftlich bis zum 06.03.2009 zu den Vorwürfen zu äußern. Dies ist mit Schreiben vom 05.03.2009, vom Gewerkschaftssekretär, Herrn e erfolgt.
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In der Stellungnahme wurde uns mitgeteilt, dass Sie die o.g. E-Mail im Auftrag vom b Landesbezirk Hessen als Mitglied der Streikleitung und als b Vertrauensfrau in ihrer Freizeit, verschickt haben. Wir wurden auf ein aktuelles BAG-Urteil zur Frage der gewerkschaftlichen Informationsverbreitung über E-Mail vom 20.01.2009, 1 AZR 515/08, hingewiesen. Zusätzlich wurde die Maßregelungsklausel aus dem Tarifabschluss vom 01.03.2009 beigefügt.
Nach Prüfung der o.g. Angelegenheit sind wir weiterhin der Ansicht, dass sie nicht befugt waren, die technische Infrastruktur des Arbeitgebers für einen Streikaufruf zu nutzen. Die Maßregelungsklausel greift in Ihrem Fall nicht, da es hier nicht um Ihre Streikteilnahme geht. Auch das zitierte Urteil ist nicht einschlägig, da durch ihre E-Mail zumindest in Kauf genommen wurde, dass es zu nennenswerten Betriebsablaufstörungen und wirtschaftlichen Belastungen für das Universitätsklinikum kommt.
Sie haben mithin durch Ihr Verhalten den Betriebsfrieden und die betriebliche Ordnung beeinträchtigt und es ist davon auszugehen, dass Sie andere Beschäftigte durch die E-Mail von der Arbeit abgehalten haben.
Aufgrund Ihres Betriebsfrieden störenden Verhaltens bin ich nicht bereit, dieses gravierende Fehlverhalten unbeanstandet zu lassen und erteile Ihnen hiermit eine Abmahnung.
Wir erwarten von Ihnen, dass Sie in Zukunft solche Vorgehensweisen unterlassen und sich vertragsgemäß verhalten. Nachdem wir Sie nun in aller Deutlichkeit auf Ihre Dienstpflichten hingewiesen haben, erwarten wir, dass sich vergleichbare Sachverhalte nicht wiederholen. Andernfalls müssen Sie mit weiteren arbeitsrechtlichen Maßnahmen, auch in Form einer Kündigung, rechnen. ....“
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Versendung der Email, mit der sie über den Warnstreik informiert habe, durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sei. Sie hat bestritten, dass es durch die Versendung der Email zu einer erheblichen Störung des Betriebsablaufs bzw. zu wirtschaftlichen Schäden in Form von Arbeitszeitausfall, Verbrauch von Papier und Toner oder Telekommunikationskosten bei der Beklagten gekommen sei. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Adressaten die Email während der Arbeitszeit gelesen und ausgedruckt hätten. Jedenfalls sei ihr ein solches Verhalten nicht zuzurechnen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 16. März 2009 aus ihrer Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie hat die Ansicht vertreten, dass die Versendung der Email schon deshalb vertragswidrig sei, weil es sich um eine nicht betrieblich veranlasste Nutzung der IT-Infrastruktur ohne Erlaubnis handele. Die Versendung der Email stelle einen Eingriff in das Eigentumsrecht bzw. das Recht der Beklagten am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb das. Dazu hat die Beklagte behauptet, dass die Email erhebliche Störungen des Betriebsablaufs und einen wirtschaftlichen Schaden verursacht habe. Es seien Telekommunikationskosten für den Versand und den Abruf von insgesamt einer Stunde zu berücksichtigen. Bei der Annahme, 50% der Adressaten hätte die Email gelesen und dafür je zwei Minuten gebraucht, ergebe sich ein Arbeitszeitausfall von weiteren 2,3 Stunden. Durch den Ausdruck der E-Mail sei es zusätzlich zum Verbrauch von Papier und Toner gekommen. Diese Rechtsbeeinträchtigung sei auch deshalb nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt, weil die Kampfparität gestört sei, wenn die technische Infrastruktur der Beklagten für einen Streikaufruf gegen diese genutzt werden könne. Zudem habe die Klägerin - wie sich aus dem Zeitpunkt der Versendung ergebe - die Email während der Arbeitszeit versandt. Schließlich sei die Beklagte aus Gründen des Datenschutzes zur Abmahnung berechtigt. Es sei nicht davon auszugehen, dass sämtliche Adressaten der Email Mitglieder von b seien. Für Nichtmitglieder sei kein Grund ersichtlich, warum der Gewerkschaft und der Klägerin in deren Auftrag die Verwendung personenbezogenen Daten ohne deren Einwilligung erlaubt sein soll.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Urteil vom 23. September 2009 mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, die Nutzung ihres betriebseigenen Email-Systems für einen Streikaufruf zu dulden. An die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Klägerin seien dieselben Maßstäbe zu stellen wie an die Rechtmäßigkeit gewerkschaftlichen Handelns. Die Nutzung der betrieblichen IT-Infrastruktur zum Versand des Streikaufrufs sei nicht von Art. 9 Abs. 3 GG gedeckt. Damit würde die Beklagte in unverhältnismäßiger Weise gezwungen, den bevorstehenden Streik zu unterstützen, indem sie mit ihrer IT-Infrastruktur zur größtmöglichen Verbreitung des Streikaufrufs beitrage. Die Mobilisierung ihrer Mitglieder sei Sache der Gewerkschaften. Hinzu komme, dass einem Streikaufruf als Arbeitskampfmaßnahme – anders als bei gewerkschaftlicher Werbung - eine Störung des Betriebsfriedens immanent sei. Die Störung trete schon mit dem Versand des Streikaufrufs ein, weil mit dem Streikaufruf eine Polarisierung der Belegschaft einhergehe. Da eine Stellungsnahme des Arbeitgebers zum Streikaufruf erneut zu Störungen des Betriebsablaufs führen würde, könne der Arbeitgeber den Vorteil, den die Gewerkschaft durch die Nutzung der IT-Infrastruktur hätte, nicht kompensieren.
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Das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist der Klägerin am 13. Oktober 2009 zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 12. November 2009 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 15. Januar 2010 am 15. Januar 2010 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Abmahnung die Pflichtverletzung nicht hinreichend konkret bezeichne. Sie bestreitet, von der IT-Nutzungsordnung und dem Verbot außerdienstlicher Nutzung Kenntnis gehabt zu haben. Weiter bestreitet sie, die Email während ihrer Arbeitszeit versandt zu haben; sie habe in der Zeit von 15:30 Uhr bis 16:00 Uhr Pause gehabt. Unzutreffend sei der Vorwurf, die Klägerin habe die Schädigung des Arbeitgebers in Kauf genommen; sie sei vielmehr davon ausgegangen, dass die Beschäftigten die Email außerhalb der Arbeitzeit öffneten und allenfalls auf die private Email-Adresse weiterleiteten. Aufgrund der Vereinbarung von Flatrates seien der Beklagten durch die Versendung und den Abruf der Email keine Zusatzkosten entstanden. Die Klägerin ist weiter der Ansicht, dass die Versendung der Email durch Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt sei, weil die Email der Mitgliederwerbung diene und eine Information über die Tätigkeit der Gewerkschaft enthalte. Die Kampfparität sei durch die Nutzung der betrieblichen IT-Infrastruktur nicht gestört, weil auch der Arbeitgeber diese für seine Stellungnahmen über die Tarifverhandlungen nutzen könne. Die Streikbeteiligung habe sich im normalen Maß gehalten. Auch bei der herkömmlichen Methode des Streikaufrufs durch Verteilung der Flugblätter in den Pausen würden Betriebsmittel der Beklagten wie Aufzüge, Türöffner und Papierkörbe genutzt. Schließlich sei die Abmahnung unverhältnismäßig, weil die Beklagte in einem Rechtsstreit mit b die Rechtmäßigkeit der Beauftragung der Klägerin klären lassen könne.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 2009 – 14 Ca 5940/09 - abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 16. März 2009 ersatzlos aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen;
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2. die Beklagte zu verurteilen, auch alle anderen Schriftstücke aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, die auf die Abmahnung vom 16. März 2009 Bezug nehmen oder auf diese verweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens. Sie meint, die Abmahnung lasse erkennen, dass die Beklagte der Klägerin die Nutzung der Infrastruktur des Arbeitgebers für einen Streikaufruf unter Inkaufnahme von Betriebsablaufstörungen und wirtschaftlichen Belastungen vorwerfe. Der Email-Versand sei schon deshalb unzulässig, weil die IT-Nutzungsordnung die Nutzung der betrieblichen IT-Infrastruktur ausschließlich für dienstliche Zwecke erlaube. Sie bestreitet mit Nichtwissen, dass die Klägerin die Email mit dem Streikaufruf in einer Arbeitspause verschickt habe. Die Beklagte dürfe nicht gezwungen werden, den Streikaufruf und damit den Streik durch eigene Betriebsmittel zu unterstützen. Anders als der Mitgliederwerbung sei dem Streikaufruf die Betriebsfriedensstörung immanent. Als weitere betriebliche Beeinträchtigungen seien der Leseaufwand von mindestens zwei Minuten pro Beschäftigten und die sich anschließenden Reaktionen wie Nachfragen und Verabredungen zu berücksichtigen. Die Annahme, die Email würde nicht während der Dienstzeit gelesen, sei weltfremd. Habe der Streikaufruf per Email die von der Klägerin geschilderte geringe Bedeutung, könne er den Eingriff in den Gewerbebetrieb der Beklagten nicht rechtfertigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze vom 12. November 2009 (Bl. 47 d.A.), vom 14. Dezember 2009 (Bl. 55 d.A.), vom 15. Januar 2010 (Bl. 73 – 87 d.A), vom 17. Februar 2010 (Bl. 90 d.A.), vom 16. März 2010 (Bl. 100 – 107 d.A.), vom 14. Mai 2010 (Bl. 127 – 140 d.A.), vom 18. Mai 2010 (Bl. 142 d.A.), vom 25. Mai 2010 (Bl. 145 – 155 d.A.) und vom 18. August 2010 nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 20. August 2010 (Bl. 193 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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A. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 2009 – 14 Ca 5940/09 – ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft und auch darüber hinaus zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 Abs. 1, 3 und 5 ZPO.
B. Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten die Entfernung der Abmahnung vom 16. März 2009 und der sich auf diese Abmahnung beziehenden Schriftstücke aus ihrer Personalakte verlangen.
I. Die Klageanträge sind zulässig. Das gilt auch für den Antrag zu 2), um den die Klägerin ihre Klage in der Berufungsinstanz erweitert hat. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt. Die Klageerweiterung ist sachdienlich.
1. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
a) § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt, dass die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthält. Damit wird zum einen der Streitgegenstand abgegrenzt, zum anderen wird eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Gemessen an diesen Zielen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt und das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten aufwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (vgl. BAG 15. April 2009 - 3 AZB 93/08 - Rn 16, EzA ZPO 2002, § 253 Nr. 2 ZPO).
b) Diesen Anforderungen wird der Antrag gerecht, auch wenn die Schriftstücke nicht im Einzelnen unter Nennung von Datum, Adressaten oder Seite der Personalakte bezeichnet sind. Durch die Formulierung ist für die Beklagte erkennbar, für welche Schriftstücke die Pflicht zur Entfernung aus der Personalakte gilt. Die Beklagte soll diejenigen Schriftstücke aus der Personalakte entfernen, die sich auf die streitgegenständliche Abmahnung beziehen oder auf diese verweisen.
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2. Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich (§ 533 Nr. 1 ZPO), da sie geeignet ist, einen weiteren Rechtsstreitigkeit zu vermeiden. Sie kann auf die Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.
II. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 16. März 2009 und damit auch einen Anspruch auf Entfernung der Schriftstücke, die sich auf diese Abmahnung beziehen oder auf diese verweisen. Ein solcher Anspruch folgt aus §§ 242, 1004 BGB und aus der Maßregelungsklausel gemäß Nr. 11 der Tarifeinigung vom 1. März 2009.
1. Die Klägerin kann gemäß §§ 242, 1004 BGB die Entfernung der Abmahnung und der auf sie Bezug nehmenden Schriftstücke aus ihrer Personalakte verlangen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen (27. November 2008 – 2 AZR 675/07 – Rn. 13 ff, AB BGB § 611 Abmahnung Nr. 33 mwN), wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist (vgl. BAG 16. November 1989 - 6 AZR 64/88 – BAGE 63, 240 = AP BAT § 13 Nr. 2), unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält (vgl. BAG 27. November 1985 – 5 AZR 101/84 – BAG§ 50, 202 = AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 93), auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht (vgl. BAG 18. Februar 2003 – 1 AZR 142/02 – AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 163), den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt (vgl. BAG 31. August 1994 – 7 AZR 893/93 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 98 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 33) oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht (vgl BAG 30. Mai 1996 – 6 AZR 537/95 - AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34). Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält (vgl. BAG 9. August 1984 - 2 AZR 400/83 AP KSchG 1969 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 12 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 1).
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b) Gemessen an diesen Maßstäben besteht ein Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 16. März 2009 und der auf sie verweisenden oder Bezug nehmenden Schriftstücke aus der Personalakte. Die Abmahnung, mit der die Beklagte die Nutzung ihrer technischen Infrastruktur als Vertragsverstoß rügt, beruht auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens der Klägerin. Die Klägerin hat dadurch, dass sie ohne Erlaubnis der Beklagten von ihrem Arbeitsplatz aus die Email vom 24. Februar 2009 an die betrieblichen Email-Adressen von 140 Beschäftigten der Beklagten geschickt hat, nicht rechtswidrig eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt. Auch wenn man den Versand der Email im Hinblick auf die IT-Nutzungsordnung – trotz der Duldung privater Emails durch die Beklagte – als Arbeitsvertragsverletzung bewertete, wäre diese gerechtfertigt. Die Befugnis der Klägerin, die betriebliche IT-Infrastruktur als gewerkschaftliche Vertrauensperson im Auftrag der Gewerkschaft für die Versendung der Email vom 24. Februar 2009 zu nutzen, folgt zwar nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG, aber aus der von den Gerichten aufgrund ihrer Schutzpflicht im Wege der gesetzesvertretenden Rechtsfortbildung vorzunehmenden Ausgestaltung der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit.
aa) Die Befugnis, die Email vom 24. Februar 2009 von ihrem Arbeitsplatz aus an die betrieblichen Email-Adressen von 140 Beschäftigten der Beklagten zu senden, folgt nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG. Zwar entfaltet die Bestimmung Wirkungen auch innerhalb der Rechtsverhältnisse von Privatrechtssubjekten, wie Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG zeigt. Die Vorschrift schützt die Koalitionsfreiheit auch vor privatrechtlichen Beeinträchtigungen (BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08 – Rn. 36, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96; BAG 28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04 Rn. 35, BAGE 117, 137). Eine Behinderung der Koalitionsfreiheit und des Betätigungsrechts iSv. Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG liegt aber nicht vor, wenn der Arbeitgeber - wie hier nach Maßgabe des IT Nutzungsordnung - den Gebrauch der IT-Infrastruktur nur zu betrieblichen Zwecken gestattet. Eine Betriebsvereinbarung oder die Wahrnehmung des Direktionsrechts, die Gewerkschaften nicht gezielt von der Nutzung eines im Betrieb installierten elektronischen Kommunikationssystems ausnimmt, ist keine Maßnahme, die das Betätigungsrecht der Gewerkschaft iSv. Art. 9 Abs. 3 Satz GG einzuschränken oder zu behindern suchte (BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 36, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
bb) Eine Befugnis der Klägerin, als gewerkschaftliche Vertrauensperson im Auftrag der Gewerkschaft die betriebliche IT-Infrastruktur für die Versendung der Email vom 24. Februar 2009 zu nutzen, folgt aus der von den Gerichten aufgrund ihrer Schutzpflicht im
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Wege der gesetzesvertretenden Rechtsfortbildung vorzunehmenden Ausgestaltung der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit.
(1) Art. 9 Abs. 3 GG enthält eine doppelte Gewährleistung. Die Bestimmung verbürgt für jedermann und für alle Berufe das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Koalitionen zu bilden. Das Grundrecht schützt den Einzelnen, eine derartige Vereinigung zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben. Außerdem schützt es die Koalitionen in ihrem Bestand und ihrer organisatorischen Ausgestaltung sowie solche Betätigungen, die darauf gerichtet sind, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl.BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 zu II 2 a der Gründe NZA 2007, 394; BVerfG 10. September 2004 - 1 BvR 1191/03 - AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Die Wahl der Tätigkeiten und der Mittel, mit denen die Koalitionen diesen Zweck erreichen wollen, überlässt Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich ihnen selbst (BVerfG 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 - zu B II 1 der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Durch Art. 9 Abs. 3 GG ist auch das Institut und die Tätigkeit der gewerkschaftlichen Vertrauensleute verfassungsrechtlich abgesichert (BAG 8. Dezember 1978 – 1 AZR 303/77, BAGE 31, 167 = AP GG Art. 9 Nr. 28 = EzA GG Art. 9 Nr. 28).
Zu den geschützten Tätigkeiten, die dem Erhalt und der Sicherung einer Koalition dienen, zählt die Mitgliederwerbung (BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Zu den geschützten Tätigkeiten zählt ferner die Information von Mitgliedern und Nichtmitgliedern über Aktivitäten der Vereinigung, die der Erreichung des Koalitionszwecks, etwa der Verbesserung der Arbeitsbedingungen dienen sollen (BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96) und der Aufruf zu einem rechtmäßigen Streik (BVerfG 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 - zu B II 2 b der Gründe, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 167 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 136).
Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist nicht von vornherein auf einen Kernbereich koalitionsgemäßer Betätigungen beschränkt, die für die Erreichung des Koalitionszwecks unerlässlich sind. Er erstreckt sich vielmehr auf alle
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koalitionsspezifischen Verhaltensweisen (BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 - zu B I 3 der Gründe, BVerfG 93, 352, BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 39, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Sie kann auch entscheiden, durch welche Personen und in welcher äußeren Form sie handeln will. Soweit die Verfolgung des Koalitionszwecks von dem Einsatz bestimmter Mittel abhängt, werden auch diese vom Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 1 a der Gründe, BVerfGE 84, 212; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 39, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). In den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG fällt auch die im Auftrag der Gewerkschaft ausgeführte Tätigkeit der gewerkschaftlichen Vertrauensperson. Die Gewerkschaft ist nicht auf einen Kernbereich unerlässlicher Maßnahmen und damit möglicherweise auf Aktivitäten außerhalb des Rechtskreises des Arbeitgebers und Betriebsinhaber beschränkt (BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 38, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96)
Ist die Gewerkschaft bei der gewählten Art und Weise der Mitgliederwerbung, Information und einen Streikaufruf auf die Inanspruchnahme von Eigentum oder Betriebsmitteln des Arbeitgebers angewiesen, kollidiert dies zunächst mit dessen Rechtspositionen aus Art. 14, Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG in Gestalt des Rechts auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit. Dieses wird insbesondere im Fall der Störung des Betriebsablaufs oder des Betriebsfriedens berührt (BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Zum Schutz von gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsgütern und Gemeinwohlbelangen kann die von Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Koalitionsfreiheit, obwohl ohne Gesetzesvorbehalt verbürgt, eingeschränkt werden (BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 3 a der Gründe, BVerfGE 84, 212; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Allerdings dürfen dem Betätigungsrecht der Koalition nur solche Schranken gezogen werden, die im konkreten Fall zum Schutz der betroffenen Rechtsgüter von der Sache her geboten sind (BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – zu B I 3 b der Gründe; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Zudem ist – jedenfalls soweit es um einen Streikaufruf geht - auch das Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Arbeitgebers tangiert. Beide Tarifvertragsparteien genießen den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG in gleicher Weise, stehen bei seiner Ausübung aber in
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Gegnerschaft zueinander (BVerfG 4. Juli 1995 – 1 BvF BVerfG 92, 365, zu C I 1 c der Gründe). Die zum Ausgleich der widerstreitenden Interessen erforderliche Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit durch die Rechtsordnung obliegt in erster Linie dem Gesetzgeber. Sieht dieser hiervon ab, ist es Sache der Gerichte, den mit Art. 9 Abs. 3 GG verbundenen staatlichen Schutzauftrag bei der Normauslegung und ggf. im Wege der Rechtsfortbildung wahrzunehmen (BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – zu C I 2 a der Gründe, BVerfGE 84, 212; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Dabei sind die kollidierenden Grundrechte in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und so zu begrenzen, dass sie trotz ihres Gegensatzes für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfG 6. Februar 2007 – 1 BvR 978/05 zu II 2 a der Gründe, NZA 2007, 394; BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 40, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Es ist einerseits zu berücksichtigen, dass eine tarifzuständige Gewerkschaft bei der Wahrnehmung von koalitionsgemäßen Aufgaben zum Arbeitgeber als Inhaber des Betriebs und der Betriebsmittel in einer besonderen Beziehung steht, so dass dem Arbeitgeber die die Inanspruchnahme von Eigentum und Betriebsmitteln durch die tarifzuständige Gewerkschaft vergleichsweise eher zuzumuten als eine solche durch Dritte, mit denen er keinerlei rechtliche Beziehungen unterhält (vgl. BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 41, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es grundsätzlich weder Sache des Kampfgegners noch des Staates ist, die Solidarität der Koalitionsmitglieder zu gewährleisten. Der Organisationsgrad einer Koalition, ihre Fähigkeit zur Anwerbung und Mobilisierung von Mitgliedern und ähnliche Faktoren liegen außerhalb der Verantwortung des Gesetzgebers (BAG 24. April 2007 – 1 AZR 252/06, Rn. 70, BAGE 122, 134 = AP TVG § 1 Sozialplan Nr. 2 = EzA GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 139 ; BVerfG 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 -, BVerfGE 92, 265, zu C I 1 c der Gründe).
(2) Danach durfte die Klägerin als gewerkschaftliche Vertrauensperson im Auftrag von b die Email vom 24. Februar 2009, mit der sie für einen Beitritt zu b geworben, über den Warnstreik und dessen Bedeutung informiert und zur Teilnahme an diesem aufgerufen hat, von ihrem Arbeitsplatz an die betrieblichen Email-Adressen von 140 Beschäftigten der Beklagten versenden, ohne zuvor das Einverständnis der Beklagten zur Nutzung der IT-Infrastruktur einzuholen.
(a) Die Werbung und Information von Mitgliedern und Nichtmitgliedern und der Streikaufruf fallen in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Das gilt auch für die Entscheidung von b, diese Tätigkeit innerbetrieblich durch die Klägerin als
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gewerkschaftliche Vertrauensperson durchführen zu lassen. Die Entscheidung, dabei von der bei der Beklagten bestehenden IT-Infrastruktur zur Versendung der Email Gebrauch zu machen, ist grundsätzlich von der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit gedeckt.
(b) Der Umstand, dass für die Versendung der Email die im Eigentum der Beklagten stehenden technisch-elektronischen Vorrichtungen genutzt wurde, führt auch ohne Einverständnis der Beklagten nicht dazu, dass der Email-Versand unterbleiben musste. Zwar sind das Eigentum der Beklagten und ihre wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb und ihre Koalitionsfreiheit tangiert. Die Beeinträchtigung der Rechte der Beklagten durch den Inhalt und den Umfang der Email vom 24. Februar 2009 ist aber so gering, dass zu ihrem Schutz eine Beschränkung der Betätigungsfreiheit der Gewerkschaft nicht geboten ist.
(aa) Die Nutzung der IT-Infrastruktur tangiert das Eigentum der Beklagten und ihre wirtschaftliche Betätigungsfreiheit in Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Art. 14 Abs. 1, 12 Abs.1 und 2 Abs. 1 GG) nur in äußerst geringen Umfang.
Die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass für den Versand und den Abruf der Email erhöhte Telekommunikationskosten angefallen sind. Zu möglichen beeinträchtigenden Folgen einer Nutzung des erforderlichen Speichers hat sie nicht vorgetragen. Soweit die Beklagte einen Arbeitszeitausfall von 2,3 Stunden beruft, ist diese Behauptung unsubstantiiert, weil sie von der bloßen Annahme ausgeht, 50% der Adressaten hätten die Email gelesen und für die Lektüre zwei Minuten gebraucht. Es ist der Beklagten zuzugeben, dass sich der Umfang der „unnützen“ Lohnkosten kaum exakt messen lässt. Typischerweise ist er jedenfalls nicht größer als derjenige, welcher mit der Lektüre von Informations- und Werbematerial verbunden ist, das Arbeitnehmern, sei es während der Pausen, sei es während der Arbeitszeit im Betrieb in Papierform überreicht wurde. Dieser Übermittlungsweg ist den Gewerkschaften auch angesichts möglicher Folgekosten eröffnet (vgl. BVerfG 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 zu B II 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352). Die Beklagte hat schließlich nicht substantiiert vorgetragen, dass und in welchem Umfang Beschäftigte die Email ausgedruckt haben und dadurch Papier und Toner verbraucht worden ist. Dass die Beklagte generell den Kosten der privaten Nutzung der betrieblichen IT allenfalls eine geringe Bedeutung
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zumisst, zeigt zudem, dass sie die private Nutzung der IT-Infrastruktur – sogar für Mailings an sämtliche Belegschaftsmitglieder - bisher nicht sanktioniert hat.
Betriebsablaufstörungen durch eine Polarisierung der Belegschaft sind nicht substantiiert dargelegt. Sie wären aber ebenso wie die Betriebsablaufstörungen, die durch die Teilnahme am Warnstreik selbst entstehen, bei der Beurteilung der Nutzung der IT-Infrastruktur nicht zu berücksichtigen. Solche Betriebsablaufstörungen sind Folge des Streikaufrufs selbst und keine Folge der Entscheidung, den Streikaufruf unter Nutzung der betrieblichen IT-Infrastruktur zu versenden. Sie wären auch dann aufgetreten, wenn der Streikaufruf im Betrieb in Papierform verteilt oder am Schwarzen Brett bekannt gemacht worden wäre.
(bb) Die Nutzung der betrieblichen IT-Infrastruktur für die Email vom 24. Februar 2009 ist nicht unter dem Gesichtspunkt der Kampfparität zu beanstanden. Es trifft allerdings zu, dass die Mobilisierung von Mitgliedern Aufgabe der Koalition und nicht Aufgabe des Kampfgegners ist. Die Beklagte wird jedoch nicht gezwungen, die Mitglieder von b zu mobilisieren. b selbst mobilisiert die Mitglieder, allerdings unter Nutzung der vorhandenen IT-Infrastruktur der Beklagten. Insoweit unterscheidet sich die IT-Nutzung aber nicht strukturell von einem Streikaufruf, der im Betrieb in Papierform verteilt oder am Schwarzen Brett verteilt wird; in beiden Fällen werden Betriebsmittel des Arbeitgebers genutzt. Dass die wirtschaftlichen Belastungen des Arbeitgebers bei einem Email-Versand höher sind, ist nicht ersichtlich. Es wird nicht verkannt, dass die Gewerkschaft auf diesem Weg mit weniger eigenem Einsatz mehr Arbeitnehmer erreicht. Dass dadurch jedoch die Kampfparität gestört worden ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, zumal die Beklagte die Möglichkeit hatte, durch eine eigene Email zum Arbeitskampfgeschehen Stellung zu nehmen.
(cc) Auf Seiten der Gewerkschaft steht ein geschütztes Interesse von erheblichem Gewicht gegenüber. Es ist für die Betätigungsfreiheit von Gewerkschaften von großer und ersichtlich weiter zunehmender Bedeutung, dass sie mit Arbeitnehmern - Mitgliedern und Nichtmitgliedern - auf dem immer üblicher werdenden Weg des E-Mail-Verkehrs in Kontakt treten können. Für diese Feststellung reicht es aus, dass jedenfalls die zuständige Gewerkschaft selbst die Wichtigkeit dieses Kommunikationsweges im Rahmen ihrer verfassungsrechtlich garantierten Einschätzungsprärogative so beurteilt. Da die Arbeitnehmer zur Befassung mit gewerkschaftlichen Belangen in ihrer betrieblichen Umgebung stärker als andernorts bereit sein dürften, kann einer Gewerkschaft deshalb gerade die Nutzung der betrieblichen IT-Infrastruktur
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grundsätzlich nicht verwehrt werden. Dies gilt insbesondere angesichts der weit verbreiteten Auflösung des „klassischen“ betrieblichen Arbeitsplatzes zu Gunsten von häuslicher Telearbeit und angesichts flexibler Arbeitszeitmodelle ohne feststehende und für Außenstehende abschätzbare Arbeitszeiten. Auch ist die Befürchtung nicht von der Hand zu weisen, dass Gewerkschaften, die sich des betrieblichen E-Mail-Systems nicht bedienen können, bei den Arbeitnehmern zunehmend als „veraltet“ gelten und Akzeptanzverluste gewärtigen müssen (vgl. BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 49, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96).
cc) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Abmahnung vom 16. März 2009 auch dann nicht zu Recht erfolgt, wenn die Email während der Arbeitszeit verschickt worden sein sollte oder an solche Beschäftigte gerichtet war, die nicht bei b organisiert sind. Diese Vorwürfe sind nicht Gegenstand der Abmahnung. Für die Rechtmäßigkeit der Abmahnung kommt es nur darauf an, ob die in der Abmahnung erhobenen Vorwürde zutreffend sind.
(1) Mit der Abmahnung hat die Beklagte nicht gerügt, dass die Klägerin die Email während ihrer Arbeitzeit verschickt hat. Sie ist vielmehr nach dem Wortlaut der Abmahnung vom Versand während der Freizeit ausgegangen. Auf die Frage, ob die Klägerin die Email während ihrer Arbeitszeit oder ihrer Pause verschickt hat, kommt es daher nicht an.
(2) Die Beklagte hat in der Abmahnung auch nicht eine rechtswidrige Verwendung der dienstlichen Email-Adressen von Nichtmitgliedern von b gerügt. Wenn dieser Vorwurf bei der Beurteilung des Verhaltens der Klägerin eine Rolle gespielt hätte, so hätte die Beklagte die Rüge auf den Versand an die nicht bei b organisierten Beschäftigten begrenzen müssen. Jedenfalls in der Verwendung der Email-Adressen der Mitglieder von b liegt keine Verletzung von deren Selbstbestimmungsrecht (vgl. BAG 20. Januar 2009 – 1 AZR 515/08, Rn. 52, AP GG Art. 9 Nr. 137 = EzA GG Art. 9 Nr. 96). 2. Der Anspruch auf Entfernung der Abmahnung und der auf sie verweisenden oder Bezug nehmenden Schriftstücke folgt zudem aus dem Maßregelungsverbot laut Ziffer 11 der Tarifeinigung vom 1. März 2009.
a) Darin erklären die Arbeitgebervertreter, dass von Maßregelungen (Abmahnung, Entlassungen o.ä.) aus Anlass gewerkschaftlicher Warnstreiks, die bis einschließlich 28. Februar 2009, 24:00 Uhr, durchgeführt wurden, abgesehen wird, wenn sich die
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Teilnahme an diesen Warnstreiks im Rahmen der Regelungen für rechtmäßige Arbeitskämpfe gehalten hat.
b) Diese Regelung, die eine Anspruchsgrundlage für die entgegen dieser Erklärung erteilten Abmahnungen ist, erfasst die Versendung der Email vom 24. Februar 2009 durch die Klägerin.
aa) Aus der Maßregelungsklausel kann die Klägerin als tarifgebundene Arbeitnehmerin selbst Rechte herleiten. Sie kann die Unterlassung, aber auch die Beseitigung der Maßregelung verlangen, die entgegen der Maßregelungsklausel erfolgt ist. Das schließt einen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung ein.
bb) Die Maßregelungsklausel erfasst die Versendung der Email vom 24. Februar 2009. Die Klausel gilt nicht nur für die Teilnahme am Streik, sondern auch für den Streikaufruf der Klägerin per Email im Auftrag von b. Das ergibt eine Auslegung der Klausel.
Nach dem Wortlaut gilt die Klausel für Maßregelungen aus Anlass gewerkschaftlicher Warnstreiks, wenn sich die Teilnahme an diesen Warnstreiks im Rahmen der Regelungen für rechtmäßige Arbeitskämpfe gehalten hat. Die Formulierung „aus Anlass gewerkschaftlicher Warnstreiks“ ist zunächst allgemein gehalten und erfasst damit auch eine Abmahnung wegen eines Streikaufrufs. Aus dem Nachsatz folgert die Beklagte, dass nur Maßregelungen aufgrund der Teilnahme am rechtmäßigen Arbeitskampf Gegenstand der Regelung sein sollten. Da die Klägerin im Auftrag von b gehandelt hat und die Gewerkschaft sich nicht am Tarifkonflikt beteiligt, sondern diesen trägt, ist der Streikaufruf keine Teilnahme.
Die Auslegung der Regelung darf aber nicht allein am Wortlaut haften bleiben, sondern muss Sinn und Zweck der Regelung berücksichtigen. Hätten die Tarifvertragsparteien nur Abmahnungen oder Entlassungen wegen der Teilnahme am rechtmäßigen Streik erfassen wollen, so hätten sie eine Selbstverständlichkeit geregelt. Davon, dass die Tarifvertragsparteien eine an sich überflüssige Regelung treffen wollten, ist aber nicht auszugehen. Mit Maßregelungsklauseln verfolgen die Tarifvertragsparteien das Ziel, eine umfassende Befriedung herbeizuführen. Da die Klausel Maßregelungen im Verhältnis Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie Abmahnungen und Entlassungen betrifft, soll die Maßregelungsklauseln erkennbar Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vermeiden. Unter Berücksichtigung dieses Zwecks ist die Maßregelungsklausel dahingehend zu verstehen, dass sie grundsätzlich alle
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Maßregelungen aus Anlass des gewerkschaftlichen Warnstreiks erfasst und nur Arbeitskampfexzesse vom Geltungsbereich der Maßregelungsklausel ausnimmt.
III. Die Beklagte hat als unterlegen Partei die Kosten zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO). Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
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