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LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Be­schluss vom 31.01.2012, 7 TaBV 1733/11

   
Schlagworte: Betriebsrat: Arbeitskampf, Streik: Betriebsrat
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen: 7 TaBV 1733/11
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 31.01.2012
   
Leitsätze:

1. Verstöße gegen das Neutralitätsgebot im Arbeitskampf aus § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG können wegen ihrer unmittelbaren Auswirkungen auf den Arbeitskampf einen Unterlassungsanspruch des Arbeitgebers gegen einzelne Betriebsratsmitglieder begründen.

2. Aus dem Neutralitätsgebot nach § 74 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergibt sich, dass das einzelne Betriebsratsmitglied nicht die Sachmittel des Betriebsrats für Arbeitskampfmaßnahmen nutzen darf. Dies bedeutet auch, dass es nicht über einen Mail-Account, der ihm für seine Betriebsratsarbeit eingerichtet wurde, Streikaufrufe der Gewerkschaft verbreiten darf. Das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung von Funktionsträgern nach § 74 Abs. 3 BetrVG steht dem nicht entgegen.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 14.07.2011, 1 BV 6960/11
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Verkündet

am 31. Ja­nu­ar 2012

Geschäfts­zei­chen (bit­te im­mer an­ge­ben)

7 TaBV 1733/11

1 BV 6960/11
Ar­beits­ge­richt Ber­lin  

H.
Ge­richts­beschäftig­te
als Ur­kunds­be­am­ter/in
der Geschäfts­stel­le

 

Be­schluss

In Sa­chen

pp

hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg, 7. Kam­mer, auf die Anhörung vom
31. Ja­nu­ar 2012 durch die Vor­sit­zen­de Rich­te­rin am Lan­des­ar­beits­ge­richt R. als
Vor­sit­zen­de so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Herrn P. und Frau H.

be­schlos­sen:

I. Die Be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 3) und 4) ge­gen den Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 14.07.2011 - 1 BV 6960/11 - wird mit der Maßga­be zurück­ge­wie­sen, dass den Be­tei­lig­ten zu 3) und 4) auf­ge­ge­ben wird, es zu un­ter­las­sen, die dem Be­tei­lig­ten zu 2) von der Be­tei­lig­ten zu 1) zur Verfügung ge­stell­ten sach­li­chen Mit­tel, ins­be­son­de­re die Te­le­fon­an­la­ge und Email-Ac­counts für den Auf­ruf und die Durchführung ei­nes Streiks der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di zu nut­zen, ins­be­son­de­re im Streik­auf­ruf der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di die Durch­wahl­te­le­fon­num­mern des Be­tei­lig­ten zu 3 und 4 an­zu­ge­ben.

II. Die Rechts­be­schwer­de wird zu­ge­las­sen.

 

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Gründe

Die Be­tei­lig­ten strei­ten – so­weit für das Be­schwer­de­ver­fah­ren re­le­vant – darüber, ob die Be­tei­lig­ten zu 3.) und 4.), bei­des Be­triebsräte, es un­ter­las­sen ha­ben, die dem Be­triebs­rat zur Verfügung ge­stell­ten sach­li­chen Mit­tel, ins­be­son­de­re die Te­le­fon­an­la­ge und die na­mens­be­zo­ge­nen E-Mail-Ac­counts für den Auf­ruf und die Durchführung ei­nes Streiks der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di zu ver­wen­den.

Die Be­tei­lig­te zu 1.) ist die Ar­beit­ge­be­rin (im Fol­gen­den: Ar­beit­ge­be­rin), die ein Kli­ni­kum in Ber­lin be­treibt, für das der Be­tei­lig­te zu 2.) als Be­triebs­rat mit ei­ner Amts­zeit bis 2014 gewählt wur­de (im Fol­gen­den: Be­triebs­rat). Vor­sit­zen­de des Be­triebs­rats ist der Be­tei­lig­te zu 3.) (im Fol­gen­den: Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der), sein Stell­ver­tre­ter ist der Be­tei­lig­te zu 4.) (im Fol­gen­den: stell­ver­tre­ten­der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de). Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, der zu­vor vollständig frei­ge­stellt war, ist seit 2010 nur noch teil­wei­se frei­ge­stellt, an­sons­ten ist er als Kran­ken­pfle­ger in der Not­auf­nah­me tätig. Der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ist seit et­wa 1995 frei­ge­stell­tes Be­triebs­rats­mit­glied und war zu­vor Kran­ken­trans­por­teur.

Dem Be­triebs­rat wur­de von der Ar­beit­ge­be­rin ein E-Mail-Ac­count mit der Adres­se ………. zur Verfügung ge­stellt. Da­ne­ben verfügen der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de und der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de über na­mens­be­zo­ge­ne Ac­counts, die nach dem Mus­ter vor­na­me.nach­na­me@........de auf­ge­baut sind. Die E-Mail-Kor­re­spon­denz des Be­triebs­rats und sei­ner Mit­glie­dern läuft in al­ler Re­gel nicht über die Adres­se des Gre­mi­ums, son­dern über die na­mens­be­zo­ge­nen Ac­counts, wo­bei in die­sen Fällen die E-Mails mit ei­ner Si­gna­tur ab­sch­ließen, die wie­der­um aus Vor­na­me, Nach­na­me, Funk­ti­ons­be­zeich­nung als Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der, stell­ver­tre­ten­der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der, An­ga­be von Te­le­fon- und Fax­num­mer so­wie per­so­nen­be­zo­ge­ne E-Mail-Adres­se und die An­ga­be der Ar­beit­ge­be­rin be­steht. Wei­ter­hin ist das Be­triebs­ratsbüro te­le­fo­nisch über die Durch­wahl ……. zu er­rei­chen, der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de über die Num­mer …….. und der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de über die Num­mer ………. In ih­rer Funk­ti­on als Kran­ken­pfle­ger und Kran­ken­trans­por­teur hätten bei­de Be­tei­lig­ten kei­nen ei­ge­nen Te­le­fon­an­schluss.

So­wohl der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de als auch sein Stell­ver­tre­ter sind Mit­glie­der der Ge­werk­schaft ver.di. Die­se führ­te zu Be­ginn des Jah­res 2011 Ta­rif­ver­hand­lun­gen mit dem Kon­zern, zu dem die Ar­beit­ge­be­rin zählt, auch für die hie­si­ge Ar­beit­ge­be­rin. Die Ta­rif­ver­hand­lun­gen münde­ten in den Ab­schluss ei­nes bis En­de 2012 gülti­gen Ta­rif­ver­tra­ges.

 

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Im Rah­men die­ser Ta­rif­ver­hand­lun­gen rief die Ge­werk­schaft ver.di für den 13.04.2011 zu ei­nem Warn­streik auf. Der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de über­mit­tel­te die­sen Streik­auf­ruf als An­la­ge zu ei­ner E-Mail vom 11.04.2011, die er von sei­nem na­mens­be­zo­ge­nen E-Mail-Ac­count ab­sand­te. In die­ser E-Mail, für de­ren Ein­zel­hei­ten auf Blatt 7 bis 9 der Ak­te Be­zug ge­nom­men wird, rief „die Be­triebs­grup­pe ver.di“ al­le Beschäftig­ten auf, sich an dem Warn­streik zu be­tei­li­gen“. Als Un­ter­zeich­ner wa­ren für die „Be­triebs­grup­pe ver.di“ sein Na­me und der Na­me des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den so­wie de­ren Durch­wahl-Num­mern im Be­triebs­ratsbüro und de­ren pri­va­te Han­dy­num­mern an­ge­ge­ben.

Mit Schrei­ben vom 15.04.2011 wand­te sich die Ar­beit­ge­be­rin an den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und den stell­ver­tre­ten­den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und mo­nier­te die Nut­zung des E-Mail-Ac­counts so­wie die An­ga­be der Te­le­fon­num­mern aus dem Be­triebs­ratsbüro. We­gen der Ein­zel­hei­ten die­ses Schrei­bens wird auf Blatt 10 und 11 der Ak­te Be­zug ge­nom­men. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de wies mit Schrei­ben vom 21.04.2011 (Bl. 12 d. A.) Vorwürfe der Ar­beit­ge­be­rin, der Streik­auf­ruf ver­s­toße ge­gen das Neu­tra­litäts­ge­bot gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG, zurück, räum­te aber ein, dass „mögli­cher­wei­se die An­ga­be der dienst­li­chen Te­le­fon­num­mern in die­sem Kon­text nicht ganz kor­rekt“ ge­we­sen wäre und ver­wies dar­auf, dass sich der Be­triebs­rat nicht in ei­ner Ar­beits­kampf­maßnah­me mit dem Ar­beit­ge­ber be­fin­de. Für die Ein­zel­hei­ten des Schrei­bens wird auf Blatt 12 der Ak­te Be­zug ge­nom­men.

Die Ar­beit­ge­be­rin, die von ei­nem Ver­s­toß des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nes Stell­ver­tre­ters ge­gen das Neu­tra­litäts­ge­bot gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG aus­geht, nimmt im Rah­men des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens – so­weit für das Be­schwer­de­ver­fah­ren re­le­vant – die bei­den Be­triebsräte auf Un­ter­las­sung der Nut­zung von dem Be­triebs­rat zur Verfügung ge­stell­ten Sach­mit­tel zum Auf­ruf und zur Durchführung ei­nes Streiks in An­spruch.

Das Ar­beits­ge­richt Ber­lin hat mit Be­schluss vom 14. Ju­li 2011 dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nem Stell­ver­tre­ter auf­ge­ge­ben, es zu un­ter­las­sen, die dem Be­triebs­rat von der der Ar­beit­ge­be­rin zur Verfügung ge­stell­ten Sach­mit­tel, ins­be­son­de­re die Te­le­fon­an­la­ge und Mail-Ac­counts für den Auf­ruf und die Durchführung ei­nes Streiks der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di zu nut­zen, ins­be­son­de­re im Streik­auf­ruf der Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ver.di die Te­le­fon­num­mern des Be­triebs­ratsbüros und die je­wei­li­gen Durch­wahl­num­mern an­zu­ge­ben. Die Anträge ge­gen den Be­triebs­rat hat es zurück­ge­wie­sen. Zur Be­gründung hat es im We­sent­li­chen – so­weit für das Be­schwer­de­ver­fah­ren noch re­le­vant – aus­geführt, der Ar­beit­ge­be­rin ste­he aus § 74 Abs. 2 Be­trVG ein Un­ter­las­sungs­an­spruch so­wohl ge­genüber

 

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dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den als auch sei­nem Stell­ver­tre­ter zur Sei­te. Bei den Te­le­fon­durch­wahl­num­mern und den ge­nutz­ten Mail-Ac­count han­de­le es sich um von der Ar­beit­ge­be­rin dem Be­triebs­rat zur Durchführung sei­ner Auf­ga­ben zur Verfügung ge­stell­te Sach­mit­tel im Sin­ne von § 40 Be­trVG. Die­se Sach­mit­tel dürf­ten von den Be­triebs­rats­mit­glie­dern we­gen § 74 Abs. 2 Satz 1 Halb­satz 1 als auch Satz 2 Be­trVG nicht zu Streik­auf­ru­fen oder zur Durchführung von Streiks ge­nutzt wer­den. Da­ge­gen ha­be die Mail vom 11.04.2011 ver­s­toßen. Auch wenn der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de die E-Mail nicht selbst ver­fasst ha­be, er­ge­be sich die Wie­der­ho­lungs­ge­fahr hin­sicht­lich des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den dar­aus, dass er die An­ga­be und Nut­zung die­ser Durch­wahl­num­mer für Auf­ru­fe zur Warn­streiks für zulässig hal­te und im Anhörungs­ter­min auch erklärt ha­be, er hätte die ent­spre­chen­de E-Mail ver­sandt, wäre er sel­ber am frag­li­chen Tag an­we­send ge­we­sen.

Ge­gen die­sen dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nem Stell­ver­tre­ter am 21.07.2011 zu­ge­stell­ten Be­schluss rich­tet sich ih­re am 19. Au­gust 2011 ein­ge­gan­ge­ne Be­schwer­de, die der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de am 20.10.2011, sein Stell­ver­tre­ter am 19.10.2011 – nach Verlänge­rung der Be­gründungs­frist bis zum 21.10.2011 - be­gründet ha­ben.

Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de be­haup­tet, der E-Mail-Ac­count sei ihm nicht in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rats­mit­glied zur Verfügung ge­stellt wor­den. Al­le Ar­beit­neh­mer könn­ten sol­che Mail-Ac­counts be­an­tra­gen. Dies ha­be der Geschäftsführer in ei­nem Jour Fix mit dem Be­triebs­rat am 07.10.2011 erklärt. Das Mail­sys­tem wer­de für so­wohl von der Ar­beit­ge­be­rin als auch von ihm selbst für dienst­li­che An­ge­le­gen­hei­ten ge­nutzt. Er selbst ma­che durch ent­spre­chen­de Zusätze bei der Un­ter­schrift kennt­lich, ob er in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der, als Ar­beit­neh­mer oder aber als Ge­werk­schafts­mit­glied schrei­be. Ge­gen ihn könne sich der An­trag oh­ne­hin nicht rich­ten, da er die E-Mail nicht ver­sandt und auch nicht die Te­le­fon­num­mer zur Durchführung oder zum Streik­auf­ruf ge­nutzt ha­be. Im Übri­gen sei die Ar­beit­ge­be­rin im Hin­blick auf Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG ver­pflich­tet ei­ne sol­che Nut­zung zu dul­den. Im­mer­hin sei er nur über den Te­le­fon­an­schluss er­reich­bar, da das Te­le­fon an sei­nem Ar­beits­platz für Not­ru­fe frei sein müsse. Dürfe er den E-Mail-Ac­count nicht für sei­ne Ge­werk­schafts­ar­beit nut­zen, wer­de er ge­genüber Nicht-Man­datsträgern be­nach­tei­ligt, da er nur den ei­nen Ac­count ha­be.

Der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ver­tritt eben­falls die Auf­fas­sung er ha­be mit der An­ga­be der Te­le­fon­num­mer in der E-Mail die­se nicht ge­nutzt. Te­le­fon und E-Mail sei­en nicht Sach­mit­tel des Be­triebs­ra­tes, son­dern auch dienst­li­che

 

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Mit­tel, die er für sei­ne dienst­li­che Tätig­keit nut­ze. Un­ter Hin­weis auf ei­ne Ent­schei­dung des LAG Hes­sen vom 20.08.2010 (19 Sa 1835/09) zur Zulässig­keit ei­nes Streik­auf­rufs ei­ner ge­werk­schaft­li­chen Ver­trau­ens­frau über ein ar­beit­ge­ber­sei­ti­ges In­tra­net, ver­tritt er zu­dem die Auf­fas­sung, die Ar­beit­ge­be­rin müsse we­gen Art. 9 Abs. 3 GG die Ver­wen­dung der be­trieb­li­chen In­fra­struk­tur auch für Streik­auf­ru­fe dul­den.

Der Be­tei­lig­te zu 3.) be­an­tragt,

un­ter teil­wei­ser Abände­rung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 14. Ju­li 2011, 1 BV 6960/11, die Anträge der An­trag­stel­le­rin zurück­zu­wei­sen.

Der Be­tei­lig­te zu 4.) be­an­tragt,

in teil­wei­ser Abände­rung des Be­schlus­ses des Ar­beits­ge­richts Ber­lin vom 14.07.2011 un­ter dem Ak­ten­zei­chen 1 BV 6960/11 den Un­ter­las­sungs­an­spruch un­ter Zif­fer 1 des Be­schlus­ses hin­sicht­lich des Be­tei­lig­ten zu 4.) zurück­zu­wei­sen.

Die Ar­beit­ge­be­rin be­an­tragt zu­letzt nach Rück­nah­me sei­nes An­tra­ges in Be­zug auf Te­le­fon­num­mer des Be­triebs­ratsbüros,

die Be­schwer­de der Be­tei­lig­ten zu 3.) und 4.) zurück­zu­wei­sen.

Die Ar­beit­ge­be­rin ver­tei­digt un­ter Ergänzung und Ver­tie­fung ih­res erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens zur Ein­rich­tung der E-Mail-Ac­counts für den Be­triebs­rat und sei­ne Mit­glie­der die ar­beits­ge­richt­li­che Ent­schei­dung. So­wohl die E-Mail-Ac­counts als auch die Te­le­fon­an­schlüsse sei­en den Be­triebs­rats­mit­glie­dern we­gen ih­rer Tätig­keit als Be­triebsräte zur Verfügung ge­stellt wor­den. Kran­ken­pfle­ger, Kran­ken­pfle­ge­hel­fer und Kran­ken­trans­por­teu­re sei­en nicht mit ei­ge­nen E-Mail-Adres­sen aus­ge­stat­tet wor­den. Der Un­ter­las­sungs­an­spruch sei so­wohl ge­genüber dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den als auch dem stell­ver­tre­ten­den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den be­gründet. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be – was zwi­schen den Be­tei­lig­ten un­strei­tig ist – erklärt, er hätte die­sen Auf­ruf un­ter sei­ner E-Mail-Adres­se in Um­lauf ge­bracht, wenn er an­we­send ge­we­sen wäre. Im Übri­gen ha­be der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de im Auf­trag und mit Bil­li­gung des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den ge­han­delt. Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de ha­be das Ver­hal­ten nicht als rechts­wid­rig er­ach­tet, son­dern es viel­mehr ver­tei­digt. Ei­ne Dul­dungs­pflicht tref­fe die Ar­beit­ge­be­rin je­den­falls nicht.

 

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We­gen der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des zweit­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten wird auf die zwi­schen ih­nen ge­wech­sel­ten Schriftsätze nebst An­la­gen so­wie auf das Vor­brin­gen in dem münd­li­chen Anhörungs­ter­min Be­zug ge­nom­men.

2. Die zulässi­ge form- und frist­ge­recht ein­ge­leg­te Be­schwer­de des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nes Stell­ver­tre­ters hat in der Sa­che kei­nen Er­folg. Das Ar­beits­ge­richt hat zu Recht dem Un­ter­las­sungs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin je­den­falls in dem zu­letzt noch zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gem Um­fang statt­ge­ge­ben. Ih­nen ist es un­ter­sagt, die dem Be­triebs­rat über­las­se­nen Sach­mit­tel, nämlich die Te­le­fon­an­la­ge mit ih­ren Durch­wahl­num­mern und ih­re na­mens­be­zo­ge­nen E-Mail-Ac­counts für ei­nen Streik­auf­ruf oder die Durchführung ei­nes Streiks zu ver­wen­den.

2.1 Der ge­gen den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nen Stell­ver­tre­ter ge­rich­te­te Un­ter­las­sungs­an­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist zulässig.

2.1.1 Der An­trag der Ar­beit­ge­be­rin ist hin­rei­chend be­stimmt im Sin­ne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. In dem An­trag wird die vom Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nem Stell­ver­tre­ter zu un­ter­las­se­ne Hand­lung präzi­se be­zeich­net, nämlich die Nut­zung der Te­le­fon­an­la­ge und der Mail-Ac­counts für den Auf­ruf und die Durchführung ei­nes Streiks der Ge­werk­schaft ver.di so­wie die An­ga­be der Te­le­fon­durch­wahl­num­mern des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nes Stell­ver­tre­ters in ei­nem Streik­auf­ruf.

2.1.2 Der be­son­de­ren Dar­le­gung ei­nes Rechts­schutz­in­ter­es­ses be­darf es für ei­nen Un­ter­las­sungs­an­trag nicht. Die Wie­der­ho­lungs­ge­fahr auf Sei­ten des Schuld­ners ist kei­ne Vor­aus­set­zung der Zulässig­keit son­dern der Be­gründet­heit des An­trags (BAG vom 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – BA­GE 129, 145 ff.).

 

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2.1.3 Über den An­trag war im Be­schluss­ver­fah­ren zu ent­schei­den, da es vor­lie­gend um ei­ne An­ge­le­gen­heit aus dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz geht (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG). Aus­ge­hend von dem ge­stell­ten An­trag geht der Streit der Be­tei­lig­ten dar­um, ob und in wel­chem Um­fang Mit­tel des Be­triebs­ra­tes durch ein­zel­ne Mit­glie­der des Be­triebs­ra­tes auch für ge­werk­schaft­li­che Auf­ga­ben im Zu­sam­men­hang mit Streik­auf­ru­fen und der Durchführung ei­nes Strei­kes ge­nutzt wer­den können. Die Fra­ge, ob dem Ar­beit­ge­ber hin­sicht­lich der Ver­wen­dung der Sach­mit­tel des Be­triebs­rats Un­ter­las­sungs­ansprüche zu­ste­hen, be­trifft im Er­geb­nis ei­ne An­ge­le­gen­heit aus dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz. Ob es sich da­bei tatsächlich um Mit­tel des Be­triebs­ra­tes han­delt, ist im Rah­men der Be­gründet­heit des An­tra­ges zu prüfen.

Dar­aus folgt zu­gleich, dass an dem Ver­fah­ren ne­ben den durch den Un­ter­las­sungs­an­trag in An­spruch ge­nom­me­nen Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nem Stell­ver­tre­ter auch der Be­triebs­rat selbst zu be­tei­li­gen war, ob­wohl nach Rechts­kraft der erst­in­stanz­li­chen Ent­schei­dung der Un­ter­las­sungs­an­trag ihm ge­genüber endgültig ab­ge­wie­sen wor­den ist. Gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG sind ne­ben dem Ar­beit­ge­ber auch die Stel­len zu hören, die nach dem Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz im Ein­zel­nen be­tei­ligt sind. Dies ist bei der Fra­ge, ob Mit­glie­der des Be­triebs­rats Sach­mit­tel des Be­triebs­rats nach § 40 Be­trVG in be­stimm­ten Kon­stel­la­tio­nen ver­wen­den dürfen, auch der Be­triebs­rat. Es geht bei der Ver­wen­dung sei­ner Sach­mit­tel um sei­ne Rechts­po­si­ti­on. Dass der Be­triebs­rat im Anhörungs­ter­min im Be­schwer­de­ver­fah­ren nicht auf­ge­tre­ten ist und sich auch nicht hat ver­tre­ten las­sen, war un­be­acht­lich. Da er ord­nungs­gemäß zum Ter­min ge­la­den wor­den war, war dem Er­for­der­nis der Anhörung Genüge ge­tan (§ 90 Abs. 2, § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG).

2.2 Der Un­ter­las­sungs­an­trag er­weist sich als be­gründet. Die Ar­beit­ge­be­rin hat ge­gen den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nen Stell­ver­tre­ter ei­nen An­spruch auf Un­ter­las­sung der Nut­zung der dem Be­triebs­rat zur Verfügung ge­stell­ten Sach­mit­tel, ins­be­son­de­re der Te­le­fon­an­la­ge und E-Mail-Ac­counts für den Auf­ruf und die Durchführung ei­nes Streiks. Die­ser An­spruch er­gibt sich aus § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG.

2.2.1 Nach die­ser Vor­schrift sind Maßnah­men des Ar­beits­kamp­fes zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat un­zulässig. Der Be­triebs­rat als Or­gan hat sich je­der Tätig­keit im Ar­beits­kampf zu ent­hal­ten. Ins­be­son­de­re darf er als Or­gan kei­nen Streik un­terstützen oder die Be­leg­schaft auf­for­dern, sich an ei­nem ge­werk­schaft­lich or­ga­ni­sier­ten Streik zu be­tei­li­gen. Dar­aus folgt zu­gleich für die ein­zel­nen Be­triebs­rats­mit­glie­der, dass sie sich in ih­rer Funk­ti­on als Be­triebs­rats­mit­glie­der eben­falls neu­tral zu ver­hal­ten ha­ben. Eben­so we­nig wie der

 

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Be­triebs­rat als Gre­mi­um dürfen die ein­zel­nen Be­triebs­rats­mit­glie­der Sach­mit­tel des Be­triebs­ra­tes, die die­ser nach § 40 Be­trVG zur Erfüllung sei­ner Auf­ga­ben als Be­triebs­rat vom Ar­beit­ge­ber zur Verfügung ge­stellt be­kom­men ha­ben, für Ar­beits­kampf­maßnah­men nut­zen (vgl. Fit­ting § 74 Rz. 15; LAG Hamm vom 12.03.2004 – 10 TaBV 161/03 – RDV 2004, 223 f.). Die­se Mit­tel wur­den dem Be­triebs­rat als Or­gan für sei­ne be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Tätig­keit zur Verfügung ge­stellt. Das ein­zel­ne Be­triebs­rats­mit­glied verfügt darüber nur in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rats­mit­glied für den Be­triebs­rat.

Der Un­ter­las­sungs­pflicht des § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG ent­spricht ein Un­ter­las­sungs­an­spruch des Ar­beit­ge­bers je­den­falls ge­genüber den ein­zel­nen Be­triebs­rats­mit­glie­dern, die die­ser Ver­pflich­tung nicht nach­ge­kom­men sind (Fit­ting 25. Aufl. § 74 Be­trVG Rz. 74; Erf-Ko Ka­nia 12. Aufl. 2012 § 74 Rz. 37).

Al­ler­dings hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch ge­gen den Be­triebs­rat aus § 74 Abs. 2 Satz 3 Be­trVG bezüglich ei­ner par­tei­po­li­ti­schen Betäti­gung un­ter Hin­weis auf die feh­len­de aus­drück­li­che Re­ge­lung ei­nes Un­ter­las­sungs­an­spruchs, die Kon­zep­ti­on des § 23 Abs. 3 Be­trVG und die we­gen der Vermögens­lo­sig­keit des Be­triebs­rats ins Lee­re lau­fen­de Voll­stre­ckung durch Fest­set­zung ei­nes Ord­nungs­gel­des ver­neint (vgl. BAG vom 17.03.2010 – 7 ABR 95/08 – BA­GE 133, 347 bis 353). Die­se Einwände grei­fen in­des zum ei­nen nicht bei Un­ter­las­sungs­ansprüchen ge­gen ein­zel­ne Be­triebs­rats­mit­glie­der, die ge­gen das Neu­tra­litäts­ge­bot nach § 74 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG ver­s­toßen und ein­zel­ne Sach­mit­tel des Be­triebs­rats ge­nutzt ha­ben. Ge­gen sie kann ein Ord­nungs­geld fest­ge­setzt und voll­streckt wer­den. Zum an­de­ren ist da­von aus­zu­ge­hen, dass dem Ar­beits­kampf­ver­bot – an­ders als dem Ver­bot der par­tei­po­li­ti­schen Betäti­gung nach der Kon­zep­ti­on der Neu­tra­litäts­pflicht ein Un­ter­las­sungs­an­spruch zur Sei­te steht. An­ders als das Ver­bot der par­tei­po­li­ti­schen Betäti­gung des Be­triebs­rats in § 74 Abs.2 Satz 3 Be­trVG, wel­ches als all­ge­mei­ner Grund­satz von bei­den Be­triebs­par­tei­en zu be­ach­ten ist, stellt sich das Ge­bot der Ar­beits­kampf­neu­tra­lität als Aus­prägung der Pflich­ten­krei­se dar, die sich aus der für bei­de Sei­ten gel­ten­den Ko­ali­ti­ons­frei­heit des Art. 9 Abs. 3 GG er­ge­ben. Ar­beitskämp­fe fin­den – je­den­falls nach herkömm­li­cher Art – im Be­trieb statt. Bei die­ser Aus­ein­an­der­set­zung hat sich der Be­triebs­rat als Or­gan „neu­tral“ zu ver­hal­ten. Setzt er sei­ne ihm im Rah­men der Be­triebs­ver­fas­sung funk­tio­nal zu­kom­men­den Be­fug­nis­se „ar­beits­kampf­verstärkend“ ein, wäre der zwi­schen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en geführ­te Ar­beits­kampf in der ak­tu­el­len Ar­beits­kampf­si­tua­ti­on un­mit­tel­bar be­trof­fen und die Ar­beits­kampf­frei­heit tan­giert. Zur Wah­rung die­ses Neu­tra­litäts­ge­bo­tes be­darf es des auf die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on ge­rich­te­ten

 

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Un­ter­las­sungs­an­spruchs des Ar­beit­ge­bers, der ggf. im einst­wei­li­gen Verfügungs­ver­fah­ren durch­setz­bar wäre. Die­se un­mit­tel­ba­re Ar­beits­kampf­be­zo­ge­ne Wir­kung des Neu­tra­litäts­ge­bo­tes ist des­we­gen an­ders ein­zu­ord­nen als das Ge­bot der par­tei­po­li­ti­schen Neu­tra­lität, wel­ches als la­ten­ter An­spruch des Ar­beit­ge­bers be­steht und dem nach der Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts kein Un­ter­las­sungs­an­spruch zur Sei­te steht (a.A. LAG Düssel­dorf vom 14.12.2010 – 17 TaBV 12/10 - NZA-RR 2011, 132-137). In­so­fern kann da­hin­ste­hen, ob ein Un­ter­las­sungs­an­spruch auch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB ge­ge­ben wäre.

2.2.2 Die Vor­aus­set­zung ei­nes sol­chen Un­ter­las­sungs­an­spruchs ge­genüber dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nem Stell­ver­tre­ter lie­gen vor.

2.2.2.1 Bei den na­mens­be­zo­ge­nen E-Mail-Ac­counts der bei­den Be­triebs­rats­mit­glie­der han­delt es sich eben­so um Sach­mit­tel des Be­triebs­ra­tes nach § 40 Be­trVG wie bei den Durch­wahl­te­le­fon­num­mern für die Ap­pa­ra­te, die die bei­den Be­triebs­rats­mit­glie­der im Be­triebs­ratsbüro zur Verfügung ge­stellt be­kom­men ha­ben.

Dies er­gibt sich zunächst schon aus der Zweck­be­stim­mung des Ar­beit­ge­bers bei der Be­reit­stel­lung der Mit­tel. So­wohl Te­le­fon­an­schlüsse als auch E-Mail-Ac­counts wur­den dem Be­triebs­rat für sei­ne Be­triebs­ratstätig­keit als Sach­mit­tel im Sin­ne von § 40 Be­trVG zur Verfügung ge­stellt. Bei den Durch­wahl­num­mern han­delt es sich um An­schlüsse im Be­triebs­ratsbüro. Die­se sind im Hin­blick auf die Größe des Be­trie­bes und der Ver­wen­dung des In­tra­nets in­ner­halb des Be­trie­bes als er­for­der­li­che Sach­mit­tel an­zu­se­hen. Im Er­geb­nis ist ein ent­spre­chen­der An­spruch des Be­triebs­rats auf Be­reit­stel­lung die­ser Sach­mit­tel zwi­schen den Be­tei­lig­ten auch außer Streit. Be­triebs­rats­vor­sit­zen­der und Stell­ver­tre­ter ver­wen­den so­wohl ih­re Mail-Ac­counts als auch die Te­le­fon­durch­wahl­num­mern je­den­falls auch für ih­re Be­triebs­ratstätig­keit.

Die Ein­ord­nung als Sach­mit­tel des Be­triebs­rats folgt auch dar­aus, dass we­der der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de noch sein Stell­ver­tre­ter die Te­le­fon­an­schlüsse oh­ne ihr Be­triebs­rats­amt hätten. Aber auch die bei­den Mail-Ac­counts wur­den ih­nen in ih­rer Funk­ti­on als Be­triebs­rats­mit­glied ein­ge­rich­tet. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob die E-Mail-Ac­counts An­fang 2000 oder erst – wie von der Ar­beit­ge­be­rin un­ter An­ga­be ge­nau­er Da­ten vor­ge­tra­gen – am 11.11.2007 und am 15.11.2007 für den Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nen Stell­ver­tre­ter ein­ge­rich­tet wur­den. Un­strei­tig ist nämlich, dass bei­de Be­tei­lig­ten be­reits zum da­ma­li­gen Zeit­punkt frei­ge­stell­te Be­triebs­rats­mit­glie­der wa­ren und in ih­ren be­ruf­li­chen

 

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Be­rei­chen je­den­falls zum da­ma­li­gen Zeit­punkt nicht sämt­li­che Ar­beit­neh­mer ent­spre­chen­de E-Mail-Ac­counts er­hal­ten ha­ben. In­so­fern steht auch die zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­ge Be­haup­tung, der Geschäftsführer der Ar­beit­ge­be­rin ha­be im Ok­to­ber 2011 erklärt, es sol­le je­der ein E-Mail-Ac­count er­hal­ten, der Be­stim­mung der be­tref­fen­den E-Mail-Ac­counts als Sach­mit­tel des Be­triebs­ra­tes nicht ent­ge­gen.

Der Um­stand, dass der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de, der nur noch teil­wei­se frei­ge­stellt ist, den Mail-Ac­count auch für dienst­li­che Zwe­cke nutzt, führt nicht zu ei­ner an­de­ren Be­ur­tei­lung. Für die Fra­ge, ob es sich um Sach­mit­tel des Be­triebs­rats han­delt, ist zunächst die Zweck­be­stim­mung, mit der die Mit­tel be­reit­ge­stellt wur­den, maßgeb­lich.

2.2.2.2 Der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de hat die­se Mit­tel des Be­triebs­rats für Ar­beits­kampf­maßnah­men ge­nutzt. Er hat über sei­nen Mail-Ac­count den Streik­auf­ruf der Ge­werk­schaft als An­hang zu sei­ner E-Mail ver­brei­tet und zu­gleich in sei­ner ei­ge­nen E-Mail die Mit­ar­bei­ter auf­ge­for­dert, an dem Streik teil­zu­neh­men. Er hat da­mit nach den obi­gen Grundsätzen ge­gen sei­ne in § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG nor­mier­te Neu­tra­litäts­pflicht ver­s­toßen. Dies gilt auch für die ihm als Be­triebs­rats­mit­glied ein­ge­rich­te­te Durch­wahl­num­mer, die er in dem Streik­auf­ruf an­ge­ge­ben hat. Für die Nut­zung kommt es nicht dar­auf an, ob er te­le­fo­nisch zum Streik auf­ruft. Ei­ne Nut­zung er­folgt be­reits mit der An­ga­be die­ses Kon­tak­tes im Rah­men des Streik­auf­rufs für evtl. Rück­fra­gen oder In­for­ma­tio­nen der Mit­ar­bei­ter über den Streik.

Ein Ver­s­toß ge­gen das Neu­tra­litäts­ge­bot schei­det nicht des­halb aus, weil der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de den Streik­auf­ruf über sei­nen Mail-Ac­count nicht mit sei­ner Ken­nung als Be­triebs­rats­mit­glied ver­se­hen hat. Er verfügte über die Sach­mit­tel al­lein des­halb, weil er Be­triebs­rats­mit­glied war und war des­halb ge­ra­de nicht be­rech­tigt, die­se nach § 74 Abs. 2 Be­trVG für Ar­beits­kampf­maßnah­men zu nut­zen. Dass er da­bei nicht in sei­ner Funk­ti­on als Be­triebs­rat auf­ge­tre­ten ist, ändert an dem Tat­be­stand als sol­ches nichts.

Der Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de hat zwar die Mail selbst nicht ge­schrie­ben. Die­se war je­doch in sei­nem Ein­verständ­nis mit sei­nem Na­men, sei­nem Mail-Ac­count und sei­ner Duch­wahl­num­mer un­ter­zeich­net. Er hat sich die­se auch zu Ei­gen ge­macht, in dem er un­strei­tig vor dem Ar­beits­ge­richt erklärt hat, er hätte sie ver­sandt, wenn er an­we­send ge­we­sen wäre. Auch hat er die An­ga­be von Te­le­fon­num­mern und Mail-Ac­counts ge­genüber der Ar­beit­ge­be­rin ver­tei­digt. In­so­weit be­steht auch hin­sicht­lich sei­ner Per­son die für den

 

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Un­ter­las­sungs­an­spruch er­for­der­li­che Wie­der­ho­lungs­ge­fahr bzw. die Ge­fahr der Be­ein­träch­ti­gung des geschütz­ten Rechts­guts.

2.2 Dem so fest­ge­stell­ten Un­ter­las­sungs­an­spruch ge­genüber dem Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nem Stell­ver­tre­ter steht nicht § 74 Abs. 3 Be­trVG ent­ge­gen. Nach die­ser Vor­schrift wer­den auch Be­triebs­rats­mit­glie­der durch die In­ne­ha­bung ih­res Am­tes in der Betäti­gung für ih­re Ge­werk­schaft im Be­trieb nicht be­schränkt.

2.2.1 Die Vor­schrift des § 74 Abs. 3 Be­trVG er­laubt den be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Funk­ti­ons­trägern Tätig­kei­ten im glei­chen Um­fan­ge wie den übri­gen Ar­beit­neh­mern. Sie er­laubt al­so sämt­li­che ge­werk­schaft­li­chen Betäti­gun­gen, wie sie vom Grund­recht des Art. 9 Abs. 3 GG geschützt sind. Art. 9 Abs. 3 GG enthält da­bei ei­ne dop­pel­te Gewähr­leis­tung. Die Be­stim­mung schützt den Ein­zel­nen in sei­ner Frei­heit, ei­ne Ver­ei­ni­gung zur Wah­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen zu gründen, ihr bei­zu­tre­ten oder fern­zu­blei­ben oder sie zu ver­las­sen. Geschützt ist auch die Ko­ali­ti­on selbst in ih­rem Be­stand, ih­rer or­ga­ni­sa­to­ri­schen Aus­ge­stal­tung und ih­ren Betäti­gun­gen, so­fern die­se der Förde­rung der Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen die­nen (std. Rspr. des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, vgl. BVerfG vom 06.02.2007 – 1 BVR 978/05 –NZA 2007, 394 m.w.N.; BAG v- 20.01.2009 – 1 AZR 515/08 – AP GG Art. 9 Nr. 137). Die Ko­ali­ti­ons­frei­heit gilt gemäß Art. 9 Abs. 3 GG für je­der­mann und al­le Be­ru­fe. Sie ist al­so, ob­wohl his­to­risch vor al­lem den Ar­beit­neh­mern vor­ent­hal­ten und von die­sen erstrit­ten, nicht als Ar­beit­neh­mer­grund­recht aus­ge­stal­tet, son­dern steht eben­so Ar­beit­ge­bern zu (vgl. BVerfG vom 26.06.1991 – 1 BVR 779/85 – BVerfGE 84, 212 ff.).

In den Schutz­be­reich des Art. 9 Abs. 3 GG sind sol­che Betäti­gun­gen ein­be­zo­gen, die dem Zweck der Ko­ali­tio­nen die­nen, die Ar­beits- und Wirt­schafts­be­din­gun­gen zu wah­ren und zu fördern. Der Schutz ist nicht von vorn­her­ein auf ei­nen Kern­be­reich ko­ali­ti­onsmäßiger Betäti­gun­gen be­schränkt, die für die Si­che­rung des Be­stands der Ko­ali­tio­nen un­erläss­lich sind. Er er­streckt sich viel­mehr auf al­le ko­ali­ti­ons­spe­zi­fi­schen Ver­halts­wei­sen und um­fasst ins­be­son­de­re auch die Ta­rif­au­to­no­mie, die im Zen­trum der den Ko­ali­tio­nen ein­geräum­ten Möglich­kei­ten zur Ver­fol­gung ih­rer Zwe­cke steht. (BVerfG v. 10.09.2004 – 1 BvR 1191/03 - AP Nr 167 zu Art 9 GG Ar­beits­kampf).

2.2.2 Die Vor­schrift des § 74 Abs. 3 Be­trVG hebt das in § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG nor­mier­te Neu­tra­litäts­ge­bot im Ar­beits­kampf nicht auf. Das ar­beits­kampf­recht­li­che Neu­tra­litäts­ge­bot geht da­von aus, dass zwi­schen den Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts­par­tei­en völli­ge Frie­dens­pflicht herrscht (Fit­ting u.a.§ 74 Be­trVG Rz. 12). Die Funk­ti­on des

 

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Be­triebs­rats als Gre­mi­um, wel­ches für die Ge­samt­heit der Ar­beit­neh­mer und nicht nur für die Ge­werk­schafts­mit­glie­der fun­giert, bleibt auch während des Ar­beits­kamp­fes exis­tent, das Amt auch der ein­zel­nen Be­triebs­rats­mit­glie­der bleibt un­berührt. Mit die­ser grundsätz­li­chen Ent­schei­dung hat das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz in der zu­ge­spitz­ten Si­tua­ti­on des Ar­beits­kamp­fes der Frie­dens­pflicht zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Be­triebs­rat un­be­ding­te Prio­rität ein­geräumt. Würde dies nicht so sein, dann würde sich der Ar­beit­ge­ber im Ar­beits­kampf nicht nur dem Mit­glie­der­ge­prägten Ta­rif­geg­ner, son­dern auch dem Mit­glie­de­r­un­abhängi­gen Or­gan der Be­triebs­ver­fas­sung ge­genüber­se­hen. Um­ge­kehrt wäre es mit der Wahr­neh­mung sämt­li­cher Rech­te und Be­fug­nis­se des Be­triebs­rats­gre­mi­ums auch während des Ar­beits­kamp­fes nicht ver­ein­bar, wenn die­ses Gre­mi­um sei­ner­seits Teil des Kampf­ge­sche­hens wäre. Dem­nach wird das Neu­tra­litäts­ge­bot des § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG durch die Re­ge­lung des § 74 Abs. 3 Be­trVG nicht berührt. Be­zo­gen auf den Fall des Ar­beits­kamp­fes und be­zo­gen auf das Gre­mi­um Be­triebs­rat liegt die Wer­tent­schei­dung in der sta­tu­ier­ten Neu­tra­litäts­pflicht; § 74 Abs. 3 Be­trVG ge­stat­tet den Be­triebs­rats­mit­glie­dern die ge­werk­schaft­li­che Betäti­gung nur „im Übri­gen“, d.h. oh­ne Nut­zung ih­res Am­tes und der für das Amt zur Verfügung ge­stell­ten Mit­tel.

2.2.3 In der Kon­se­quenz die­ses Grund­sat­zes ist es den Be­triebs­rats­mit­glie­dern auch un­ter­sagt, Sach­mit­tel, die dem Gre­mi­um im Rah­men der Be­triebs­ver­fas­sung zur Verfügung ge­stellt wor­den sind, für die – in­so­weit ver­bo­te­ne – Betäti­gung im Ar­beits­kampf ein­zu­set­zen. Das ge­genüber dem Or­gan und dem ein­zel­nen Mit­glied be­ste­hen­de Neu­tra­litäts­ge­bot er­fasst auch die Nut­zung der im Rah­men der Be­triebs­ver­fas­sung zur Verfügung ge­stell­ten Sach­mit­tel zum Zwe­cke des Ar­beits­kamp­fes. Ge­mes­sen an die­sen Grundsätzen war der stell­ver­tre­ten­de Be­triebs­rats­vor­sit­zen­de nicht be­rech­tigt, die dem Be­triebs­rat als Sach­mit­tel zur Verfügung ge­stell­ten Mail-Ac­counts und Durch­wahl­num­mern für den Streik­auf­ruf zu nut­zen. Ei­ner sol­chen Nut­zung steht auf Ar­beit­ge­ber­sei­te die eben­falls ver­fas­sungs­recht­lich gewähr­leis­te­te Ar­beits­kampf­frei­heit der Ar­beit­ge­be­rin nach Ar­ti­kel 9 Abs. 3 GG ent­ge­gen.

Ei­ne Be­nach­tei­li­gung von Man­datsträgern fin­det da­durch nicht statt. Die Sach­mit­tel des Be­triebs­rats, um de­ren Nut­zung es hier geht, ste­hen den bei­den Be­triebs­rats­mit­glie­dern nur auf­grund ih­rer Funk­ti­on als Be­triebsräte zur Verfügung. Nur ergänzend ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die bei­den Be­triebs­rats­mit­glie­der auch oh­ne Ver­wen­dung der Be­triebs­rats­mit­tel ihr Streik­recht ausüben können. Bei­de Be­triebs­rats­mit­glie­der verfügen über ei­ge­ne Mo­bil­te­le­fo­ne, de­ren Te­le­fon­num­mern sie oh­ne­hin mit­ge­teilt ha­ben und über die sie für Ar­beit­neh­mer eben­so er­reich­bar sind, wie über die Fest­netz­an­schlüsse. Auch der Ein­rich­tung von ei­ge­nen Mail-Ac­counts ste­hen kei­ne Schwie­rig­kei­ten ent­ge­gen.

 

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3. Aus die­sen Gründen wa­ren die Be­schwer­den des Be­triebs­rats­vor­sit­zen­den und sei­nes Stell­ver­tre­ters zurück­zu­wei­sen. Zu­gleich war die Rechts­be­schwer­de gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu­zu­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­sen Be­schluss kann von d. Be­tei­lig­ten zu 3.) und zu 4.) bei dem

Bun­des­ar­beits­ge­richt,

Hu­go-Preuß-Platz 1, 99084 Er­furt,

(Post­adres­se: 99113 Er­furt),

Rechts­be­schwer­de ein­ge­legt wer­den.

Die Rechts­be­schwer­de muss in­ner­halb

ei­ner Not­frist von ei­nem Mo­nat

schrift­lich beim Bun­des­ar­beits­ge­richt ein­ge­legt wer­den.

Sie ist gleich­zei­tig oder in­ner­halb

ei­ner Frist von zwei Mo­na­ten

schrift­lich zu be­gründen.

Bei­de Fris­ten be­gin­nen mit der Zu­stel­lung des in vollständi­ger Form ab­ge­setz­ten Be­schlus­ses, spätes­tens aber mit Ab­lauf von fünf Mo­na­ten nach der Verkündung.

Die Rechts­be­schwer­de­schrift muss die Be­zeich­nung des Be­schlus­ses, ge­gen den die Rechts­be­schwer­de ge­rich­tet wird und die Erklärung ent­hal­ten, dass ge­gen die­sen Be­schluss Rechts­be­schwer­de ein­ge­legt wer­de.

Die Rechts­be­schwer­de­schrift und die Rechts­be­schwer­de­be­gründung müssen von ei­nem Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten un­ter­zeich­net sein. Als sol­che sind außer Rechts­anwälten nur fol­gen­de Stel­len zu­ge­las­sen, die zu­dem durch Per­so­nen mit Befähi­gung zum Rich­ter­amt han­deln müssen:

• Ge­werk­schaf­ten und Ver­ei­ni­gun­gen von Ar­beit­ge­bern so­wie Zu­sam­men­schlüsse sol­cher Verbände für ih­re Mit­glie­der oder für an­de­re Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der,
• ju­ris­ti­sche Per­so­nen, de­ren An­tei­le sämt­lich im wirt­schaft­li­chen Ei­gen­tum ei­ner der vor­ge­nann­ten Or­ga­ni­sa­tio­nen ste­hen, wenn die ju­ris­ti­sche Per­son aus­sch­ließlich die Rechts­be­ra­tung und Pro­zess­ver­tre­tung die­ser Or­ga­ni­sa­ti­on und ih­rer Mit­glie­der oder an­de­rer Verbände oder Zu­sam­men­schlüsse mit ver­gleich­ba­rer Aus­rich­tung und de­ren Mit­glie­der ent­spre­chend de­ren Sat­zung durchführt, und wenn die Or­ga­ni­sa­ti­on für die Tätig­keit der Be­vollmäch­tig­ten haf­tet.

Für die Be­tei­lig­ten zu 1.) und zu 2.) ist kein Rechts­mit­tel ge­ge­ben.
Auf die Möglich­keit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de gem. § 92 a ArbGG wird hin­ge­wie­sen.

 

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Der Schrift­form wird auch durch Ein­rei­chung ei­nes elek­tro­ni­schen Do­ku­ments i. S. d. § 46 c ArbGG genügt. Nähe­re In­for­ma­tio­nen da­zu fin­den sich auf der In­ter­net­sei­te des Bun­des­ar­beits­ge­richts un­ter www.bun­des­ar­beits­ge­richt.de.


R.

P.

H.


 

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