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LAG Mün­chen, Be­schluss vom 06.05.2010, 3 TaBV­Ga 10/10

   
Schlagworte: Streikaufruf, Betriebsrat: Arbeitskampfverbot, Streik
   
Gericht: Landesarbeitsgericht München
Aktenzeichen: 3 TaBVGa 10/10
Typ: Beschluss
Entscheidungsdatum: 06.05.2010
   
Leitsätze:

Die Versendung einer E-Mail durch einen Gesamtbetriebsratsvorsitzenden unter Angabe der Funktion als Gesamtbetriebsratsvorsitzender nebst Büroanschrift und -telefonnummer an alle Gesamtbetriebsratsmitglieder und weitere Betriebsratsmitglieder von einer privaten, aber dem Anschein nach dienstlichen E-Mail-Adresse aus, mit der die Adressaten zur Verteilung eines gewerkschaftlichen Aufrufs zur Beteiligung an einem gegen den Arbeitgeber gerichteten Arbeitskampf und zur Verhinderung von Streikbruch-Arbeit aufgefordert werden, stellt einen massiven Verstoß gegen das Arbeitskampfverbot des § 74 Abs.2 Satz 1 BetrVG dar, der den Arbeitgeber zu Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs berechtigt.

Dass die E-Mail als "VERTRAULICH" gekennzeichnet ist, ändert nichts an dieser Beurteilung, wenn sich der Arbeitgeber die Kenntnis dieser Mail und ihres Inhalts nicht durch aktives Tun verschafft hat.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Augsburg, Beschluss vom 15.04.2010, 7 BVGa 8/10
   

3 TaBV­Ga 10/10

7 BV­Ga 8/10

(ArbG Augs­burg)  

 

Verkündet am: 06.05.2010

 


Kübler
Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le


Lan­des­ar­beits­ge­richt München


Im Na­men des Vol­kes


BESCHLUSS


In dem Be­schluss­ver­fah­ren


mit den Be­tei­lig­ten


1. Fa. D.


- An­trag­stel­le­rin und Be­tei­lig­te zu 1 und Be­schwer­deführe­rin -


Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te:


2. L.


- Be­tei­lig­ter zu 2 -


Ver­fah­rens­be­vollmäch­tig­te:

- 2 -


hat die 3. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts München auf Grund der münd­li­chen Anhörung vom 29. April 2010 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Lan­des­ar­beits­ge­richt Dr. Ro­sen­fel­der und die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter But­zen­ber­ger und Brei­beck


für Recht er­kannt:


Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Augs­burg vom 14.04.2010 - 7 BV­Ga 8/10 - wird ab­geändert:


Dem Be­tei­lig­ten zu 2) wird bei Mei­dung ei­nes Ord­nungs­gel­des in Höhe von bis zu 250.000,00 € und ei­ner Ord­nungs­haft im Fal­le der Un­ein­bring­lich­keit des Ord­nungs­gel­des un­ter­sagt, sich un­ter Be­ru­fung auf sei­ne Funk­ti­on als Mit­glied bzw. Vor­sit­zen­der des bei der An­trag­stel­le­rin be­ste­hen­den Ge­samts­be­triebs­rats oder un­ter Her­stel­lung ei­nes Be­zugs zu die­ser Funk­ti­on an ge­gen die An­trag­stel­le­rin ge­rich­te­ten Ar­beits­kampf­maßnah­men zu be­tei­li­gen, auf die Be­tei­li­gung an sol­chen Ar­beits­kampf­maßnah­men hin­zu­wir­ken oder sol­che Ar­beits­kampf­maßnah­men ar­gu­men­ta­tiv zu un­terstützen.


Gründe:


I.


Die Be­tei­lig­ten strei­ten im Rah­men ei­nes An­trags auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung über die von der An­trag­stel­le­rin be­gehr­te Un­ter­sa­gung von Ak­ti­vitäten des Be­tei­lig­ten zu 2 im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ar­beits­kampf.


Bei der An­trag­stel­le­rin - ei­nem Ein­zel­han­dels­un­ter­neh­men mit zahl­rei­chen Gar­ten­cen­tern im ge­sam­ten Bun­des­ge­biet - fin­det ein Ar­beits­kampf über den Ab­schluss ei­nes An­er­ken­nungs­ta­rif­ver­tra­ges oder Haus­ta­rif­ver­tra­ges statt, nach­dem der Ar­beit­ge­ber aus der zuständi­gen Ar­beit­ge­ber­ver­ei­ni­gung aus­ge­tre­ten war, um der Ta­rif­bin­dung zu ent­ge­hen. Der

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Be­tei­lig­te zu 2 ist der Vor­sit­zen­de des bei der An­trag­stel­le­rin ge­bil­de­ten Ge­samt­be­triebs­rats.


Am 01.04.2010 fand zwi­schen der Geschäfts­lei­tung und dem Ge­samt­be­triebs­rat ein Gespräch zum The­ma „Ta­rif­bin­dung“ statt, worüber der Ar­beit­ge­ber die Be­leg­schaft in ei­ner In­fo vom 06.04.2010 un­ter­rich­te­te. Der Ge­samt­be­triebs­rat veröffent­lich­te dar­auf ein In­fo vom 07.04.2010, das mit dem Auf­ruf „Mit-Den­ken! Mit-Ma­chen! Ge­mein­sam kämp­fen für un­se­ren Ta­rif­ver­trag!“ en­det. Am 07.04.2010 um 23.15 Uhr über­mit­tel­te der Be­tei­lig­te zu 2 von sei­ner E-Mail-Adres­se L.@D.-gbr.de, die trotz ih­res Be­zugs auf den Fir­men­na­men ei­ne pri­va­te bzw. pri­vat ein­ge­rich­te­te E-Mail-Adres­se des Be­tei­lig­ten zu 2 ist, ei­ne als „VER­TRAU­LICH!“ ge­kenn­zeich­ne­te Mail an al­le Mit­glie­der des Ge­samt­be­triebs­rats so­wie an wei­te­re Be­triebs­rats­mit­glie­der der An­trag­stel­le­rin, wo­bei es sich - mit ei­ner Aus­nah­me - je­weils um pri­va­te E-Mail-Adres­sen han­del­te.


Die ers­ten drei Absätze der Mail lau­ten:


Un­se­re Aus­ein­an­der­set­zung um die Rück­kehr zur Ta­rif­bin­dung wird sich in den kom­men­den Ta­gen und Wo­chen verschärfen. Wei­te­re Ar­beits­kampf­maßnah­men ste­hen be­vor.


Zur Erklärung der ak­tu­el­len Si­tua­ti­on und war­um es nicht oh­ne wei­te­re Streiks geht, er­hal­tet Ihr in der An­la­ge ein In­fo-Flug­blatt. Wir bit­ten Euch die­ses Flug­blatt aus­zuhängen und nach Möglich­keit an al­le Beschäftig­ten (wenn möglich auch in den be­nach­bar­ten und al­len wei­te­ren D.-Märk­ten) zu ver­tei­len!!!


Un­se­re Streiks wir­ken natürlich bes­ser, wenn wir Streik­bruch­ar­beit wei­test­ge­hend ver­hin­dern können.


Es fol­gen nach dem ein­lei­ten­den Satz: „Zum The­ma Streik und Streik­bruch fin­det Ihr hier noch zwei ech­te Klas­si­ker“ Zi­ta­te aus ei­ner eng­li­schen Wo­chen­zei­tung des Jah­res 1911 und aus ei­nem Ro­man von Jack Lon­don zum Phäno­men „Streik­bre­cher“.

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Die Mail schließt mit dem Satz: „Glück auf für die kom­men­den Ta­ge und Wo­chen!“ Als „elek­tro­ni­sche Un­ter­schrift“ ist an­ge­ge­ben


L.
Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der
D. GmbH & Co. KG
Büro M.
K. Straße 0
00000 M.
Te­le­fon 000/000000-00


Mit die­ser E-Mail ver­sand­te der Be­tei­lig­te zu 2 als An­la­ge ein zwei­sei­ti­ges Flug­blatt der Ge­werk­schaft V. mit der Über­schrift „Ta­rif­flucht bei D.! War­um Streik?“ und der Zwi­schenüber­schrift „Ar­beits­kampf ist un­ver­meid­bar!“.

Die An­trag­stel­le­rin, der die­se Mail auf un­be­kannt ge­blie­be­nem We­ge zu­ge­tra­gen wur­de, in­for­mier­te mit Aus­hang vom 08.04.2010, ge­rich­tet an al­le Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter, die Be­leg­schaft über die Ver­sen­dung der Mail durch den Be­tei­lig­ten zu 2, al­ler­dings oh­ne die­sen Vor­gang kor­rekt dar­zu­le­gen. Die ers­ten bei­den Absätze die­ses Aus­hangs lau­ten:


Die Ge­werk­schaft V. hat in ver­schie­de­nen Be­trie­ben für Frei­tag und Sams­tag zur Streik­teil­nah­me auf­ge­ru­fen. Ob­wohl wir dem Ge­samt­be­triebs­rat un­se­re Gesprächs- und Ver­hand­lungs­be­reit­schaft aus­drück­lich an­ge­bo­ten ha­ben, setzt V. ih­re imageschädi­gen­de Kam­pa­gne fort.


Der Ge­samt­be­triebs­rat sei­ner­seits ruft al­le Be­triebsräte zu ak­ti­ver Be­tei­li­gung an den Streik­maßnah­men auf. Der Vor­sit­zen­de des Ge­samt­be­triebs­rats ver­teilt so­gar nach­fol­gen­de Schmähschrif­ten, wo­nach ar­beits­wil­li­ge Beschäftig­te auf das Übels­te de­nun­ziert, ver­un­glimpft und be­lei­digt wer­den:

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Aus der E-Mail des Be­tei­lig­ten zu 2 vom 07.04.2010 ist le­dig­lich die Pas­sa­ge mit dem Jack-Lon­don-Zi­tat wört­lich wie­der­ge­ge­ben, je­doch oh­ne of­fen­zu­le­gen, dass es sich um ein li­te­ra­ri­sches Zi­tat han­delt.


Am 09. und 10.04.2010 fand in ei­ni­gen Be­trie­ben der An­trag­stel­le­rin ein „Zwei­tes Streik­wo­chen­en­de“ statt, zu dem die Ge­werk­schaft V. auf­ge­ru­fen hat­te.


Die An­trag­stel­le­rin for­der­te den Be­tei­lig­ten zu 2 mit E-Mail vom 09.04.2010 auf, ei­ne vor­ge­fer­tig­te Un­ter­las­sungs­erklärung ab­zu­ge­ben bzw. zu un­ter­schrei­ben. Der Be­tei­lig­te zu 2 kam die­ser Auf­for­de­rung nicht nach.


Die An­trag­stel­le­rin ist der Auf­fas­sung, der Be­tei­lig­te zu 2 ha­be mit der Ver­sen­dung der Mail in schwer­wie­gen­der Wei­se ge­gen das be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ar­beits­kampf­ver­bot ver­s­toßen und et­wai­ge Streik­bre­cher in un­erträgli­cher Wei­se dif­fa­miert. Der Un­ter­las­sungs­an­spruch er­ge­be sich aus § 74 Abs. 2 Satz 1 HS. 1 Be­trVG. Der er­for­der­li­che Verfügungs­grund be­ste­he dar­in, dass an­ge­sichts der an­gekündig­ten wei­te­ren Ar­beits­kampf­maßnah­men zu befürch­ten sei, der Be­tei­lig­te zu 2 wer­de er­neut durch Aus­nut­zung sei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Po­si­ti­on ver­su­chen, die von V. aus­ge­ru­fe­nen Ar­beits­kampf­maßnah­men zu fördern.


Der Be­tei­lig­te zu 2 hält ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch der An­trag­stel­le­rin für nicht ge­ge­ben. Er ha­be le­dig­lich von sei­ner pri­va­ten E-Mail-Adres­se aus ei­ne Äußerung ver­sandt, die für die Empfänger er­kenn­bar außer­halb der Ar­beits­zeit und in sei­ner Ei­gen­schaft als Ge­werk­schafts­mit­glied ab­ge­ge­ben wor­den sei. Die An­trag­stel­le­rin ha­be die­se aus­drück­lich als ver­trau­lich ge­kenn­zeich­ne­te, pri­va­te E-Mail un­zulässi­ger­wei­se ent­ge­gen­ge­nom­men und in­halts­ver­zerrt be­triebsöffent­lich ge­macht. Auch ein Verfügungs­grund ist nach Auf­fas­sung des Be­tei­lig­ten zu 2 nicht ge­ge­ben, weil im Zeit­punkt der münd­li­chen Anhörung vor dem Ar­beits­ge­richt die Ar­beits­kampf­maßnah­men im Rah­men des „Zwei­ten Streik­wo­chen­en­des“ be­reits zeit­lich ab­ge­schlos­sen ge­we­sen sei­en. Im Übri­gen han­de­le es sich bei dem An­trag um ei­nen un­zulässi­gen Glo­balan­trag.


Das Ar­beits­ge­richt Augs­burg hat mit Be­schluss vom 15.04.2010 - 7 BV­Ga 8/10 -, auf den hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten des Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten im ers­ten Rechts­zug, der


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erst­in­stanz­lich ge­stell­ten Anträge so­wie der De­tails der recht­li­chen Erwägun­gen des Erst­ge­richts ver­wie­sen wird, den An­trag auf Er­lass ei­ner einst­wei­li­gen Verfügung zurück­ge­wie­sen.


Es hat zur Be­gründung aus­geführt, der An­trag­stel­ler ha­be ei­nen Un­ter­las­sungs­an­spruch we­gen Ver­let­zung des § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG nicht glaub­haft ge­macht. Zwar lie­ge ob­jek­tiv ein Ver­s­toß ge­gen das be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ar­beits­kampf­ver­bot vor. Es spre­che je­doch ei­ne über­wie­gen­de Wahr­schein­lich­keit dafür, dass auf­grund der Be­son­der­hei­ten des Ein­zel­fal­les ein Un­ter­las­sungs­an­spruch nicht be­ste­he, weil die An­trag­stel­le­rin selbst mit der Ver­wer­tung der als ver­trau­lich ge­kenn­zeich­ne­ten Mail in gro­ber Wei­se ge­gen das Ge­bot der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit nach § 2 Abs. 1 Be­trVG ver­s­toßen ha­be und - an­ge­sichts des Um­stan­des, dass die E-Mail nur an Mit­glie­der des Ge­samt­be­triebs­ra­tes und ei­ni­ge Be­triebs­rats­mit­glie­der ge­rich­tet war - von vorn­her­ein nicht die Ge­fahr ei­ner miss­bräuch­li­chen Aus­nut­zung der Funk­ti­on des Be­tei­lig­ten zu 2 als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der ge­genüber der Be­leg­schaft im Rah­men von Ar­beits­kampf­maßnah­men be­stan­den ha­be. Der in der E-Mail ent­hal­te­ne Hin­weis auf die Tätig­keit als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der sei ge­genüber den Be­triebs­rats­mit­glie­dern oh­ne Be­deu­tung, da ih­nen die Funk­tio­nen des Be­tei­lig­ten zu 2 be­kannt sei­en. Vom Empfänger­ho­ri­zont her ge­se­hen ha­be nicht der Ein­druck ent­ste­hen können, dass der Be­tei­lig­te zu 2 mit dem Ge­wicht sei­nes Am­tes Ar­beits­kampf­maßnah­men un­terstützen wol­le. Es sei da­von aus­zu­ge­hen, dass die Empfänger die Funk­tio­nen des Be­tei­lig­ten zu 2 als Ge­werk­schafts­mit­glied und Mit­glied der Ta­rif­kom­mis­si­on kann­ten und es von da­her für durch­aus möglich hiel­ten, er wol­le trotz des Hin­wei­ses auf sei­ne Po­si­ti­on als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der Ar­beits­kampf­maßnah­men le­dig­lich als Ge­werk­schafts­mit­glied un­terstützen. Auch sei nach den Umständen des Fal­les kei­ne Wie­der­ho­lungs­ge­fahr an­zu­neh­men. In der münd­li­chen Anhörung ha­be der Be­tei­lig­te zu 2 nicht un­ter dem Druck des Rechts­streits, son­dern aus Ein­sicht glaub­haft ver­si­chert, dass er zukünf­tig - auch bei pri­va­ten E-Mails an sei­ne Be­triebs­rats­kol­le­gen - den Hin­weis auf sei­ne Funk­ti­on als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der weg­las­sen wer­de, so­fern es sich um Ar­beits­kampf­maßnah­men han­de­le. Sch­ließlich sei nicht aus­zu­sch­ließen, dass ein Ver­wer­tungs­ver­bot hin­sicht­lich des In­halts der E-Mail nach Art. 2 Abs. 1 GG be­ste­he.

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Die An­trag­stel­le­rin hat mit ei­nem am 19.04.2010 beim Be­schwer­de­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Schrift­satz ge­gen den Be­schluss vom 15.04.2010 Be­schwer­de er­ho­ben und die­se zu­gleich be­gründet.


Sie wie­der­holt und ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen, wo­nach der Be­tei­lig­te zu 2 durch Ver­sen­dung der E-Mail in schwer­wie­gen­der Wei­se ge­gen das be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Neu­tra­litäts­ge­bot ver­s­toßen ha­be mit der Fol­ge, dass ihr ein Un­ter­las­sungs­an­spruch zur Sei­te ste­he. So ha­be der Be­tei­lig­te zu 2 ei­ne zu dienst­li­chen Zwe­cken ge­nutz­te E-Mail-Adres­se ver­wen­det, fer­ner ei­ne E-Mail-Si­gna­tur, die ihn als Vor­sit­zen­der des Ge­samt­be­triebs­rats aus­wei­se, mit Geschäfts­adres­se und Te­le­fon­num­mer. Als Empfänger sei­en aus­sch­ließlich Mit­glie­der des Ge­samt­be­triebs­rats und wei­te­re D.-Be­triebs­rats­mit­glie­der ge­nannt mit der An­re­de „Lie­be Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen“. Für ei­nen Ver­s­toß ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot sei es un­er­heb­lich, ob das Be­triebs­rats­mit­glied of­fen oder un­ter dem Sie­gel der Ver­schwie­gen­heit han­de­le. Un­er­heb­lich sei auch, ob der Be­tei­lig­te zu 2 streikfördern­de Maßnah­men im be­trieb­li­chen oder öffent­li­chen Raum vor­ge­nom­men ha­be. Viel­mehr sei al­lein ent­schei­dend, ob dies un­ter Be­ru­fung auf die Amts­stel­lung als Be­triebs­rats­mit­glied ge­sche­hen sei. Der Be­tei­lig­te zu 2 ha­be ziel­ge­rich­tet in den be­trieb­li­chen Raum hin­ein­ge­wirkt. Der Ver­s­toß wie­ge nicht we­ni­ger schwer, weil sei­ne Funk­ti­on als Vor­sit­zen­der des Ge­samt­be­triebs­rats oh­ne­hin be­kannt ge­we­sen sei. Das Neu­tra­litäts­ge­bot gel­te auch dann. § 74 Abs. 2 Be­trVG ver­lan­ge ei­ne strik­te for­ma­le Sphären­tren­nung. Der Ver­s­toß wie­ge be­son­ders schwer, weil die E-Mail in ei­ner Form ab­ge­fasst sei, die nach­hal­tig Zwie­tracht in der Be­leg­schaft säe.


Die An­trag­stel­le­rin meint, die Ar­gu­men­ta­ti­on des Ar­beits­ge­richts mit Art. 2 Abs. 1 GG sei of­fen­sicht­lich un­zu­tref­fend, weil der Ge­setz­ge­ber mit § 74 Abs. 2 Be­trVG die Abwägung der be­tei­lig­ten Grund­rechts­po­si­tio­nen be­reits ab­sch­ließend selbst vor­ge­nom­men ha­be.


Die Wie­der­ho­lungs­ge­fahr ist nach An­sicht der An­trag­stel­le­rin schon des­halb ge­ge­ben, weil sich der Be­tei­lig­te zu 2 wei­ge­re, ei­ne Un­ter­las­sungs­erklärung ab­zu­ge­ben.


Ein Verfügungs­grund sei zu be­ja­hen, weil laut E-Mail vom 07.04.2010 „in den nächs­ten Ta­gen und Wo­chen“ mit wei­te­ren Ar­beits­kampf­maßnah­men zu rech­nen sei.

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Die An­trag­stel­le­rin be­an­tragt:


Der Be­schluss des Ar­beits­ge­richts Augs­burg vom 14.04.2010 - 7 BV­Ga 8/10 - wird ab­geändert. Dem An­trags­geg­ner wird bei Mei­dung ei­nes Ord­nungs­gel­des in Höhe von bis zu 250.000,00 € und ei­ner Ord­nungs­haft im Fal­le der Un­ein­bring­lich­keit des Ord­nungs­gel­des un­ter­sagt, sich in sei­ner Ei­gen­schaft als Mit­glied bzw. Vor­sit­zen­der des bei der An­trag­stel­le­rin be­ste­hen­den Ge­samt­be­triebs­rats an ge­gen die An­trag­stel­le­rin ge­rich­te­ten Ar­beits­kampf­maßnah­men zu be­tei­li­gen, zur Be­tei­li­gung an sol­chen Ar­beits­kampf­maßnah­men auf­zu­ru­fen oder sol­che Ar­beits­kampf­maßnah­men in sons­ti­ger Wei­se zu fördern.


Der Be­tei­lig­te zu 2 be­an­tragt, die Be­schwer­de zurück­zu­wei­sen.


Er meint - un­ter Wie­der­ho­lung und Ver­tie­fung sei­nes erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens -, die An­trag­stel­le­rin prak­ti­zie­re selbst ei­ne un­zulässi­ge Ver­mi­schung der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen und der ar­beits­kampf­recht­li­chen Sphären, in­dem sie aus­weis­lich ih­rer ei­ge­nen, ge­genüber der Ge­samt­be­leg­schaft kund­ge­ta­nen Mit­tei­lung vom 08.04.2010 mit dem Ge­samt­be­triebs­rat Gespräche und Ver­hand­lun­gen zu Sach­ver­hal­ten führe, die auf ta­rif­ver­trag­li­cher Ebe­ne durch die Ge­werk­schaf­ten ge­for­dert würden und für die nach § 77 Abs. 3 Be­trVG die Be­triebs­par­tei­en nicht zuständig sei­en.


Er be­tont ins­be­son­de­re er­neut, der Ar­beit­ge­ber ha­be sei­ner­seits, in­dem er die an ei­nen ab­ge­schlos­se­nen Empfänger­kreis ge­rich­te­te E-Mail in die Be­triebsöffent­lich­keit ge­zo­gen ha­be, ein Ver­hal­ten an den Tag ge­legt, das ein Rechts­schutz­bedürf­nis für den ge­stell­ten An­trag ent­fal­len las­se. Un­ter die­sen Umständen stel­le sich die Fra­ge, ob Äußerun­gen im pri­va­ten Kreis, ob nun glück­lich oder unglück­lich be­dacht for­mu­liert, vom Tat­be­stand des § 74 Be­trVG über­haupt er­fasst würden. Die Nor­men der Be­triebs­ver­fas­sung bezögen sich auf den be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen und nicht auf den pri­va­ten Raum. Es kom­me hin­zu, dass der Adres­sa­ten­kreis der E-Mail die Funk­tio­nen des Be­tei­lig­ten zu 2 ken­ne.


Hin­sicht­lich des sons­ti­gen Vor­brin­gens der Be­tei­lig­ten im zwei­ten Rechts­zug wird auf die Schriftsätze der An­trags­stel­le­rin vom 19.04.2010 und 28.04.2010, so­wie des Be­tei­lig­ten zu

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2 vom 21.04.2010 und 27.04.2010 ver­wie­sen, fer­ner auf die Sit­zungs­nie­der­schrift vom 28.04.2010.


II.


Die zulässi­ge Be­schwer­de ist be­gründet. Die An­trag­stel­le­rin hat nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG An­spruch auf Un­ter­las­sung ei­ner Be­tei­li­gung oder Un­terstützung bzw. Förde­rung von Ar­beits­kampf­maßnah­men, die ge­gen die An­trag­stel­le­rin ge­rich­tet sind, un­ter Be­ru­fung auf sei­ne Funk­ti­on als Mit­glied bzw. Vor­sit­zen­der des Ge­samt­be­triebs­rats. Da­bei hat das Be­schwer­de­ge­richt gemäß § 938 Abs. 1 ZPO die er­for­der­li­chen Maßnah­men un­ter Mo­di­fi­ka­ti­on des Wort­lauts des An­trags präzi­siert.


1. Der An­trag ist nicht als un­be­gründe­ter (nicht: un­zulässi­ger!) Glo­balan­trag an­zu­se­hen. Er er­fasst ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­tei­lig­ten zu 2 nicht von vorn­her­ein Fall­kon­stel­la­tio­nen, in de­nen ein auf § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG gestütz­ter Un­ter­las­sungs­an­spruch nicht be­steht.

Denn bei un­be­fan­ge­ner Lektüre muss je­dem verständi­gen Le­ser klar sein, dass der gel­tend ge­mach­te Un­ter­las­sungs­an­spruch nicht schon des­halb be­ste­hen soll, weil der Be­tei­lig­te zu 2 auf­grund sei­ner Funk­ti­on als Vor­sit­zen­der des Ge­samts­be­triebs­rats ge­ne­rell ge­hin­dert wäre, sich an Ar­beitskämp­fen ge­gen sei­nen Ar­beit­ge­ber zu be­tei­li­gen oder sol­che Ar­beitskämp­fe zu fördern. Viel­mehr ist oh­ne wei­te­res klar - und tritt auch in der An­trags­be­gründung ein­deu­tig zu Ta­ge -, dass dem Be­tei­lig­ten zu 2 Ar­beits­kampf­ak­tio­nen nur dann un­ter­sagt wer­den sol­len, wenn er sich hier­bei auf sei­ne Funk­ti­on als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der be­zieht, al­so le­dig­lich un­ter den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Neu­tra­litäts­ge­bot bzw. Ar­beits­kampf­ver­bot gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG. Die­se Be­stim­mung steht in Ein­klang mit dem durch Art. 9 GG geschütz­ten Streik­recht. Dar­auf hat die An­trag­stel­le­rin zu Recht hin­ge­wie­sen.


So­mit er­fasst der vor­lie­gen­de An­trag nicht Kon­stel­la­tio­nen, in de­nen der gel­tend ge­mach­te Un­ter­las­sungs­an­spruch zu ver­nei­nen ist.

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2. Der An­trag­stel­le­rin steht ein Verfügungs­an­spruch zur Sei­te - der An­spruch auf Un­ter­las­sung von Ar­beits­kampf­maßnah­men der Be­triebs­par­tei­en ge­gen­ein­an­der gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG.


a) Das Be­schwer­de­ge­richt folgt in­so­weit den zu­tref­fen­den Ausführun­gen des Ar­beits­ge­richts zu den Vor­aus­set­zun­gen, der Reich­wei­te und den Rechts­fol­gen die­ses Un­ter­las­sungs­an­spruchs, ins­be­son­de­re auch der Aus­sa­ge, dass er sich auch ge­gen Mit­glie­der des (Ge­samt-)Be­triebs­rats rich­ten kann.


Das Be­schwer­de­ge­richt folgt dem Ar­beits­ge­richt auch dar­in, dass hier ein ob­jek­ti­ver Ver­s­toß ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot vor­liegt.


b) Im Ge­gen­satz zum Ar­beits­ge­richt nimmt das Be­schwer­de­ge­richt je­doch an, dass der Be­tei­lig­te zu 2 mit der Ver­sen­dung der E-Mail vom 07.04.2010 ei­nen gra­vie­ren­den, mas­si­ven Ver­s­toß ge­gen die­ses Ge­bot be­gan­gen hat.

Dies wiegt um­so schwe­rer, als das Prin­zip der Tren­nung der ge­werk­schaft­li­chen und der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Sphäre, das die­sem Neu­tra­litäts­ge­bot bzw. Ar­beits­kampf­ver­bot nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG zu­grun­de liegt, zu den es­sen­zi­el­len Struk­tur­prin­zi­pi­en des deut­schen Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts gehört.


c) Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Ar­beits­ge­richts ver­liert der Ver­s­toß nicht des­halb mas­siv an Ge­wicht, weil die ge­nann­te Mail in­ner­halb der Sphäre des Ge­samt­be­triebs­rats bzw. der Be­triebs­rats­gre­mi­en ge­blie­ben ist und sich nicht di­rekt an die Be­leg­schaft wand­te. Denn § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG zielt nicht schwer­punktmäßig auf Frie­densstörungs­ver­mei­dung ab; die­ses Ziel hat in § 74 Abs. 2 Satz 2 Be­trVG sei­ne ei­genständi­ge Rechts­grund­la­ge ge­fun­den. Ein Ver­s­toß ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot des § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG setzt so­mit nicht die Fest­stel­lung ei­ner kon­kre­ten Be­triebs­frie­densstörung vor­aus.


Viel­mehr be­zweckt § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG, dass sich der Ar­beit­ge­ber hin­sicht­lich der Führung oder der Ab­wehr von Ar­beitskämp­fen al­lein mit der Ge­werk­schaft, nicht aber mit dem Be­triebs­rat oder dem Ge­samt­be­triebs­rat aus­ein­an­der­set­zen müssen soll. Er soll sich al­so dar­auf ver­las­sen können, dass sich der Be­triebs­rat oder der Ge­samt­be­triebs­rat auch


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während ei­nes Ar­beits­kampfs al­lein um sei­ne Auf­ga­ben im Rah­men des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes kümmert. Vor al­lem aber wird durch das be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Neu­tra­litäts­ge­bot bzw. Ar­beits­kampf­ver­bot ver­hin­dert, dass der Ar­beit­ge­ber, der Kos­ten- und Sach­auf­wand des Be­triebs­rats und Ge­samt­be­triebs­rats trägt, über die­se be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Gre­mi­en die Zie­le des ta­rif- bzw. so­zi­al­po­li­ti­schen Ge­gen­spie­lers un­terstützt. Des­halb ist für das Ge­wicht des Ver­s­toßes nicht aus­schlag­ge­bend, ob die­ser nach außen in die Be­leg­schaft oder nach in­nen in den Be­reich des Ge­samt­be­triebs­rats oder der Be­triebs­rats­gre­mi­en ge­rich­tet ist.


Mit schlich­ten Wor­ten aus­ge­drückt: Der Ar­beit­ge­ber muss nicht hin­neh­men, dass - bei­spiels­wei­se - ein Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der „sei­nen“ Ge­samt­be­triebs­rat und die ein­zel­nen Be­triebs­rats­gre­mi­en ge­werk­schafts-, ta­rif- und ar­beits­kampf­po­li­tisch „auf Vor­der­mann“ bringt und zu ei­ner schlag­kräfti­gen „Ar­beits­kampf­trup­pe“ formt und zu­sam­men­schweißt. Ge­ra­de dies be­zweckt aber nach sei­nem in­halt­li­chen Ge­samt­zu­schnitt, kämp­fe­ri­schen Wort­laut und der Aus­wahl der his­to­ri­schen bzw. li­te­ra­ri­schen Zi­ta­te die E-Mail vom 07.04.2010 in ge­ra­de­zu ex­em­pla­ri­scher Wei­se. Die­ses Schrei­ben hat ei­ne kla­re Bot­schaft: ei­ne wirk­sa­me Ar­beits­kampf­front auf­zu­bau­en, sie zu stärken und vor al­lem, sie vor ei­ner Ero­si­on durch Streik­bre­cher zu be­wah­ren - al­les le­gi­ti­me ge­werk­schaft­li­che Zie­le, aber eben ge­werk­schaft­li­che, nicht je­doch be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich zulässi­ge Zie­le.


d) Die Pflicht­ver­let­zung des Be­tei­lig­ten zu 2 ver­liert ihr Ge­wicht nicht ent­schei­dend da­durch, dass die Adres­sa­ten die Funk­tio­nen des Be­tei­lig­ten zu 2 als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der und Be­triebs­rats­mit­glied ei­ner­seits und als Ge­werk­schafts­mit­glied und Mit­glied der Ta­rif­kom­mis­si­on an­de­rer­seits kann­ten.


Denn auch dann hat der Be­tei­lig­te zu 2 sei­ne - durch Art. 9 Abs. 3 GG grund­recht­lich geschütz­te - Betäti­gung im Rah­men des Ar­beits­kampfs un­zulässi­ger­wei­se mit sei­ner be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Funk­ti­on ver­knüpft und sei­nen Ar­beits­kampf­ak­ti­vitäten das Ge­wicht sei­nes be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Am­tes ver­lie­hen. Auch wenn et­li­che - viel­leicht so­gar die Mehr­zahl oder mögli­cher­wei­se al­le - Adres­sa­ten in der La­ge ge­we­sen sein mögen, die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen und die ge­werk­schaft­li­chen bzw. ar­beits­kampf­recht­li­chen Sphären aus­ein­an­der­zu­hal­ten und die Grenz­zie­hung zwi­schen bei­den zu er­ken­nen, hat der Be­tei­lig­te zu 2 mit der Ver­sen­dung der E-Mail vom 07.04.2010 in

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schwer­wie­gen­der Wei­se das Neu­tra­litäts­ge­bot ver­letzt. Denn auch dann blie­be an­ge­sichts des Ge­samt­zu­schnitts und des In­halts der Mail je­den­falls der - mehr oder we­ni­ger geglück­te - Ver­such, den Ge­samt­be­triebs­rat und sei­ne Mit­glie­der so­wie ein­zel­ne Mit­glie­der wei­te­rer Be­triebs­rats­gre­mi­en ge­ra­de auf­grund ih­rer Funk­ti­on und or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ver­bun­den­heit als be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Man­datsträger für die Zwe­cke des Ar­beits­kampfs ein­zu­span­nen. Schon der Adres­sa­ten­kreis des Schrei­bens schließt es aus, dass sich hier ein „nor­ma­les“ Be­leg­schafts­mit­glied in sei­ner Ei­gen­schaft als Ge­werk­schafts­mit­glied und Mit­glied der Ta­rif­kom­mis­si­on an an­de­re Be­leg­schafts­mit­glie­der ge­wandt hat, um für ei­ne Un­terstützung bei den Streik­ak­tio­nen zu wer­ben.

e) Auch die Tat­sa­che, dass die E-Mail von der - ob­jek­tiv ge­se­hen - pri­va­ten E-Mail-Adres­se des Be­tei­lig­ten zu 2 aus ver­sandt wur­de, macht aus die­sem Schrei­ben kei­ne rein pri­va­te Sen­dung, die oh­ne wei­te­res als sol­che er­kenn­bar war.


Da­ge­gen spricht schon die Ge­stal­tung der E-Mail-Adres­se, die ei­nen „of­fi­ziösen“ An­strich hat und bei je­dem un­be­fan­ge­nen Le­ser - im Übri­gen auch bei der Be­schwer­de­kam­mer - den Ein­druck er­weckt, es han­de­le sich um ei­ne von der Ar­beit­ge­be­rin ver­ge­be­ne E-Mail-Adres­se des Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­den.


f) Auch die Ge­stal­tung der Un­ter­schrifts­zei­len spricht mas­siv ge­gen den Cha­rak­ter ei­ner pri­va­ten E-Mail. So hat der Be­tei­lig­te zu 2 un­ter sei­nem Na­men die Funk­ti­on „Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der“ hin­zu­gefügt, fer­ner die Fir­men­be­zeich­nung und die An­schrift so­wie den Te­le­fon­an­schluss sei­nes Büros.


Al­le die­se Umstände be­le­gen, dass der Be­tei­lig­te zu 2 mit dem Ge­wicht sei­nes Am­tes als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der die Be­triebs­rats­kol­le­gin­nen und -kol­le­gen auf den Ar­beits­kampf ein­ge­schwo­ren hat.


g) Ab­ge­se­hen da­von wäre es blauäugig an­zu­neh­men, dass al­le Adres­sa­ten in der La­ge wa­ren, die Gren­zen zwi­schen der ge­werk­schaft­li­chen und der be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Auf­ga­ben­stel­lung bzw. Funk­ti­on des Be­tei­lig­ten zu 2 zu er­ken­nen. Der Be­schwer­de­kam­mer ist aus ei­ner Viel­zahl ge­richt­li­cher Ver­fah­ren und außer­ge­richt­li­cher Ver­an­stal­tun­gen be­kannt, dass ge­ra­de die­se Grenz­zie­hung vie­len Be­triebs­rats­mit­glie­dern

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- auch noch nach Jah­ren der Be­triebs­ratstätig­keit - un­be­kannt ist oder dass sie ih­re Be­deu­tung bei der prak­ti­schen Be­triebs­rats­ar­beit nicht er­fasst ha­ben. Selbst die­je­ni­gen Adres­sa­ten, die vor­lie­gend er­kannt ha­ben, dass der Be­tei­lig­te zu 2 das Schrei­ben zulässi­ger­wei­se nur in sei­ner Ei­gen­schaft als Be­leg­schafts­mit­glied und ge­werk­schaft­lich ori­en­tier­ter, ak­ti­ver Mit­or­ga­ni­sa­tor des Ar­beits­kampfs ver­sen­den durf­te, konn­ten die Mail vom 07.04.2010 je­den­falls als Ver­such ver­ste­hen, den Ge­samt­be­triebs­rat und wei­te­re Be­triebs­rats­mit­glie­der für die Zwe­cke des Ar­beits­kampfs ein­zu­span­nen, um dem Streik da­durch ei­ne be­son­de­re Schlag­kraft zu ver­lei­hen.


h) Die An­trag­stel­le­rin hat mit der „Ver­wer­tung“ der E-Mail als Mit­tel der (ge­richt­li­chen) Ab­wehr des vom Be­tei­lig­ten zu 2 be­gan­ge­nen Ver­s­toßes für sich ge­nom­men nicht ih­rer­seits so mas­siv ge­gen we­sent­li­che Grundsätze des Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts - ins­be­son­de­re ge­gen den Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit nach § 2 Abs. 1 Be­trVG - ver­s­toßen, dass sie ge­hin­dert wäre, sich auf die Un­zulässig­keit des Ver­hal­tens des Be­tei­lig­ten zu 2 zu be­ru­fen.


Der Ar­beit­ge­ber, dem ei­ne sol­che, aus­drück­lich als ver­trau­lich ge­kenn­zeich­ne­te E-Mail zu­ge­spielt wird - auf wel­chem We­ge auch im­mer - und der da­durch Kennt­nis von ei­nem mas­si­ven Ver­s­toß ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot des Be­triebs­rats erhält, muss die­se Pflicht­ver­let­zung nicht des­halb hin­neh­men, weil der Ver­let­zer die Rechts­ver­let­zung ge­heim hal­ten woll­te. Die Kenn­zeich­nung der E-Mail als „ver­trau­lich“ ver­leiht we­der der Re­gel­ver­let­zung durch den Be­tei­lig­ten zu 2 ein min­de­res Ge­wicht (im Ge­gen­teil!) noch lässt sie die Ab­wehr der Re­gel­ver­let­zung ih­rer­seits als ge­setz­wid­rig er­schei­nen.


i) Al­ler­dings hat die An­trag­stel­le­rin mit der po­le­misch ver­zerr­ten Wie­der­ga­be des In­halts der Mail und der er­sicht­lich in ma­ni­pu­la­ti­ver Ab­sicht er­folg­ten Be­kannt­ga­be des Jack-Lon­don-Zi­tats, oh­ne deut­lich zu ma­chen, dass die­ser Text nicht vom Be­tei­lig­ten zu 2 als Ur­he­ber stam­me, son­dern aus ei­ner li­te­ra­ri­schen, al­so künst­le­risch ge­stal­te­ten Quel­le, ein­deu­tig ge­gen den Grund­satz der ver­trau­ens­vol­len Zu­sam­men­ar­beit ver­s­toßen. Die­ser Grund­satz hätte es ge­bo­ten, zum ei­nen die Pflicht­ver­let­zung des Be­tei­lig­ten zu 2 ei­ni­ger­maßen ob­jek­tiv dar­zu­stel­len, und zum an­de­ren, vor ei­ner Verschärfung des Kon­flikts die An­ge­le­gen­heit in­tern mit dem Be­tei­lig­ten zu 2 und dem Ge­samt­be­triebs­rat zu erörtern.

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Der Um­gang der An­trag­stel­le­rin mit der Pflicht­ver­let­zung des Be­tei­lig­ten zu 2 ist in­so­fern zu be­an­stan­den. Dar­in stimmt die Be­schwer­de­kam­mer dem Ar­beits­ge­richt zu.


j) Al­ler­dings er­reicht die Pflicht­ver­let­zung der An­trag­stel­le­rin nicht ein so ge­wich­ti­ges Aus­maß, dass sie ge­hin­dert wäre, den Un­ter­las­sungs­an­spruch nach § 74 Abs. 2 Satz 1 Be­trVG gel­tend zu ma­chen. In­so­weit ist zu berück­sich­ti­gen, dass der Kon­flikt, der die be­denk­li­che Re­ak­ti­on des Ar­beit­ge­bers auslöste, vom Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­den aus­ging. Es kann nicht an­ge­hen, dem Ar­beit­ge­ber, der dar­auf in nicht mehr ver­tret­ba­rer Wei­se über­re­agiert, jeg­li­ches Mit­tel der Ver­tei­di­gung ge­gen die Aus­gangs-Pflicht­ver­let­zung aus der Hand zu schla­gen, ge­wis­ser­maßen nach dem Mot­to „Hal­tet den Dieb“.


k) An­ders wäre der Sach­ver­halt zu be­ur­tei­len, wenn sich die An­trag­stel­le­rin die Kennt­nis von der E-Mail durch ak­ti­ves, ziel­ge­rich­te­tes Han­deln ver­schafft hätte, wenn sie al­so selbst die „Ver­trau­lich­keits-Sper­re“ durch­bro­chen hätte. Dann hätten - auch aus Sicht der Be­schwer­de­kam­mer - mas­si­ve recht­li­che Be­den­ken ge­gen ei­ne Ver­wer­tung der Mail im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren, schon auf­grund des zi­vil­recht­li­chen Persönlich­keits­rechts, vor al­lem aber auf­grund des ver­fas­sungs­recht­lich geschütz­ten, aus Art. 2 Abs. 1 GG ab­ge­lei­te­ten Persönlich­keits­rechts des Be­tei­lig­ten 2 be­stan­den in ent­spre­chen­der An­wen­dung der vom Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG 21.04.2009 - 6 AZR 189/08, Ju­ris-Rn. 21) für den Fall der ge­richt­li­chen Ver­wer­tung ei­nes mit­gehörten Te­le­fon­gesprächs ent­wi­ckel­ten Grundsätze.

Ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se der An­trag­stel­le­rin ist aber nicht er­sicht­lich. Wur­de ihr die E-Mail von Drit­ten zu­ge­spielt, muss­te sie sich ih­rer Kennt­nis­nah­me nicht ver­sch­ließen. Sie muss­te sich in­so­weit nicht „taub stel­len“. Der vom Ar­beits­ge­richt ge­zo­ge­ne Ver­gleich mit der Öff­nung von Post des Be­triebs­rats passt des­halb nicht.

Dies gilt auch un­ter Berück­sich­ti­gung des Um­stan­des, dass die Adres­sen der Empfänger - bis auf ei­ne - er­kenn­bar pri­vat wa­ren und auch die Ab­sen­de­r­adres­se je­den­falls ob­jek­tiv, wenn auch nicht er­kenn­bar, ei­ne pri­va­te war.


l) Nach al­lem ist we­der an­zu­neh­men, dass der Bruch der „Ver­trau­lich­keit“ noch die Art und Wei­se der Be­kannt­ma­chung des Vor­gangs in der Be­triebsöffent­lich­keit durch den


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Ar­beit­ge­ber das Ge­wicht des Ver­s­toßes des Be­tei­lig­ten zu 2 ge­gen das Ar­beits­kampf­ver­bot ent­schei­dend min­dert oder die Be­ru­fung auf den Un­ter­las­sungs­an­spruch aus­sch­ließt.


m) Es ist auch von ei­ner Wie­der­ho­lungs­ge­fahr aus­zu­ge­hen, da der Be­tei­lig­te zu 2
zwar wie­der­holt - auch in der münd­li­chen Anhörung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt - erklärt hat, er wer­de zukünf­tig - auch bei pri­va­ten E-Mails an sei­ne Be­triebs­rats­kol­le­gen oder an­de­re D.-Beschäftig­te - den aus­drück­li­chen Hin­weis auf sei­ne Funk­ti­on als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der weg­las­sen, so­fern es sich um Ar­beits­kampf­maßnah­men han­de­le. Soll­te irrtümlich ein sol­cher Hin­weis zukünf­tig ver­wen­det wer­den, wer­de er auf Hin­weis des Ar­beit­ge­bers un­verzüglich ei­ne ent­spre­chen­de Rich­tig­stel­lung vor­neh­men und Textstücke zurück­zie­hen oder be­rich­ti­gen.


Denn zum ei­nen reicht das be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­che Ar­beits­kampf­ver­bot wei­ter als die­se Erklärung des Be­tei­lig­ten zu 2; es be­trifft nicht nur Hin­wei­se auf die Funk­ti­on als Ge­samt­be­triebs­rats­vor­sit­zen­der, son­dern jeg­li­che Be­zug­nah­me oder Be­ru­fung auf die­se Funk­ti­on, auch bei­spiels­wei­se durch die äußere Ge­stal­tung von Schrei­ben oder Ähn­li­chem. Die Be­schwer­de­kam­mer hat den Ein­druck ge­won­nen, dass der Be­tei­lig­te zu 2 in Be­zug auf das recht­lich Be­denk­li­che sei­nes Ver­hal­tens (noch) nicht ein hin­rei­chen­des Pro­blem­be­wusst­sein ent­wi­ckelt hat.


Nach al­lem ver­bleibt es da­bei, dass der be­gan­ge­ne Ver­s­toß die Wie­der­ho­lungs­ge­fahr in­di­ziert.

3. Der An­trag­stel­le­rin steht auch ein Verfügungs­grund im Sin­ne von §§ 87, 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO zur Sei­te.


Im Fal­le ei­ner Wie­der­ho­lung des be­an­stan­de­ten Ver­hal­tens wäre er­neut ein es­sen­zi­el­ler Grund­satz des Be­triebs­ver­fas­sungs­rechts ver­letzt mit der Fol­ge, dass kaum mehr von ei­ner hin­rei­chen­den Ba­sis für ei­ne wei­te­re ver­trau­ens­vol­le Zu­sam­men­ar­beit der Be­triebs­par­tei­en im Sin­ne von § 2 Abs. 1 Be­trVG ge­spro­chen wer­den könn­te. Dies ist ein we­sent­li­cher Nach­teil im Sin­ne von § 940 ZPO.
 

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Auch ist bis zum Schluss der münd­li­chen Anhörung vor dem Lan­des­ar­beits­ge­richt von kei­ner Sei­te vor­ge­tra­gen wor­den, dass der Ar­beits­kampf, der den Hin­ter­grund der vor­lie­gen­den Aus­ein­an­der­set­zung bil­det, be­en­det wäre.


4. Ge­gen die­sen Be­schluss fin­det kein Rechts­mit­tel statt (§ 72 Abs. 4 ArbGG).


Dr. Ro­sen­fel­der 

But­zen­ber­ger 

Brei­beck

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