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Kündigungsschutz nach Entlassungsverlangen des Betriebsrats
31.03.2017. Betriebsräte sollen sich normalerweise dafür einsetzen, dass ihre Kollegen von Kündigungen des Arbeitgebers möglichst verschont bleiben. Dem dient u.a. die Pflicht des Arbeitgebers, den Betriebsrat gemäß § 102 Abs.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vor jeder Kündigung anzuhören.
Ausnahmsweise kann sich der Betriebsrat aber auch einmal für die Entlassung eines Arbeitnehmers stark machen, wenn dieser aufgrund erheblicher Pflichtverstöße den Betriebsfrieden stört (§ 104 Satz 1 BetrVG). Ein solches Entlassungsverlangen kann der Betriebsrat gerichtlich durchsetzen, so dass der Arbeitgeber zur Entlassung gezwungen ist.
Vorgestern hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass ein Gerichtsverfahren über die Pflicht des Arbeitgebers zur Entlassung präjudizierende Wirkung hat für einen später geführten Kündigungsschutzprozess, mit dem sich der entlassene Arbeitnehmer gegen seine Kündigung zur Wehr setzt: BAG, Urteil vom 28.03.2017, 2 AZR 551/16 (Pressemeldung des Gerichts).
- Welche Wirkungen hat ein Prozess zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über dessen Pflicht zur Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers für eine spätere Kündigungsschutzklage?
- Im Streit: Gewalttätige Bürokraft wird auf Verlangen des Betriebsrats gekündigt
- BAG: Muss der Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrat einen betriebsstörenden Arbeitnehmer entlassen, ist dessen Kündigungsschutz eingeschränkt
Welche Wirkungen hat ein Prozess zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über dessen Pflicht zur Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers für eine spätere Kündigungsschutzklage?
Gemäß § 104 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung oder Versetzung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers verlangen. Betriebsstörend ist ein Arbeitnehmer, der
- sich gesetzwidrig verhält und/oder
- die in § 75 Abs.1 BetrVG genannten Grundsätze des fairen Verhaltens im Betrieb verletzt, z.B. durch frauenfeindliche, rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen,
und der durch dieses Fehlverhalten weiterhin
- den Betriebsfrieden stört, und zwar
- wiederholt und ernstlich.
In solchen Fällen kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Entlassung oder die Versetzung des Arbeitnehmers verlangen, wobei die Versetzung als milderes Mittel den Vorrang hat. Weitere Voraussetzung für ein Entlassungsverlangen ist außerdem, dass der Arbeitgeber die geforderte Entlassung rechtlich überhaupt umsetzen kann, d.h. dass er zur Kündigung berechtigt ist.
Weist der Arbeitgeber die Forderung des Betriebsrats nach Entlassung eines betriebsstörenden Arbeitnehmers zurück, kann der Betriebsrat vor das Arbeitsgericht ziehen mit dem Ziel, den Arbeitgeber durch Gerichtsbeschluss zur Entlassung zu verpflichten. Wird ein solches arbeitsgerichtliches Verfahren rechtskräftig zugunsten des Betriebsrats entschieden, ist der Arbeitgeber zur Entlassung verpflichtet. Dabei hat er die Wahl, ob er diese Pflicht durch Ausspruch einer Kündigung umsetzt oder durch einen Aufhebungsvertrag. Kommt er seiner Pflicht zur Entlassung aber gar nicht nach, kann der Betriebsrat ein Zwangsgeld gegen ihn verhängen lassen.
Nach herrschender Meinung ist der Arbeitnehmer, über dessen Entlassung Betriebsrat und Arbeitgeber streiten, an diesem Gerichtsverfahren zu beteiligen. Er kann daher seine Sicht der Dinge vortragen auf der Seite des Arbeitgebers dafür streiten, dass der Antrag des Betriebsrats abgewiesen wird.
Gesetzlich nicht klar geregelt ist die Frage, welche rechtlichen Auswirkungen eine solche Beteiligung des Arbeitnehmers an dem Verfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber hat, wenn der Arbeitgeber nach verlorenem Prozess gezwungenermaßen eine Kündigung ausspricht und der Arbeitnehmer diese mit einer Kündigungsschutzklage angreift. Könnte der Arbeitnehmer hier erneut bestreiten, dass er durch rechtswidriges Fehlverhalten den Betriebsfrieden stört, und könnte er vorbringen, dass gar kein Grund für eine Kündigung besteht, hätte der zuvor geführte Prozess um die Entlassungspflicht des Arbeitgebers keinen rechten Sinn. Damit wäre auch das Recht des Betriebsrats aus § 104 Satz 1 BetrVG entwertet.
Es spricht daher viel dafür, dass der Vorprozess zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über die Pflicht des Arbeitgebers, einen betriebsstörenden Arbeitnehmer zu entlassen, rechtliche Bindungswirkung hat für einen späteren Kündigungsschutzprozess, mit dem sich der entlassene Arbeitnehmer gegen die Kündigung zur Wehr setzt.
Im Streit: Gewalttätige Bürokraft wird auf Verlangen des Betriebsrats gekündigt
Im Streitfall hatte eine Büroangestellte, die seit 1993 bei einem großen Versicherungsunternehmen angestellt war, im Oktober 2014 einen Kollegen tätlich angegriffen, weil dieser ein Fenster zum Lüften geöffnet hatte. Nachdem der Kollege das Fenster trotz eines Wutausbruchs der Angestellten nicht wieder schließen wollte, stürmte diese auf ihn zu, riss seine Hand vom Fenstergriff los und schloss das Fenster.
Im Januar 2015 gab es (trotz einer zwischenzeitlichen Abmahnung des tätlichen Angriffs vom Oktober 2014) erneut einen ähnlichen Vorfall. Hier hatte eine Arbeitskollegin einen Rollladen heruntergelassen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden, woraufhin sie von der Angestellten wütend dazu aufgefordert wurde, den Rollladen wieder hochzufahren. Als sie dies nicht tat, schlug die Angestellte sie mit voller Wucht auf den Arm.
Diese Vorfälle bewertete das (vom Betriebsrat angerufene) Arbeitsgericht Düsseldorf als Körperverletzung und damit als gesetzwidriges Verhalten im Sinne von § 104 Satz 1 BetrVG. Da sich die betroffenen Kollegen bedroht fühlten und mit ihr nicht mehr mit der Angestellten zusammenarbeiten wollten, ging das Arbeitsgericht auch von einer ernstlichen Störung des Betriebsfriedens aus. Es verpflichtete daher den Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrats zur Entlassung der aggressiven Bürokraft (Arbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21.08.2015, 11 BV 100/15). An dem Verfahren waren der Betriebsrat, der Arbeitgeber und die Angestellte beteiligt. Da keiner gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Beschwerde einlegte, wurde er rechtskräftig.
Einige Monate später befolgte der Arbeitgeber den Beschluss des Arbeitsgerichts und kündigte die Büroangestellte. Dabei sprach er sowohl eine fristlose Kündigung aus als auch (hilfsweise) eine ordentliche Kündigung. Gegen beide Kündigungen erhob die Arbeitnehmerin Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 01.02.2016, 4 Ca 6451/15) und das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf als Berufungsinstanz bewerteten die fristlose Kündigung als unwirksam, die fristgerechte Kündigung dagegen als rechtens (LAG Düsseldorf, Urteil vom 13.06.2016, 9 Sa 233/16).
Denn für eine außerordentliche und fristlos ausgesprochenen Kündigung war die gesetzliche Zweiwochenfrist (§ 626 Abs.2 BGB) bereits abgelaufen, da der Arbeitgeber zum Kündigungszeitpunkt schon viele Monate bzw. länger als zwei Wochen über die Kündigungssachverhalte Bescheid wusste. Demgegenüber hielten beide Gerichte die ordentliche Kündigung für rechtens. Denn die gekündigte Arbeitnehmerin hatte zwar Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG), doch half ihr das im Ergebnis nichts, da die Kündigung sozial gerechtfertigt war (§ 1 KSchG). Dabei beriefen sich beide Gerichte sich auf die präjudizierende Wirkung des Vorprozesses.
BAG: Muss der Arbeitgeber auf Antrag des Betriebsrat einen betriebsstörenden Arbeitnehmer entlassen, ist dessen Kündigungsschutz eingeschränkt
Auch in Erfurt hatte die aggressive Angestellte keinen Erfolg, denn das BAG wies ihre Revision zurück. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Hat der Betriebsrat in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren den Arbeitgeber dazu verpflichten können, einen betriebsstörenden Arbeitnehmer gemäß § 104 Satz 1 BetrVG zu entlassen, hat der Ausgang dieses Verfahrens präjudizielle Wirkung für ein späteres Kündigungsschutzverfahren, mit dem sich der gekündigte betriebsstörender Arbeitnehmer gegen die Kündigung zur Wehr setzt. Denn infolge des Vorprozesses liegt, so das BAG, für eine spätere ordentliche Kündigung ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne von § 1 Abs.1 Satz 2 KSchG vor.
Die Entscheidung des BAG passt gut zu der ähnlichen Situation, dass der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied außerordentlich kündigen möchte. Dafür braucht er gemäß § 103 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats. Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung, kann der Arbeitgeber sie durch das Arbeitsgericht ersetzen lassen; in diesem Prozess ist das betroffene Betriebsratsmitglied zu beteiligen. Wenn der Arbeitgeber den Prozess gewinnt und das Betriebsratsmitglied dementsprechend außerordentlich kündigt, steht in einem späteren Kündigungsschutzprozess verbindlich fest, dass ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben ist.
Fazit. Mit dieser Entscheidung stärkt das BAG das Recht des Betriebsrats aus § 104 Satz 1 BetrVG. Voraussetzung für diese Bindungswirkung ist allerdings, dass der betriebsstörende Arbeitnehmer, dessen Entlassung der Betriebsrat durchsetzen möchte, an dem Verfahren zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber beteiligt wird. Eine solche Beteiligung ist zwar nicht ausdrücklich im Gesetz vorgeschrieben, aber aufgrund der aktuellen BAG-Rechtsprechung geboten. Als Verfahrensbeteiligter kann der betroffene Arbeitnehmer versuchen, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Antrag des Betriebsrats unbegründet ist. Hat er damit Erfolg, wird der Arbeitgeber wohl kaum eine Kündigung aussprechen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.2017, 2 AZR 551/16 (Pressemeldung des BAG)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.03.2017, 2 AZR 551/16
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13.06.2016, 9 Sa 233/16
- Handbuch Arbeitsrecht: Anhörung des Betriebsrats
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- Arbeitsrecht aktuell: 10/081 Entlassung eines Arbeitnehmers auf Verlangen des Betriebsrats
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 6. Oktober 2020
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