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BAG, Ur­teil vom 09.04.2014, 10 AZR 637/13

   
Schlagworte: Leidensgerechte Arbeit, Krankheit: Schonarbeit, Beschäftigungsanspruch, Annahmeverzug, Schichtdienst, Weisungsrecht
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 10 AZR 637/13
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.04.2014
   
Leitsätze:

1. Kann eine Krankenschwester aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten im Krankenhaus mehr leisten, ist sie deshalb nicht arbeitsunfähig krank. Sie hat Anspruch auf Beschäftigung, ohne für Nachtschichten eingeteilt zu werden.


2. Wird die Arbeitsleistung dem Arbeitgeber mit dieser Einschränkung angeboten, handelt es sich um ein ordnungsgemäßes Angebot iSd. §§ 294, 295 BGB.

Vorinstanzen: Arbeitsgericht Potsdam, Urteil vom 14.11.2012 - 8 Ca 1434/12
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.5.2013 - 5 Sa 78/13
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


10 AZR 637/13
5 Sa 78/13
Lan­des­ar­beits­ge­richt

Ber­lin-Bran­den­burg

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

9. April 2014

UR­TEIL

Jatz, Ur­kunds­be­am­tin

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläge­rin, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Zehn­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 9. April 2014 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Prof. Dr. Mi­kosch, die Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Schmitz-Scho­le­mann und Rein­fel­der so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­te­rin­nen Schürmann und Trümner für Recht er­kannt:
 


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1. Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten ge­gen das Ur­teil des Lan­des­ar­beits­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 30. Mai 2013 - 5 Sa 78/13 - wird zurück­ge­wie­sen.


2. Die Be­klag­te hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Ver­pflich­tung der Be­klag­ten, die Kläge­rin als Kran­ken­schwes­ter oh­ne Ab­leis­tung von Nacht­schich­ten zu beschäfti­gen, außer­dem über Ansprüche auf Ar­beits­ent­gelt un­ter dem Ge­sichts­punkt des An­nah­me­ver­zugs.


Die Be­klag­te be­treibt ein Kran­ken­haus der so­ge­nann­ten Voll­ver­sor­gung. Hier­aus er­gibt sich die Ver­pflich­tung ei­nes rund um die Uhr zu gewähr­leis­ten­den Kran­ken­haus­be­triebs. Das Kran­ken­haus hat ca. 1.000 Bet­ten und beschäftigt et­wa 2.000 Mit­ar­bei­ter.


Die im Jahr 1963 ge­bo­re­ne Kläge­rin ist seit dem 1. Sep­tem­ber 1983 bei der Be­klag­ten und de­ren Rechts­vorgängern als Kran­ken­schwes­ter beschäftigt. Ar­beits­ver­trag­lich be­stimmt sich das Ar­beits­verhält­nis „nach dem Bun­des-An­ge­stell­ten­ta­rif­ver­trag Ost (BAT-O) und den die­sen ergänzen­den, ändern­den oder er­set­zen­den Ta­rif­verträgen in der für den Be­reich der Ver­ei­ni­gung der kom­mu­na­len Ar­beit­ge­ber­verbände (VKA) je­weils gel­ten­den Fas­sung so­wie nach den für An­ge­stell­te des Ar­beit­ge­bers im Ge­biet nach Art. 3 des Ei­ni­gungs­ver­trags je­weils gel­ten­den sons­ti­gen Re­ge­lun­gen“ und „fin­den die für den Ar­beit­ge­ber je­weils gel­ten­den sons­ti­gen ein­schlägi­gen Ta­rif­verträge An­wen­dung“. Nach der Re­ge­lung in ei­nem Haus­ta­rif­ver­trag sind die Beschäftig­ten im Rah­men be­gründe­ter be­trieb­li­cher Not­wen­dig­kei­ten ver­pflich­tet, Sonn­tags-, Fei­er-tags-, Nacht-, Wech­sel­schicht- und Schicht­ar­beit zu leis­ten. In ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung über die Grundsätze der Dienst­plan­ge­stal­tung vom 1. Au­gust 2011 heißt es ua.:
 


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„§ 3 Grundsätze der Dienst­plan­ge­stal­tung

(1) Der Dienst­plan ist für ei­nen Gel­tungs­zeit­raum von ei­nem Ka­len­der­mo­nat zu er­stel­len.

...

(4) Die Sta­ti­ons-/Be­reichs­lei­tun­gen sol­len den Ein­satz der Beschäftig­ten ak­tiv steu­ern, un­ter Be­ach­tung ar­beits­phy­sio­lo­gi­scher Ge­sichts­punk­te vorwärts ro­tie­rend in Früh-, Spät- und Nacht­diens­ten. Hier­bei ist ei­ne gleichmäßige Pla­nung in Be­zug auf Frei­zeit­aus­gleich, freie Ta­ge, Schicht­fol­gen, Ein­satz an Fei­er­ta­gen, Voll- und Teil­zeit­beschäfti­gung un­ter Er­rei­chung der in­di­vi­du­ell ge­schul­de­ten Ar­beits­zeit an­zu­stre­ben. So­fern be­trieb­li­che Er­for­der­nis­se oder be­rech­tig­te Be­lan­ge an­de­rer Beschäftig­ter nicht ent­ge­gen­ste­hen, sind in­di­vi­du­el­le Wünsche bei der Dienst­plan­ge­stal­tung zu berück­sich­ti­gen.


...

(6) Die Schicht­fol­ge im Nacht­dienst ist auf ma­xi­mal drei Näch­te be­schränkt. Nach schrift­li­cher Ver­ein­ba­rung mit dem Beschäftig­ten kann die Schicht­fol­ge frei­wil­lig im Nacht­dienst auf ma­xi­mal fünf Näch­te in Fol­ge erhöht wer­den. Die­se Ver­ein­ba­rung kann der Beschäftig­te schrift­lich oh­ne An­ga­be von Gründen mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Mo­nats­en­de kündi­gen. Die­se Ver­ein­ba­rung ist für den Mit­ar­bei­ter je­der­zeit zugäng­lich auf­zu­be­wah­ren (Vor­druck s. An­la­ge 1).


Pro­to­koll­no­tiz:

Die Schicht­fol­ge im Nacht­dienst kann oh­ne frei­wil­li­ge schrift­li­che Ein­wil­li­gung des Mit­ar­bei­ters über den Zeit­raum der ho­hen Fei­er­ta­ge (Os­tern; Pfings­ten; Weih­nach­ten; Neu­jahr) auf ma­xi­mal fünf Näch­te in Fol­ge erhöht wer­den.“

Die Kran­ken­schwes­tern bei der Be­klag­ten ar­bei­ten im Schicht­dienst, bis zu ih­rer Er­kran­kung im Jahr 2010 auch die Kläge­rin. Die Frühschicht dau­ert von 06:00 Uhr bis 14:30 Uhr, die Zwi­schen­schicht von 11:30 Uhr bis 22:00 Uhr, die Spätschicht von 14:00 Uhr bis 22:30 Uhr und die Nacht­schicht von 21:45 Uhr bis 06:15 Uhr.
 

Die Kläge­rin muss ge­sund­heit­lich be­dingt Me­di­ka­men­te ein­neh­men, die zum Ein­schla­fen führen und ei­nen nächt­li­chen Schlaf be­wir­ken. Sie ist des­halb
 


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seit dem En­de ih­rer krank­heits­be­ding­ten Ar­beits­unfähig­keit im Jahr 2011 nicht mehr in der La­ge, Nacht­diens­te zu leis­ten. So­weit sie zum Nacht­dienst ein­ge­teilt wur­de, was seit De­zem­ber 2011 durch­schnitt­lich zwei­mal im Mo­nat der Fall war, tausch­te sie die Diens­te mit an­de­ren Mit­ar­bei­tern.


Ei­ne be­triebsärzt­li­che Un­ter­su­chung am 30. April 2012 bestätig­te den Be­fund, dass die Kläge­rin kei­ne Nacht­diens­te mehr leis­ten kann. Hier­auf schick­te der Pfle­ge­di­rek­tor die Kläge­rin nach de­ren Frühdienst am 12. Ju­ni 2012 nach Hau­se mit dem Be­mer­ken, sie sei ar­beits­unfähig krank und wer­de für die nächs­ten sechs Wo­chen Ent­gelt­fort­zah­lung er­hal­ten.


Mit Schrei­ben vom 14. Ju­ni 2012 teil­te die Kläge­rin der Be­klag­ten mit, sie könne ih­ren Dienst­ver­pflich­tun­gen hin­sicht­lich der Früh-, Spät-, Zwi­schen-, Wo­chen­end- und Fei­er­tags­diens­te nach­kom­men, sei des­halb nicht ar­beits­unfähig und bie­te ih­re Ar­beits­leis­tung „hier­mit wei­ter­hin aus­drück­lich an“. Die Nacht­diens­te hätten bis­her nicht mehr als 5 % der Ge­samt­ar­beits­zeit be­tra­gen. Sie bit­te um Mit­tei­lung, wann sie wie­der zum Dienst er­schei­nen dürfe. Die Be­klag­te be­kräftig­te dar­auf­hin mit Schrei­ben vom 12. Ju­li 2012 ih­ren Stand-punkt, es lie­ge ei­ne Ar­beits­unfähig­keit vor; die Kläge­rin könne ih­re Tätig­keit wie­der auf­neh­men, so­bald sie wie­der nacht­dienst­taug­lich und da­mit ar­beitsfähig sei. Ärzt­li­cher­seits wur­de der Kläge­rin Ar­beits­unfähig­keit nicht be­schei­nigt. Ab dem 25. Ju­li 2012 be­zog sie Ar­beits­lo­sen­geld.


Mit ih­rer am 1. Au­gust 2012 er­ho­be­nen und am 8. No­vem­ber 2012 er­wei­ter­ten Kla­ge hat die Kläge­rin Beschäfti­gung und Zah­lung von Ar­beits­vergüung für die Zeit vom 25. Ju­li 2012 bis zum 31. Ok­to­ber 2012 in un­strei­ti­ger Höhe von 9.665,16 Eu­ro brut­to abzüglich 3.525,95 Eu­ro be­zo­ge­nen Ar­beits­lo­sen­gel­des gel­tend ge­macht. Die Be­klag­te müsse sie gemäß § 106 Ge­wO für al­le Schich­ten mit Aus­nah­me der Nacht­schich­ten ein­tei­len. Das sei or­ga­ni­sa­to­risch möglich und zu­mut­bar. Der Zah­lungs­an­spruch er­ge­be sich aus An­nah­me­ver­zug, hilfs­wei­se als Scha­dens­er­satz.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt, 


1. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, sie auf der Ba­sis des Ar­beits­ver­trags vom 17. Sep­tem­ber 1982 in der Fas­sung des Ände­rungs­ver­trags vom 1. Ju­li 1991 und
 


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vom 20. April 2012 als Kran­ken­schwes­ter oh­ne Ab­leis­tung von Nacht­schich­ten zu beschäfti­gen;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an sie 9.665,16 Eu­ro brut­to abzüglich be­zo­ge­nen Ar­beits­lo­sen­gel­des in Höhe von 3.525,95 Eu­ro zuzüglich Zin­sen in Höhe von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz seit dem 8. No­vem­ber 2012 zu zah­len.


Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie sei zur Beschäfti­gung der Kläge­rin nicht ver­pflich­tet, da die­se die ge­schul­de­te Ar­beits­leis­tung nicht mehr in vol­lem Um­fang er­brin­gen könne. Da es kei­ne Ta­ges­ar­beitsplätze ge­be, könne auch kein lei­dens­ge­rech­ter Ar­beits­platz zur Verfügung ge­stellt wer­den. Ei­ne gleichmäßige Ver­tei­lung des Nacht­be­triebs auf die Ar­beit­neh­mer sei aus Gründen der Gleich­be­hand­lung und we­gen ih­rer ein­ge­schränk­ten fi­nan­zi­el­len und per­so­nel­len Möglich­kei­ten er­for­der­lich. We­gen der ta­rif­ver­trag­li­chen Fest­schrei­bung der Tätig­keit der Kläge­rin im Schicht­dienst könne sie ihr Di­rek­ti­ons­recht auch nicht an­ders ausüben. Die Zu­wei­sung ei­ner Tätig­keit als Kran­ken­schwes­ter oh­ne die Ab­leis­tung von Nacht­schich­ten würde kei­ne Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts be­deu­ten, son­dern wäre nur im We­ge ei­ner Ände­rungskündi­gung möglich. Man­gels Leis­tungsfähig­keit ha­be die Kläge­rin kei­nen An­spruch auf Vergütung aus An­nah­me­ver­zug. Es man­ge­le auch schon an ei­nem hin­rei­chend präzi­sier­ten An­ge­bot der Kläge­rin. Im Übri­gen sei ein An­ge­bot sei­tens der Kläge­rin un­er­heb­lich, so­lan­ge die Ar­beits­leis­tung nicht durch Ausübung des Di­rek­ti­ons­rechts be­stimmt sei. Zu be­ach­ten sei­en ins­be­son­de­re die Mit­be­stim­mungs­rech­te des Be­triebs­rats. Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch be­ste­he man­gels schuld­haf­ter Pflicht­ver­let­zung eben­falls nicht.

Das Ar­beits­ge­richt hat der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten zurück­ge­wie­sen. Mit der vom Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on hält die Be­klag­te an ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag fest.
 


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Ent­schei­dungs­gründe


Die Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge zu Recht statt­ge­ge­ben.

I. Der mit ei­nem hin­rei­chend kon­kre­ten und da­mit zulässi­gen Kla­ge­an­trag (vgl. BAG 22. Ok­to­ber 2008 - 4 AZR 735/07 - Rn. 53 ff.) gel­tend ge­mach­te Beschäfti­gungs­an­spruch folgt aus den §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB.

1. Der Beschäfti­gungs­an­spruch des Ar­beit­neh­mers im be­ste­hen­den Ar­beits­verhält­nis wird aus den §§ 611, 613 iVm. § 242 BGB her­ge­lei­tet. Er be­ruht auf der ar­beits­ver­trag­li­chen Förde­rungs­pflicht des Ar­beit­ge­bers im Hin­blick auf das Beschäfti­gungs­in­ter­es­se des Ar­beit­neh­mers un­ter Berück­sich­ti­gung der ver­fas­sungs­recht­li­chen Wer­tent­schei­dun­gen der Art. 1 und 2 GG zum Persönlich­keits­schutz. Ei­ne ein­sei­ti­ge Su­s­pen­die­rung des Ar­beit­neh­mers oh­ne ver­trag­li­che Ver­ein­ba­rung ist grundsätz­lich nicht zulässig (BAG 21. Sep­tem­ber 1993 - 9 AZR 335/91 - zu 1 der Gründe). Der An­spruch muss nur dann zurück­tre­ten, wenn über­wie­gen­de schutz­wer­te In­ter­es­sen des Ar­beit­ge­bers ent­ge­gen­ste­hen (BAG 27. Fe­bru­ar 1985 - GS 1/84 - zu C I 3 der Gründe, BA­GE 48, 122; ErfK/Preis 14. Aufl. § 611 BGB Rn. 563).

2. Der An­spruch ist auf die ver­trags­gemäße Beschäfti­gung ge­rich­tet. De­ren Kon­kre­ti­sie­rung ob­liegt gemäß § 106 Ge­wO dem Ar­beit­ge­ber. Der Ar­beit­ge­ber kann be­stim­men, wel­che Ar­beits­leis­tung der Ar­beit­neh­mer im Rah­men des Ar­beits­ver­trags und der auf das Ar­beits­verhält­nis an­wend­ba­ren Re­ge­lun­gen zu er­brin­gen hat. Zur Erfüllung des Beschäfti­gungs­an­spruchs muss ei­ne hierfür ge­ge­be­nen­falls er­for­der­li­che Kon­kre­ti­sie­rung er­fol­gen (BAG 12. Sep­tem­ber 1996 - 5 AZR 30/95 - zu 2 der Gründe, BA­GE 84, 116). Bei Unmöglich­keit der Ar­beits­leis­tung be­steht kein Beschäfti­gungs­an­spruch, viel­mehr ist der An­spruch auf die Ar­beits­leis­tung aus­ge­schlos­sen, § 275 Abs. 1 BGB. Ins­be­son­de­re entfällt die Leis­tungs­pflicht, wenn der Ar­beit­neh­mer auf­grund ei­ner Krank­heit ar­beits­unfähig ist.
 


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a) Die Kläge­rin ist nicht des­halb krank­heits­be­dingt ar­beits­unfähig, weil sie ge­sund­heit­lich be­dingt Me­di­ka­men­te ein­neh­men muss und aus die­sem Grun­de Nacht­diens­te nicht mehr leis­ten kann.

aa) Ob die Kläge­rin we­gen ih­res körper­li­chen De­fi­zits „krank“ ist, kann da­hin­ge­stellt blei­ben.

Krank­heit iSd. EFZG ist je­der re­gel­wid­ri­ge Körper- oder Geis­tes­zu­stand. Was re­gel­wid­rig ist, be­stimmt sich nach dem Stand der (me­di­zi­ni­schen) Wis­sen­schaft (BAG 7. Au­gust 1991 - 5 AZR 410/90 - zu I der Gründe, BA­GE 68, 196; 7. De­zem­ber 2005 - 5 AZR 228/05 - zu II 1 b der Gründe; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 15. Aufl. § 98 Rn. 10; ErfK/Rein­hard § 3 EFZG Rn. 5 ff.).

Im Fall der Kläge­rin kommt ein re­gel­wid­ri­ger Körper­zu­stand in Be­tracht, der nur durch ständi­ge Be­hand­lung ein­sch­ließlich Me­di­ka­ti­on zu be­herr­schen ist. Das Er­for­der­nis ei­ner Heil­be­hand­lung ist al­ler­dings nicht maßge­bend (vgl. ErfK/Rein­hard § 3 EFZG Rn. 7 mwN).


bb) Die Kläge­rin ist je­den­falls nicht ar­beits­unfähig. 


(1) Für den Be­griff der „Ar­beits­unfähig­keit“ ist ei­ne vom Arzt nach ob­jek­ti­ven Maßstäben vor­zu­neh­men­de Be­wer­tung des Ge­sund­heits­zu­stands maßge­bend (vgl. die in Ausführung von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V durch den Ge­mein­sa­men Bun­des­aus­schuss [§ 91 SGB V] er­las­se­ne Ar­beits­unfähig­keits-Richt­li­nie vom 1. De­zem­ber 2003 idF vom 21. Ju­ni 2012, BAnz. AT 7. Sep­tem­ber 2012 B4). Die Ar­beitsfähig­keit be­ur­teilt sich nach der vom Ar­beit­neh­mer ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­ten Leis­tung, wie sie der Ar­beit­ge­ber oh­ne die Ar­beits­unfähig­keit als ver­trags­gemäß an­neh­men muss. Ar­beits­unfähig­keit liegt vor, wenn der Ar­beit­neh­mer sei­ne ver­trag­lich ge­schul­de­te Tätig­keit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben soll­te, weil die Hei­lung der Krank­heit nach ärzt­li­cher Pro­gno­se ver­hin­dert oder verzögert würde (BAG 23. Ja­nu­ar 2008 - 5 AZR 393/07 - Rn. 19; Schaub/Linck § 98 Rn. 14, 15).
 


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(2) Die Kläge­rin kann ih­re ar­beits­ver­trag­lich ge­schul­de­te Tätig­keit als Kran­ken­schwes­ter wei­ter­hin ausüben; ih­re ein­ge­schränk­te Ver­wend­bar­keit hin­sicht­lich der La­ge der Ar­beits­zeit steht dem nicht ent­ge­gen.

Die Kläge­rin kann un­strei­tig sämt­li­che von ihr als Kran­ken­schwes­ter ge­schul­de­ten Ar­bei­ten ausführen, oh­ne dass von Ver­hin­de­rung oder Verzöge­rung ei­ner Hei­lung die Re­de sein kann. Sie ist nach Art und Ort der Ar­beits­leis­tung so­wie zeit­li­cher Dau­er der Ar­beit un­ein­ge­schränkt ein­setz­bar und un­ter-liegt Ein­schränkun­gen nur hin­sicht­lich der La­ge der Ar­beits­zeit und in­so­weit auch nur in Be­zug auf die Nacht­schicht. Zwar sind die Nacht­schich­ten grundsätz­lich von der Ar­beits­pflicht der Kläge­rin mit um­fasst; je­doch gibt es kei­ne ver­trag­li­che Fest­le­gung der Ar­beit auf die Nacht­zeit. Viel­mehr ist es der Be­klag­ten nach § 106 Ge­wO über­las­sen, die Ar­beits­zeit im Rah­men ih­res Schicht­mo­dells fest­zu­le­gen, wo­bei die Nacht­schicht gewöhn­lich ei­nen ganz un­ter­ge­ord­ne­ten An­teil ein­nimmt.

Da­mit liegt nicht der Fall ei­ner ver­min­der­ten Ar­beitsfähig­keit vor, den die Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts als Ar­beits­unfähig­keit ver­steht und für den sie die An­nah­me ei­ner teil­wei­sen Ar­beitsfähig­keit bzw. teil­wei­sen Ar­beits­unfähig­keit aus­drück­lich ab­lehnt. Hier­zu hat das Bun­des­ar­beits­ge­richt aus­geführt, die Ar­beits­unfähig­keit wer­de nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass der Ar­beit­neh­mer sei­ne ge­schul­de­ten Ver­trags­pflich­ten an­statt voll nur teil­wei­se zu er­brin­gen ver­mag (BAG 29. Ja­nu­ar 1992 - 5 AZR 37/91 - zu II 1 der Gründe, BA­GE 69, 272). Wie der Zu­sam­men­hang der Ausführun­gen, die zu­grun­de lie­gen­de Fall­ge­stal­tung und der Hin­weis auf die Ur­tei­le des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 25. Ok­to­ber 1973 (- 5 AZR 141/73 -) und vom 25. Ju­ni 1981 (- 6 AZR 940/78 -) zei­gen, ist da­mit ei­ne ver­min­der­te Ar­beitsfähig­keit ge­meint, auf­grund de­rer der Ar­beit­neh­mer die ver­trag­lich fest­ge­leg­te vol­le Ar­beits­leis­tung (im Ge­gen­satz zu ei­ner Teil­leis­tung, § 266 BGB) nach ob­jek­ti­ver Be­ur­tei­lung nicht er­brin­gen kann. Ei­ne Teil­ar­beits­unfähig­keit mit teil­wei­ser Ar­beits­pflicht und teil­wei­sem Ent­gelt­fort­zah­lungs­an­spruch soll es nämlich nicht ge­ben; je­den­falls braucht sich we­der der Ar­beit­ge­ber noch der Ar­beit­neh­mer auf ei­ne Teil­leis­tung ein­zu­las­sen. Da­ge­gen wer­den von der Ar­beits­unfähig­keit nicht die Fälle um­fasst, in de­nen der Ar­beit­neh­mer ei­ne vol­le Ar­beits­leis­tung er­brin­gen kann und
 


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le­dig­lich ge­hin­dert ist, der ge­sam­ten Band­brei­te der ar­beits­ver­trag­lich an sich mögli­chen Leis­tungs­be­stim­mun­gen ge­recht zu wer­den. Viel­mehr muss der Ar­beit­ge­ber dann im Rah­men des § 106 Ge­wO nach Möglich­keit berück­sich­ti­gen, dass der Ar­beit­neh­mer aus Gründen sei­ner Ge­sund­heit nicht (mehr) in der La­ge ist, al­le an sich ge­schul­de­ten Tätig­kei­ten voll­umfäng­lich aus­zuführen. Ein sol­cher Fall liegt hier vor.


b) Die Kläge­rin kann ver­lan­gen, dass die Be­klag­te ihr Wei­sungs­recht so ausübt, dass für die Kläge­rin kei­ne Nacht­diens­te an­fal­len.


aa) Nach § 106 Satz 1 Ge­wO hat der Ar­beit­ge­ber sein Wei­sungs­recht nach bil­li­gem Er­mes­sen aus­zuüben. Ei­ne Leis­tungs­be­stim­mung ent­spricht bil­li­gem Er­mes­sen, wenn die we­sent­li­chen Umstände des Falls ab­ge­wo­gen und die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wor­den sind. Ob die bei­der­sei­ti­gen In­ter­es­sen an­ge­mes­sen berück­sich­tigt wor­den sind, un­ter­liegt der vol­len ge­richt­li­chen Kon­trol­le, § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB (vgl. näher ua.: BAG 11. April 2006 - 9 AZR 557/05 - Rn. 35 mwN, BA­GE 118, 22; 15. Mai 2013 - 10 AZR 679/12 - Rn. 34 f. mwN).

bb) Die ver­trag­li­che Ar­beit als Kran­ken­schwes­ter ist der Kläge­rin nicht ganz oder teil­wei­se unmöglich ge­wor­den, § 275 Abs. 1 BGB. Viel­mehr kann die Kläge­rin, wie aus­geführt, al­le Ar­bei­ten ei­ner Kran­ken­schwes­ter in vol­lem zeit­li­chem Um­fang wei­ter­hin er­brin­gen. Die Nacht­ar­beit, de­ren Aus­klam­me­rung und Er­set­zung durch an­de­re Ar­beits­zei­ten die Kläge­rin ver­langt, be­trifft nur ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Mo­da­lität ih­rer Ar­beits­leis­tung ins­ge­samt. Wenn die Be­klag­te auch in der Re­vi­si­on wei­ter­hin auf die kläge­ri­sche Ver­pflich­tung zur Ab­leis­tung von Nacht­diens­ten ab­stellt, ver­wech­selt sie nach wie vor den all­ge­mei­nen Um­fang ih­res Wei­sungs­rechts mit dem fest­ge­leg­ten In­halt der Ar­beits­pflicht der Kläge­rin.


cc) Der Be­klag­ten ist die voll­umfäng­lich ver­trags­gemäße Beschäfti­gung der Kläge­rin nicht unmöglich ge­wor­den. Auch wenn die Kläge­rin nicht mehr zu Nacht­diens­ten ein­ge­teilt wird, han­delt es sich um ei­ne ver­trags­gemäße Beschäfti­gung in die­sem Sin­ne. Nach den we­der mit ei­nem Tat­be­stands­be­rich­ti-


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gungs­an­trag noch mit zulässi­gen Ver­fah­rensrügen an­ge­foch­te­nen Fest­stel­lun­gen des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist ei­ne sol­che Beschäfti­gung möglich. Die Be­son­der­hei­ten des Schicht­diens­tes stel­len kein unüber­wind­ba­res tatsächli­ches Hin­der­nis dar, die Kläge­rin nicht zu Nacht­diens­ten ein­zu­tei­len. So­weit die Re­vi­si­on rügt, das Lan­des­ar­beits­ge­richt hätte auf ein ent­spre­chen­des Vor­trags­de­fi­zit zur Ermögli­chung ergänzen­den Vor­trags durch die Be­klag­te hin­wei­sen müssen, fehlt es schon an der An­ga­be, was auf ei­nen Hin­weis noch vor­ge­tra­gen wor­den wäre (vgl. nur BAG 6. Ja­nu­ar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BA­GE 109, 145); außer­dem liegt klar auf der Hand, dass die an­walt­lich ver­tre­te­ne Be­klag­te die­se Pro­ble­ma­tik von sich aus er­ken­nen muss­te und da­zu im Ein­zel­nen auch oh­ne be­son­de­re Hin­wei­se vor­zu­tra­gen hat­te.


Recht­li­che Gründe ste­hen dem Be­geh­ren der Kläge­rin eben­falls nicht ent­ge­gen, wie das Lan­des­ar­beits­ge­richt rechts­feh­ler­frei aus­geführt hat. Ei­ne Rechts­pflicht, die Kläge­rin ge­gen ih­ren Wil­len in den Schicht­dienst mit sämt­li­chen Schicht­ar­ten ein­zu­be­zie­hen, lässt sich we­der ar­beits­ver­trag­lich noch kol­lek­tiv­recht­lich, son­dern al­len­falls über § 106 Ge­wO und den Grund­satz der Gleich­be­hand­lung be­gründen. Die ta­rif­li­che Ver­pflich­tung der Beschäftig­ten be­gründet eben­so wie die Be­triebs­ver­ein­ba­rung vom 1. Au­gust 2011 le­dig­lich das Recht, nicht aber die Pflicht der Be­klag­ten, ei­nen ent­spre­chen­den Ein­satz vor­zu­se­hen. Hierfür gel­ten dann § 106 Ge­wO und der all­ge­mei­ne Gleich­be­hand-ungs­grund­satz.


dd) Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat § 106 Ge­wO rechts­feh­ler­frei und zu­tref­fend an­ge­wen­det. So­weit die Re­vi­si­on hier­ge­gen über­haupt Rügen er­hebt, grei­fen die­se nicht durch.


Die In­ter­es­sen der langjährig bei der Be­klag­ten beschäftig­ten Kläge­rin tre­ten deut­lich zu­ta­ge: Die Kläge­rin ver­mag Nacht­diens­te nicht mehr zu leis­ten, al­le an­de­ren Ar­beits­pflich­ten kann sie im ver­trag­li­chen Um­fang erfüllen. Sie ver­langt des­halb (le­dig­lich) die Be­frei­ung von Nacht­diens­ten. Dar­an hat sie ein ho­hes In­ter­es­se. Hätte die Be­klag­te Recht, könn­te die Kläge­rin bei der Be­klag­ten nicht mehr ar­bei­ten. Auch ei­ne Ar­beit in an­de­ren Kran­kenhäusern wäre weit­ge­hend aus­ge­schlos­sen.


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Dem­ge­genüber hat das Lan­des­ar­beits­ge­richt die In­ter­es­sen der Be­klag­ten zu Recht zurück­tre­ten las­sen. Der Be­klag­ten bleibt das vol­le Wei­sungs­recht mit Aus­nah­me nur der Möglich­keit zur Ein­tei­lung von Nacht­diens­ten. Ei­ne Her­aus­nah­me der Kläge­rin aus den Nacht­diens­ten ist möglich. Sie ist er­for­der­lich, zu­mut­bar und an­ge­mes­sen. Be­son­de­re In­ter­es­sen an­de­rer Ar­beit­neh­mer sind we­der vor­ge­tra­gen noch sonst er­sicht­lich. Die Be­klag­te hat nicht ein­mal vor­ge­tra­gen, es ha­be kon­kre­te Be­schwer­den ge­ge­ben oder es sei aus be­stimm­ten Gründen schwer, frei wer­den­de Nacht­diens­te gleichmäßig zu ver­tei­len oder an­de­re Ar­beit­neh­mer hierfür zu ge­win­nen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat in die­sem Zu­sam­men­hang zu­tref­fend auf die Größe des Be­triebs und den ge­rin­gen An­teil der Nacht­diens­te ab­ge­stellt. Die Auf­fas­sung der Re­vi­si­on, es sei der Be­klag­ten nicht möglich, ge­genüber an­de­ren Kran­ken­schwes­tern ei­ne häufi­ge­re Ab­leis­tung von Nacht­schich­ten an­zu­ord­nen, ist un­rich­tig und wird auch nicht nach­voll­zieh­bar be­gründet. Der von der Be­klag­ten bemühte Gleich­be­hand­lungs­grund­satz ge­bie­tet ge­ra­de, Un­ter­schied­li­ches auch un­ter­schied­lich zu be­han­deln und den sach­li­chen, hier so­gar zwin­gen­den Gründen bei der Kläge­rin Rech­nung zu tra­gen. Die von der Be­klag­ten mögli­cher­wei­se an­ge­streb­te „Ge­ne­ral­präven­ti­on“ wäre von vorn­her­ein un­zulässig.


c) Da­nach kann da­hin­ste­hen, ob die Kläge­rin den An­spruch auf Um­set­zung gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a iVm. § 2 Abs. 5 Nr. 1 Arb­ZG gel­tend ge­macht hat und ob des­sen Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen.

II. Der Zah­lungs­an­spruch ist nach den §§ 611, 615, 293 ff. BGB ge­recht­fer­tigt.

1. Die Be­klag­te be­fand sich vom 25. Ju­li 2012 bis zum 31. Ok­to­ber 2012 im An­nah­me­ver­zug.

a) Die Be­klag­te hat die ihr mit Schrei­ben der Kläge­rin vom 14. Ju­ni 2012 an­ge­bo­te­ne Ar­beits­leis­tung nicht an­ge­nom­men, § 293 BGB. Das wört­li­che An­ge­bot (§ 295 BGB) genügte, weil die Be­klag­te zu­vor erklärt hat­te, sie wer­de die Leis­tung nicht an­neh­men, weil und so­lan­ge die Kläge­rin nacht­dienst­un­taug­lich und da­mit ar­beits­unfähig krank sei.
 


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b) Al­ler­dings muss die Leis­tung eben­so wie nach § 294 BGB auch im Fall des § 295 BGB so an­ge­bo­ten wer­den, wie sie zu be­wir­ken ist. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Re­vi­si­on hat die Kläge­rin ge­nau dies ge­tan: Die Kläge­rin war nicht ar­beits­unfähig. Sie hat­te ei­nen An­spruch auf Beschäfti­gung als Kran­ken­schwes­ter, oh­ne zu Nacht­diens­ten ein­ge­teilt zu wer­den. Das hat die Kläge­rin im Schrei­ben vom 14. Ju­ni 2012 so gel­tend ge­macht und auf die­ser Grund­la­ge die Ar­beit an­ge­bo­ten. Sie hat da­mit nicht das Wei­sungs­recht der Be­klag­ten an­ge­tas­tet, in­dem sie et­wa ei­ne be­stimm­te, mögli­cher­wei­se zwar ver­trags­gemäße, aber sei­tens der Be­klag­ten nicht zu­ge­wie­se­ne und da­mit nicht ge­schul­de­te Tätig­keit an­ge­bo­ten hat (vgl. BAG 22. Fe­bru­ar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 21, BA­GE 141, 34). Sie hat den In­halt der ar­beits­ver­trag­lich nur rah­menmäßig um­schrie­be­nen Ar­beits­leis­tung nicht selbst kon­kre­ti­siert, son­dern das Wei­sungs­recht der Be­klag­ten in dem vol­len Um­fang über­las­sen, in dem die Be­klag­te es ausüben durf­te. Die Be­klag­te hat­te, wie oben zu I aus­geführt, kei­ne an­de­re Möglich­keit der Leis­tungs­be­stim­mung, als die Kläge­rin mit ih­rem An­ge­bot ein­geräumt hat. Es war dann Sa­che der Be­klag­ten, ver­trags­gemäße Ar­beit nach bil­li­gem Er­mes­sen zu­zu­wei­sen.


c) Die Be­klag­te be­ruft sich zu Un­recht auf die Ent­schei­dung des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 19. Mai 2010 (- 5 AZR 162/09 - BA­GE 134, 296). Hier­nach ist das An­ge­bot ei­ner „lei­dens­ge­rech­ten Ar­beit“ oh­ne Be­lang, wenn der Ar­beit­ge­ber ei­ne an­de­re Tätig­keit nach § 106 Ge­wO wirk­sam be­stimmt hat­te (BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 16, aaO). Die Be­klag­te hat aber kei­ne an­de­re Ar­beits­leis­tung wirk­sam be­stimmt; viel­mehr hat sie ge­meint, die Kläge­rin sei we­gen der un­strei­tig be­ste­hen­den Nacht­dienst­un­taug­lich­keit ar­beits­unfähig, und hat des­we­gen die An­nah­me ei­ner Ar­beits­leis­tung über­haupt ab­ge­lehnt. Dar­in liegt we­der die Kon­kre­ti­sie­rung ei­ner be­stimm­ten Ar­beits­leis­tung noch über­haupt ei­ne wirk­sa­me Be­stim­mung. Von ei­ner „vorläufi­gen Bin­dung“ durch Wei­sung (vgl. BAG 22. Fe­bru­ar 2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 24, BA­GE 141, 34) kann auch des­halb kei­ne Re­de sein, weil die Unfähig­keit der Kläge­rin zur Ab­leis­tung von Nacht­diens­ten geklärt war und ent­spre­chen­de Wei­sun­gen - selbst nach Auf­fas­sung der Be­klag­ten - von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen wa­ren.
 


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d) Die Kläge­rin war nicht iSv. § 297 BGB außer­stan­de, die ge­schul­de­te Leis­tung zu be­wir­ken (oben zu I 2).

2. Die Ar­beit ist in­fol­ge des Ver­zugs nicht ge­leis­tet wor­den. Die Ab­leh­nung der Beschäfti­gung sei­tens der Be­klag­ten war die ein­zi­ge Ur­sa­che für den Aus­fall der Ar­beit.


3. Die Höhe des An­spruchs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB ist eben­so un­strei­tig wie der Be­trag des an­zu­rech­nen­den Ar­beits­lo­sen­gel­des, § 615 Satz 2 BGB (hier­zu ErfK/Preis § 615 BGB Rn. 94).

4. Der Zins­an­spruch er­gibt sich aus § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

III. Die Be­klag­te hat die Kos­ten ih­rer er­folg­lo­sen Re­vi­si­on zu tra­gen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Mi­kosch 

W. Rein­fel­der 

Schmitz-Scho­le­mann

Schürmann 

Trümner

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