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Ehrenamt und Arbeitsvertrag
30.08.2012. Viele für die Gesellschaft wichtige Aufgaben können nur erledigt werden, weil es engagierte Menschen gibt, die für ihre Leistungen kein Geld haben wollen, sondern diese Leistungen ohne Gegenleistung bzw. ehrenamtlich erbringen. Die wichtigsten Tätigkeitsfelder ehrenamtlich engagierter Bürgerinnen und Bürger sind die Betreuung von Kindern sowie die Pflege alter und kranker Menschen. Aber auch Elternvertreter in der Schule, Schöffen bei Gericht oder Betriebsräte arbeiten ehrenamtlich.
Weil Ehrenamtliche für ihre Leistungen kein Geld bekommen und auch kein Geld haben wollen, sind sie nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig. Denn Arbeitsverträge sind eine spezielle Form von Dienstverträgen, und Dienstverträge wiederum sind Austauschverträge: Der Dienstverpflichtete bzw. Arbeitnehmer "macht es für Geld", d.h. er arbeitet um des Lohnes willen.
Allerdings kann man sich fragen, ob diese Rechtsgrundsätze auch heute noch richtig sind. Wenn die Erwerbstätigkeit vieler junger Menschen aus einer jahrelangen Abfolge von Praktikumsverhältnissen besteht und viele Politiker ehrenamtliches Engagement immer lauter und deutlicher "einfordern", kann man überlegen, den rechtlichen Schutz von Arbeitnehmern auf ehrenamtlich tätige Menschen auszuweiten. Solchen Überlegungen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem Urteil vom gestrigen Tage eine Absage erteilt: BAG, Urteil vom 29.08.2012, 10 AZR 499/11.
- Sind ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger Arbeitnehmer?
- Der Streitfall: Ehrenamtliche Telefonseelsorgerin wird entlassen und erhebt Kündigungsschutzklage
- BAG: Durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet
Sind ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger Arbeitnehmer?
Wer Arbeitnehmer ist, kann soziale und materielle Sicherheit beanspruchen. Arbeitnehmer haben bei Krankheit Anspruch auf Entgeltfortzahlung (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz - EntgFG) und sie können einen bezahlten Erholungsurlaub verlangen (§ 1 Bundesurlaubsgesetz - BUrlG). Außerdem genießen sie normalerweise Kündigungsschutz auf der Grundlage des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG).
Arbeitnehmer sind praktisch immer auch "Beschäftigte" im Sinne des Sozialversicherungsrechts und daher in allen fünf Zweigen der Sozialversicherung (Rentenversicherung, Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung, Unfallversicherung) versichert.
Im Unterschied dazu sind ehrenamtlich tätige Menschen nur in der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt. Wer daher als Elternvertreter auf dem Weg zu einer abendlichen Schulkonferenz oder wer als ehrenamtlicher Richter auf dem Weg zum Arbeitsgericht einen Unfall erleidet und verletzt wird, kann Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung verlangen.
Das wars dann aber auch. Weitere Absicherungen der ehrenamtlichen Tätigkeit sind gesetzlich nicht vorgesehen. Denn die Sicherung des Lohnanspruchs bei Krankheit und Urlaub ergibt keinen Sinn, wenn es von vornherein keinen Lohnanspruch gibt. Und auch der Betriebsrat hat sich um ehrenamtliche Kräfte nicht zu kümmern (§ 5 Abs.2 Nr.3 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG).
Zu überlegen ist allerdings, ob Ehrenamtliche nicht vielleicht (als eine Art untypische Arbeitnehmer) Kündigungsschutz in Anspruch nehmen können. Denn wer lange Zeit regelmäßig ehrenamtlich arbeitet, stellt sich darauf ein und kann erwarten, dass ihm nicht von heute auf morgen der Stuhl vor die Tür gesetzt wird.
Der Streitfall: Ehrenamtliche Telefonseelsorgerin wird entlassen und erhebt Kündigungsschutzklage
In dem vom BAG entschiedenen Fall stritten ein Träger der Telefonseelsorge und eine dort ehrenamtlich tätige Seelsorgerin um den Fortbestand ihres Vertragsverhältnisses.
Der Träger der Telefonseelsorge unterhielt eine Betriebsstätte, in der ein hauptamtlicher und etwa fünfzig ehrenamtliche Mitarbeiter den Seelsorgedienst verrichteten. Nach der Dienstordnung wurde von den ehrenamtlichen Kräften erwartet, dass diese sich regelmäßig am Dienst beteiligen, und zwar mindestens zehn Stunden pro Monat. Jeweils im Vormonat legte der Träger der Telefonseelsorge einen Dienstplan für den nächsten Monat aus, in den sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter eintragen mussten.
Die Klägerin war auf der Grundlage eines schriftlich festgehaltenen Vertrags („Beauftragung“) seit dem April 2002 als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin für zehn Stunden im Monat tätig. Dafür erhielt sie keinen Lohn, sondern nur einen Unkostenersatz von 30,00 EUR pro Monat. Am 22.01.2010 wurde die Klägerin mündlich von ihrem Dienst entbunden.
Das ließ sie sich nicht gefallen. Sie zog vor das Arbeitsgericht Chemnitz und erhob Kündigungsschutzklage. Mit dieser Klage hatte sie weder vor dem Arbeitsgericht Chemnitz (Urteil vom 18.06.2010, 5 Ca 429/10) noch vor dem Sächsischen Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg (Sächsisches LAG, Urteil vom 20.05.2011, 3 Sa 579/10).
BAG: Durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet
Auch das BAG entschied gegen die Seelsorgerin, denn zwischen ihr und dem Träger der Telefonseelsorge bestand kein Arbeitsverhältnis, so das BAG. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG:
Es ist rechtlich zulässig, so das BAG, sich per Vertrag zur Leistung von Diensten zu verpflichten, ohne dass der andere Vertragspartner dafür Geld bezahlen muss. Dies gilt jedenfalls dann,
- wenn ein Arbeitslohn - wie das für ehrenamtliche Tätigkeiten typisch ist - nicht zu erwarten ist, und
- wenn kein "Missbrauch" vorliegt.
Denn Ehrenämter dienen nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz, so das BAG. Sie sind "Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen".
Und da im Streitfall auch kein Anhaltspunkt dafür bestand, dass der Auftraggeber zwingende arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgehen wollte, war die vertragliche Vereinbarung zwischen der Seelsorgerin und dem Träger rechtlich in Ordnung.
Fazit: Es mag sein, dass ehrenamtlich tätige Bürgerinnen und Bürger bei ihrer Tätigkeit Weisungen befolgen müssen, doch führt allein dies noch nicht zu einer sozialen Abhängigkeit, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch ist. Denn Arbeitnehmer werden durch die Weisungsabhängigkeit belastet, weil sie auf den Verdienst aus dem Arbeitsverhältnis angewiesen sind. Sie können im Normalfall nicht einfach "hinschmeißen". Diese wirtschaftliche und damit persönliche Unabhängigkeit hat aber derjenige, der von vornherein kein Geld verlangt. Und auch zeitlich gesehen ist sein Ehrenamt meist eine Nebentätigkeit.
Dementsprechend werden Ehrenamtliche auch durch eine Kündigung nicht so belastet, wie dies bei Arbeitnehmern der Fall ist. Denn da sie mit ihrem Ehrenamt von vornherein kein Geld verdienen, führt eine Kündigung auch nicht zu wirtschaftlichen Einbußen. Und auch eine ehrenamtliche Anschluss-"Beschäftigung" wird man leichter finden als ein gekündigter Arbeitnehmer eine neue bezahlte Anstellung.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.08.2012, 10 AZR 499/11 (Pressemitteilung)
- Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2011, 3 Sa 579/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitnehmer
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutz
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Handbuch Arbeitsrecht: Nebentätigkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Scheinselbständigkeit
- Handbuch Arbeitsrecht: Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 20/064 Arbeitsverhältnis ohne Arbeitspflicht?
- Arbeitsrecht aktuell: 18/069 LAG Frankfurt entscheidet zum Arbeitnehmerbegriff
- Arbeitsrecht aktuell: 15/266 Gesetzentwurf zum Berufsrecht der Syndikusanwälte
- Arbeitsrecht aktuell: 14/147 LAG Berlin: Anwalt als Arbeitnehmer
- Arbeitsrecht aktuell: 13/276 Arbeitsvertrag oder Werkvertrag?
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020
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