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Arbeitsvertragsrichtlinien sind nicht zwingend
28.05.2018. Wer bei einer kirchlich gebundenen Einrichtung einen Arbeitsvertrag unterschreibt, erwartet, dass sein Arbeitgeber die für ihn geltenden Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) anwendet.
Damit sind im Normalfall laufende Lohn- bzw. Gehaltserhöhungen verbunden, wie sie sich auch bei der Anwendung von Tarifverträgen infolge der sog. Tarifdynamik ergeben.
In einem Urteil von letzter Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass kirchliche Einrichtungen bei der Ausgestaltung solcher Bezugnahmeklauseln individualarbeitsrechtlich freie Hand haben: BAG, Urteil vom 24.05.2018, 6 AZR 308/17 (Pressemeldung des Gerichts).
- Können sich kirchlich gebundene Arbeitgeber bei der Bezugnahme auf AVR die Rosinen herauspicken?
- Im Streit: Niedersächsische Sozialarbeiterin verlangt unter Verweis auf die AVR der Diakonie Deutschland Lohnerhöhungen, die aber arbeitsvertraglich ausgeschlossen sind
- BAG: Kirchlich gebundene Arbeitgeber können trotz kirchenrechtlicher Pflicht zur dynamischen Anwendung von Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) schlechtere Arbeitsverträge vereinbaren
Können sich kirchlich gebundene Arbeitgeber bei der Bezugnahme auf AVR die Rosinen herauspicken?
Kirchlich gebundene Arbeitgeber wie z.B. Einrichtungen der katholischen Caritas oder der evangelischen Diakonie wenden in aller Regel keine Tarifverträge an, sondern stattdessen sog. AVR. AVR ähneln von ihrem Aufbau und ihren Inhalten her Tarifverträgen, doch sind auf Arbeitnehmerseite keine Gewerkschaften federführend beteiligt. Vielmehr werden AVR von kircheninternen Arbeitsvertragskommissionen erarbeitet bzw. fortlaufend angepasst. Immerhin haben die Gewerkschaften heutzutage auf der Arbeitnehmerbank der Arbeitsvertragskommissionen (neben anderen Arbeitnehmervertretern) Sitz und Stimme.
Aufgrund der laufenden AVR-Aktualisierung ergibt sich für Arbeitnehmer kirchlich gebundener Einrichtungen eine quasi-tarifvertragliche Lohndynamik, d.h. die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen steigen ähnlich wie die Löhne und Gehälter von Arbeitnehmern, deren Arbeitsverträge tarifgebunden sind.
Aus Sicht eines kirchlichen Arbeitgebers, z.B. einer Einrichtung eines diakonischen Werkes, ergeben sich daraus laufend steigende Lohnkosten, die er allerdings tragen muss, jedenfalls im rechtlichen Verhältnis zu dem diakonischen Werk, dessen Mitglied er ist. Denn die Mitgliedschaft in einem diakonischen Werk verpflichtet zur Anwendung der AVR und damit auch zur laufenden Erhöhung von Löhnen und Gehältern entsprechend den jeweils aktuell geltenden AVR-Fassungen.
Vor diesem Hintergrund fragt sich, ob ein kirchlich gebundener Arbeitgeber überhaupt die rechtliche Möglichkeit hat, in seinen Arbeitsverträgen nur punktuell auf die für ihn geltenden AVR zu verweisen. Denn immerhin stehen sich Arbeitgeber kostenmäßig günstiger, wenn sie z.B. auf AVR verweisen, dabei aber die laufenden Lohnsteigerungen ausdrücklich ausklammern. Aber ist eine solche Rosinen-Pickerei arbeitsvertraglich rechtens?
Im Streit: Niedersächsische Sozialarbeiterin verlangt unter Verweis auf die AVR der Diakonie Deutschland Lohnerhöhungen, die aber arbeitsvertraglich ausgeschlossen sind
Geklagt hatte eine Sozialarbeiterin, die bei einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH) als so genannte Alltagsbegleiterin tätig war. Die gGmbH war Mitglied im Diakonischen Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen e.V. (DDN). Dessen Satzung verpflichtete seine Mitglieder und damit auch die gGmbH, beim Abschluss von Arbeitsverträgen entweder die vom DDN vereinbarten Tarifverträge oder die AVR der Diakonie Deutschland (AVR-DD) anzuwenden, und zwar in ihren jeweils geltenden Fassungen.
Im Arbeitsvertrag der Klägerin war zwar die Vergütung nach Entgeltgruppe 3 AVR-DD vereinbart, doch enthielt der Arbeitsvertrag folgende weitere Regelungen:
„1. In der Zeit vom 01.07.2011 bis 31.12.2015 erhöht sich mein monatliches Entgelt um jeweils 1,25 % jeweils zum 01.07. dieser Jahre. Weitere Erhöhungen des monatlichen Entgeltes finden nicht statt.
2. Einen Anspruch auf Jahressonderzuwendung besteht nur zur Hälfte; die zweite Hälfte kann für 2011 bis 2015 auch dann nicht beansprucht werden, wenn das Betriebsergebnis positiv sein sollte.“
Gegen Ende des zum 31.01.2016 befristeten Arbeitsverhältnisses war die Sozialarbeiterin länger krank und verlangte über einen Anwalt vom Arbeitgeber Nachzahlung der bislang nicht geleisteten Gehaltserhöhungen gemäß den AVR-DD sowie Zahlung der bislang einbehaltenen hälftigen Jahressonderzuwendung, insgesamt.
Das Arbeitsgericht Göttingen wies die Klage ab (Urteil vom 05.07.2016, 2 Ca 53/16), und auch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hatte die Klägerin kein Glück (LAG Niedersachsen, Urteil vom 27.04.2017, 7 Sa 944/16).
BAG: Kirchlich gebundene Arbeitgeber können trotz kirchenrechtlicher Pflicht zur dynamischen Anwendung von Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) schlechtere Arbeitsverträge vereinbaren
Auch in Erfurt vor dem Bundesarbeitsgericht zog die Klägerin den Kürzeren, denn das BAG bestätigte die klageabweisenden Urteile der beiden Vorinstanzen (Urteil vom 24.05.2018, 6 AZR 308/17). In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Der Arbeitgeber hatte im Streitfall zwar durch die Vereinbarung einer vertraglichen Vergütungsregelung, die zulasten der Klägerin von den AVR-DD abwich, gegen kirchenrechtliche Regelungen verstoßen, doch binden diese Regelungen den Arbeitgeber „nur im kirchlichen Rechtskreis“, so die Erfurter Richter. Infolgedessen musste die gGmbH hier im Streitfall wegen der Missachtung der Pflicht zur Anwendung der AVR-DD „kirchenrechtliche Konsequenzen befürchten und mit einer Zustimmungsverweigerung der Mitarbeitervertretung zur Eingruppierung rechnen“.
Das alles aber ändert nichts daran, dass der hier vereinbarte Arbeitsvertrag wirksam war. Anders gesagt: Der Verstoß gegen kirchenrechtliche Vorgaben bei der Ausgestaltung von Arbeitsverträgen führt nicht zur Unwirksamkeit solcher Arbeitsverträge. Auch die Regelungen der Satzung des DNN haben keine „drittschützende Wirkung“, d.h. sie gelten nur im Rechtsverhältnis zwischen der Mitgliedseinrichtung (hier: der gGmbH) und dem diakonischen Werk, d.h. dem Verein, dem die Mitgliedseinrichtung angehört. Dritte, d.h. die Arbeitnehmer einer Mitgliedseinrichtung, können aus diesen Satzungsbestimmungen keinen Honig saugen.
Ergänzend weist das BAG darauf hin, dass der Arbeitgeber hier im Streitfall auch nicht gegen das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB) verstieß, indem er sich vor Gericht auf die Wirksamkeit der vertraglichen Gehaltsvereinbarungen berufen hatte.
Fazit: Arbeitnehmer kirchlich gebundener Einrichtungen müssen beim Arbeitsvertragsschluss darauf achten, dass der Arbeitgeber die Bezugnahme auf die einschlägigen AVR nicht durch individuelle Abweichungen aushebelt bzw. einschränkt. Denn solche Einschränkungen sind, wie das BAG bestätigt hat, rechtlich wirksam, auch wenn der Arbeitgeber damit gegen das Kirchenrecht verstößt.
Im Ergebnis stehen sich Arbeitnehmer kirchlicher Einrichtungen damit ähnlich wie Arbeitnehmer nicht tarifgebundener Arbeitgeber der Privatwirtschaft. Auch solche Arbeitgeber verweisen in ihren Arbeitsverträgen oft durch Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge, schränken deren Anwendung dabei aber nach Ermessen ein. Derartige Einschränkungen sind im Prinzip rechtlich wirksam. Insbesondere ist es zulässig, die sog. Tarifdynamik auszuschließen, d.h. Tarifverträge mit genau den Gehaltsvorgaben in den Arbeitsvertrag einzubeziehen, wie sie zu einem bestimmten Zeitpunkt tariflich festgeschrieben waren.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2018, 6 AZR 308/17 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.05.2018, 6 AZR 308/17
- Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.04.2017, 7 Sa 944/16
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB)
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Bezugnahmeklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR)
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 29. Juni 2020
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