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Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) und Tarifvertrag
28.02.2012. Tarifverträge sind dazu da, zugunsten der Arbeitnehmer Mindestarbeitsbedingungen festzulegen, die durch den Arbeitsvertrag nicht unterschritten werden können. Was viele nicht wissen: Tarifverträge wurden in der Vergangenheit auch oft dazu eingesetzt, die Löhne und andere Arbeitsbedingungen zielgerichtet "abzusenken", d.h. zu verschlechtern. Dazu wurden Betriebe oder ganze Tochterunternehmen großer Konzerne auf einen neuen Arbeitgeber übertragen, der zwar auch Tarifverträge anwandte, aber eben weniger gute. Die Folge war dann lange Jahre, dass die schlechten Erwerbertarifverträge ab dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs die bisherig geltenden besseren Tarifverträge verdrängten (§ 613a Abs.1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB).
Diese Form der Lohnsenkung per Tarifvertrag macht das Bundesarbeitsgericht (BAG) aber seit 2007 zurecht nicht mehr mit. Denn praktisch immer enthalten die Arbeitsverträge der betroffenen Arbeitnehmer einen Verweis ("Inbezugnahme") auf die "alten guten" Tarifverträge, so dass hier die Regel gelten muss, dass sich günstigere arbeitsvertragliche Regelungen gegenüber schlechteren tarifvertraglichen Regelungen durchsetzen (Günstigkeitsprinzip, § 4 Abs.3 Tarifvertragsgesetz - TVG). Denn durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von Tarifverträgen gelten diese (auch) als Bestandteil des Arbeitsvertrags.
Vor einigen Tagen hat das BAG klargestellt, dass auch kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), deren Anwendung der Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrags verlangen kann, nicht durch schlechtere Erwerber-Tarifverträge verdrängt werden: BAG, Urteil vom 22.02.2012, 4 AZR 24/10.
- Im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) und Haustarifvertrag des Betriebserwerbers - was geht vor?
- Der Streitfall: Helios Kliniken übernimmt das Sankt Elisabeth Krankenhaus in Oberhausen
Im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) und Haustarifvertrag des Betriebserwerbers - was geht vor?
Viele kirchliche Arbeitgeber regeln ihre Arbeitsbedingungen mit tarifvertragsähnlichen Regelungswerken, den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR). AVR sind aber keine Tarifverträge, denn sie sind nicht Resultat freier Tarifverhandlungen (inklusive gewerkschaftlicher Streiks). AVR werden vielmehr "intern" von kirchlichen Kommissionen nach Ermessen festgesetzt.
Wie gesagt macht das BAG seit 2007 die Lohnsenkung als Folge schlechterer Erwerber-Tarifverträge nicht mehr mit (wir berichteten darüber u.a. in Arbeitsrecht aktuell 07/10 Bundesarbeitsgericht verabschiedet „Gleichstellungsabrede“ und in Arbeitsrecht aktuell 07/54 Abschied von der Gleichstellungsabrede - Teil II). Bislang nicht ausdrücklich entschieden hat das BAG die Frage, ob möglicherweise dann etwas anderes gilt, wenn ein nicht kirchlicher Betriebserwerber einen Betrieb übernimmt, der früher einmal zur Kirche gehörte und in dem daher bislang Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) angewandt wurden.
Der Streitfall: Helios Kliniken übernimmt das Sankt Elisabeth Krankenhaus in Oberhausen
Geklagt hatten 11 altgediente Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmner eines vormals zur katholischen Caritas gehörenden Krankenhauses in Oberhausen. In ihren Arbeitsverträgen war vereinbart, dass die AVR des Deutschen Caritasverbandes "in der jeweils gültigen Fassung" gelten sollten. 2007 übernahm die Helios Kliniken GmbH das Krankenhaus bzw. die Krankenhausträger-GmbH. Einige Monate zuvor hatte die Helios Kliniken GmbH einige Tarifverträge mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen, denen zufolge die Arbeitnehmer des Krankenhauses künftig nach den im Helios-Konzern geltenden Tarifen bezahlt werden sollten. Das sollte zwar unter Wahrung des zuletzt bezogenen Lohnes geschehen, doch waren die Arbeitnehmer damit von künftigen laufenden Lohnerhöhungen auf Basis der AVR Caritas ausgeschlossen.
Die 11 Krankenhausmitarbeiter waren zwar ver.di-Mitglieder, wollten aber nicht nach den ungünstigeren ver-di-Tarifverträgen bezahlt werden. Sie klagten daher auf die Feststellung, dass ihnen auch nach dem 01.01.2008 Bezahlung nach ihrer AVR-Lohngruppe zusteht, und zwar in der jeweils geltenden Fassung der AVR. Damit hatten sie sowohl vor dem Arbeitsgericht Oberhausen Erfolg (Urteil vom 03.04.2009, 3 Ca 2185/08) als auch vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 09.11.2009, 16 Sa 582/09). Und auch das BAG urteilte, dass die Kläger trotz der für sie als ver.di-Mitglieder geltenden Helios-Tarifverträge künftig weiterhin die AVR-Lohnerhöhungen beanspruchen können.
Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG: Ein Tarifvertrag kann auch bei beiderseitiger Tarifgebundenheit eine Vereinbarung in einem Arbeitsvertrag nicht ablösen. Das gilt erst recht für kirchliche AVR, die ja immer nur aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme anwendbar sind. Das Verhältnis von einzelvertraglichen Ansprüchen (hier: Ansprüche gemäß AVR Caritas) zu daneben bestehenden tarifvertraglichen Ansprüchen (hier: Ansprüche gemäß ver.di-Tarifverträgen) ist nach dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG zu klären, so das BAG.
Fazit: AVR sind aus Sicht kirchlicher Arbeitgeber im Vergleich zu Tarifverträgen "smart", da sie nicht als Resultat freier Tarifverhandlungen zustande kommen. Andererseits sind sie immer und ewig nur Bestandteil der Arbeitsverträge und können daher im Falle eines Betriebsübergangs nicht durch abweichende Tarifverträge ersetzt werden. Dieser Weg ist allerdings seit 2007 auch nicht-kirchlichen Arbeitgebern versperrt, es sei denn, sie haben bei der Anwendung von Tarifverträgen ausnahmsweise einmal arbeitsvertraglich unmissverständlich klargestellt, dass sie die Tarifverträge nur so anwenden wollen, wie es Gewerkschaftsmitgliedern aufgrund ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft zusteht (eindeutige Gleichstellungsabrede).
Arbeitnehmern kirchlicher Einrichtungen ist daher zu raten, die Anwendung der arbeitsvertraglich zugesicherten AVR auch von einem nicht kirchlichen Erwerber zu verlangen und notfalls einzuklagen. Und auf gar keinen Fall sollte man einer Vertragsänderung zustimmen, der zufolge die AVR durch abweichende tarifliche Regelungen ersetzt werden, es sei denn, dass diese Tarifverträge mindestens so günstig sind wie die AVR.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.02.2012, 4 AZR 24/10 (Pressemitteilung)
- Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.11.2009, 16 Sa 582/09
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- Arbeitsrecht aktuell: 07/10 Bundesarbeitsgericht verabschiedet „Gleichstellungsabrede“
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das Gericht seine Entscheidungsgründe schriftlich abgefasst und veröffentlicht. Die Entscheidungsgründe im Volltext finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 31. Mai 2018
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