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Günstigkeitsvergleich zwischen Tarifvertrag und Arbeitsvertrag
16.04.2015. Verweist eine Klausel im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag (Bezugnahmeklausel), hat der Arbeitnehmer einen vertraglichen Anspruch auf die tariflichen Leistungen.
Wechselt ein Arbeitnehmer mit einem solchen Arbeitsvertrag aufgrund eines Betriebsübergangs zu einem anderen Arbeitgeber, der an einen anderen Tarifvertrag gebunden ist, kann der für den neuen Arbeitgeber verbindliche Tarifvertrag einen anderen Inhalt haben als der im Arbeitsvertrag genannte Tarif. Dann fragt sich, welche Regelung für den Arbeitnehmer "günstiger" ist und daher Vorrang hat.
Zu dieser Frage hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) gestern Stellung genommen: BAG, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 587/13 (Pressemeldung des Gerichts).
- Kürzere Wochearbeitszeit bei höherem Stundenlohn oder längere Arbeitszeit bei geringerem Stundenlohn, aber insgesamt höherem Monatsgehalt - was ist "günstiger"?
- Im Streit: Telekom-Mitarbeiter und ver.di-Mitglied kann arbeitsvertraglich auf DTAG-Tarifverträge mit 34 Wochenstunden pochen, soll aber nach einem Betriebsteilübergang nach einem anderen Tarif 38 Stunden arbeiten.
- BAG: Eine geringere Arbeitszeit bei höherem Stundenlohn ist keine eindeutig günstigere Regelung als eine längere Arbeitszeit bei höherem Monatsgehalt
Kürzere Wochearbeitszeit bei höherem Stundenlohn oder längere Arbeitszeit bei geringerem Stundenlohn, aber insgesamt höherem Monatsgehalt - was ist "günstiger"?
Nach den Bestimmungen des Tarifvertragsgesetzes (TVG) gehen die in einem Tarifvertrag enthaltenen Normen, die die Begründung, den Inhalt und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln, den arbeitsvertraglichen Regelungen im Allgemeinen vor - vorausgesetzt, die Arbeitsvertragsparteien sind tarifgebunden. Das wiederum ist der Fall,
- wenn der Arbeitgeber einen Tarifvertrag anwenden muss, weil er im Arbeitgeberverband organisiert ist oder den Tarifvertrag selbst vereinbart hat (Haustarif), und
- wenn der Arbeitnehmer auf die Rechte aus dem Tarif pochen kann, weil er Mitglied der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft ist.
Der Vorrang der tariflichen Inhaltsnormen folgt aus der unmittelbaren und zwingenden, d.h. gesetzesgleichen Wirkung des Tarifvertrags (§ 4 Abs.1 TVG).
Eine Ausnahme von dieser "Tarifwirkung" macht das Gesetz, wenn der Arbeitsvertrag Regelungen enthält, die für den Arbeitnehmer günstiger sind als der Tarif (§ 4 Abs.3 Fall 2 TVG). Denn Tarifverträge sollen Arbeitnehmer schützen und nicht bevormunden. Wer per Arbeitsvertrag bessere Bedingungen für sich heraushandeln kann, soll durch den Tarif dabei nicht behindert bzw. nach unten gezogen werden.
Bei dem Vergleich zwischen Arbeitsvertrag und Tarifvertrag ist nicht etwa der gesamte Arbeitsvertrag dem gesamten Tarifvertrag gegenüberzustellen, denn ein solcher Gesamtvergleich wäre unnötig kompliziert. Aber auch auf einen Vergleich konkreter Einzelbestimmungen (z.B. Überstundenzuschläge) kommt es nach der Rechtsprechung nicht an, sondern vielmehr auf einen Vergleich von Regelungskomplexen bzw. von Sachgruppen (z.B. Sachgruppe "Lohn und Gehalt", d.h. Grundlohn, Zuschläge, Pauschalen usw.).
Sind die Vorschriften eines Tarifvertrags zur Sachgruppe Urlaub z.B. insgesamt günstiger als die im Arbeitsvertrag enthaltenen Regelungen, weil nach Tarif mehr Urlaubstage gewährt werden müssen als gemäß Arbeitsvertrag, muss der Arbeitnehmer die gesamten tariflichen Urlaubsregelungen für und gegen sich gelten lassen, d.h. auch ungünstige Detailregelungen wie z.B. Stichtagsregelungen, Verfallsfristen für die Urlaubsabgeltung usw.
Es spricht viel dafür, ist aber bisher noch nicht ausdrücklich vom BAG bestätigt worden, dass die Themen Lohn/Gehalt plus Wochenarbeitszeit eine einheitliche Sachgruppe für den Günstigkeitsvergleich darstellen. Aber auch dann, wenn man diese Voraussetzung mitmacht, ist noch nicht entschieden, ob es dann auf den Stundenlohn oder auf den gesamten Monatslohn ankommt. Diese beiden Fragen hat das BAG nunmehr entschieden.
Im Streit: Telekom-Mitarbeiter und ver.di-Mitglied kann arbeitsvertraglich auf DTAG-Tarifverträge mit 34 Wochenstunden pochen, soll aber nach einem Betriebsteilübergang nach einem anderen Tarif 38 Stunden arbeiten.
Geklagt hatte ein Mitglied der Gewerkschaft ver.di, der 1986 bei der Deutschen Bundespost angestellt wurde und dessen Arbeitsverhältnis zum 01.01.1995 per Gesetz auf die Deutsche Telekom AG (DTAG) übergeleitet wurde. Sein Arbeitsvertrag verweist auf die Tarifverträge für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM (Ost) in ihrer jeweiligen Fassung.
Im Juni 2007 wurde das Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs auf eine Servicegesellschaft der DTAG übergeleitet. Zum Stichtag des Betriebsübergangs vereinbarte die ver.di mit der Servicegesellschaft Haustarifverträge, die gegenüber den DTAG-Tarifen längere Arbeitszeiten vorsehen (38 Stunden pro Woche statt bisher 34) und eine andere Zusammensetzung und Höhe des Gehalts.
Der Arbeitnehmer meinte, die Arbeitszeit- und Vergütungsregelungen der DT AG-Tarifverträge seien für ihn als Arbeitnehmer günstiger als die neuen, von der ver.di mit der Servicegesellschaft vereinbarten Tarife. Daher klagte er auf Anwendung der alten DTAG-Tarifverträge und auf Zahlung von rückständigem Arbeitslohn, der sich als Überstundenvergütung aus der Überschreitung der 34-Stunden-Woche errechnete.
Das Arbeitsgericht Berlin wies die Klage ab (Urteil vom 27.08.2012, 18 Ca 4067/12), das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg gab ihr im Wesentlichen statt (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.04.2013, 6 Sa 2000/12). Begründung des LAG: Der Arbeitnehmer bekam zwar nach dem für die Servicegesellschaft geltenden ver.di-Tarif einen höheren Monatslohn heraus, musste sich diesen aber mit einem geringeren Stundenlohn erkaufen. Daher war der alte, für die Konzernmutter geltende Tarif "günstiger", so das LAG.
BAG: Eine geringere Arbeitszeit bei höherem Stundenlohn ist keine eindeutig günstigere Regelung als eine längere Arbeitszeit bei höherem Monatsgehalt
Vor dem BAG zog der Arbeitnehmer den Kürzeren, d.h. das BAG gab dem verklagten Arbeitgeber Recht. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Zwar sind die DTAG-Tarifverträge aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das Arbeitsverhältnis weiter anzuwenden, so die Erfurter Richter. Das half dem klagenden Arbeitnehmer aber im Ergebnis nichts, denn die in den DTAG-Tarifen enthaltenen Vorschriften zum Thema Arbeitszeit und Lohn (34-Stunden-Woche bei höherem Stundensatz) waren nicht günstiger als die für das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar und zwingend geltenden Tarifverträge der Beklagten (38-Stunden-Woche bei höherem Gesamtlohn).
Denn, so das BAG: Bei dem vorzunehmenden Sachgruppenvergleich können Arbeitszeit und das regelmäßig geschuldete Arbeitsentgelt nicht isoliert betrachtet werden, d.h. sie bilden eine einheitliche Sachgruppe. Und wenn der Tarifvertrag sowohl eine längere Arbeitszeit als auch ein höheres Monatsgehalt vorsieht als der Arbeitsvertrag (= hier im Streitfall der alte, aufgrund der Bezugnahmeklausel anzuwendende DTAG-Tarif), ist der Arbeitsvertrag "nicht zweifelsfrei günstiger" als der Tarifvertrag. Das aber müsste der Arbeitsvertrag sein, um den Tarifvertrag gemäß § 4 Abs.3 Fall 2 TVG zu verdrängen.
Fazit: Arbeitszeit und Lohn bilden eine einheitliche Sachgruppe, d.h. die arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen zu diesem Themenkomplex sind miteinander zu vergleichen. Dabei entscheidet bei verschieden langen Arbeitszeiten aber nicht notwendig der Stundenlohn, d.h. er gibt gegenüber dem Monatslohn nicht zwangsläufig den Ausschlag beim Günstigkeitsvergleich.
Ist die arbeitsvertragliche Regelung aber nicht eindeutig besser für den Arbeitnehmer als der Tarif, kann eine solche "günstigkeitsneutrale" Arbeitsvertragsregelung den Tarif (entgegen einer manchmal geäußerten Rechtsmeinung) nicht verdrängen. Schließlich stellt das BAG klar, dass der Vorrang der tariflichen oder der arbeitsvertraglichen Regelungen nicht ein für allemal ermittelt wird und dann feststeht, sondern immer erneut zu überprüfen ist, wenn sich entweder der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag ändern.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 587/13 (Pressemeldung des Gerichts)
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.04.2015, 4 AZR 587/13
- Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.04.2013, 6 Sa 2000/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertrag und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) - Bezugnahmeklausel
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Lohn und Gehalt
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
- Arbeitsrecht aktuell: 20/057 Betriebsvereinbarungen können arbeitsvertragliche Verweise auf AVR nicht beseitigen
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- Arbeitsrecht aktuell: 09/120 Keine Vereinbarung zulasten des Arbeitnehmers vor Ablauf des Tarifvertrages
- Arbeitsrecht aktuell: 09/045 Chefarztvertrag mit Bezugnahme auf den BAT: Gilt der TV-Ärzte/VKA oder der TVöD?
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 4. Mai 2020
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