HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 20.07.2016, C-341/15 - Ma­schek

   
Schlagworte: Urlaubsabgeltung, Urlaub: Abgeltung, Freistellung
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-341/15
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 20.07.2016
   
Leitsätze: Art.7 Abs.2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist wie folgt auszulegen:

- Er steht nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub hat.

- Ein Arbeitnehmer hat beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen seine Aufgaben nicht wahrgenommen hat.

- Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber verpflichtet war, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, hat keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.

- Es ist zum einen Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie Arbeitnehmern neben dem in Art.7 der Richtlinie 2003/88/EG vorgesehenen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. In diesem Fall können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aus Krankheitsgründen seinen zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub nicht in vollem Umfang verbrauchen konnte, Anspruch auf eine diesem zusätzlichen Zeitraum entsprechende finanzielle Vergütung hat. Zum anderen ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Gewährung festzulegen.
Vorinstanzen: Verwaltungsgericht Wien
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Zehn­te Kam­mer)

20. Ju­li 2016(*)

„Vor­la­ge zur Vor­ab­ent­schei­dung - So­zi­al­po­li­tik - Richt­li­nie 2003/88/EG - Art. 7 - An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub - Ver­set­zung in den Ru­he­stand auf An­trag des Be­trof­fe­nen - Ar­beit­neh­mer, der sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ver­braucht hat - Na­tio­na­le Re­ge­lung, die ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub aus­sch­ließt - Krank­heits­ur­laub - Be­am­te“

In der Rechts­sa­che C-341/15

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 267 AEUV, ein­ge­reicht vom Ver­wal­tungs­ge­richt Wien (Öster­reich) mit Ent­schei­dung vom 22. Ju­ni 2015, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 8. Ju­li 2015, in dem Ver­fah­ren

Hans Ma­schek

ge­gen

Ma­gis­trats­di­rek­ti­on der Stadt Wien - Per­so­nal­stel­le Wie­ner Stadt­wer­ke

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Zehn­te Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Kam­mer­präsi­den­ten F. Bilt­gen (Be­richt­er­stat­ter) so­wie der Rich­ter A. Borg Bart­het und E. Le­vits,

Ge­ne­ral­anwältin: E. Sharps­ton,

Kanz­ler: A. Ca­lot Es­co­bar,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens,

auf­grund des nach Anhörung der Ge­ne­ral­anwältin er­gan­ge­nen Be­schlus­ses, oh­ne Schluss­anträge über die Rechts­sa­che zu ent­schei­den,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

- der öster­rei­chi­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch G. Eber­hard als Be­vollmäch­tig­ten,

- der Eu­ropäischen Kom­mis­si­on, ver­tre­ten durch M. Kel­ler­bau­er und M. van Beek als Be­vollmäch­tig­te,

fol­gen­des

Ur­teil

1 Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art.7 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
2

Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Herrn Hans Ma­schek und der Ma­gis­trats­di­rek­ti­on der Stadt Wien – Per­so­nal­stel­le Wie­ner Stadt­wer­ke, sei­ner Dienst­ge­be­rin, über die fi­nan­zi­el­le Vergütung für be­zahl­ten Jah­res­ur­laub (Ur­laubs­er­satz­leis­tung), den er vor En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ge­nom­men hat.

Recht­li­cher Rah­men

Uni­ons­recht

Richt­li­nie 2003/88

3 Art. 7 („Jah­res­ur­laub“) der Richt­li­nie 2003/88 lau­tet:

„(1) Die Mit­glied­staa­ten tref­fen die er­for­der­li­chen Maßnah­men, da­mit je­der Ar­beit­neh­mer ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen nach Maßga­be der Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und die Gewährung erhält, die in den ein­zel­staat­li­chen Rechts­vor­schrif­ten und/oder nach den ein­zel­staat­li­chen Ge­pflo­gen­hei­ten vor­ge­se­hen sind.

(2) Der be­zahl­te Min­dest­jah­res­ur­laub darf außer bei Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses nicht durch ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung er­setzt wer­den.“

Öster­rei­chi­sches Recht

4 Die Richt­li­nie 2003/88 wur­de spe­zi­ell für die Be­am­ten der Stadt Wien durch § 41a des Ge­set­zes über das Be­sol­dungs­recht der Be­am­ten der Bun­des­haupt­stadt Wien – Be­sol­dungs­ord­nung 1994 (im Fol­gen­den: BO) um­ge­setzt; die­ser sieht in der im Jahr 2014 geänder­ten Fas­sung Fol­gen­des vor:

„(1) Dem Be­am­ten gebührt anläss­lich des Aus­schei­dens aus dem Dienst­stand oder aus dem Dienst­verhält­nis ei­ne Er­satz­leis­tung für den noch nicht ver­brauch­ten Er­ho­lungs­ur­laub, wenn er nicht un­mit­tel­bar in ein an­de­res Dienst­verhält­nis zur Ge­mein­de Wien über­nom­men wird (Ur­laubs­er­satz­leis­tung). Die Ur­laubs­er­satz­leis­tung gebührt nur in­so­weit, als der Be­am­te das Un­ter­blei­ben des Ver­brauchs des Er­ho­lungs­ur­laubs nicht zu ver­tre­ten hat.

(2) Der Be­am­te hat das Un­ter­blei­ben des Ver­brauchs ins­be­son­de­re dann zu ver­tre­ten, wenn er aus dem Dienst aus­ge­schie­den ist durch

1. Kündi­gung …, so­fern ihn an der Kündi­gung ein Ver­schul­den trifft,

2. Auflösung des Dienst­verhält­nis­ses gemäß § 33 Abs. 1 [un­ent­schul­dig­tes Fern­blei­ben vom Dienst], § 73 [Aus­tritt] oder § 74 [Ent­las­sung] [des Ge­set­zes über das Dienst­recht der Be­am­ten der Bun­des­haupt­stadt Wien – Dienst­ord­nung 1994, im Fol­gen­den: DO],

3. Ver­set­zung in den Ru­he­stand über An­trag gemäß § 68b Abs. 1 Z 1, § 68c Abs. 1 oder § 115i [DO].

(3) Die Ur­laubs­er­satz­leis­tung ist für je­des Ka­len­der­jahr, aus dem ein noch nicht ver­brauch­ter und nicht ver­fal­le­ner An­spruch auf Er­ho­lungs­ur­laub vor­han­den ist, ge­son­dert zu be­mes­sen. …

(4) Die Ur­laubs­er­satz­leis­tung gebührt für je­nen Teil des er­satz­leis­tungsfähi­gen Ur­laub­s­aus­maßes, der nach Ab­zug des tatsächlich ver­brauch­ten Er­ho­lungs­ur­laubs aus die­sem Ka­len­der­jahr ver­bleibt.

…“

5 Nach § 68c Abs. 1 DO kann der Be­am­te auf sei­nen An­trag in den Ru­he­stand ver­setzt wer­den, wenn er das 60. Le­bens­jahr voll­endet hat und dem kei­ne wich­ti­gen dienst­li­chen In­ter­es­sen ent­ge­gen­ste­hen.
6 Gemäß § 68b Abs. 1 DO ist der Be­am­te auf sei­nen An­trag in den Ru­he­stand zu ver­set­zen, wenn er

„1. ei­ne ru­he­ge­nussfähi­ge Ge­samt­dienst­zeit … von 540 Mo­na­ten er­reicht hat,

2. dau­ernd dienst­unfähig (§ 68a Abs. 2 ers­ter Fall) ist, …“

7 Nach § 115i DO ist der Be­am­te, der zwi­schen 720 und 776 Le­bens­mo­na­te voll­endet hat und über aus­rei­chen­de Vor­dienst­zei­ten verfügt, auf sei­nen An­trag in den Ru­he­stand zu ver­set­zen.

Aus­gangs­ver­fah­ren und Vor­la­ge­fra­gen

8 Herr Ma­schek, ge­bo­ren am 17. Ja­nu­ar 1949, war seit dem 3. Ja­nu­ar 1978 Be­am­ter der Stadt Wien.
9 In der Zeit vom 15. No­vem­ber 2010 bis zum 30. Ju­ni 2012, dem Zeit­punkt sei­ner Ver­set­zung in den Ru­he­stand, er­schien er nicht zum Dienst.
10 Das vor­le­gen­de Ge­richt legt dar, dass nach den dienst­behörd­li­chen Auf­zeich­nun­gen über Herrn Ma­schek nur die Ab­we­sen­heit zwi­schen dem 15. No­vem­ber 2010 und dem 31. De­zem­ber 2010 von der Dienst­ge­be­rin als krank­heits­be­dingt ein­ge­stuft wor­den sei.
11 Die übri­gen dienst­li­chen Ab­we­sen­hei­ten zwi­schen dem 1. Ja­nu­ar 2011 und dem 30. Ju­ni 2012 sei­en von der Dienst­ge­be­rin auf­grund zwei­er Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen ihr und Herrn Ma­schek über die­se Ab­we­sen­hei­ten und ih­re Fol­gen nicht be­an­stan­det wor­den.
12 Die ers­te, am 20. Ok­to­ber 2010 ge­schlos­se­ne Ver­ein­ba­rung lau­tet:

„1. All­ge­mein

Auf­grund des vor­lie­gen­den Sach­ver­halts kann ei­ne Wei­ter­ver­wen­dung des Herrn DI Ma­schek in der Funk­ti­on des Ab­tei­lungs­lei­ters über den un­ten dar­ge­leg­ten Zeit­raum hin­aus sei­tens der Dienst­ge­be­rin kei­nes­falls mehr er­fol­gen.

Im Zu­sam­men­hang mit der in Aus­sicht ge­nom­me­nen Ru­he­stands­ver­set­zung mit 1. Ok­to­ber 2011 wird sei­tens der Dienst­ge­be­rin so­wie DI Ma­schek Fol­gen­des ab­ge­stimmt:

2. Pen­si­ons­an­trag mit 1. Ok­to­ber 2011

DI Ma­schek stellt bis En­de des Jah­res ei­nen schrift­li­chen An­trag auf Ru­he­stands­ver­set­zung mit 1. Ok­to­ber 2011.

3. Funk­ti­on als Ab­tei­lungs­lei­ter

Um ei­ne ge­ord­ne­te Überg­a­be zu gewähr­leis­ten, behält DI Ma­schek sei­ne Po­si­ti­on als Ab­tei­lungs­lei­ter bis 31.12.2010. Bis zu die­sem Zeit­punkt wird Herr DI Ma­schek 5 bis 6 Wo­chen sei­nes Er­ho­lungs­ur­lau­bes kon­su­mie­ren. Die Ein­tei­lung des Ur­laubs wird in Ab­stim­mung mit den Wie­ner Li­ni­en bis En­de Ok­to­ber vor­ge­nom­men.

Mit 1. Ja­nu­ar 2011 wird DI Ma­schek von der Funk­ti­on als Ab­tei­lungs­lei­ter ent­bun­den.

4. Ver­zicht auf die Dienst­leis­tung

Ab 1. Ja­nu­ar 2011 ver­zich­tet die Ma­gis­trats­di­rek­ti­on – Per­so­nal­stel­le Wie­ner Stadt­wer­ke auf die Er­brin­gung der Dienst­leis­tung von DI Ma­schek. Dies un­ter Bei­be­hal­tung des Ent­gel­tes …“

13

Am 21. Ju­li 2011 wur­de die zwei­te Ver­ein­ba­rung ge­schlos­sen, die die ers­te er­setzt und in der es heißt:

„1. All­ge­mein

Die die­ses Übe­r­ein­kom­men un­ter­fer­ti­gen­den Par­tei­en kom­men da­hin­ge­hend übe­rein, dass ei­ne Wei­ter­ver­wen­dung von Hrn. DI Ma­schek in der Funk­ti­on des Ab­tei­lungs­lei­ters über den un­ten dar­ge­leg­ten Zeit­raum hin­aus nicht mehr er­fol­gen soll.

Im Zu­sam­men­hang mit der in Aus­sicht ge­nom­me­nen Ru­he­stands­ver­set­zung mit 1. Ju­li 2012 wird sei­tens Hrn. DI Ma­schek und der Dienst­ge­be­rin Fol­gen­des ver­ein­bart:

2. Pen­si­ons­an­trag mit 1. Ju­li 2012

Hr. DI Ma­schek stellt ei­nen schrift­li­chen An­trag auf Ru­he­stands­ver­set­zung mit 1. Ju­li 2012. So­dann wird der Be­scheid auf Ru­he­stands­ver­set­zung an Hrn. DI Ma­schek persönlich … aus­ge­folgt. Hr. DI Ma­schek erklärt schrift­lich, ge­gen die­sen Be­scheid kein Rechts­mit­tel zu er­grei­fen.

3. Funk­ti­on als Ab­tei­lungs­lei­ter

Die Funk­ti­on von Hrn. DI Ma­schek als Ab­tei­lungs­lei­ter be­stand bis zum 31.12.2010. Mit 1. Jänner 2011 wur­de er von die­ser ent­bun­den.

4. Ver­zicht auf die Dienst­leis­tung

Ab 1. Jänner 2011 ver­zich­tet die Ma­gis­trats­di­rek­ti­on – Per­so­nal­stel­le Wie­ner Stadt­wer­ke in Ab­stim­mung mit der Wie­ner Li­ni­en GmbH & Co KG auf die Er­brin­gung der Dienst­leis­tung von Hrn. DI Ma­schek. Dies un­ter Bei­be­hal­tung des Ent­gelts …

7. Auf­schie­ben­de Be­din­gung

Die­ses Übe­r­ein­kom­men wird un­ter der auf­schie­ben­den Be­din­gung ab­ge­schlos­sen, dass die Ver­zichts­erklärung vom 21. Ju­li 2011 rechts­wirk­sam zu­stan­de kommt und Hr. DI Ma­schek ei­nen rechts­wirk­sa­men Rechts­mit­tel­ver­zicht gemäß Punkt 2. die­ses Übe­r­ein­kom­mens ab­gibt.“

14 Zu­gleich mit dem Ab­schluss der zwei­ten Ver­ein­ba­rung stell­te Herr Ma­schek ein An­su­chen auf Ver­set­zung in den Ru­he­stand. In­fol­ge­des­sen er­ließ sei­ne Dienst­ge­be­rin am 21. Ju­li 2011 ei­nen Be­scheid, mit dem Herr Ma­schek gemäß § 115i Abs. 1 DO mit Wir­kung zum 1. Ju­li 2012 in den Ru­he­stand ver­setzt wur­de. Dar­auf­hin gab er ei­nen Rechts­mit­tel­ver­zicht ge­gen die­sen Be­scheid ab.
15 Für das vor­le­gen­de Ge­richt steht so­mit fest, dass zum ei­nen die Dienst­ab­we­sen­heit von Herrn Ma­schek vom 15. No­vem­ber 2010 bis zum 31. De­zem­ber 2010 krank­heits­be­dingt ge­recht­fer­tigt ge­we­sen sei und dass er zum an­de­ren vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 30. Ju­ni 2012, al­so bis zum En­de sei­nes Dienst­verhält­nis­ses we­gen Ver­set­zung in den Ru­he­stand, auf­grund ei­ner dienst­li­chen Wei­sung, die sich aus der zwei­ten Ver­ein­ba­rung er­ge­ben ha­be, ver­pflich­tet ge­we­sen sei, nicht zum Dienst zu er­schei­nen.
16 Herr Ma­schek trägt je­doch vor, dass er kurz vor dem 30. Ju­ni 2012 er­krankt sei. Ihm ha­be da­her ei­ne Ur­laubs­er­satz­leis­tung zu­ge­stan­den, und er ha­be ei­nen ent­spre­chen­den An­trag bei sei­ner Dienst­ge­be­rin ge­stellt.
17 Mit Be­scheid vom 1. Ju­li 2014 wur­de sein An­trag gemäß § 41a Abs. 2 Z 3 BO ab­ge­wie­sen.
18 Das Ver­wal­tungs­ge­richt Wien, das mit der von Herrn Ma­schek ge­gen die­sen Be­scheid er­ho­be­nen Be­schwer­de be­fasst ist, äußert ers­tens Zwei­fel an der Ver­ein­bar­keit von § 41a Abs. 2 BO mit Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88.
19 Nach § 41a Abs. 2 BO wer­de nämlich ei­nem Be­am­ten, der „das Un­ter­blei­ben des Ver­brauchs [sei­nes Jah­res­ur­laubs] … zu ver­tre­ten“ ha­be, der An­spruch auf die Ur­laubs­er­satz­leis­tung u. a. dann vor­ent­hal­ten, wenn er wie im Aus­gangs­ver­fah­ren nach § 115i Abs. 1 DO in den Ru­he­stand ver­setzt wer­de.
20 In­fol­ge­des­sen ist das vor­le­gen­de Ge­richt in Be­zug auf ei­ne Si­tua­ti­on wie die des Aus­gangs­ver­fah­rens der Mei­nung, dass § 41a Abs. 2 BO im Wi­der­spruch zur Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 ste­hen könne, da dem Be­am­ten, der auf sei­nen An­trag in den Ru­he­stand ver­setzt wor­den sei, der An­spruch auf ei­ne Ur­laubs­er­satz­leis­tung vor­ent­hal­ten wer­de, auch wenn er kurz vor sei­ner Ver­set­zung in den Ru­he­stand er­krankt sei und ein ent­spre­chen­des ärzt­li­ches At­test vor­ge­legt ha­be.
21 Zwei­tens fragt sich das vor­le­gen­de Ge­richt, wel­chen Vor­aus­set­zun­gen die Gewährung ei­ner Ur­laubs­er­satz­leis­tung an ei­nen Ar­beit­neh­mer un­ter­liegt, der wie im Aus­gangs­ver­fah­ren sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Er­ho­lungs­ur­laub we­gen ei­ner Krank­heit nicht vor der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses kon­su­mie­ren konn­te. Es ist ins­be­son­de­re der An­sicht, dass die Gewährung ei­ner sol­chen Ur­laubs­er­satz­leis­tung da­von abhängen soll­te, dass ein sol­cher Ar­beit­neh­mer sei­nen Ar­beit­ge­ber zeit­nah von sei­ner Krank­heit in­for­mie­re und ihm ein ärzt­li­ches At­test darüber vor­le­ge.
22 Drit­tens wirft das vor­le­gen­de Ge­richt für den Fall, dass § 41a Abs. 1 und 2 BO nach An­sicht des Ge­richts­hofs ge­gen das Uni­ons­recht verstößt, die Fra­ge auf, ob das na­tio­na­le Recht in An­wen­dung von Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 zu­guns­ten der Ar­beit­neh­mer, de­nen ei­ne Ur­laubs­er­satz­leis­tung zu Un­recht vor­ent­hal­ten wird, Mo­da­litäten zur Ausübung des An­spruchs auf ei­ne sol­che Leis­tung vor­se­hen muss, die ins­be­son­de­re in Be­zug auf die Höhe der die­sen Ar­beit­neh­mern zu gewähren­den Er­satz­leis­tung güns­ti­ger sind als die­je­ni­gen, die in der Richt­li­nie vor­ge­se­hen sind.
23 Un­ter die­sen Umständen hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Wien be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Ist ei­ne na­tio­na­le Re­ge­lung, wie die ge­genständ­li­che Be­stim­mung des § 41a Abs. 2 BO, wel­che ei­nem Ar­beit­neh­mer, wel­cher auf ei­ge­nen An­trag hin zu ei­nem be­stimm­ten Zeit­punkt das Beschäfti­gungs­verhält­nis be­en­det, grundsätz­lich kei­nen Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­spruch im Sin­ne des Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 zu­er­kennt, mit Art.7 die­ser Richt­li­nie ver­ein­bar?

Ver­nei­nen­den­falls wird an­ge­fragt, ob ei­ne na­tio­na­le Be­stim­mung, wel­che nor­miert, dass je­der Dienst­neh­mer, der auf sei­nen ei­ge­nen An­trag hin ein Dienst­verhält­nis be­en­det, al­les zu un­ter­neh­men hat, um ei­nen of­fe­nen Er­ho­lungs­ur­laubs­an­spruch bis zum En­de des Dienst­verhält­nis­ses zu kon­su­mie­ren, und dass ein Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­spruch im Fall der Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses auf An­trag des Ar­beit­neh­mers nur dann ent­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer auch im Fall der Be­an­tra­gung ei­nes Er­ho­lungs­ur­laubs be­gin­nend mit dem Tag der An­trag­stel­lung auf Be­en­di­gung des Dienst­verhält­nis­ses nicht in der La­ge ge­we­sen wäre, ei­nen Er­ho­lungs­ur­laub im Um­fang des dem Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­trag zu­grun­de lie­gen­den Aus­maßes zu kon­su­mie­ren, mit Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­ein­bar ist.

2. Ist da­von aus­zu­ge­hen, dass ein An­spruch auf ei­ne Ur­laubs­entschädi­gungs­leis­tung nur dann be­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer, wel­cher in­fol­ge ei­ner Ar­beits­unfähig­keit nicht in der La­ge war, sei­nen Ur­laubs­an­spruch un­mit­tel­bar vor der Be­en­di­gung sei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zu kon­su­mie­ren, a) sei­nen Dienst­ge­ber oh­ne unnöti­gen Auf­schub (und so­hin grundsätz­lich vor dem Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses) von die­ser sei­ner Ar­beits­unfähig­keit (et­wa in­fol­ge ei­ner Er­kran­kung) in Kennt­nis ge­setzt hat, und b) sei­ne Ar­beits­unfähig­keit (et­wa in­fol­ge ei­ner Er­kran­kung) oh­ne unnöti­gen Auf­schub (und so­hin grundsätz­lich vor dem Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses) (et­wa durch ei­ne ärzt­li­che Krank­schrei­bung) be­legt hat?

Ver­nei­nen­den­falls wird an­ge­fragt, ob ei­ne na­tio­na­le Be­stim­mung, wel­che nor­miert, dass ein An­spruch auf ei­ne Ur­laubs­entschädi­gungs­leis­tung nur dann be­steht, wenn der Ar­beit­neh­mer, wel­cher in­fol­ge ei­ner Ar­beits­unfähig­keit nicht in der La­ge war, sei­nen Ur­laubs­an­spruch un­mit­tel­bar vor der Be­en­di­gung sei­nes Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses zu kon­su­mie­ren, a) sei­nen Dienst­ge­ber oh­ne unnöti­gen Auf­schub (und so­hin grundsätz­lich vor dem Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses) von die­ser sei­ner Ar­beits­unfähig­keit (et­wa in­fol­ge ei­ner Er­kran­kung) in Kennt­nis ge­setzt hat, und b) sei­ne Ar­beits­unfähig­keit (et­wa in­fol­ge ei­ner Er­kran­kung) oh­ne unnöti­gen Auf­schub (und so­hin grundsätz­lich vor dem Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Beschäfti­gungs­verhält­nis­ses) (et­wa durch ei­ne ärzt­li­che Krank­schrei­bung) be­legt hat, mit Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­ein­bar ist.

3. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on (vgl. Ur­tei­le vom 18. März 2004, Me­ri­no Go­mez, C-342/01, EU:C:2004:160, Rn. 31, vom 24. Ja­nu­ar 2012, Do­m­in­guez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 47 bis 50, so­wie vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 37) steht es den Mit­glied­staa­ten frei, ei­nem Ar­beit­neh­mer über den durch § 7 der Richt­li­nie 2003/88 ga­ran­tier­ten Min­dest­an­spruch hin­aus ei­nen Ur­laubs­an­spruch oder ei­nen Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­spruch ge­setz­lich ein­zuräum­en. Auch sind die durch Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 zu­er­kann­ten Ansprüche un­mit­tel­bar an­wend­bar (vgl. Ur­tei­le vom 24. Ja­nu­ar 2012, Do­m­in­guez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 34 bis 36, und vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 28).

Be­wirkt an­ge­sichts die­ser Aus­le­gung des Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 ei­ne Kon­stel­la­ti­on, in wel­cher der na­tio­na­le Ge­setz­ge­ber ei­nem be­stimm­ten Per­so­nen­kreis deut­lich über die Vor­ga­ben die­ser Richt­li­ni­en­be­stim­mung hin­aus ei­nen Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­spruch zu­er­kennt, dass in­fol­ge der un­mit­tel­ba­ren An­wend­bar­keit des Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 auch den Per­so­nen, wel­chen richt­li­ni­en­wid­rig durch das na­tio­na­le Ge­setz ein Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­spruch ab­er­kannt wur­de, ein Ur­laubs­er­satz­leis­tungs­an­spruch in dem deut­lich über die Vor­ga­ben die­ser Richt­li­ni­en­be­stim­mung hin­aus­ge­hen­den, durch die na­tio­na­le Re­ge­lung nur den durch die­se Be­stim­mung begüns­tig­ten Per­so­nen zu­ge­spro­che­nen Aus­maß zu­steht?

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

24 Mit sei­nen drei Fra­gen, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, nach de­nen ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis in­fol­ge sei­nes An­trags auf Ver­set­zung in den Ru­he­stand be­en­det wur­de und der nicht in der La­ge war, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor dem En­de die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses zu ver­brau­chen, kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat. So­fern dies be­jaht wird, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt wis­sen, ob die na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten in An­wen­dung von Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 zu­guns­ten ei­nes Ar­beit­neh­mers, der ent­ge­gen die­ser Be­stim­mung kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat, Mo­da­litäten zur Ausübung die­ses An­spruchs vor­se­hen müssen, die ins­be­son­de­re in Be­zug auf die Höhe der ihm zu gewähren­den Vergütung güns­ti­ger sind als die­je­ni­gen, die sich aus der Richt­li­nie 2003/88 er­ge­ben. 
25 Um dem vor­le­gen­den Ge­richt ei­ne sach­dien­li­che Ant­wort zu ge­ben, ist ers­tens dar­auf hin­zu­wei­sen, dass schon nach dem Wort­laut von Art. 7 Abs. 1 der Richt­li­nie 2003/88 – von dem die­se Richt­li­nie kei­ne Ab­wei­chung zulässt – je­der Ar­beit­neh­mer An­spruch auf ei­nen be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen hat. Die­ser An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, der nach ständi­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs als ein be­son­ders be­deut­sa­mer Grund­satz des So­zi­al­rechts der Uni­on an­zu­se­hen ist, wird so­mit je­dem Ar­beit­neh­mer un­abhängig von sei­nem Ge­sund­heits­zu­stand gewährt (Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 54, so­wie vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 28).
26 Wenn das Ar­beits­verhält­nis be­en­det wur­de und es des­halb nicht mehr möglich ist, be­zahl­ten Jah­res­ur­laub tatsächlich zu neh­men, hat der Ar­beit­neh­mer nach Art. 7 Abs. 2 der Richt­li­nie 2003/88 An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung, um zu ver­hin­dern, dass ihm we­gen die­ser feh­len­den Möglich­keit je­der Ge­nuss des An­spruchs auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, selbst in fi­nan­zi­el­ler Form, vor­ent­hal­ten wird (vgl. Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 56, vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 29, so­wie vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 17).
27 Fer­ner ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 in sei­ner Aus­le­gung durch den Ge­richts­hof kei­ne an­de­re Vor­aus­set­zung für die Eröff­nung des An­spruchs auf fi­nan­zi­el­le Vergütung auf­stellt als die, dass das Ar­beits­verhält­nis be­en­det ist und der Ar­beit­neh­mer nicht den ge­sam­ten Jah­res­ur­laub ge­nom­men hat, auf den er zum Zeit­punkt der Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses An­spruch hat­te (Ur­teil vom 12. Ju­ni 2014, Bol­la­cke, C-118/13, EU:C:2014:1755, Rn. 23).
28 Dar­aus folgt, dass ein Ar­beit­neh­mer, der nicht in der La­ge war, vor dem En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses sei­nen ge­sam­ten be­zahl­ten Jah­res­ur­laub zu neh­men, nach Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat. Der Grund für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses spielt da­bei kei­ne Rol­le.
29 Da­her hat der Um­stand, dass ein Ar­beit­neh­mer sein Ar­beits­verhält­nis von sich aus be­en­det, kei­ne Aus­wir­kung dar­auf, dass er ge­ge­be­nen­falls ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub be­an­spru­chen kann, den er vor dem En­de sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses nicht ver­brau­chen konn­te.
30 In An­be­tracht des­sen ist Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen, dass er na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen­steht, nach de­nen ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis in­fol­ge sei­nes An­trags auf Ver­set­zung in den Ru­he­stand be­en­det wur­de und der nicht in der La­ge war, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor dem En­de die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses zu ver­brau­chen, kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen Ur­laub hat.
31 Zwei­tens ist hin­sicht­lich ei­ner Si­tua­ti­on wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen dar­auf hin­zu­wei­sen, dass Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ein­zel­staat­li­chen Be­stim­mun­gen oder Ge­pflo­gen­hei­ten ent­ge­gen­steht, nach de­nen dem Ar­beit­neh­mer am En­de des Ar­beits­verhält­nis­ses kei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub ge­zahlt wird, wenn er sich während des ge­sam­ten Be­zugs- und/oder Über­tra­gungs­zeit­raums oder ei­nes Teils da­von im Krank­heits­ur­laub be­fand und des­halb sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ausüben konn­te (Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 62, so­wie vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 30).
32 So­mit ist Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 da­hin aus­zu­le­gen, dass ein Ar­beit­neh­mer beim Ein­tritt in den Ru­he­stand An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat, den er nicht ge­nom­men hat, weil er aus Krank­heits­gründen sei­ne Auf­ga­ben nicht wahr­ge­nom­men hat (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­teil vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 32).
33 Folg­lich hat Herr Ma­schek in Be­zug auf den Zeit­raum zwi­schen dem 15. No­vem­ber und dem 31. De­zem­ber 2010, für den fest­steht, dass er sich im Krank­heits­ur­laub be­fand und des­halb in die­sem Zeit­raum den von ihm er­wor­be­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht ver­brau­chen konn­te, gemäß Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub.
34 Außer­dem ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass nach ständi­ger Recht­spre­chung mit dem in Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 ver­an­ker­ten An­spruch auf Jah­res­ur­laub ein dop­pel­ter Zweck ver­folgt wird, der dar­in be­steht, es dem Ar­beit­neh­mer zu ermögli­chen, sich zum ei­nen von der Ausübung der ihm nach sei­nem Ar­beits­ver­trag ob­lie­gen­den Auf­ga­ben zu er­ho­len und zum an­de­ren über ei­nen Zeit­raum der Ent­span­nung und Frei­zeit zu verfügen (Ur­tei­le vom 20. Ja­nu­ar 2009, Schultz-Hoff u. a., C-350/06 und C-520/06, EU:C:2009:18, Rn. 25, und vom 22. No­vem­ber 2011, KHS, C-214/10, EU:C:2011:761, Rn. 31).
35 Un­ter die­sen Umständen ist zur Gewähr­leis­tung der prak­ti­schen Wirk­sam­keit die­ses An­spruchs auf Jah­res­ur­laub fest­zu­stel­len, dass ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis be­en­det wur­de und der nach ei­ner mit sei­nem Ar­beit­ge­ber ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung während ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums vor sei­ner Ver­set­zung in den Ru­he­stand wei­ter­hin sein Ent­gelt be­zog, aber ver­pflich­tet war, nicht an sei­nem Ar­beits­platz zu er­schei­nen, kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den während die­ses Zeit­raums nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat, es sei denn, dass er den Ur­laub we­gen Krank­heit nicht neh­men konn­te.
36 Folg­lich hat das vor­le­gen­de Ge­richt zu prüfen, ob Herr Ma­schek nach der in Rn. 13 des vor­lie­gen­den Ur­teils wie­der­ge­ge­be­nen, am 21. Ju­li 2011 ge­trof­fe­nen zwei­ten Ver­ein­ba­rung zwi­schen ihm und sei­nem Ar­beit­ge­ber tatsächlich ver­pflich­tet war, in der Zeit vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 30. Ju­ni 2012 nicht an sei­nem Ar­beits­platz zu er­schei­nen, und wei­ter­hin sein Ent­gelt be­zog. Wenn ja, hat Herr Ma­schek kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, den er in die­ser Zeit nicht ver­brau­chen konn­te.
37 Konn­te Herr Ma­schek hin­ge­gen, was das vor­le­gen­de Ge­richt zu prüfen hat, sei­nen An­spruch auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub während die­ses Zeit­raums krank­heits­be­dingt nicht ver­brau­chen, hat er gemäß Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub.
38 Was drit­tens die Fra­ge be­trifft, ob die na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten in An­wen­dung von Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 zu­guns­ten ei­nes Ar­beit­neh­mers, der ent­ge­gen die­ser Be­stim­mung kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat, Mo­da­litäten zur Ausübung die­ses An­spruchs vor­se­hen müssen, die ins­be­son­de­re in Be­zug auf die Höhe der ihm zu gewähren­den Vergütung güns­ti­ger sind als die­je­ni­gen, die sich aus der Richt­li­nie 2003/88 er­ge­ben, ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Richt­li­nie 2003/88 zwar Min­dest­vor­schrif­ten für Si­cher­heit und Ge­sund­heits­schutz bei der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung fest­le­gen soll, die von den Mit­glied­staa­ten zu be­ach­ten sind, doch ha­ben die­se gemäß Art.15 der Richt­li­nie das Recht, für die Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten zu er­las­sen. So­mit steht die Richt­li­nie 2003/88 in­ner­staat­li­chen Be­stim­mun­gen nicht ent­ge­gen, die ei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor­se­hen, der den durch Art.7 der Richt­li­nie ga­ran­tier­ten Min­dest­zeit­raum von vier Wo­chen über­steigt und un­ter den im na­tio­na­len Recht fest­ge­leg­ten Be­din­gun­gen für die In­an­spruch­nah­me und Gewährung ein­geräumt wird (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 24. Ja­nu­ar 2012, Do­m­in­guez, C-282/10, EU:C:2012:33, Rn. 47, so­wie vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 34 und 35).
39 Dem­nach ist es zum ei­nen Sa­che der Mit­glied­staa­ten, zu ent­schei­den, ob sie Ar­beit­neh­mern ne­ben dem in Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 vor­ge­se­he­nen An­spruch auf be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen wei­te­re Ansprüche auf be­zahl­ten Ur­laub gewähren. In die­sem Fall können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass ein Ar­beit­neh­mer, der vor der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus Krank­heits­gründen sei­nen zusätz­li­chen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht in vol­lem Um­fang ver­brau­chen konn­te, An­spruch auf ei­ne die­sem zusätz­li­chen Zeit­raum ent­spre­chen­de fi­nan­zi­el­le Vergütung hat. Zum an­de­ren ist es Sa­che der Mit­glied­staa­ten, die Be­din­gun­gen für die Gewährung fest­zu­le­gen (vgl. Ur­teil vom 3. Mai 2012, Nei­del, C-337/10, EU:C:2012:263, Rn. 36).
40 Nach al­le­dem ist auf die vom vor­le­gen­den Ge­richt ge­stell­ten Fra­gen zu ant­wor­ten, dass Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88 wie folgt aus­zu­le­gen ist:

- Er steht na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen, nach de­nen ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis in­fol­ge sei­nes An­trags auf Ver­set­zung in den Ru­he­stand be­en­det wur­de und der nicht in der La­ge war, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor dem En­de die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses zu ver­brau­chen, kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen Ur­laub hat.

- Ein Ar­beit­neh­mer hat beim Ein­tritt in den Ru­he­stand An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, den er nicht ge­nom­men hat, weil er aus Krank­heits­gründen sei­ne Auf­ga­ben nicht wahr­ge­nom­men hat.

- Ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis be­en­det wur­de und der nach ei­ner mit sei­nem Ar­beit­ge­ber ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung während ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums vor sei­ner Ver­set­zung in den Ru­he­stand wei­ter­hin sein Ent­gelt be­zog, aber ver­pflich­tet war, nicht an sei­nem Ar­beits­platz zu er­schei­nen, hat kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den während die­ses Zeit­raums nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, es sei denn, dass er den Ur­laub we­gen Krank­heit nicht neh­men konn­te.

- Es ist zum ei­nen Sa­che der Mit­glied­staa­ten, zu ent­schei­den, ob sie Ar­beit­neh­mern ne­ben dem in Art.7 der Richt­li­nie 2003/88 vor­ge­se­he­nen An­spruch auf be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen wei­te­re Ansprüche auf be­zahl­ten Ur­laub gewähren. In die­sem Fall können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass ein Ar­beit­neh­mer, der vor der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus Krank­heits­gründen sei­nen zusätz­li­chen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht in vol­lem Um­fang ver­brau­chen konn­te, An­spruch auf ei­ne die­sem zusätz­li­chen Zeit­raum ent­spre­chen­de fi­nan­zi­el­le Vergütung hat. Zum an­de­ren ist es Sa­che der Mit­glied­staa­ten, die Be­din­gun­gen für die Gewährung fest­zu­le­gen.

Kos­ten

41 Für die Par­tei­en des Aus­gangs­ver­fah­rens ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem beim vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Zehn­te Kam­mer) für Recht er­kannt:

Art.7 Abs.2 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ropäischen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung ist wie folgt aus­zu­le­gen:

- Er steht na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten wie den im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen ent­ge­gen, nach de­nen ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis in­fol­ge sei­nes An­trags auf Ver­set­zung in den Ru­he­stand be­en­det wur­de und der nicht in der La­ge war, sei­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub vor dem En­de die­ses Ar­beits­verhält­nis­ses zu ver­brau­chen, kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den nicht ge­nom­me­nen Ur­laub hat.

- Ein Ar­beit­neh­mer hat beim Ein­tritt in den Ru­he­stand An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, den er nicht ge­nom­men hat, weil er aus Krank­heits­gründen sei­ne Auf­ga­ben nicht wahr­ge­nom­men hat.

- Ein Ar­beit­neh­mer, des­sen Ar­beits­verhält­nis be­en­det wur­de und der nach ei­ner mit sei­nem Ar­beit­ge­ber ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung während ei­nes be­stimm­ten Zeit­raums vor sei­ner Ver­set­zung in den Ru­he­stand wei­ter­hin sein Ent­gelt be­zog, aber ver­pflich­tet war, nicht an sei­nem Ar­beits­platz zu er­schei­nen, hat kei­nen An­spruch auf ei­ne fi­nan­zi­el­le Vergütung für den während die­ses Zeit­raums nicht ge­nom­me­nen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub, es sei denn, dass er den Ur­laub we­gen Krank­heit nicht neh­men konn­te.

- Es ist zum ei­nen Sa­che der Mit­glied­staa­ten, zu ent­schei­den, ob sie Ar­beit­neh­mern ne­ben dem in Art. 7 der Richt­li­nie 2003/88 vor­ge­se­he­nen An­spruch auf be­zahl­ten Min­dest­jah­res­ur­laub von vier Wo­chen wei­te­re Ansprüche auf be­zahl­ten Ur­laub gewähren. In die­sem Fall können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass ein Ar­beit­neh­mer, der vor der Be­en­di­gung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses aus Krank­heits­gründen sei­nen zusätz­li­chen be­zahl­ten Jah­res­ur­laub nicht in vol­lem Um­fang ver­brau­chen konn­te, An­spruch auf ei­ne die­sem zusätz­li­chen Zeit­raum ent­spre­chen­de fi­nan­zi­el­le Vergütung hat. Zum an­de­ren ist es Sa­che der Mit­glied­staa­ten, die Be­din­gun­gen für die Gewährung fest­zu­le­gen.

* Ver­fah­rens­spra­che: Deut­sche.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

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