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Unterrichtung über Betriebsübergang und Sozialplanprivilegierung
12.05.2014. Plant der Arbeitgeber, seinen Betrieb auf einen Erwerber zu übertragen, müssen die Arbeitnehmer über den bevorstehenden Betriebsübergang sehr ausführlich informiert werden.
Die Pflicht zur Unterrichtung ist gesetzlich festgeschrieben und soll die betroffenen Arbeitnehmer in der Lage versetzen, eine sachlich begründete Entscheidung darüber zu treffen, ob sie von ihrem Recht Gebrauch machen wollen, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen.
In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese Unterrichtungspflicht ein weiteres Mal verschärft: Ist das erwerbende Unternehmen neu gegründet und daher von der Pflicht, bei Betriebsänderungen einen Sozialplan abschließen zu müssen, gemäß § 112a Abs.2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) befreit, muss darauf im Unterrichtungsschreiben hingewiesen werden: BAG, Urteil vom 14.11.2013, 8 AZR 824/12.
- Muss vor einem Betriebsübergang auf eine Sozialplanprivilegierung des Erwerbers gemäß § 112a BetrVG hingewiesen werden?
- Der Streitfall: Neu gegründete Vorratsgesellschaft erwirbt einen Betrieb, ohne dass im Unterrichtungsschreiben auf die Sozialplanprivilegierung hingewiesen wird
- BAG: In der Unterrichtung über einen Betriebsübergang muss die Sozialplanfreiheit des Erwerbers nach § 112a Abs.2 BetrVG hingewiesen werden
Muss vor einem Betriebsübergang auf eine Sozialplanprivilegierung des Erwerbers gemäß § 112a BetrVG hingewiesen werden?
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch vertragliche Regelung auf einen neuen Inhaber über, so tritt dieser gemäß § 613a Abs.1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in die Rechte und Pflichten aus den Arbeitsverhältnissen der betroffenen Arbeitnehmer ein. Dieser gesetzlichen Überleitung ihrer Arbeitsverhältnisse können die Arbeitnehmer aber gemäß § 613a Abs.6 BGB widersprechen, denn niemand soll dazu gezwungen sein, sich gegen seinen Willen einen neuen Arbeitgeber "aufdrücken zu lassen".
Im Falle eines Widerspruchs droht allerdings eine betriebsbedingte Kündigung, denn der alte Arbeitgeber hat in aller Regel infolge der Betriebsveräußerung keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr für den widersprechenden Arbeitnehmer. Dieser muss sich daher gut überlegen, ob er widersprechen will oder nicht, und dazu hat er genau einen Monat Zeit.
Die Monatsfrist beginnt mit der Unterrichtung über den geplanten Betriebsübergang, die der alte oder neue Arbeitgeber schriftlich oder in Textform (Fax, E-Mail) erarbeiten und den Arbeitnehmern vor dem Betriebsübergang zukommen lassen müssen. Die Unterrichtung muss gemäß § 613a Abs.5 BGB folgende Punkte beinhalten:
- Information über den Zeitpunkt oder geplanter Zeitpunkt des Übergangs
- Information über den Grund für den Übergang
- Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer
- Information über die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen
Ist die Information unvollständig, falsch oder missverständlich, läuft die Monatsfrist für den Widerspruch nicht, so dass die Arbeitnehmer auch noch "Jahr und Tag" nach dem Betriebsübergang ihren Widerspruch erklären können, womit sie dann rückwirkend wieder Arbeitnehmer ihres alten Arbeitgebers sind.
Ein solcher Spätwiderspruch ist vor allem dann ein kluger Schachzug, wenn der Erwerber eine größere Kündigungswelle durchführt oder gar pleitegeht. Die exakte Unterrichtung über einen bevorstehenden Betriebsübergang ist daher von großer wirtschaftlicher Bedeutung für die beteiligten Unternehmen. Denn wenn man hier Fehler macht, kann es dem Betriebsveräußerer noch Jahre nach dem Betriebsübergang passieren, dass eine große Anzahl von Ex-Arbeitnehmern infolge wirksamer Spätwidersprüche wieder vor der Tür steht, wenn das Schiff des Betriebserwerbers untergeht.
Fraglich ist, ob arbeitgeberseitig auch darüber informiert werden muss, dass der Betriebserwerber ein neu gegründetes Unternehmen ist, das im Falle einer Betriebsänderung von der Pflicht zum Sozialplan gemäß § 112a Abs.2 BetrVG befreit ist. Betriebsänderungen sind insbesondere Massenentlassungen oder Betriebsschließungen. Und während ein "normaler" Arbeitgeber mit mehr als 20 Arbeitnehmern und einem Betriebsrat in solchen Fällen einen Sozialplan abschließen muss (§ 112 Abs.4 BetrVG), sind neu gegründete Unternehmen von der Sozialplanpflicht in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung davon befreit.
Aus Arbeitnehmersicht ist das eine wichtige Information darüber, wie "seriös" der Betriebserwerber ist, was dafür spricht, dass ein Unterrichtungsschreiben darauf hinweisen muss. Aus Arbeitgebersicht kann man aber argumentieren, dass die Sozialplanprivilegierung ja solang toter Buchstabe bzw. rein theoretisch ist, solange der Betriebserwerber keine Betriebsänderungen plant.
Der Streitfall: Neu gegründete Vorratsgesellschaft erwirbt einen Betrieb, ohne dass im Unterrichtungsschreiben auf die Sozialplanprivilegierung hingewiesen wird
Im Streitfall ging es um einen seit 1987 bei einer Telekom-Tochter, der V GmbH, beschäftigten Callcenter-Agent. Ihm wurde im Januar 2008 die Entscheidung mitgeteilt, seinen Beschäftigungsbetrieb am Standort S. zum 01.03.2008
"von der V GmbH (...) an die a services S GmbH (derzeit noch firmierend als a Zweite GmbH), vertreten durch den Geschäftsführer F, zu verkaufen und zu übertragen"
Tatsächlich gab es zum damaligen Zeitpunkt nur die auf Vorrat gegründete "a zweite GmbH", d.h. der in dem Unterrichtungsschreiben genannte Betriebserwerber, die "a services S GmbH", existierte zum Zeitpunkt des Mitteilungsschreibens (noch) nicht. Erst später firmierte die erwerbende Gesellschaft, die "a zweite GmbH", in "a services S GmbH" um.
Gut zwei Jahre später, im Sommer 2010, legte der Betriebserwerber den übernommenen Betrieb still und kündigte allen Beschäftigten aus betriebsbedingten Gründen. Der Callcenter-Agent erhob Kündigungsschutzklage gegenüber dem Betriebserwerber und erklärte gleichzeitig gegenüber seinem ursprünglichen Arbeitgeber den Widerspruch gegen die Überleitung seines Arbeitsverhältnisses.
Die gegen den ursprünglichen Arbeitgeber gerichtete Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses hatte in der ersten Instanz Erfolg (Arbeitsgericht Stralsund, Urteil des vom 26.07.2011, 1 Ca 237/10), während das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern gegen den Kläger entschied (Urteil vom 21.03.2012, 2 Sa 265/11). Seiner Ansicht nach war die Unterrichtung über den Betriebsübergang in Ordnung, so dass der Widerspruch zu spät kam.
BAG: In der Unterrichtung über einen Betriebsübergang muss die Sozialplanfreiheit des Erwerbers nach § 112a Abs.2 BetrVG hingewiesen werden
Das BAG hob die LAG-Entscheidung auf und wies die Berufung des Arbeitgebers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund zurück. Damit hatte der Arbeitnehmer seinen ursprünglichen Arbeitgeber wieder zurück erhalten.
Zur Begründung verweist das BAG darauf, dass das Unterrichtungsschreiben schon deshalb sachlich unrichtig war, weil es zum damaligen Zeitpunkt gar keine „a services S GmbH“ gab. Daher war auch die Angabe eines Geschäftsführers „F“ unzutreffend, ebenso die Angabe von Sitz und Geschäftsadresse, und natürlich gab es zu dieser (nicht existenten) Gesellschaft auch keine Eintragung im Handelsregister.
Außerdem hätte der Veräußerer oder Erwerber darauf hinweisen müssen, dass die erwerbende GmbH aufgrund ihrer Neugründung nicht sozialplanpflichtig war. Dazu das BAG:
"Im Falle einer Betriebsschließung kann der Betriebserwerber nicht in einen Sozialplan gezwungen werden, und dies für einen bis zu vier Jahre dauernden Zeitraum. Diese rechtliche Veränderung tritt als unmittelbare wirtschaftliche Folge des Betriebsübergangs wegen der Rechtssituation der Betriebserwerberin ein und berührt unmittelbar die Rechtspositionen der übergehenden Arbeitsverhältnisse. Der Privilegierung des neuen Arbeitgebers entspricht reflexartig eine geminderte Rechtsposition der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse übergegangen sind. Diese Information ist wichtig für die Entscheidung der Arbeitnehmer, ob sie ihr Widerspruchsrecht ausüben wollen oder nicht. Dies ist unabhängig davon, ob bereits eine sozialplanpflichtige Maßnahme geplant oder zumindest absehbar ist."
Fazit: Die Entscheidung des BAG vermindert den Anreiz, durch die Übertragung von Teilbelegschaften auf neu gegründete Gesellschaften teure Sozialpläne zu umgehen. Natürlich steht es Arbeitgebern weiterhin frei, Betriebe auf sozialplanprivilegierte Unternehmen zu übertragen, doch werden sie künftig darauf hinweisen müssen. Das wiederum wird in vielen Fällen zu massenhaften Widersprüchen der betroffenen Arbeitnehmer führen und damit zur Notwendigkeit, den geplanten Betriebsübergang mit Hilfe von Personalgestellungen durchzuführen.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.11.2013, 8 AZR 824/12
- Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.03.2012, 2 Sa 265/11
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsänderung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsstillegung, Betriebsschließung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Betriebsbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Massenentlassung
- Handbuch Arbeitsrecht: Sozialplan
- Arbeitsrecht aktuell: 16/378 Fehlerhafte Information zum Betriebsübergang und Widerspruchsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 16/213 Informationspflicht und Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 13/298 Betriebsübergang - Verwirkung des Rechts zum Widerspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 11/044 Kündigung bei Betriebsübergang ohne Hinweis auf die Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers
- Arbeitsrecht aktuell: 09/195 Kündigung durch Betriebsübernehmer - Erhalt des Widerspruchsrechts auch ohne Klage
- Arbeitsrecht aktuell: 08/101 Informationspflichten beim Betriebsübergang: Bezeichnung des Erwerbers als „neue GmbH“ genügt nicht.
- Arbeitsrecht aktuell: 08/096 Siemensmitarbeiter obsiegen im BenQ-Prozess vor dem LAG München.
Letzte Überarbeitung: 12. Dezember 2016
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