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Betriebsübergang - Verwirkung des Rechts zum Widerspruch
18.10.2013. Arbeitnehmer müssen vor einem Betriebsübergang umfassend über die Hintergründe und die Folgen des bevorstehenden Arbeitgeberwechsels informiert werden. Das folgt aus § 613a Abs.5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Entsprechen die Information nicht den strengen Anforderungen der Arbeitsgerichte, läuft die Monatsfrist für den Widerspruch gegen den Arbeitgeberwechsel nicht. Betroffene Arbeitnehmer können dann ohne feste Zeitgrenze dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprechen.
Auch das "ewige" Widerspruchsrecht kann aber verwirken, wenn der Arbeitnehmer nach dem Betriebsübergang Vereinbarungen mit dem Erwerber trifft, die sein Arbeitsverhältnis grundlegend (um)gestalten. Eine solche endgültige Verfügung über das Arbeitsverhältnis ist z.B. ein Beendigungsvergleich mit dem Betriebserwerber: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 974/12.
- Welche Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber führen zum Verlust des Widerspruchsrechts?
- Der Streitfall: Arbeitnehmer verklagt den Betriebserwerber auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und streicht dann gegen Zahlung von 45.000,00 EUR die Segel
- BAG: Beendigungsvergleich im Fortsetzungsprozess zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber führt zum Verlust des Widerspruchsrechts
Welche Vereinbarungen mit dem Betriebserwerber führen zum Verlust des Widerspruchsrechts?
Gemäß § 613a Abs.5 BGB müssen die von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem geplanten Übergang sehr genau und umfassend über die Hintergründe und Folgen des Betriebsübergangs informiert werden.
Ab Zugang dieser Information haben sie gemäß § 613a Abs.6 BGB einen Monat Zeit, sich zu überlegen, ob sie der Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen und damit beim alten Arbeitgeber bleiben sollen oder ob sie lieber - entsprechend der gesetzlichen Regel - zum Betriebserwerber wechseln.
Sind die arbeitgeberseitig zu erstellenden Informationen nicht korrekt (und das passiert nicht selten), läuft die Monatsfrist für den Widerspruch nicht. Die Arbeitnehmer können dann noch "nach Jahr und Tag" dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprechen, d.h. zum alten Arbeitgeber zurückkehren.
Trotzdem kann das Widerspruchsrecht aber verwirken. Die Verwirkung eines Rechts wird aus dem Prinzip von Treu und Glauben hergeleitet (§ 242 BGB). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Rechtsinhaber es über eine „längere“ Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich daher darauf einstellen durfte, dass der Berechtigte es nicht mehr in Anspruch nehmen wird (Umstandsmoment).
Nach der Rechtsprechung verwirkt das Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer vom neuen Arbeitgeber gekündigt wurde und sich mit ihm dann auf eine Abfindungszahlung einigt, denn dann hat er über sein Arbeitsverhältnis verfügt (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 08.05.2008, 1 Sa 318/07, wir berichteten in: Arbeitsrecht aktuell: 08/103 Verwirkung des Rechts zum Widerspruch gegen die Folgen eines Betriebsübergangs).
Eine "Verfügung" über das auf den Erwerber übergegangene Arbeitsverhältnis kann dem Bundesarbeitsgericht (BAG) zufolge sogar in einem Unterlassen bestehen, nämlich im Nicht-Erheben einer Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung, die der neue Arbeitgeber ausspricht (wir berichteten in Arbeitsrecht aktuell: 10/172 Nichterhebung der Kündigungsschutzklage führt zur Verwirkung des Widerspruchsrechts). Denn das Unterlassen einer Klage führt gemäß § 4 und § 7 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Aber wie ist es, wenn Arbeitnehmer und Betriebserwerber über den Betriebsübergang vor Gericht streiten, weil der Erwerber ihn (zu Unrecht) in Abrede stellt, und wenn sich die Parteien in einem solchen Verfahren auf darauf einigen, dass es keinen Übergang des Arbeitsverhältnisses gab? Hat der Arbeitnehmer auch dann über sein Arbeitsverhältnis "verfügt" und damit sein Widerspruchsrecht verloren?
Der Streitfall: Arbeitnehmer verklagt den Betriebserwerber auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und streicht dann gegen Zahlung von 45.000,00 EUR die Segel
Im Streitfall ging es um den Leiter einer Kantine, die zum 01.01.2011 durch Betriebsübergang auf einen neuen Inhaber übertragen wurde. Darüber informierte der bisherige Arbeitgeber den Kantinenleiter zwar im November 2010, doch entsprach diese Information nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Der neue Kantinenbetreiber bestritt einen Betriebsübergang, weshalb ihn der Kantinenmitarbeiter auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses verklagte. In diesem Prozess einigten sich der Kantinenmitarbeiter mit dem neuen Inhaber darauf, dass ein Betriebsübergang niemals stattgefunden und ein Arbeitsverhältnis zwischen ihnen nie bestanden habe. Teil dieser Einigung war die Verpflichtung des Erwerbers zur Zahlung von 45.000,00 EUR, die aber (etwas schlitzohrig) nicht als Abfindung bezeichnet wurden.
Kaum war der Vergleich (im April 2011) geschlossen, erklärte der Kantinenmitarbeiter gegenüber dem alten Kantinenbetreiber, dass er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widerspreche. Bereits zuvor hatte er ihn vorgewarnt, indem er seine Arbeitskraft anbot und sich ausdrücklich vorbehielt, von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen.
Da der Ex-Arbeitgeber von dem Kantinenmitarbeiter nichts mehr wissen wollte, verklagte ihn dieser auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und auf Zahlung von laufendem Arbeitslohn.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main gab dem Kläger weitgehend recht (Urteil vom 20.12.2011, 4 Ca 3613/11). Dagegen meinte das in der Berufung zuständige Hessische Landesarbeitsgericht (LAG), das Recht zum Widerspruch sei verwirkt und wies die Klage ab (Hessisches LAG, Urteil vom 04.07.2012, 6 Sa 83/12).
BAG: Beendigungsvergleich im Fortsetzungsprozess zwischen Arbeitnehmer und Betriebserwerber führt zum Verlust des Widerspruchsrechts
Auch das BAG entschied gegen den Arbeitnehmer. Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG:
Das Recht zum Widerspruch verwirkt, wenn ein Arbeitnehmer das Bestehen seines Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber gerichtlich geltend macht und dann über diesen Streitgegenstand eine vergleichsweise Regelung trifft.
Das gilt nach Ansicht der Erfurter Richter "jedenfalls dann", wenn ein Betriebsübergang wirklich stattgefunden hat und das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers "tatsächlich auf den zunächst verklagten Betriebserwerber übergegangen ist".
Vergleicht sich der Arbeitnehmer mit dem Betriebserwerber, indem er sich mit diesem über das Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses einigt, geht ein späterer Widerspruch des Arbeitnehmers gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses "ins Leere", so das BAG.
Fazit: Das Widerspruchsrecht kann aufgrund eines "lukrativen" Vergleichs mit dem Erwerber (= "Umstandsmoment") verwirken, auch wenn das "Zeitmoment" nicht sehr deutlich ausgeprägt ist - so wie im vorliegenden Fall, in dem der Vergleich mit dem Erwerber nur gut vier Monate nach dem Betriebsübergang zustande kam. Ein "goldener Handschlag" soll nach der Rechtsprechung nur einmal möglich sein.
Und dass der Kantinenmitarbeiter und der Erwerber hier im Streitfall die vom Erwerber bewilligte Zahlung von 45.000,00 EUR nicht ausdrücklich als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes bezeichnet hatten, ändert nichts daran, dass es sich hier um eine Abfindung handelte und der Arbeitnehmer damit endgültig über sein Arbeitsverhältnis verfügte.
Trotzdem ist das Ergebnis juristisch fragwürdig, denn widersprüchlich hat sich der Arbeitnehmer gerade nicht verhalten: Der Erwerber hatte den Betriebsübergang ja bestritten und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses verweigert, so dass der Arbeitnehmer sein Widerspruchsrecht mit guten Gründen ausgeübt hat. Dass er zuvor mit dem Erwerber einen Prozess führen musste, ist dem Arbeitnehmer nicht anzulasten.
Die in diesem Prozess erzielte Einigung auf eine Abfindungszahlung entspricht dem üblichen Verlauf arbeitsgerichtlicher Bestandsstreitigkeiten, geht wirtschaftlich nicht zu Lasten des alten Arbeitgebers und widerspricht auch nicht dem Wunsch des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis mit diesem fortzusetzen.
Ausgeschlossen werden müsste ein "doppeltes Kassieren" nur beim laufenden Lohn, d.h. hier müssten Zahlungen des Betriebserwerbers zugunsten des Betriebsveräußerers, der infolge des Widerspruchs rückwirkend zahlungspflichtig wird, angerechnet werden. Aber auch an dieser Stelle muss sich der Betriebsveräußerer an seine Nase fassen, denn dass die Monatsfrist nicht lief, ist durch die unzureichende Information über den Betriebsübergang bedingt.
Nähere Informationen zu diesem Vorgang finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 974/12 (Pressemeldung des BAG)
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 04.07.2012, 6 Sa 83/12
- Handbuch Arbeitsrecht: Abfindung
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Arbeitsrecht aktuell: 16/378 Fehlerhafte Information zum Betriebsübergang und Widerspruchsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 16/213 Informationspflicht und Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang
- Arbeitsrecht aktuell: 14/172 Unterrichtung über Betriebsübergang und Sozialplanprivilegierung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/119 Aufhebungsvertrag mit Abfindung beim Zweitarbeitgeber und dann zurück zum alten?
- Arbeitsrecht aktuell: 11/117 Betriebsübergang: Fortsetzungsverlangen nach Betriebsübergang bei Verstoß gegen Unterrichtungspflicht
- Arbeitsrecht aktuell: 11/018 Widerspruch nach Betriebsübergang - Verwirkung durch Abtretung von Lohn
- Arbeitsrecht aktuell: 10/172 Nichterhebung der Kündigungsschutzklage führt zur Verwirkung des Widerspruchsrechts
- Arbeitsrecht aktuell: 09/195 Kündigung durch Betriebsübernehmer - Erhalt des Widerspruchsrechts auch ohne Klage
- Arbeitsrecht aktuell: 08/103 Verwirkung des Rechts zum Widerspruch gegen die Folgen eines Betriebsübergangs
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 6. Dezember 2017
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