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ARBEITSRECHT AKTUELL // 14/119

Auf­he­bungs­ver­trag mit Ab­fin­dung beim Zweit­ar­beit­ge­ber und dann zu­rück zum al­ten?

Die Re­ak­ti­vie­rung ei­nes ru­hen­den Ar­beits­ver­trags ist nicht treu­wid­rig, weil der Ar­beit­neh­mer mit ei­nem Zweit­ar­beit­ge­ber ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit Ab­fin­dung ver­ein­bart hat: Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 19.12.2013, 5 Sa 149/13
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04.04.2014. In öf­fent­li­chen Un­ter­neh­men mit gro­ßem Per­so­nal­über­hang kommt es vor, dass Ar­beits­ver­hält­nis­se ru­hend ge­stellt und der Ar­beit­neh­mer vor­über­ge­hend bei ei­nem an­de­ren Ar­beit­ge­ber ar­bei­tet.

En­det das Ar­beits­ver­hält­nis mit dem Zweit­ar­beit­ge­ber durch ei­ne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gung oder ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag, steht der Ar­beit­neh­mer dann na­tür­lich wie­der vor der Tür, d.h. er ver­langt von sei­nem Alt-Ar­beit­ge­ber Be­schäf­ti­gung und Lohn­zah­lung.

Für den ist das är­ger­lich, wenn der Ar­beit­neh­mer selbst an der Auf­lö­sung des Zwi­schen­ar­beits­ver­hält­nis­ses mit­ge­wirkt hat, d.h. ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit (ho­her?) Ab­fin­dung ver­ein­bart hat. So ein Ver­hal­ten könn­te treu­wid­rig sein, d.h. der Be­schäf­ti­gungs­an­spruch könn­te ver­wirkt sein. Ist er aber nicht, so das Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Schles­wig-Hol­stein in ei­ner ak­tu­el­len Ent­schei­dung: LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 19.12.2013, 5 Sa 149/13.

Kann der Ar­beit­neh­mer ein lan­ge ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis wie­der re­ak­ti­vie­ren, nach­dem er mit dem Zweit­ar­beit­ge­ber ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit Ab­fin­dung ver­ein­bart hat?

Wer nach lan­ger Beschäfti­gungs­dau­er ein großes Un­ter­neh­men ver­las­sen soll, um zu ei­nem Toch­ter­un­ter­neh­men zu wech­seln, wird sich das vor­her gut über­le­gen. Denn er gibt ei­nen si­che­ren Ar­beits­platz mit Ta­rif­bin­dung auf, mögli­cher­wei­se geht so­gar ei­ne ta­rif­li­che Unkünd­bar­keit ver­lo­ren.

Ist ein sol­cher Wech­sel durch ei­nen Be­triebsüber­gang vor­ge­ge­ben, kann der Ar­beit­neh­mer zwar dem Über­gang sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses wi­der­spre­chen und bleibt dann beim bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber, ris­kiert dafür aber die be­triebs­be­ding­te Kündi­gung, da der Ar­beit­ge­ber in­fol­ge des Be­triebsüber­gangs kei­ne Beschäfti­gungsmöglich­keit mehr hat.

Aus Ar­beit­neh­mer­sicht güns­ti­ger ist da­her ei­ne ver­trag­li­che Über­lei­tung des Ar­beits­verhält­nis­se zu dem neu­en Ar­beit­ge­ber. Denn dann kann man von vorn­her­ein über ein Rück­kehr­recht bzw. ei­nen Wie­der­ein­stel­lungs­an­spruch spre­chen und sich da­mit für den Fall ab­si­chern, dass der neue Ar­beit­ge­ber in Zu­kunft ein­mal Ar­beitsplätze ab­baut.

Mögli­cher­wei­se wird so­gar bei dem ver­trag­li­chen Wech­sel zum neu­en Ar­beit­ge­ber ver­ges­sen, das Ar­beits­verhält­nis mit dem bis­he­ri­ge Ar­beit­ge­ber auf­zu­he­ben, d.h. ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag ab­zu­sch­ließen. Dann pas­siert fol­gen­des:

Der Ar­beit­neh­mer schließt mit Zu­stim­mung oder so­gar auf Ver­an­las­sung sei­nes al­ten Ar­beit­ge­bers ei­nen Ar­beits­ver­trag mit dem neu­en Ar­beit­ge­ber ab und be­ginnt dort sei­ne Ar­beit. Und da man nicht zwei (Voll­zeit-)Ar­beits­verhält­nis­se zu­gleich erfüllen kann, zahlt auch nur der neue Ar­beit­ge­ber das Ge­halt, während der al­te Ar­beit­ge­ber kei­ne Leis­tun­gen mehr er­bringt. Wofür auch, schließlich erhält er ja auch kei­ne Ar­beit mehr.

Das Ar­beits­verhält­nis mit dem bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber wird durch ei­ne sol­che Vor­ge­hens­wei­se nicht auf­ge­ho­ben, denn die Be­en­di­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses durch Kündi­gung oder Auf­he­bungs­ver­trag muss gemäß § 623 Bürger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) zwin­gend schrift­lich fest­ge­hal­ten wer­den. Ei­ne "still­schwei­gen­de" Ver­trags­auf­he­bung (durch "schlüssi­ges Ver­hal­ten") kann es da­her bei Ar­beits­verträgen nicht ge­ben.

Be­en­det der Ar­beit­neh­mer nach Jahr und Tag sein Zweit­ar­beits­verhält­nis und möch­te von sei­nem al­ten Ar­beit­ge­ber wie­der beschäftigt wer­den, ist Ärger vor­pro­gram­miert, denn der Ar­beit­ge­ber wird kei­nen Be­darf an der an­ge­bo­te­nen Ar­beits­leis­tung ha­ben. Be­son­ders ärger­lich für den Ar­beit­ge­ber ist es, wenn der Ar­beit­neh­mer sein Zweit­ar­beits­verhält­nis durch ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit Ab­fin­dung be­en­det hat, denn dann ist der gol­de­ne Hand­schlag des Ar­beit­neh­mers letzt­lich der Grund dafür, dass er wie­der vor der Tür steht.

Dann stellt sich die Fra­ge, ob dem Ar­beit­neh­mer die Be­ru­fung auf sein jah­re­lang ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis nach Treu und Glau­ben (§ 242 BGB) ver­wehrt ist. Mögli­cher­wei­se hat er sei­ne Rech­te aus die­sem Ar­beits­verhält­nis ver­wirkt.

Im Streit: Fern­mel­de­hand­wer­ker möch­te nach Zwi­schen­sta­tio­nen bei der Viv­en­to und der No­kia So­lu­ti­ons and Net­works (NSN) wie­der bei der Deut­schen Te­le­kom ar­bei­ten

Im Streit­fall wech­sel­te ein seit 1970 bei der Post und später bei der Te­le­kom AG beschäftig­ter Fern­mel­de­hand­wer­ker ab An­fang 2005 zu der Viv­en­to Tech­ni­cal Ser­vices (VTS), ei­ner Te­le­kom-Toch­ter. Da­bei un­ter­schrieb er zwar bei der Viv­en­to, ver­wei­ger­te der Te­le­kom aber die Un­ter­schrift zu ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag. Im Mai 2005 teil­te die Te­le­kom dem Ar­beit­neh­mer mit, sei­ne "Tätig­keit" bei der Te­le­kom ha­be zu An­fang 2005 ge­en­det.

Nach ei­nem Be­triebsüber­gang von der Viv­en­to auf ei­ne Viv­en­to-Toch­ter ging das Ar­beits­verhält­nis des Fern­mel­de­hand­wer­kers An­fang 2008 durch ei­nen wei­te­ren Be­triebsüber­gang auf die No­kia So­lu­ti­ons and Net­works (NSN) über. Im Sep­tem­ber 2009 wur­de der Ar­beit­neh­mer nervös und ver­klag­te die Te­le­kom auf die Fest­stel­lung, dass mit ihr im­mer noch ein Ar­beits­verhält­nis bestünde. Das Ver­fah­ren wur­de ru­hend ge­stellt und die Kla­ge später zurück­ge­nom­men.

Da die NSN bis En­de 2012 auf­grund ei­nes Ta­rif­ver­trags kei­ne be­triebs­be­ding­ten Kündi­gun­gen aus­spre­chen konn­te, dräng­te sie ih­re Ar­beit­neh­mer zum Ab­schluss von Auf­he­bungs­verträgen und bot Ab­fin­dun­gen zwi­schen 100.000 und 115.000 EUR an. Der Ar­beit­neh­mer ließ sich auf ei­nen sol­chen Auf­he­bungs­ver­trag ein und be­en­de­te da­mit sein Ar­beits­verhält­nis mit der NSN zu En­de Au­gust 2012. Da­mit kam er ei­ner für En­de 2012 ge­plan­ten Be­triebs­sch­ließung zu­vor.

Da die Te­le­kom von ihm nichts wis­sen woll­te, ver­klag­te er sie auf die ge­richt­li­che Fest­stel­lung, dass sein Ar­beits­verhält­nis wei­ter fort­be­ste­he. Außer­dem klag­te er auf Beschäfti­gung und Lohn­zah­lung. Da­mit hat­te er vor dem Ar­beits­ge­richt Kiel Er­folg (Ur­teil vom 21.03.2013, ö.D. 5 Ca 1901 d/12).

LAG Schles­wig-Hol­stein: Kein Rechts­miss­brauch, wenn ein ru­hen­des Ar­beits­verhält­nis wie­der re­ak­ti­viert wird, nach­dem der Ar­beit­neh­mer ein Zweit-Ar­beits­verhält­nis durch Auf­he­bungs­ver­trag be­en­det hat

Auch das LAG gab dem Ar­beit­neh­mer recht.

Denn ei­ne Ver­trags­auf­he­bung ha­ben die Par­tei­en nie ver­ein­bart, denn das hätte man schrift­lich fest­hal­ten müssen. Viel­mehr ha­ben sie ihr Ar­beits­verhält­nis ab 2005 ein­ver­nehm­lich ru­hend ge­stellt, und zwar still­schwei­gend zu­sam­men mit dem der Te­le­kom be­kann­ten Viv­en­to-Ar­beits­ver­trag.

Ei­ne Ver­trags­be­en­di­gung er­gab sich auch nicht aus dem Ta­rif­ver­trag zum Ra­tio­na­li­sie­rungs­schutz, an den die Te­le­kom 2004 und 2005 ge­bun­den war. Denn die­ser Ta­rif­ver­trag sah zwar vor, dass sich die Te­le­kom nach Beschäfti­gungsmöglich­kei­ten um­se­hen soll­te, doch gab es kei­ne kon­kre­te Ta­rif­vor­schrift, die die Be­en­di­gung von Ar­beits­verhält­nis­sen an­ord­ne­te.

Die Rech­te des Ar­beit­neh­mers aus dem Ar­beits­verhält­nis wa­ren auch nicht ver­wirkt, denn die Te­le­kom konn­te nie dar­auf ver­trau­en, dass sie nicht mehr aus dem Ar­beits­verhält­nis in An­spruch ge­nom­men wer­den würde. Denn

  • ers­tens hat­te sie im­mer ge­wusst, dass der Ar­beit­neh­mer ei­nen ihm vor­ge­leg­ten Auf­he­bungs­ver­trag nicht un­ter­zeich­nen woll­te,
  • zwei­tens hat­te der Ar­beit­neh­mer 2009 Kla­ge auf Fest­stel­lung sei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses er­ho­ben und
  • drit­tens war der Auf­he­bungs­ver­trag mit NSN in Ord­nung, da der Ar­beit­neh­mer oh­ne­hin sei­nen Ar­beits­patz bei der NSN ver­lo­ren hätte.

Fa­zit: Ar­beits­verhält­nis­se en­den nicht ein­fach durch ei­ne länge­re Ru­hend­stel­lung, und auch ei­ne Ver­wir­kung al­ler (!) ar­beits­ver­trag­li­cher Rech­te ist kaum denk­bar, da Ar­beits­verhält­nis­se an­dern­falls im Er­geb­nis doch form­los be­en­det wer­den könn­ten, was ge­gen § 623 BGB ver­s­toßen würde.

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Letzte Überarbeitung: 12. Januar 2018

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