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ARBEITSRECHT AKTUELL // 11/018

Wi­der­spruch nach Be­triebs­über­gang - Ver­wir­kung durch Ab­tre­tung von Lohn

Ver­wir­kung des Wi­der­spruchs­rechts aus § 613a Abs. 5 BGB: Nach drei Jah­ren ge­nü­gen schon "schwa­che" Um­stän­de: Lan­des­ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 05.07.2010, 3 Sa141/10
Zwei Firmenschilder, eines durchgestrichen Be­triebs­über­gang: Ver­ra­ten und ver­kauft?

26.01.2011. Bei ei­nem Be­triebs­über­gang müs­sen der bis­he­ri­ge Ar­beit­ge­ber oder der neue Be­triebs­in­ha­ber die be­trof­fe­nen Ar­beit­neh­mer nach Maß­ga­be des § 613a Abs. 5 Bür­ger­li­ches Ge­setz­buch (BGB) un­ter­rich­ten. In ver­ständ­li­cher Form müs­sen noch vor dem Über­gang An­ga­ben über des­sen Zeit­punkt, Grund und Fol­gen so­wie die Iden­ti­tät des Er­wer­bers ge­macht wer­den.

Er­hält der Ar­beit­neh­mer ei­ne ord­nungs­ge­mä­ße Un­ter­rich­tung, so kann er dem Über­gang des Ar­beits­ver­hält­nis­ses nur in­ner­halb ei­ner Mo­nats­frist schrift­lich wi­der­spre­chen, wo­bei der Wi­der­spruch ent­we­der an den bis­he­ri­gen Ar­beit­ge­ber oder den neu­en In­ha­ber ge­rich­tet sein muss (§ 613a Abs. 6 BGB).

Ist die Un­ter­rich­tung hin­ge­gen feh­ler­haft, be­ginnt die­se Frist nicht zu lau­fen. Ein Wi­der­spruch wä­re da­her theo­re­tisch un­be­grenzt mög­lich. Spe­zi­ell wenn der Be­triebs­er­wer­ber In­sol­venz an­mel­den muss, kann ein sol­cher "Spät­wi­der­spruch" für be­trof­fe­ne Ar­beit­neh­mer in­ter­es­sant sein. Denn in die­sem Fall wird das Ar­beits­ver­hält­nis zwi­schen dem Wi­der­spre­chen­den und dem al­ten Ar­beit­ge­ber so be­han­delt, als hät­te es nie­mals ge­en­det.

Prak­tisch wird die­se Mög­lich­keit je­doch durch ei­nen all­ge­mei­nen Rechts­grund­satz be­schränkt, der aus dem äu­ßerst schwam­mig for­mu­lier­ten § 242 BGB (dem "Ge­bot von Treu und Glau­ben") her­ge­lei­tet wird. Wer sei­ne Rech­te län­ge­re Zeit nicht gel­tend macht (Zeit­mo­ment) und den Ein­druck er­weckt hat, sein Recht auch nicht mehr gel­tend ma­chen zu wol­len (Um­stands­mo­ment), der ver­liert da­durch das Recht selbst. Die­se so ge­nann­te "Ver­wir­kung" ist im We­sent­li­chen durch Recht­spre­chung ge­prägt und nur in den Grund­zü­gen un­um­strit­ten.

In der ar­beits­recht­li­chen Pra­xis ist meist die ent­schei­den­de Fra­ge, ob das Um­stands­mo­ment er­füllt ist. Das Bun­des­ar­beits­ge­richt (BAG) geht hier in stän­di­ger Recht­spre­chung da­von aus, dass ein Ar­beit­neh­mer sein Wi­der­spruchs­recht ver­wirkt hat, wenn er "über den Be­stand sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses durch des­sen Be­en­di­gung dis­po­niert hat". Wer al­so bei­spiels­wei­se ei­nen Auf­he­bungs­ver­trag mit dem Be­triebs­er­wer­ber schließt oder ei­ne von die­sem nach dem Be­triebs­über­gang er­klär­te Kün­di­gung hin­nimmt, ver­liert nach Auf­fas­sung des BAG sein Wi­der­spruchs­recht.

Da die Ver­wir­kung aber stets ei­ne Ge­samt­be­trach­tung vor­aus­setzt, kön­nen auch an­de­re Um­stän­de her­an­ge­zo­gen wer­den. All­ge­mein gilt hier: Je stär­ker die Um­stän­de sind, des­to schnel­ler kann ein An­spruch ver­wir­ken. An­ders ge­wen­det: Bei ei­nem sehr lan­gen Zeit­ab­lauf kön­nen schon ver­gleichs­wei­se "schwa­che" Um­stän­de ge­nü­gen.

Ein sol­che Si­tua­ti­on mit ei­nem ge­ra­de­zu "über­lan­gen" Zeit­mo­ment lag ei­nem An­fang Ju­li 2010 vom Lan­des­ar­beits­ge­richt (LAG) Mün­chen ent­schie­de­nen Fall zu Grun­de (LAG Mün­chen, Ur­teil vom 05.07.2010, 3 Sa 141/10; Vor­in­stanz: Ar­beits­ge­richt Mün­chen, Ur­teil vom 25.11.2009, 19 Ca 5862/09).

Nach ei­nem Be­triebs­über­gang, bei dem feh­ler­haft un­ter­rich­tet wur­de, blieb hier ein Ar­beit­neh­mer (der spä­te­re Klä­ger) drei Jah­re lang bei dem Be­triebs­er­wer­ber, be­vor dem Über­gang sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses wi­der­sprach. Im Lau­fe die­ses Zeit­raums hat­te er als ei­ner von vie­len Ar­beit­neh­mern des Be­triebs­er­wer­bers in Zei­ten der Kri­se sei­ne An­sprü­che auf Ar­beits­ent­gelt in Hö­he des zu er­war­ten­den In­sol­venz­gel­des ab­ge­tre­ten. Da­mit soll­te das wirt­schaft­lich ma­ro­de Un­ter­neh­men fi­nan­zi­ell ge­stützt wer­den.

Nach Auf­fas­sung des LAG ge­nüg­te die­ser Um­stand un­ter Be­rück­sich­ti­gung des seit Be­triebs­über­gang ver­gan­ge­nen lan­gen Zeit­rau­mes. Der Ar­beit­neh­mer ha­be mit sei­nem Ver­hal­ten do­ku­men­tiert, dass er selbst bei Exis­tenz­ge­fähr­dung des "neu­en" Ar­beit­ge­bers am ge­mein­sa­men Ar­beits­ver­hält­nis fest­hal­ten möch­te. Er ha­be das Schick­sal sei­nes Ar­beits­ver­hält­nis­ses und des Ar­beit­ge­bers "eng ver­knüpft und eher das Ri­si­ko ei­ner un­ge­wis­sen be­ruf­li­chen Zu­kunft in Kauf ge­nom­men, als die Rück­kehr zum frü­he­ren Ar­beit­ge­ber an­zu­stre­ben."

Fa­zit: An­ge­sichts ei­ner sol­chen "Schick­sals­ge­mein­schaft" spricht in der Tat ei­ni­ges für die Ar­gu­men­ta­ti­on des LAG. Der frü­he­re Ar­beit­ge­ber muss­te hier wohl nicht mehr da­mit rech­nen, dass der Klä­ger den Fort­be­stand des Ar­beits­ver­hält­nis­ses mit ihm gel­tend ma­chen wer­de. Die Ent­schei­dung ist rechts­kräf­tig.

Nä­he­re In­for­ma­tio­nen fin­den sie hier:

Letzte Überarbeitung: 12. Dezember 2016

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