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Betriebsübergang im öffentlichen Dienst
04.10.2013. Geht ein Betrieb durch Vertrag auf einen neuen Inhaber über, werden die Arbeitsverhältnisse automatisch auf den Erwerber übergeleitet, d.h. die betroffenen Arbeitnehmer erhalten kraft Gesetzes einen neuen Arbeitgeber.
Das ergibt sich aus § 613a Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Diese Vorschrift gilt aber nicht bei gesetzlichen Überleitungen von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst.
Daher haben die von einer gesetzlichen Überleitung betroffenen Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes kein Widerspruchsrecht gemäß § 613a Abs. 6 BGB. Die Möglichkeit, durch einen Widerspruch beim bisherigen Arbeitgeber zu bleiben, haben sie nur, wenn das Überleitungsgesetz ein Widerspruchsrecht ausdrücklich vorsieht.
Ein Überleitungsgesetz ohne Widerspruchsrecht greift aber massiv in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs.1 Grundgesetz - GG) der betroffenen Arbeitnehmer ein, denn die Berufsfreiheit schützt auch die freie Wahl des Arbeitgebers.
In einer letzte Woche ergangenen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) daher eine solche Gesetzesvorschrift als verfassungswidrig bewertet und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen: BAG, Beschluss vom 26.09.2013, 8 AZR 775/12 (A).
- Gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst - ohne Widerspruchsrecht?
- Der Streitfall: Gesetzliche Überleitung von Arbeitnehmern der Bundesagentur für Arbeit auf eine Gemeinde, die als Optionskommune Jobcenter betreibt
- BAG: § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist wegen unzulässigen Eingriffs in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers verfassungswidrig
Gesetzliche Überleitung von Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst - ohne Widerspruchsrecht?
Wer in der Privatwirtschaft arbeitet, kann bei einem Betriebsübergang der gesetzlichen Überleitung seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber widersprechen und bleibt dann beim bisherigen Arbeitgeber. Der kann ihn zwar in meisten Fällen daraufhin betriebsbedingt kündigen, weil der Arbeitsbedarf infolge des Betriebsübergangs weggefallen ist, doch muss das bei größeren Arbeitgebern nicht immer der Fall sein.
Durch das Widerspruchsrecht (§ 613a Abs.6 BGB) wird die die freie Wahl des Arbeitgebers geschützt. Immerhin hat man sich seinen Arbeitgeber ja durch den Abschluss des Arbeitsvertrags bewusst ausgesucht. Die freie Wahl des Arbeitgebers wiederum ist durch die Berufsfreiheit (Art.12 Abs.1 GG) geschützt.
Daher hat das BVerfG Anfang 2011 die gesetzliche Privatisierung der ursprünglich zum Land Hessen gehörenden Universitätskliniken Gießen und Marburg als verfassungswidrig erklärt, da das Überleitungsgesetz kein Widerspruchsrecht für die betroffenen Arbeitnehmer enthielt und daher mit deren Berufsfreiheit unvereinbar war (BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 1741/09 - wir berichteten darüber in Arbeitsrecht aktuell: 11/108 Bundesverfassungsgericht: Widerspruchsrecht auch bei Privatisierung aufgrund Gesetzes).
In dem vom BVerfG entschiedenen Fall kam für die klagende Krankenschwester erschwerend hinzu, dass sie durch das Überleitungsgesetz nicht nur ihren bisherigen Arbeitgeber verlieren sollte, sondern auf einen privaten Arbeitgeber, eine GmbH, übergeleitet werden sollte.
Bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden ist die Frage, ob der ohne Widerspruchsrecht gesetzlich angeordnete Wechsel des Arbeitgebers im Bereich des öffentlichen Dienstes auch dann gegen die Berufsfreiheit bzw. gegen Art.12 Abs.1 GG verstößt, wenn die betroffenen Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst verbleiben sollen, d.h. wenn der neue Arbeitgeber ebenfalls zum öffentlichen Dienst gehört.
Der Streitfall: Gesetzliche Überleitung von Arbeitnehmern der Bundesagentur für Arbeit auf eine Gemeinde, die als Optionskommune Jobcenter betreibt
Eine Angestellte der Bundesagentur für Arbeit war seit November 2008 als Teamleiterin im Bereich SGB II in einer Arbeitsagentur tätig. Dort leitete sie ein gemeinsames Arbeitgeberserviceteam. Dieses vermittelte Arbeitslose, die "Hartz IV" erhielten, und auch Bezieher von Arbeitslosengeld I an interessierte Arbeitgeber.
Ab Anfang Januar 2011 übernahm der Landkreis als kommunaler Träger aufgrund einer entsprechenden Option nach dem SGB II die Organisation des Jobcenters. Daher teilten der Landkreis und die Bundesagentur für Arbeit der Angestellten mit, dass ihr Arbeitsverhältnis zum 01.01.2011 von der Bundesagentur auf den Landkreis übergehen werde. Denn das steht so im Gesetz, nämlich in § 6c Abs.1 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Diese Vorschrift lautet:
"Die Beamtinnen und Beamten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Bundesagentur, die am Tag vor der Zulassung eines weiteren kommunalen Trägers nach § 6a Absatz 2 und mindestens seit 24 Monaten Aufgaben der Bundesagentur als Träger nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in dem Gebiet des kommunalen Trägers wahrgenommen haben, treten zum Zeitpunkt der Neuzulassung kraft Gesetzes in den Dienst des kommunalen Trägers über."
Da diese Gesetzesvorschrift ein Recht zum Widerspruch nicht enthält, zog die Arbeitnehmerin vor Gericht und beantragte die Feststellung, dass sie nach wie vor Arbeitnehmerin der Bundesagentur für Arbeit ist. Mit dieser Klage hatte sie vor dem Arbeitsgericht Halle (Urteil vom 24.08.2011, 9 Ca 3949/10) und auch in der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen Erfolg (LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04.06.2012, 6 Sa 388/11).
Beide Gerichte meinten, dass man § 6c Abs.1 Satz 1 SGB II zur Vermeidung eines Verfassungsverstoßes so auslegen könnte, dass nur diejenigen Arbeitnehmer darunter fallen, die vor Gründung des kommunalen Trägers ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung (SGB II) wahrgenommen haben. Da die Klägerin aber vor 2011 auch für die Betreuung von Arbeitslosengeldbeziehern zuständig war, war ihr Arbeitsverhältnis bei der Bundesagentur für Arbeit geblieben.
BAG: § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist wegen unzulässigen Eingriffs in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers verfassungswidrig
Das BAG war anders als das Arbeits- und das Landesarbeitsgericht nicht der Meinung, dass man § 6c Abs.1 Satz 1 SGB II durch eine verfassungskonforme Auslegung reparieren könnte. Es bewertete die Vorschrift rundheraus als verfassungswidrig.
Da über die Verfassungskonformität von Gesetzen, die nach Inkrafttreten des GG erlassen wurden, nur das BVerfG entscheiden darf, setzte das BAG das Verfahren aus und legte dem BVerfG gemäß Art.100 Abs.1 Satz 1 GG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 6c Abs.1 Satz 1 SGB II verfassungswidrig ist oder nicht.
Zur Begründung heißt es in der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG, dass die Erfurter Richter die o.g. Regelung wegen Verstoßes gegen Art.12 Abs.1 GG für unwirksam halten. Dies wiederum wird vor allem damit begründet, dass dem Arbeitnehmer kein Recht zum Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses eingeräumt wird.
Fazit: Das BVerfG hatte die Verfassungswidrigkeit des hessischen Privatisierungsgesetzes mit seinem Beschluss vom 25.01.2011 (1 BvR 1741/09) unter anderem damit begründet, dass dem Arbeitnehmer durch einen gesetzlichen Übergang auf einen privaten Arbeitgeber ohne Widerspruchsmöglichkeit die ursprünglich getroffene Berufswahl zugunsten des öffentlichen Dienstes genommen würde.
Die Überleitung gemäß § 6c Abs.1 Satz 1 SGB II findet demgegenüber im öffentlichen Dienst statt, so dass die Beeinträchtigung der Berufsfreiheit nicht ganz so gravierend ist. Trotzdem sind auch hier die beruflichen Veränderungen für die betroffenen Arbeitnehmer erheblich: Eine Arbeitsvermittlerin hat in einer großen, bundesweit tätigen Behörde viel breitere berufliche Perspektiven als dies bei einer Gemeinde der Fall ist, die nur nebenher Aufgaben der Arbeitsverwaltung wahrnimmt.
Wie auch immer das BVerfG entscheidet: Bund und Länder sind gut beraten, bei der gesetzlichen Personalüberleitung künftig immer ein Widerspruchsrecht zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer vorzusehen.
Und Arbeitnehmer, die in den vergangenen Jahren ohne Widerspruchsmöglichkeit kraft Gesetzes von einem öffentlichen zu einem privaten Arbeitgeber "verschoben" wurden, sollten eine Klage gegen ihren Ex-Arbeitgeber in Erwägung ziehen. Denn möglicherweise hat der vermeintliche Ex-Arbeitgeber seine Arbeitgeberstellung rechtlich nie verloren.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 26.09.2013, 8 AZR 775/12 (Pressemeldung)
- Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 1741/09
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitslosengeld I
- Handbuch Arbeitsrecht: Arbeitsvertag
- Handbuch Arbeitsrecht: Betriebsübergang
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - betriebsbedingte Kündigung
- Arbeitsrecht aktuell: 14/364 EuGH zum Betriebsübergang im Konzern
- Arbeitsrecht aktuell: 14/015 Dauerhafte Personalgestellung gesetzlich privilegieren?
- Arbeitsrecht aktuell: 13/078 Altersgeld soll Wechsel vom Staatsdienst in die Privatwirtschaft erleichtern
- Arbeitsrecht aktuell: 11/172 Betriebsübergang bei Zwangsverwaltung eines Hotelgrundstücks
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- Arbeitsrecht aktuell: 11/044 Kündigung bei Betriebsübergang ohne Hinweis auf die Widerspruchsfrist des Arbeitnehmers
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- Arbeitsrecht aktuell: 09/148 Widerspruch bei Betriebsübergang löst keine Sperrzeit aus
- Arbeitsrecht aktuell: 09/056 Grenzen der gesetzlichen Überleitung von Arbeitsverhältnissen auf einen neuen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst
- Arbeitsrecht aktuell: 08/101 Informationspflichten beim Betriebsübergang: Bezeichnung als „neue GmbH“ genügt nicht
- Arbeitsrecht aktuell: 08/037 Kein Widerspruchsrecht bei Erlöschen des bisherigen Arbeitgebers
Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Den vollständig begründeten Beschluss des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 18. Januar 2015
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