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Hessisches LAG, Urteil vom 04.07.2012, 6 Sa 83/12
Schlagworte: | Betriebsübergang, Betriebsübergang: Widerspruch | |
Gericht: | Hessisches Landesarbeitsgericht | |
Aktenzeichen: | 6 Sa 83/12 | |
Typ: | Urteil | |
Entscheidungsdatum: | 04.07.2012 | |
Leitsätze: | Die Ausübung des Widerspruchsrechtes nach § 613a Abs. 6 S. 1 BGB nach Ablauf der Monatsfrist wegen fehlerhafter Unterrichtung ( § 613a Abs. 5 BGB ) ist verwirkt, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess gegen den Betriebserwerber sich dahingehend vergleicht, dass kein Betriebsübergang und demzufolge kein Arbeitsverhältnis besteht. Der Vorbehalt gleichwohl das Widerspruchsrecht gegenüber dem Betriebsveräußerer ausüben zu wollen, ist als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens unbeachtlich. |
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Vorinstanzen: | Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 20.12.2011, 4 Ca 3613/11 Nachgehend Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.10.2013, 8 AZR 974/12 |
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Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2011 – 4 Ca 3613/11 – teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz hat die Beklagte 1/3 und der Kläger 2/3 zu tragen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger war seit 15. November 1985 als Betriebsleiter, zuletzt auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 27. April 1992, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der Kläger war zuletzt eingesetzt in der Kantine des Kunden A (A) am Standort B. Dort waren neben dem Kläger sieben weitere Arbeitnehmer eingesetzt. Der Kläger war Betriebsobmann. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 3.438,40.
Mit Schreiben vom 12. November 2010 (Bl. 18-20 d.A.) informierte die Beklagte den Kläger über einen Betriebsübergang auf die C Catering B.V. & Co. KG zum 31. Dezember 2010. Der Betriebsübergang ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit Wirkung ab 1. Januar 2011 übernahm C die Bewirtschaftung der Kantine am Standort des Kunden A in B. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass C die Kantine unverändert in den gleichen Räumen unter Nutzung der bisherigen Betriebsmittel fortführte. Auch erfolgte keine Änderung des Betreiberkonzepts. C betreibt weiterhin, wie schon die Beklagte, eine Frischküche und bereitet Speisen unter unveränderter Nutzung der Küche zu. Diese werden unverändert im möblierten Speisesaal eingenommen.
Am 3. Januar 2011 bot der Kläger der C seine Arbeitsleistung in dem Betrieb in B an. Nachdem C die Weiterbeschäftigung verweigerte, erhob der Kläger am 26. Januar 2011 Klage gegen C und beantragte, festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe. Gleichzeitig verkündete er der Beklagten den Streit. Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch C mit Schreiben vom 15. Februar 2011 stellte der Kläger klageerweiternd einen Kündigungsschutzantrag. Am 26. April 2011 wurde dieser Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO beendet. Die Parteien stimmten ausweislich des Beschlusses vom 26. April 2011 (Bl. 93 d.A.) einem schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichtes vom 15. April 2011 zu. Der gerichtliche Vergleich lautet:
1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass kein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorliegt, dass das Arbeitsverhältnis demzufolge nicht auf die Beklagte übergegangen ist und auch sonst kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet wurde und somit nicht besteht.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 45.000,00. Etwaige hierauf entfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind vom Kläger zu tragen.
3. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle etwaigen wechselseitigen finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien, gleich welcher Art und gleich, ob bei Abschluss dieses Vergleich bekannt oder unbekannt, erledigt und ausgeglichen. Dem Kläger bleibt die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gem. § 613a Abs. 5 und 6 BGB gegenüber der Firma Eurest Deutschland GmbH vorbehalten.
4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Mit Anwaltsschreiben vom 5. Mai 2011 (Bl. 31, 32 d.A.) widersprach der Kläger dann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf C und begehrte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten.
Zuvor hatte der Kläger am 4. Januar 2011 der Beklagten in der Niederlassung in E seine Arbeitsleistung angeboten. Mit Schreiben vom 4. Januar 2011 (Bl. 21 d.A.) begehrte der Kläger die schriftliche Bestätigung seitens der Beklagten, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht und er weiterbeschäftigt werde. Gleichzeitig behielt er sich etwaige Rechte bezüglich des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang vor. Dies wiederholte der Kläger mit Schreiben vom 15. März 2011 (Bl. 26-28 d.A.).
Der Kläger erhob am 30. Mai 2011 Klage gegen die Beklagte auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses, auf Weiterbeschäftigung und auf Zahlung von Annahmeverzugslohn. Der Kläger begehrte dabei zuletzt Annahmeverzugslohn für Januar bis Oktober 2011 (= 10 Monate à € 3.438,40) abzüglich seit 25. Januar 2011 gezahlten Arbeitslosengeldes von täglich € 52,92 (vgl. Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 4. Februar 2011 Bl. 22-25 d.A.) und ein im Mai 2011 fälliges vertragliches Urlaubsgeld von € 1.719,20 brutto (= 50% des Monatsverdienstes). Mit Klageerweiterung vom 8. Juni 2011 griff der Kläger eine zwischenzeitlich erklärte Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2011 (Bl. 47 d.A.) an und begehrte die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich mit Schreiben vom 31. Mai 2011 zum 31. Dezember 2011 wegen Betriebsstilllegung. Die Betriebsratsanhörung erfolgte mit Schreiben vom 23. Mai 2011 (Bl. 96-98 d.A.) gegenüber dem Betriebsrat des Betriebes A, ausgehändigt an den Kläger und das Ersatzmitglied D D.
Der Kläger hat gemeint, dass sein Arbeitsverhältnis durch den Prozessvergleich vom 26. April 2011 nicht beendet worden sei. Gegen einen Beendigungswillen spreche, dass die Parteien gerade keine Abfindung vereinbart hätten, sondern eine Zahlung. Der Kläger hat weiter gemeint, das Widerspruchsrecht sei ordnungsgemäß ausgeübt worden. Die Voraussetzungen einer Verwirkung lägen nicht vor. Es fehle jedenfalls am erforderlichen Umstandsmoment. Die Beklagte sei vorgewarnt gewesen und habe zu keinem Zeitpunkt auf die Nichtausübung vertrauen dürfen. Der Kläger hat weiter gemeint, die Kündigung vom 31. Mai 2011 sei bereits wegen fehlerhafter Betriebsratsanhörung unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht über den Inhalt des Arbeitsvertrages informiert worden und die sich hieraus ergebende Kündigungsfrist. Auch sei der beabsichtigte Kündigungszeitpunkt nicht mitgeteilt worden. Die Kündigung sei auch vor Ablauf der einwöchigen Anhörungsfrist erklärt worden. Der Anhörungsbogen sei D D am 27. Mai 2011 per Boten zugegangen. Der Kläger hat weiter gemeint, die Kündigung hätte der Zustimmung des Betriebsrates nach § 103 Abs. 1 BetrVG bedurft. Eine Betriebsschließung würde aufgrund des Betriebsübergangs nicht vorliegen. Der Kläger hat weiter gemeint, die Kündigung sei auch sozial ungerechtfertigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung seien Betriebsleiterstellen konzernintern ausgeschrieben worden. Das Kündigungsschutzgesetz verweise bezüglich Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf das Unternehmen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 27. April 1992 als Betriebsleiter zu beschäftigen.
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.719,20 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2011 zu zahlen.
4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 24.068,80 brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von € 9.843,12 netto, zuzüglich fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. August 2011 zu zahlen.
5. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2011 nicht beendet wird.
6. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 5. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
7. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 10.315,20 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 4.762,80 netto zuzüglich fünf Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. November 2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat Widerklage und Drittwiderklage gegen C Catering B.V. & Co. KG und beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen der Beklagten und dem Kläger bis zum 31. Dezember 2010 bestanden habende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2010 auf die Drittwiderbeklagte übergegangen sei;
2. festzustellen, dass der Kläger und die Drittwiderbeklagte das übergegangene Arbeitsverhältnis vor dem Arbeitsgericht Offenbach durch Abschluss eines Vergleiches im Verfahren 3 Ca 22/11 beendet haben.
Das Arbeitsgericht hat den Drittwiderklageantrag abgetrennt.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat gemeint, aus der Gesamtschau des zwischen dem Kläger und C vor dem Arbeitsgericht am 26. April 2011 geschlossenen Vergleiches sei der Wille der Parteien erkennbar, das im Streit stehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von € 45.000,00 zu beenden. Die Beklagte hat weiter gemeint, ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehe nach dem Vergleichsabschluss vom 26. April 2011 nicht mehr, jedenfalls habe der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt. Der Kläger habe sich immer wieder die Ausübung des Widerspruchsrechtes vorbehalten, ohne es auszuüben. Dies sei vielmehr erst mit Rechtskraft des Vergleiches vom 26. April 2011 geschehen, erkennbar in der Absicht, zur „Zweitverwertung“ des vermeintlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses zu schreiten. Die Ausübung des Widerspruchsrechts sei deshalb auch rechtsmissbräuchlich und wegen Verstoß gegen Treu und Glauben unwirksam.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20. Dezember 2011 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2011 nicht beendet worden ist und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers und zur Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verurteilt. Den Zahlungsklagen hat das Arbeitsgericht nur teilweise stattgegeben für Ansprüche (Annahmeverzug und Urlaubsgeld) im Zeitraum vom 6. Mai bis 31. Oktober 2011. Die Widerklage hat das Arbeitsgericht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass aufgrund evident fehlerhaften Unterrichtungsschreibens der Widerspruch des Klägers gegen den Betriebsübergang nicht verfristet sei. Es hat angenommen, dass der Kläger sein Widerspruchsrecht nicht verwirkt habe. Es fehle an Verhaltensweisen des Klägers, die das Vertrauen der Beklagten begründen konnten, der Kläger werde keinen Widerspruch mehr ausüben. Im Gegenteil, der Kläger habe sich ausdrücklich wiederholt vorbehalten, sein Widerspruchsrecht auszuüben. Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, der Kläger habe auch nicht über sein Arbeitsverhältnis disponiert. Er habe keiner Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Das Arbeitsgericht hat weiter angenommen, dass die Kündigung vom 31. Mai 2011 wegen Verstoßes gegen § 102 Abs. 2 BetrVG unwirksam sei, weil die Beklagte die Wochenfrist vor Ausspruch der Kündigung nicht abgewartet habe.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien innerhalb der zu Protokoll der Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 4. Juli 2012 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Der Kläger wendet sich gegen die Klageabweisung seines Annahmeverzugslohnanspruchs für die Zeit zwischen Betriebsübergang und Ausübung des Widerspruchsrechts. Er meint aus der "ex-tunc-Wirkung“ des Widerspruchs müsse folgen, dass Annahmeverzugslohnansprüche gegen den alten Arbeitgeber möglich seien. Der Kläger wendet gegen die Rechtmäßigkeit der Kündigung vom 31. Mai 2011 ein, dass der Betriebsrat der zuständigen Regionalniederlassung Rhein-Main in E zu beteiligen gewesen wäre, weil er nach Ausübung des Widerspruchs keinem Betrieb zugeordnet wurde. Auch das Bundesarbeitsgericht gehe in seiner Entscheidung vom 22. Mai 2000 – 8 AZR 416/99 – nach Widerspruch von der Zuständigkeit des Betriebsrates am Stammbetrieb aus. Der Kläger meint weiter, er sei zwar als Folge des Widerspruchs aus dem Betriebsrat ausgeschieden, der nachwirkende Kündigungsschutz gemäß § 15 Abs. 2 KSchG entfalle jedoch deshalb nicht, weil es Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten gäbe, was erstinstanzlich nie bestritten worden sei. Der Kläger meint auch, seine Zuordnung zur Niederlassung E mache eine Sozialauswahl erforderlich.
Der Kläger beantragt,
unter teilweiser Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2011 – 4 Ca 3613/11 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 14.326,67 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von € 6.231,60 netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juni 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
das am 20. Dezember 2011 verkündete Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main – 4 Ca 13/11 – teilweise aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte wendet sich gegen die Annahme, der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses wirksam widersprochen und die Feststellung der Unwirksamkeit der vorsorglichen Kündigung vom 31. Mai 2011 nebst der daran anknüpfenden Entscheidungen. Die Beklagte meint, das Widerspruchsrecht des Klägers sei verwirkt. Das Umstandsmoment sei erfüllt. Der Kläger habe im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses disponiert. Bei dem Vergleich des Klägers mit C handele es sich um einen schlichten Abfindungsvergleich, mit dem der Kläger über die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses disponiert habe. Auch habe der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag gegenüber C im Ergebnis nicht weiter verfolgt. Die Beklagte meint weiter, die Ausübung des Widerspruchsrechtes sei auch rechtsmissbräuchlich. Dem Kläger sei es nicht darum gegangen, seine individuelle Arbeitgeber-Wahlfreiheit auszuüben, sondern von dem Betriebsveräußerer und dem Betriebserwerber Zahlungen zu erhalten. Dieses „Maximierungsbestreben“ sei mit dem Gesetzeszweck des § 613a BGB nicht in Einklang zu bringen. Die Beklagte meint weiter, zumindest sei das Arbeitsverhältnis durch die vorsorgliche Kündigung vom 31. Mai 2011 beendet worden. Die bisherige Beschäftigungsmöglichkeit sei aufgrund Betriebsübergangs entfallen. Auch andere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an anderen Standorten bestünden nicht. Die Betriebsratsanhörung sei am 23. Mai 2011 um 15:35 Uhr an den Kläger und um 16:00 Uhr an D D übergeben worden. Der Betriebsrat habe innerhalb der Wochenfrist, das heißt bis zum 30. Mai 2011, keine Stellungnahme abgegeben. Im Übrigen habe es im Zeitpunkt der Kündigung keinen für den Kläger zuständigen Betriebsrat gegeben, so dass ein Verstoß gegen § 102 Abs. 1 BetrVG entfalle. Im Übrigen verteidigt die Beklagte das angegriffene Urteil. Sie meint, der Kläger müsse sich nach § 615 S. 2 BGB das anrechnen lassen, was er von C erhalten habe, nämlich € 45.000,00 brutto = 13 Monatsgehälter. Über die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses haben sich die Parteien im Termin vor dem Berufungsgericht verglichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungen der Parteien sind statthaft ( §§ 8 Abs. 2 , 64 Abs. 1 , Abs. 2 lit. b) und lit. c) ArbGG ), sie sind auch form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden ( §§ 66 Abs. 1 , 64 Abs. 6 ArbGG iVm 517 , 519 , 520 ZPO ) und damit insgesamt zulässig.
In der Sache ist die Berufung des Klägers unbegründet und die Berufung der Beklagten begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat mit dem 31. Dezember 2010 aufgrund Betriebsübergangs geendet. Dem Kläger stehen daher weder ein Weiterbeschäftigungsanspruch, noch Ansprüche auf Annahmverzugslohn für Zeiten nach dem 31. Dezember 2010 zu. Die gegen die vorsorglich ausgesprochene Kündigung der Beklagten vom 31. Mai 2011 gerichtete Kündigungsschutzklage ist ebenfalls unbegründet. Weder im Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung, noch im Zeitpunkt des in der Kündigung genannten Beendigungszeitpunktes liegt ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien vor.
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2010 folgt daraus, dass – wie zwischen den Parteien unstreitig – das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 1. Januar 2011 auf die C Catering B.V. & Co. KG gem. § 613a Abs. 1 BGB übergegangen ist und der Kläger dem Betriebsübergang erst mit Schreiben vom 5. Mai 2011 nach Ablauf der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 S. 1 BGB widersprochen hat – wie zwischen den Parteien ebenfalls unstreitig ist.
Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber übergeht. Erforderlich ist die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit. Der Begriff wirtschaftliche Einheit bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche, den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Die Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (vgl. BAG Urteil vom 15.02.2007 – 8 AZR 431/06 -, AP Nr. 320 zu § 613a BGB im Anschluss an EuGH Urteil vom 11.03.1997 - C-13/95 [Ayse Süzen J EuGH I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach Vortrag des Klägers im Kündigungsschutzprozess gegen C Catering B.V. & Co. KG und nach nicht bestrittenem Vortrag der Beklagten im vorliegenden Verfahren übernahm mit Wirkung zum 1. Januar 2011 C die Bewirtschaftung der Betriebskantine des ehemaligen Kunden A in B der Beklagten. Dabei führte C das Betriebsrestaurant bei dem Kunden A e.G. unverändert in den gleichen Räumen unter Nutzung der bisherigen Betriebsmittel fort. C änderte das Betriebskonzept nicht. C nutzte weiterhin eine Frischeküche und bereitete Speisen unter unveränderter Nutzung der Küche zu. Die Verköstigung erfolgte unverändert im möblierten Speisesaal. C hat sämtliches Küchenequipment wie Geschirr, Theken, Küchengeräte und Kassensystem übernommen und ab dem 1. Februar 2011 identisch weitergenutzt. Die Organisation des Betriebsrestaurants wurde unverändert fortgeführt, wobei auch die Mitarbeiterstruktur im Hinblick auf den Grad der Beschäftigung von Voll- und Teilzeitmitarbeitern erhalten blieb. Speiseangebote, Dienstpläne und Öffnungszeiten sind ebenfalls nahezu unverändert geblieben. Damit sind die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs gegeben. Darüber hinaus ist der Betriebsübergang zwischen den Parteien unstreitig. Bereits dies reicht aus. Die Parteien können bestimmte Tatsachen durch allgemein geläufige, einfache rechtliche Ausdrücke in den Rechtsstreit einführen, wenn diese den Teilnehmern des Rechtsverkehrs geläufig sind und mit ihnen das Vorliegen entsprechender tatsächlicher Umstände verbunden wird. Die Parteien lösen auch auf diese Weise eine Erklärungspflicht der Gegenseite gem. § 138 Abs. 2 ZPO aus. Der Ausdruck „Betriebsübergang“ ist ein in diesem Sinne einfacher und geläufiger rechtlicher Begriff. Mit ihm verbinden die Parteien eines Rechtsstreits, zumal wenn sie, wie hier, anwaltlich vertreten sind, regelmäßig hinreichend konkrete tatsächliche Vorgänge, auf denen der Wechsel der Inhaberschaft beruht. Der Vortrag der Parteien, es habe ein Betriebsübergang auf die C Catering B.V. & Co. KG durch Übernahme der Bewirtschaftung der Betriebskantine des Kunden A stattgefunden, ist als rechtliche Einkleidung entsprechender tatsächlicher Umstände der bindenden Feststellung durch das Gericht zugänglich (vgl. BAG Urteil vom 06.11.2007 – 1 AZR 862/06 – NZA 2008, 542).
Dem Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die C Catering B.V. & Co. KG steht der mit Schreiben vom 5. Mai 2011 erklärte Widerspruch des Klägers nicht entgegen. Das Widerspruchsrecht des Klägers ist verwirkt. Ausgehend davon, dass die Unterrichtung der Beklagten über den bevorstehenden Betriebsübergang mit Schreiben vom 12. November 2010 nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprach, wie es das Arbeitsgericht angenommen hat und wie es auch von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen wurde, gilt, dass der Kläger den Betriebsübergang auch nach Ablauf der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 S. 1 BGB widersprechen kann mit der Folge, dass sein Arbeitsverhältnis nicht übergeht. Allerdings kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Widerspruchrecht des Arbeitnehmers verwirken ( BAG Urteil vom 24.02.2011 – 8 AZR 469/09 – NZA 2011, 17). Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung ( § 242 BGB ). Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruches nicht mehr zuzumuten ist. Die Tatsache, dass der Gesetzgeber eine Widerspruchsfrist eingeführt hat, schließt eine Anwendung der allgemeinen Grundsätze nicht aus, weil jedes Recht nur unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben ausgeübt werden kann. Angesichts der gesetzlichen Regelung kann hinsichtlich des Zeitmoments nicht auf eine feststehende Monatsfrist, beispielsweise von sechs Monaten, abgestellt werden. Im Gesetzgebungsverfahren sind nämlich Vorschläge auf Aufnahme einer generellen Höchstfrist von drei bzw. sechs Monaten nicht aufgegriffen worden. Abzustellen ist vielmehr auf die konkreten Umstände des Einzelfalls. Dabei kann die Länge des Zeitablaufs in Wechselwirkung zu dem ebenfalls erforderlichen Umstandsmoment stehen. Je stärker das gesetzte Vertrauen oder die Umstände, die eine Geltendmachung für den Anspruchsgegner unzumutbar machen, sind, desto schneller kann ein Anspruch verwirken. Es müssen besondere Verhaltensweisen sowohl des Berechtigten, als auch des Verpflichteten vorliegen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben vereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (vgl. BAG Urteil vom 24.02.2011 – 8 AZR 469/09 – a.a.O.). Im Streitfall kann in der erforderlichen Gesamtschau das sogenannte Zeitmoment als erfüllt angesehen werden. Der Kläger hatte jedenfalls am 26. Januar 2011 bei Klageerhebung gegen C Catering B.V. & Co. KG auf Feststellung, dass zwischen ihm und C ein Arbeitsverhältnis bestehe, Kenntnis von allen Tatsachen eines Betriebsübergangs auf C, wie sie auch Gegenstand dieses Rechtsstreites sind. Der Kläger hat sich auch von Anfang an, also bereits mit Schreiben vom 4. Januar 2011 und erneut mit Schreiben vom 15. März 2011 und vom 11. April 2011 die Ausübung seines Widerspruchsrechtes stets vorbehalten. Zuletzt behielt sich der Kläger das Widerspruchsrecht noch im Vergleich vom 26. April 2011 in dem mit C geführten Kündigungsschutzrechtsstreit vor. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes ist gleichwohl auch das Umstandsmoment erfüllt. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts ist nämlich regelmäßig dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer über den Bestand seines Arbeitsverhältnisses dadurch disponiert hat, dass er einen Aufhebungsvertrag mit dem Betriebserwerber geschlossen oder eine von diesem nach dem Betriebsübergang erklärte Kündigung hingenommen hat (vgl. BAG Urteil vom 24.07.2008 – 8 AZR 175/07 – AP Nr. 347 zu § 613a BGB). Nach Ansicht des Berufungsgerichtes hat der Kläger mit dem Vergleich vom 26. April 2011 über sein Arbeitsverhältnis disponiert. In dem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und C, der mit diesem gerichtlichen Vergleich beendet wurde, hatte der Kläger zunächst eine allgemeine Feststellungsklage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses zu C erhoben und sodann eine Kündigungsschutzklage gegen die von C mit Schreiben vom 15. Februar 2011 erklärte Kündigung erhoben. Der Kläger hat C als Betriebserwerber in Anspruch genommen. Es lag auch unstreitig ein Betriebsübergang auf C vor – wie bereits ausgeführt. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Vergleich vom 26. April 2011 nicht als ein Vergleich auf Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung ausgelegt werden kann, so hat der Kläger gleichwohl über sein Arbeitsverhältnis disponiert, indem er sich dahingehend verglichen hat, dass kein Arbeitsverhältnis mit C zustande gekommen sei. Weiter hat der Kläger insofern mit diesem Vergleich über sein Arbeitsverhältnis disponiert, als er durch den Vergleich ebenfalls die Kündigungsschutzklage beendet hat. Der Verwirklichung des Umstandsmomentes steht es auch nicht entgegen, dass der Kläger noch im Vergleich, d.h. in dem Zeitpunkt, indem er über sein Arbeitsverhältnis disponiert hat, erklärt hat, dass er sich einen Widerspruch gegen einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber vorbehalte. Diese Erklärung ist nach Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens ( § 242 BGB ) unbeachtlich. Der Kläger kann nicht einerseits mit dem Betriebserwerber einen Vergleich schließen, dass kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien besteht, das heißt, dass kein Betriebsübergang erfolgt ist und sich andererseits ein Widerspruchsrecht vorbehalten, welches gerade einen Betriebsübergang voraussetzt. Insoweit besteht ein unlösbarer Selbstwiderspruch. Der Widerspruch des Klägers ist daher auch über den Tatbestand der Verwirkung hinaus als widersprüchliches Verhalten, ebenfalls aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ( § 242 BGB ) unbeachtlich.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da er mit Ausnahme des im Teil-Vergleich erledigten Zeugnisses in der Berufungsinstanz in Gänze unterlegen ist ( § 91 ZPO ). Die Kosten erster Instanz waren im Verhältnis des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens zu teilen ( § 92 ZPO ); in der ersten Instanz ist die Beklagte mit der Widerklage unterlegen.
Die Zulassung der Revision erfolgt wegen grundsätzlicher Bedeutung ( § 72 Abs. 2 Ziff. 2 ArbGG ).
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Dr. Martin Hensche Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht Kontakt: 030 / 26 39 620 hensche@hensche.de | |
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Nina Wesemann Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Kontakt: 040 / 69 20 68 04 wesemann@hensche.de |