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LAG Schles­wig-Hol­stein, Ur­teil vom 08.12.2009, 2 Sa 223/09

   
Schlagworte: Aufhebungsvertrag, Anfechtung
   
Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein
Aktenzeichen: 2 Sa 223/09
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 08.12.2009
   
Leitsätze:
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Neumünster, Urteil vom 4.03.2009, 1 Ca 252 b/08
   

Lan­des­ar­beits­ge­richt Schles­wig-Hol­stein

 

Ak­ten­zei­chen: 2 Sa 223/09
1 Ca 252 b/08 ArbG Ne­umüns­ter (Bit­te bei al­len Schrei­ben an­ge­ben!)

 

Verkündet am 08.12.2009

als Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le 

 

Ur­teil

Im Na­men des Vol­kes

In dem Rechts­streit

pp.

hat die 2. Kam­mer des Lan­des­ar­beits­ge­richts Schles­wig-Hol­stein auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 08.12.2009 durch die Präsi­den­tin des Lan­des­ar­beits­ge­richts ... als Vor­sit­zen­de und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer und d. eh­ren­amt­li­chen Rich­ter ... als Bei­sit­zer

für Recht er­kannt:

 

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Die Be­ru­fung der Kläge­rin ge­gen das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter vom 04.03.2009 – 1 Ca 252 b/08 – wird auf ih­re Kos­ten zurück­ge­wie­sen.

Die Re­vi­si­on wird nicht zu­ge­las­sen.

Rechts­mit­tel­be­leh­rung

Ge­gen die­ses Ur­teil ist ein Rechts­mit­tel nicht ge­ge­ben; im Übri­gen wird auf § 72 a ArbGG ver­wie­sen.

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten um die Wirk­sam­keit ei­nes Auf­he­bungs­ver­tra­ges, Lohn­ansprüche auf­grund An­nah­me­ver­zu­ges und Scha­dens­er­satz­ansprüche.

Die am ....1948 ge­bo­re­ne Kläge­rin ar­bei­te­te seit dem 01.09.1999 bei dem Be­klag­ten als Pfle­ge­hel­fe­rin in der Nacht­wa­che. Ihr mo­nat­li­ches Brut­to­ein­kom­men be­trug im Jahr 2007 durch­schnitt­lich 1.376,83 EUR.

Am 21.02.2008 er­hielt die Pfle­ge­dienst­lei­te­rin Frau T. durch die Pfle­ge­kraft Sch. die In­for­ma­ti­on, dass An­schul­di­gun­gen über die Kläge­rin im Um­lauf sei­en. Nach Be­fra­gung meh­re­rer Pfle­ge­kräfte und In­for­ma­ti­on der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung über den Vor­gang be­stell­te Frau T. die Kläge­rin am 22.02.2008 zu ei­nem Per­so­nal­gespräch. Das Gespräch fand am 25.02.2008 statt. Für die Be­klag­te wa­ren der Ein­rich­tungs­lei­ter Herr B., der Lei­ters des Per­so­nal­we­sens Herr U. und Frau T. an­we­send. Da­bei hielt Herr U. der Kläge­rin kon­kre­ti­siert vor, es be­ste­he der Ver­dacht, dass sie ihr im Nacht­dienst an­ver­trau­te Schutz­be­foh­le­ne durch phy­si­sche und psy­chi­sche Ge­walt ver­letz­te. Die Kläge­rin stritt die Vorwürfe ab. Herr U. erklärte je­den­falls, aus sei­ner Sicht blei­be dem Ar­beit­ge­ber nichts an­de­res übrig, als ei­ne frist­lo­se Kündi­gung aus¬zu­spre­chen. Als Al­ter­na­ti­ve bot er der Kläge­rin den Ab­schluss ei­nes Auflösungs­ver­tra­ges an. Nach­dem die Kläge­rin zu­ge­stimmt und et­wa 20 Mi­nu­ten vor der Tür ge­war­tet hat­te, kehr­te der Ein­rich­tungs­lei­ter B. mit dem ge­schrie­be­nen Auflösungs­ver­trag zurück, den die Kläge­rin un­ter­zeich­ne­te. Mit Schrei­ben ih­rer Pro­zess­be­vollmäch-

 

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tig­ten vom 27.02.2008 hat die Kläge­rin den Auflösungs­ver­trag vom 25.02.2008 (Blatt 11 der Ak­te) an­ge­foch­ten.

Die Kläge­rin hat vor­ge­tra­gen, die An­fech­tung des Auf­he­bungs­ver­trags sei we­gen Be­dro­hung be­rech­tigt. Der Be­klag­te ha­be un­be­rech­tigt ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung in Aus­sicht ge­stellt. Die An­fech­tung wer­de auch auf arg­lis­ti­ge Täuschung gestützt. Ihr sei mit­ge­teilt wor­den, dass sie kein Ar­beits­lo­sen­geld er­hal­ten würde, wenn sie den Auflösungs­ver­trag nicht un­ter­schrie­be. Die an dem Gespräch be­tei­lig­ten Her­ren U. und B. so­wie Frau T. hätten ihr sug­ge­riert, dass der Auflösungs­ver­trag für sie die bes­se­re Al­ter­na­ti­ve im Verhält­nis zum Aus­spruch ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung sei. Die­ser ha­be je­doch nur ne­ga­ti­ve Fol­gen, wie die Sperr­zeit beim Ar­beits­lo­sen­geld­be­zug, den Ver­lust der Möglich­keit ei­nes Kündi­gungs­schutz­ver­fah­rens und zu­dem ha­be sie durch die Ge­ne­ral­quit­tung sämt­li­che wei­te­ren Ansprüche ver­lo­ren. Tatsächlich ha­be sie über­haupt nicht rich­tig ver­stan­den, was der Auflösungs­ver­trag für sie be­deu­te und ha­be auch die ihr un­ter­brei­te­ten Vorwürfe auf­grund der Sprach­bar­rie­re nicht rich­tig ver­stan­den ge­habt.

Für den Zeit­raum vom 26. Fe­bru­ar 2008 bis ein­sch­ließlich No­vem­ber 2008 schul­de der Be­klag­te ihr aus­ge­hend vom durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ein­kom­men Lohn­zah­lung in Höhe von 12.538,65 EUR abzüglich er­hal­te­nen Ar­beits­lo­sen­gel­des in Höhe von 4.198,18 EUR.

Die Kläge­rin hat be­an­tragt,

1. fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis durch den Auflösungs­ver­trag vom 25.02.2008 nicht auf­gelöst wor­den ist;

2. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, an die Kläge­rin 12.538,65 EUR brut­to abzüglich an die Bun­des­an­stalt für Ar­beit über­ge­gan­ge­ne 4.198,18 EUR net­to zzgl. Zin­sen in Höhe von 5 Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz aus dem Dif­fe­renz­be­trag seit Rechtshängig­keit zu zah­len;

3. die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, der Kläge­rin über die Mo­na­te Fe­bru­ar 2008 bis ein­sch­ließlich No­vem­ber 2008 Lohn­ab­rech­nun­gen zu er­tei­len, aus der die ab­zuführen­den oder ab­geführ­ten Steu­ern und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträge er­sicht­lich sind;

 

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hilfs­wei­se,

fest­zu­stel­len, dass die Be­klag­te ver­pflich­tet ist, der Kläge­rin sämt­li­chen Scha­den zu er­set­zen, der ihr aus der Tat­sa­chen ent­stan­den, dass sie mit der Be­klag­ten ei­nen Auflösungs­ver­trag mit Be­en­di­gungs­wir­kung zum 29.02.2008 ab­ge­schlos­sen hat.

Der Be­klag­te hat be­an­tragt,

die Kla­ge ab­zu­wei­sen.

Der Be­klag­te hat ei­ne Dro­hung be­strit­ten und vor­ge­tra­gen, Herr U. ha­be le­dig­lich fest­ge­stellt, dass nach sei­ner Auf­fas­sung dem Ar­beit­ge­ber bei dem vor­lie­gen­den Sach­ver­halt nichts an­de­res als ei­ne frist­lo­se Kündi­gung übrig blie­be. Ei­ne Dro­hung wäre je­den­falls nicht wi­der­recht­lich ge­we­sen. Die Kläge­rin ha­be im Nacht­dienst vom 26. auf den 27.01.2008 der Be­woh­ne­rin D. durch körper­li­che Ge­walt ein Häma­tom am lin­ken Ober­arm zu­gefügt. Dies sei am Mor­gen des 27.01.2008 um 11.00 Uhr fest­ge­stellt und do­ku­men­tiert wor­den. Die Kläge­rin ha­be in der be­tref­fen­den Nacht al­lein im Wohn­be­reich 1 ge­ar­bei­tet. In der Nacht vom 28. auf den 29.01.2008 ha­be sie den Be­woh­ne­rin­nen D. und H. ge­walt­sam den Mund geöff­net und ei­nen Löffel in den Mund ge­scho­ben. Am 22.04.2007 ha­be sie die Be­woh­ne­rin S. mit der For­mu­lie­rung an­ge­spro­chen: „Wenn du nicht mehr kannst, dann stirb doch end­lich.“ Außer­dem ha­be sie in die­sem Zu­sam­men­hang die Be­woh­ne­rin S. als „ dum­me Kuh“ be­zeich­net. Die Kläge­rin ha­be die Be­woh­ne­rin R. am 22.04.2007 un­ter An­wen­dung körper­li­cher Ge­walt zur Mund­pfle­ge ge­zwun­gen. Sch­ließlich ha­be die Kläge­rin die Pa­ti­en­ten bei der nächt­li­chen Um­la­ge­rung zum Zwe­cke des Wech­sels des In­kon­ti­nenz­ma­te­ri­als mit körper­li­cher Ge­walt be­wegt, so dass Häma­to­me ent­stan­den sei­en. Je­der der Vorwürfe recht­fer­ti­ge für sich ge­nom­men ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung. Außer­dem feh­le es auch am not­wen­di­gen Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen der an­geb­li­chen wi­der­recht­li­chen Dro­hung und dem Ab­schluss des Auflösungs­ver­tra­ges. Die Kläge­rin ha­be aus frei­en Stücken ent­schie­den, den Auflösungs­ver­trag zu un­ter­schrei­ben. Zu Be­ginn des Per­so­nal­gesprächs ha­be Herr U. dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Kläge­rin ei­nen Ver­tre­ter der Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung hin­zu­zie­hen könne, was die Kläge­rin ab­ge­lehnt ha­be. In der Anhörung der Kläge­rin sei über die so­zi­al­recht­li­chen Fol­gen, ins­be­son­de­re die Aus­wir­kun­gen des Auflösungs­ver­tra­ges auf das Ar-

 

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beits­lo­sen­geld, über­haupt nicht ge­spro­chen wor­den.

Vergütungs­zah­lung ste­he der Kläge­rin schon dem Grun­de nach nicht zu. Der An­trag sei der Höhe nach un­schlüssig. Ei­ne Be­rech­nung auf Ba­sis ei­nes durch­schnitt­li­chen Brut­to­mo­nats­ge­halts kom­me nicht in Be­tracht. Der Hilfs­an­trag sei we­gen feh­len­der Be­stimmt­heit un­zulässig. Ei­ne Pflicht­ver­let­zung sei ihm nicht vor­zu­wer­fen, ein Scha­den sei nicht fest­stell­bar.

Die Kläge­rin hat er­wi­dert, das In­aus­sicht­stel­len ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung sei un­be­rech­tigt ge­we­sen. Die Kol­le­gen, die aus ei­ge­ner An­schau­ung Vorwürfe ge­gen sie erhöben, ver­wech­sel­ten an­schei­nend ein even­tu­el­les re­so­lu­tes Auf­tre­ten mit ge­walt­sa­men Ver­hal­ten. Kei­nes­falls ha­be sie phy­si­sche oder psy­chi­sche nicht ak­zep­ta­ble Ge­walt ge­genüber den Be­woh­nern aus­geübt. Das Häma­tom am lin­ken Ober­arm der Be­woh­ne­rin D. sei be­reits am 23.01.2008 vor­han­den ge­we­sen. Am 26.01.2008 ha­be sie, die Kläge­rin, auch nicht al­lein ge­ar­bei­tet, son­dern mit Frau W.. Häma­to­me träten hin und wie­der auf, auch oh­ne dass ge­walt­sam mit Be­woh­nern um­ge­gan­gen wer­de. Sie ha­be den Be­woh­ne­rin­nen D. und H. nicht vom 28. auf den 29.01.2008 ge­walt­sam den Mund geöff­net und den Löffel in den Mund ge­scho­ben. An die­sen Ta­gen ha­be sie le­dig­lich die Be­woh­ne­rin­nen H. und A. ver­sorgt. Frau D. sei durch Frau Schr. ver­sorgt wor­den. Es sei gar nicht möglich, Frau H. den Löffel ge­walt­sam in den Mund zu schie­ben. Die Be­woh­ne­rin spu­cke das Es­sen wie­der aus, wenn ver­sucht wer­de, es ihr oh­ne vor­he­ri­ge Über­re­dung zu­zuführen. Auch ha­be sie, die Kläge­rin, die Be­woh­ne­rin S. nicht am 22.04.2007 be­lei­digt oder als dum­me Kuh be­zeich­net. Die Mund­pfle­ge bei der Be­woh­ne­rin R. ha­be sie nicht ge­walt­sam durch­geführt, son­dern nur mit sanf­tem Druck. Die Be­hand­lung sei für Frau R. auf­grund ei­nes Pil­zes im Ra­chen­raum le­bens­not­wen­dig ge­we­sen. Der Be­klag­te ha­be auch nicht die persönli­chen Verhält­nis­se der Kläge­rin, dass sie ein be­hin­der­tes Kind pfle­ge und ihr Ehe­mann an Krebs er­krankt sei, berück­sich­tigt. Der Be­triebs­rat sei nicht ord­nungs­gemäß an­gehört wor­den.

Das Ar­beits­ge­richt hat mit dem an­ge­foch­te­nen Ur­teil vom 04.03.2009, auf das hin­sicht­lich der wei­te­ren Ein­zel­hei­ten des erst­in­stanz­li­chen Vor­brin­gens und der Ent­schei­dungs­gründe ver­wie­sen wird, die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Ge­gen die­ses am 22.05.2009 zu­ge­stell­te Ur­teil hat die Kläge­rin am 16.06.2009 Be­ru­fung ein­ge­legt und die­se nach Verlänge­rung am 24.08.2009 be­gründet.

 

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Die Kläge­rin wie­der­holt und ver­tieft ihr erst­in­stanz­li­ches Vor­brin­gen. Wei­ter trägt sie vor, die Vorwürfe des Be­klag­ten be­gründe­ten über­wie­gend ei­nen Ver­dacht, nicht ei­nen Be­weis. Zwi­schen der Mit­ar­bei­te­rin, die die Kläge­rin be­las­tet ha­be, und der Kläge­rin be­ste­he ein schlech­tes Verhält­nis, was auch vor­ge­tra­gen wor­den sei. Der Be­klag­te ha­be le­dig­lich die Mit­ar­bei­ter be­fragt, die den Vor­wurf un­terstütz­ten, nicht die­je­ni­gen, die die Kläge­rin ent­las­ten konn­ten.

Das Ar­beits­ge­richt ha­be die Vorwürfe des Be­klag­ten als wahr un­ter­stellt und dies da­mit be­gründet, dass ein Ge­gen­be­weis nicht er­bracht wor­den sei. Dem Be­klag­ten sei zu­zu­stim­men, dass die Vorwürfe, so sie denn zu­träfen, ei­ne ar­beits­recht­li­che Sank­ti­on for­der­ten. Vor­aus­set­zung ei­ner außer­or­dent­li­chen Kündi­gung sei aber, dass ei­ne Ände­rung des Fehl­ver­hal­tens nicht er­war­tet wer­den könne und ein Fest­hal­ten am Ar­beits­verhält­nis un­ter kei­nen denk­ba­ren Umständen zu­mut­bar sei. Das sei vor­lie­gend aber nicht der Fall. Der Be­klag­te sei ge­hal­ten ge­we­sen, sämt­li­che Umstände in sei­ne Ent­schei­dung ein­zu­be­zie­hen. Da­zu gehöre u.a. die Fra­ge, war­um plötz­lich nach na­he­zu ei­nem Jahr Vorwürfe laut wur­den. Zum be­haup­te­ten Fehl­ver­hal­ten und zum übli­chen Ver­hal­ten der Kläge­rin sei­en kei­ne Er­mitt­lun­gen vor­ge­nom­men wor­den. Die Be­woh­ner, die im Übri­gen im We­sent­li­chen selbst­be­stimmt sei­en, sei­en nicht be­fragt wor­den. Das Ar­beits­ge­richt ha­be die Ver­tei­lung der Be­weis­last nicht hin­rei­chend gewürdigt und nicht berück­sich­tigt, dass nur die Aus­sa­ge der Frau Ka. vor­lie­ge. Die er­ho­be­nen Vorwürfe sei­en un­zu­tref­fend.

Zwar sei der Be­triebs­rat vor ei­nem Auf­he­bungs­ver­trag nicht an­zuhören. Der Kläge­rin sei aber erklärt wor­den, der Be­triebs­rat sei un­ter­rich­tet wor­den und es sei ei­ne außer­or­dent­li­che Kündi­gung be­ab­sich­tigt. Da­mit sei ei­ne Be­triebs­rats­anhörung sug­ge­riert wor­den, was für die Ent­schei­dung über den Auf­he­bungs­ver­trag von Be­deu­tung sei.

Die Kläge­rin be­an­tragt,

das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Ne­umüns­ter vom 04.03.2009 – 1 Ca 252 b/08 - ab­zuändern und nach den Schluss­anträgen 1. In­stanz zu er­ken­nen.

Der Be­klag­te be­an­tragt,

die Be­ru­fung zurück­zu­wei­sen.

 

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Er ver­tei­digt das an­ge­foch­te­ne Ur­teil und trägt wei­ter vor, die Kläge­rin sei nicht wi­der­recht­lich be­droht wor­den. Die er­ho­be­nen Vorwürfe sei­en gra­vie­rend. Je­der verständi­ge Ar­beit­ge­ber hätte bei die­ser Sach­la­ge den Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung er­wo­gen. Der Sach­ver­halt sei von dem Be­klag­ten er­mit­telt wor­den. Die Kläge­rin ha­be nicht dar­ge­legt, wel­che – kon­kre­ten - Ge­gen­be­wei­se der Be­klag­te hätte er­he­ben müssen.
Die Kläge­rin sei auch nicht getäuscht wor­den. Ein Be­triebs­rat exis­tie­re nicht, son­dern ei­ne Mit­ar­bei­ter­ver­tre­tung (MAV). Der Kläge­rin sei le­dig­lich mit­ge­teilt wor­den, dass die MAV un­ter­rich­tet wor­den sei. Ihr sei auch ge­sagt wor­den, sie könne ein Mit­glied der MAV zum Gespräch hin­zu­zie­hen.
So­weit die Kläge­rin ih­ren erst­in­stanz­li­chen An­trag zu 2 wei­ter­ver­fol­ge, sei dies Be­geh­ren nicht be­gründet wor­den. Zu­dem ha­be der Be­klag­te die Be­rech­nung be­reits erst­in­stanz­lich be­strit­ten, oh­ne dass die Kläge­rin sich da­mit aus­ein­an­der ge­setzt ha­be. Ein Ab­rech­nungs­an­spruch (An­trag zu 3) be­ste­he nicht, zu­mal das Ar­beits­verhält­nis be­en­det sei. Auch zum Hilfs­an­trag ha­be die Kläge­rin die Be­ru­fung nicht be­gründet.

Ergänzend wird auf den In­halt der Ak­ten, ins­be­son­de­re die wech­sel­sei­ti­gen Schriftsätze mit An­la­gen und Erklärun­gen zu Pro­to­koll, Be­zug ge­nom­men.

Ent­schei­dungs­gründe

Die Be­ru­fung ist zulässig. Sie ist dem Be­schwer­de­wert nach statt­haft so­wie form- und frist­ge­recht ein­ge­legt und hin­sicht­lich der Haupt­anträge be­gründet wor­den, §§ 64 Abs. 2 lit. b; 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sa­che selbst hat die Be­ru­fung in­des­sen kei­nen Er­folg.

Das Ar­beits­verhält­nis ist, wie das Ar­beits­ge­richt zu­tref­fend aus­geführt hat, durch den Auf­he­bungs­ver­trag vom 25.02.2009 be­en­det wor­den. Gründe zur An­fech­tung nach § 123 BGB be­ste­hen nicht. In­so­weit wird zur Ver­mei­dung von Wie­der­ho­lun­gen auf die an­ge­foch­te­ne Ent­schei­dung ver­wie­sen.

Le­dig­lich ergänzend sei dar­auf hin­ge­wie­sen, dass es nicht aus­reicht, wenn die Kläge­rin Leu­munds­zeu­gen für ihr all­ge­mei­nes Ver­hal­ten im Dienst be­nennt. Viel­mehr

 

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kam es dar­auf an, dass die Kläge­rin ei­ne wi­der­recht­li­che Dro­hung nach­wies. Dass die Dro­hung wi­der­recht­lich war, hat die Kläge­rin aber nicht sub­stan­ti­iert dar­ge­legt. Der Be­klag­te hat be­reits erst­in­stanz­lich dar­ge­legt, wie sich der Gang ih­rer Er­mitt­lun­gen vom ers­ten Gerücht über Be­fra­gun­gen der ein­zel­nen Mit­ar­bei­ter bis hin zu dem Gespräch mit der Kläge­rin ge­stal­te­te. Da­bei hat­te sich er­ge­ben, dass meh­re­re Mit­ar­bei­te­rin­nen gro­bes Ver­hal­ten der Kläge­rin ge­genüber Be­woh­ne­rin­nen wahr­ge­nom­men hat­ten, nicht nur die Mit­ar­bei­te­rin Ka.. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Kläge­rin hätte je­der verständi­ge Ar­beit­ge­ber an­ge­sichts der Schwe­re der Vorwürfe ei­ne außer­or­dent­li­che frist­lo­se Kündi­gung, § 626 BGB, ernst­haft in Erwägung ge­zo­gen.

Die Kläge­rin hat nicht dar­ge­legt, aus wel­chen Gründen die kon­kre­ten Vorwürfe nicht zu­tref­fen können. Sie hat le­dig­lich all­ge­mei­ne Ausführun­gen ge­macht und wie­der­um auf die Leu­munds­zeu­gin­nen ver­wie­sen. So­weit die Kläge­rin in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung be­haup­tet hat, sie ha­be mit Frau Ka. nie zu­sam­men ge­ar­bei­tet, kann dies nach dem ei­ge­nen Vor­brin­gen der Kläge­rin nicht zu­tref­fen. Die Kläge­rin trägt nämlich erst­in­stanz­lich vor, sie ha­be die­se Kol­le­gin mehr­fach auf­for­dern müssen, ih­re Ar­beit or­dent­lich zu ma­chen. Wie das der Fall sein soll, wenn die Kläge­rin doch nie mit die­ser Mit­ar­bei­te­rin zu­sam­men ge­ar­bei­tet ha­ben will, er­sch­ließt sich nicht. Im Ge­gen­teil scheint es so­gar sehr en­ge Kon­tak­te zwi­schen bei­den ge­ge­ben zu ha­ben, sonst wäre die Schil­de­rung im Schrift­satz vom 26.05.2008 nicht nach­voll­zieh­bar.

Die Kläge­rin über­sieht, dass der Be­klag­te die Be­rech­ti­gung der Vorwürfe an­ge­sichts des ab­ge­schlos­se­nen Auf­he­bungs­ver­trags nicht mehr be­wei­sen muss. Die Kläge­rin muss viel­mehr dar­le­gen und ggf. be­wei­sen, dass sie wi­der­recht­lich mit dem Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung be­droht wor­den ist. Da­bei ist es ih­re Sa­che, nach­zu­wei­sen, dass der Kennt­nis­stand des Be­klag­ten tatsächlich die Über­le­gun­gen zum Aus­spruch ei­ner frist­lo­sen Kündi­gung recht­fer­tig­te.

Sie hat sich auch nicht da­mit aus­ein­an­der ge­setzt, dass der Be­klag­te als An­la­ge zum Schrift­satz vom 23.07.2008 Gesprächs­pro­to­kol­le (Bl. 64 bis 67 d.A.) vor­ge­legt hat, in de­nen der Sach­ver­halt, so wie er dem Be­klag­ten zur Kennt­nis ge­langt ist, ge­schil­dert wird.

Da der An­fech­tungs­an­trag der Kläge­rin nicht Er­folg hat, ist auch die Zah­lungs­kla­ge und der An­trag auf Er­tei­lung von Lohn­ab­rech­nun­gen ab­zu­wei­sen.

 

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Ab­zu­wei­sen ist ins­be­son­de­re der hilfs­wei­se Fest­stel­lungs­an­trag, den die Kläge­rin we­der erst­in­stanz­lich noch mit der Be­ru­fung be­gründet hat. Es ist nicht nach­voll­zieh­bar, wel­che mögli­chen Schäden der Be­klag­ten im Fall der Ab­wei­sung der Haupt­anträge er­set­zen müss­te. Wenn der Auf­he­bungs­ver­trag nicht rechts­wid­rig war, kommt ein Scha­den­er­satz­an­spruch nicht in Be­tracht. Die Kam­mer sieht sich in die­sem Zu­sam­men­hang ver­an­lasst, dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Erklärung der Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung, sie ha­be den An­trag vor­sorg­lich ge­stellt, oh­ne ihn über­haupt annähernd präzi­sie­ren zu können, mit der an­walt­li­chen Sorg­falts­pflicht nicht in Ein­klang ste­hen dürf­te. Der­ar­ti­ge Anträge müssen, da sie Kos­ten auslösen, wohl be­dacht sein.

Die Be­ru­fung ist da­her mit der Kos­ten­fol­ge aus § 97 ZPO zurück­zu­wei­sen.

Gründe für die Zu­las­sung der Re­vi­si­on sind nicht er­sicht­lich. Dies gilt auch, so­weit die Kläger­ver­tre­te­rin in der Be­ru­fungs­ver­hand­lung aus­geführt hat, es müsse die Be­rech­ti­gung der Aus­gleichs­quit­tung im Auf­he­bungs­ver­trag ge­prüft wer­den. Et­wai­ge Ansprüche der Kläge­rin, die da­mit ab­ge­schnit­ten sein könn­ten, wa­ren nicht Ge­gen­stand des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens. Die Kläge­rin hat ins­be­son­de­re, ent­ge­gen der anfäng­li­chen Be­haup­tung ih­rer Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten, ein Zeug­nis er­hal­ten.

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