HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

BAG, Ur­teil vom 09.06.2011, 6 AZR 132/10

   
Schlagworte: Kündigung, Betriebsrat
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 6 AZR 132/10
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 09.06.2011
   
Leitsätze: Wird ein Arbeitnehmer eines öffentlichen Arbeitgebers von diesem einer in der Rechtsform einer GmbH gebildeten Arbeitsgemeinschaft zur Dienstleistung zugewiesen, ist grundsätzlich vor der Kündigung des Arbeitnehmers nicht der bei der Arbeitsgemeinschaft gebildete Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anzuhören, sondern der beim Arbeitgeber errichtete Personalrat zu beteiligen.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt, Urteil vom 22.01.2009, 1 Ca 7211/08
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 18.12.2009, 19/3 Sa 323/09
   

BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT

6 AZR 132/10

19/3 Sa 323/09

Hes­si­sches

Lan­des­ar­beits­ge­richt

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am 9. Ju­ni 2011

UR­TEIL

Gaßmann, Ur­kunds­be­am­tin der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Be­klag­te, Be­ru­fungskläge­rin und Re­vi­si­onskläge­rin,

pp.

Kläger, Be­ru­fungs­be­klag­ter und Re­vi­si­ons­be­klag­ter,

hat der Sechs­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 9. Ju­ni 2011 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Fi­scher­mei­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Dr. Brühler, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Spel­ge so­wie den eh­ren­amt-


- 2 -

li­chen Rich­ter Dr. Au­gat und die eh­ren­amt­li­che Rich­te­rin Jer­chel für Recht er­kannt:

1. Auf die Re­vi­si­on der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 18. De­zem­ber 2009 - 19/3 Sa 323/09 - auf­ge­ho­ben.

2. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten wird das Ur­teil des Ar­beits­ge­richts Frank­furt am Main vom 22. Ja­nu­ar 2009 - 1 Ca 7211/08 - ab­geändert:

Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen.

3. Der Kläger hat die Kos­ten des Rechts­streits zu tra­gen.

Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten über die Wirk­sam­keit ei­ner or­dent­li­chen Kündi

gung der Be­klag­ten während der Pro­be­zeit.

Die be­klag­te Stadt schloss mit der Agen­tur für Ar­beit F am

22. De­zem­ber 2004 ei­nen Ver­trag über die Gründung und Aus­ge­stal­tung ei­ner Ar­beits­ge­mein­schaft (AR­GE) gemäß § 44b des Zwei­ten Bu­ches So­zi­al­ge­setz­buch (SGB II) in der Rechts­form ei­ner GmbH und mit dem Na­men „R GmbH“ (R GmbH). Die­se wur­de am 31. März 2005 ins Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. Als Ge­gen­stand des Un­ter­neh­mens ist ua. an­ge­ge­ben: „Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben der Grund­si­che­rung für Ar­beits­su­chen­de, so­weit die­se den Ge­sell­schaf­tern gemäß dem SGB II ob­lie­gen und die der Ge­sell­schaft durch Ge­setz zu­ge­wie­sen sind oder ihr von den Ge­sell­schaf­tern ver­trag­lich über­tra­gen wer­den, so­fern die Über­tra­gung der Auf­ga­be recht­lich zulässig ist.“ Im An­hang 3 des Ver­trags zwi­schen der Be­klag­ten und der Agen­tur für Ar­beit F vom 22. De­zem­ber 2004 über die an­ge­streb­te Zu­sam­men­ar­beit im Rah­men ei­ner Ar­beits­ge­mein­schaft nach § 44b SGB II (Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trag) heißt es ua.:


- 3 -

„Fol­gen­de Grundsätze der per­so­nel­len Zu­sam­men­ar­beit sol­len für die Ar­beit der AR­GE ver­bind­lich sein:

1. Die Ver­trags­part­ner stel­len das not­wen­di­ge Per­so­nal
zur Erfüllung der ihr über­tra­ge­nen Auf­ga­ben zur Verfügung.

Die erst­ma­li­ge Per­so­nal­zu­wei­sung der Mit­ar­bei­ter der Stadt F er­folgt - in di­rek­tem zeit­li­chen Zu­sam­men­hang mit der Tätig­keits­auf­nah­me durch die AR­GE am 1. Ja­nu­ar 2005 - im Fal­le der Be­am­ten auf der Grund­la­ge des § 123 a Abs. 2 BRRG, im Fal­le der An­ge­stell­ten auf der Grund­la­ge des § 12 BAT. Die Zu­wei­sung von An­ge­stell­ten der Stadt F ist nur mit de­ren Zu­stim­mung möglich. Dienst­herr bzw. Ar­beit­ge­ber der ent­sand­ten Be­am­ten und An­ge­stell­ten bleibt der bis­he­ri­ge Dienst­herr bzw. Ar­beit­ge­ber. Die AR­GE ist nicht dienst­her­renfähig. Die Rechts­stel­lung der Be­am­ten und An­ge­stell­ten bleibt un­berührt. Le­dig­lich die fach­li­che Wei­sungs­be­fug­nis geht auf den Geschäftsführer der AR­GE über (sie­he un­ten Zif­fer 3).

2. Die Agen­tur für Ar­beit F stellt das Per­so­nal im We­ge
ei­nes Dienst­leis­tungsüber­las­sungs­ver-tra­ges, der mit der Geschäftsführung der AR­GE ab­ge­schlos­sen wird.

3. Die Geschäftsführung der AR­GE ob­liegt dem/der noch zu be­stel­len­den Geschäftsführer/in (§ 44b Abs. 2 SGB II). Der/die Geschäftsführer/in der AR­GE soll hin­sicht­lich der Mit­ar­bei­ter/in­nen nur die fach­li­che Wei­sungs­be­fug­nis er­hal­ten, d. h. ihm/ihr wird durch die Ver­trags­part­ner das Di­rek­ti­ons­recht hin­sicht­lich der Ar­beits­pflicht zur Ausführung der über­tra­ge­nen Auf­ga­ben bzw. das fach­li­che Wei­sungs­recht über­tra­gen. Die Ver­trags­part­ner blei­ben Dienst­vor­ge­setz­te ih­rer je­wei­li­gen Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter. ...

4. Art, Um­fang und Qua­li­fi­ka­ti­on des von der AR­GE benötig­ten Per­so­nals wer­den in ei­nem Ka­pa­zitäts-und Qua­li­fi­ka­ti­ons­plan fest­ge­legt. Die Grund­la­ge hierfür bil­den die als An­la­gen bei­gefügten Stel­len­pro­fi­le. Bei der Fest­le­gung ist auf ei­ne möglichst ho­he Kon­ti­nuität bei der Auf­ga­ben­wahr­neh­mung zu ach­ten. ... Der Ka­pa­zitäts- und Qua­li­fi­ka­ti­ons­plan ist Be­stand­teil des Fi­nanz­pla­nes (sie­he An­hang 2 Zif­fer 1) und wird die­sem als An­la­ge bei­gefügt. Die Ta­ri­fie­rung der Mit­ar­bei­ter der Agen­tur für Ar­beit F in der AR­GE wer­den durch die­se Re­ge­lung nicht


- 4 -

berührt.“

Die RMJ GmbH verfügte mit Aus­nah­me des Geschäftsführers über kein

ei­ge­nes Per­so­nal. Der Geschäftsführer konn­te den zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mern fach­li­che Wei­sun­gen er­tei­len, hat­te aber kei­ne wei­ter­ge­hen­den Kom­pe­ten­zen im per­so­nel­len und so­zia­len Be­reich.

Die Be­klag­te und der Per­so­nal­rat ih­res Ju­gend- und So­zi­al­amts re­gel-

ten am 15. März 2005 in ei­ner Rah­men­ver­ein­ba­rung ua. Fol­gen­des:

„§ 6

Si­che­rung der In­ter­es­sen­ver­tre­tung

(1) Die bei der R GmbH ein­ge­setz­ten städti­schen Beschäftig­ten blei­ben un­verändert wei­ter­hin Ar­beit-neh­mer/in­nen und Be­am­te/in­nen des Ju­gend- und So­zi­al­am­tes. Sie ha­ben so­mit ge­genüber dem Ar­beit­ge­ber/Dienst­herr Stadt F An­spruch auf Erfüllung ih­rer ar­beits- bzw. be­am­ten­recht­li­chen Ansprüche. Ins­be­son­de­re gehören die­se Be­diens­te­ten auch wei­ter­hin zu den Beschäftig­ten im Sin­ne der §§ 3 ff. HPVG. Das HPVG wie auch die Be­stim­mun­gen des HGIG und des SGB IX (Schwer­be­hin­der­ten­recht) und die dort ge­re­gel­ten Be­tei­li­gungs- und In­for­ma­ti­ons­rech­te gel­ten da­her un­ver­min­dert fort. Der Per­so­nal­rat des Ju­gend- und So­zi­al­am­tes bleibt wei­ter­hin die für sie zuständi­ge In­ter­es­sen­ver­tre­tung.

...“

Am 12. Fe­bru­ar 2008 schlos­sen die Be­klag­te und der Kläger ei­nen Ar-

beits­ver­trag für die Zeit vom 1. April 2008 bis zum 31. De­zem­ber 2010. In § 4 des Ver­trags ist ge­re­gelt, dass die Pro­be­zeit gemäß § 30 Abs. 4 TVöD sechs Mo­na­te beträgt. Die Be­klag­te wies den Kläger mit sei­nem Ein­verständ­nis der R GmbH zur Dienst­leis­tung zu. Bei die­ser fand am 13. Au­gust 2008 ei­ne Be­triebs­rats­wahl statt, nach­dem das Ar­beits­ge­richt Frank­furt am Main den An­trag der R GmbH auf Ab­bruch der Wahl mit Be­schluss vom 31. Ju­li 2008 (- 14 BV­Ga 542/08 -) zurück­ge­wie­sen hat­te und die Be­schwer­de der R GmbH ge­gen die­sen Be­schluss am 7. Au­gust 2008 vor dem Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richt (- 9 TaBV­Ga 188/08 -) kei­nen Er­folg hat­te. Die R GmbH, der zum Zeit­punkt der


- 5 -

Be­triebs­rats­wahl ca. 400 Ar­beit­neh­mer zu­ge­wie­sen bzw. über­las­sen wa­ren, focht die Wahl beim Ar­beits­ge­richt an.

Die Be­klag­te kündig­te mit ei­nem dem Kläger am sel­ben Tag zu-

ge­gan­ge­nen Schrei­ben vom 22. Sep­tem­ber 2008 das Ar­beits­verhält­nis or­dent­lich zum 31. Ok­to­ber 2008. Vor der Kündi­gung hat­te die Be­klag­te den Per­so­nal­rat ih­res Ju­gend- und So­zi­al­amts be­tei­ligt. Den am 13. Au­gust 2008 bei der R GmbH gewähl­ten Be­triebs­rat hat­te sie nicht an­gehört. Das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt erklärte mit Be­schluss vom 3. Sep­tem­ber 2009 (- 9 TaBV 64/09 -) die von der R GmbH gemäß § 19 Abs. 1 Be­trVG an­ge­foch­te­ne Be­triebs­rats­wahl für ungültig. Die Nich­tig­keit der Wahl stell­te es nicht fest.

Der Kläger hat ge­meint, die Kündi­gung der Be­klag­ten vom

22. Sep­tem­ber 2008 sei gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG un­wirk­sam. Die Be­klag­te hätte vor der Kündi­gung den am 13. Au­gust 2008 gewähl­ten Be­triebs­rat der R GmbH anhören müssen. Die er­folg­rei­che An­fech­tung der Be­triebs­rats­wahl ha­be nach Ab­schluss des An­fech­tungs­ver­fah­rens nur für die Zu­kunft ge­wirkt.

Der Kläger hat be­an­trag

fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den

Par­tei­en durch die or­dent­li­che Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Sep­tem­ber 2008 nicht auf­gelöst wor­den ist.

Die Be­klag­te hat zu ih­rem Kla­ge­ab­wei­sungs­an­trag die Auf­fas­sung ver-

tre­ten, sie ha­be als Körper­schaft des öffent­li­chen Rechts gemäß § 130 Be­trVG vor der Kündi­gung nicht den bei der R GmbH gewähl­ten Be­triebs­rat, son­dern nur den bei ih­rem Ju­gend- und So­zi­al­amt er­rich­te­ten Per­so­nal­rat be­tei­li­gen müssen. Mit der Agen­tur für Ar­beit F ha­be sie zur Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben der Grund­si­che­rung für Ar­beits­su­chen­de kei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb iSd. Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes un­ter­hal­ten.

Die Vor­in­stan­zen ha­ben der Kla­ge statt­ge­ge­ben. Mit der vom Lan­des-

ar­beits­ge­richt zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on ver­folgt die Be­klag­te ihr Ziel der Kla­ge­ab­wei­sung wei­ter. Der Kläger be­an­tragt, die Re­vi­si­on der Be­klag­ten zurück­zu­wei­sen.

- 6 -

Ent­schei­dungs­gründe

Die Re­vi­si­on der Be­klag­ten hat Er­folg. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Die

Vor­in­stan­zen ha­ben ihr des­halb zu Un­recht statt­ge­ge­ben.

I. Das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en ist durch die or­dent­li­che Kündi­gung

der Be­klag­ten vom 22. Sep­tem­ber 2008 gemäß § 30 Abs. 4 Satz 2 TVöD nach Ab­lauf der Kündi­gungs­frist von zwei Wo­chen zum Mo­nats­schluss und da­mit zum 31. Ok­to­ber 2008 auf­gelöst wor­den. Das Kündi­gungs­schrei­ben der Be­klag­ten ist dem zum 1. April 2008 von der Be­klag­ten ein­ge­stell­ten Kläger noch am 22. Sep­tem­ber 2008 zu­ge­gan­gen. Die Kündi­gung ist da­mit in­ner­halb der im Ar­beits­ver­trag ver­ein­bar­ten sechs­mo­na­ti­gen Pro­be­zeit erklärt wor­den. Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers und der An­nah­me des Lan­des­ar­beits­ge­richts ist die Kündi­gung nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG un­wirk­sam. Die Be­klag­te muss­te vor der Kündi­gung nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG den bei der R GmbH am 13. Au­gust 2008 gewähl­ten Be­triebs­rat anhören.

1. Al­ler­dings hätte der am 13. Au­gust 2008 bei der R GmbH gewähl­te

Be­triebs­rat gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG vor der Kündi­gung an­gehört wer­den müssen, wenn die R GmbH Ar­beit­ge­be­rin des Klägers ge­we­sen wäre. Das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt hat mit Be­schluss vom 3. Sep­tem­ber 2009 die von der R GmbH an­ge­foch­te­ne Be­triebs­rats­wahl vom 13. Au­gust 2008 zwar für ungültig erklärt. Es hat je­doch nicht die Nich­tig­keit die­ser Wahl fest­ge­stellt. Die er­folg­rei­che An­fech­tung der Be­triebs­rats­wahl hat­te da­mit kei­ne rück­wir­ken­de Kraft, son­dern wirk­te nur für die Zu­kunft (BAG 13. März 1991 - 7 ABR 5/90 - BA­GE 67, 316, 318; 29. Mai 1991 - 7 ABR 67/90 - BA­GE 68, 74; Fit­ting/En­gels/Schmidt/Tre­bin­ger/Lin­sen­mai­er Be­trVG 25. Aufl. § 19 Rn. 49; Thüsing in Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. § 19 Rn. 62; WPK/Wlotz­ke Be­trVG 4. Aufl. § 19 Rn. 21). Die Ungültig­keit der Be­triebs­rats­wahl vom 13. Au­gust 2008 hätte der Durchführung des Anhörungs­ver­fah­rens des­halb nicht ent­ge­gen­ge­stan­den.


- 7 -

Die R GmbH war je­doch nicht Ar­beit­ge­be­rin des Klägers. Die­ser hat den Ar­beits­ver­trag vom 12. Fe­bru­ar 2008 mit der Be­klag­ten ge­schlos­sen.

2. Ent­ge­gen der An­sicht des Klägers war der am 13. Au­gust 2008 bei der

R GmbH gewähl­te Be­triebs­rat nicht des­halb gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Be­trVG vor der Kündi­gung zu hören, weil der Kläger zum Kündi­gungs­zeit­punkt in ei­nem ge­mein­sa­men Be­trieb der Be­klag­ten und der Agen­tur für Ar­beit F beschäftigt war. Die Be­klag­te und die Agen­tur für Ar­beit F ha­ben zur Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben der Grund­si­che­rung für Ar­beits­su­chen­de kei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb iSd. Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes und des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes un­ter­hal­ten. Sie ha­ben viel­mehr zu die­sem Zweck die R GmbH als Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men ge­gründet, der sie Per­so­nal zu­ge­wie­sen bzw. über­las­sen ha­ben.

a) Der Um­stand, dass der am 13. Au­gust 2008 bei der R GmbH gewähl­te
Be­triebs­rat erst mit der rechts­ge­stal­ten­den Fest­stel­lung der Ungültig­keit der Be­triebs­rats­wahl durch das Hes­si­sche Lan­des­ar­beits­ge­richt am 3. Sep­tem­ber 2009 (- 9 TaBV 64/09 -) sein Amt ver­lo­ren hat, recht­fer­tigt zwar die An­nah­me, dass je­den­falls bis zu die­sem Zeit­punkt auch vom Be­ste­hen ei­nes Be­triebs iSd. Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes aus­zu­ge­hen ist, je­doch nicht den Schluss, dass der Be­triebs­rat für ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb der Be­klag­ten und der Agen­tur für Ar­beit F gewählt wor­den ist.

b) Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts (BAG
14. De­zem­ber 1994 - 7 ABR 26/94 - BA­GE 79, 47; 24. Ja­nu­ar 1996 - 7 ABR 10/95 - BA­GE 82, 112), der sich das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­schlos­sen hat (BVerwG 13. Ju­ni 2001 - 6 P 8.00 - BVerw­GE 114, 313), ist von ei­nem ge­mein­sa­men Be­trieb meh­re­rer Un­ter­neh­men aus­zu­ge­hen, wenn die in ei­ner Be­triebsstätte vor­han­de­nen ma­te­ri­el­len und im­ma­te­ri­el­len Be­triebs­mit­tel für ei­nen ein­heit­li­chen ar­beits­tech­ni­schen Zweck zu­sam­men­ge­fasst, ge­ord­net und ge­zielt ein­ge­setzt wer­den und der Ein­satz der men­sch­li­chen Ar­beits­kraft von ei­nem ein­heit­li­chen Lei­tungs­ap­pa­rat ge­steu­ert wird. Da­zu müssen sich die be­tei­lig­ten Un­ter­neh­men zu­min­dest still­schwei­gend zu ei­ner ge­mein­sa­men Führung recht­lich ver­bun­den ha­ben. Die­se ein­heit­li­che Lei­tung muss sich auf


- 8 -

die we­sent­li­chen Funk­tio­nen ei­nes Ar­beit­ge­bers in so­zia­len und per­so­nel­len An­ge­le­gen­hei­ten er­stre­cken. Zu den we­sent­li­chen, be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich re­le­van­ten Ent­schei­dun­gen ei­nes Ar­beit­ge­bers gehören zB Ein­stel­lun­gen, Ent­las­sun­gen, Ver­set­zun­gen oder die An­ord­nung von Über­stun­den (Fran­zen GK-Be­trVG 9. Aufl. § 1 Rn. 49).

aa) An ei­nem ge­mein­sa­men Be­trieb müssen nicht aus­sch­ließlich (ju­ris­ti-

sche) Per­so­nen des Pri­vat­rechts, son­dern können auch An­stal­ten und Körper­schaf­ten des öffent­li­chen Rechts be­tei­ligt sein (vgl. BVerwG 13. Ju­ni 2001 - 6 P 8.00 - BVerw­GE 114, 313). Maßge­bend ist, dass sich die Be­triebsführung auf der Grund­la­ge ei­ner pri­vat­recht­li­chen Ver­ein­ba­rung voll­zieht (vgl. BAG 24. Ja­nu­ar 1996 - 7 ABR 10/95 - BA­GE 82, 112).

bb) Ob ei­ne ein­heit­li­che Lei­tung hin­sicht­lich we­sent­li­cher Ar­beit­ge­ber­be­fug-

nis­se prak­ti­ziert wird, ent­schei­det die in­ner­be­trieb­li­che Ent­schei­dungs­fin­dung und de­ren in­ner­be­trieb­li­che Um­set­zung in per­so­nel­len und so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten, durch die der je­wei­li­ge ar­beits­tech­ni­sche Zweck ver­folgt wird (BAG 24. Ja­nu­ar 1996 - 7 ABR 10/95 - BA­GE 82, 112, 120). Die für die ein­heit­li­che Lei­tung in al­len we­sent­li­chen per­so­nel­len und so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten er­for­der­li­che, aus­drück­lich oder kon­klu­dent ge­trof­fe­ne Lei­tungs­ver­ein­ba­rung führt nicht zur Schaf­fung ei­nes ein­heit­li­chen Recht­strägers (Ri­char­di in Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. § 1 Rn. 62 und Rn. 66). Die Rechts­fi­gur des ge­mein­schaft­li­chen Be­triebs meh­re­rer Un­ter­neh­men wäre an­sons­ten ent­behr­lich (BAG 24. Ja­nu­ar 1996 - 7 ABR 10/95 - aaO; BVerwG 13. Ju­ni 2001 - 6 P 8.00 - BVerw­GE 114, 313).

cc) Die­se zum Ge­mein­schafts­be­trieb ent­wi­ckel­ten Grundsätze gel­ten auch

nach dem In­kraft­tre­ten des Be­triebs­ver­fas­sungs­re­form­ge­set­zes 2001 wei­ter (BAG 11. Fe­bru­ar 2004 - 7 ABR 27/03 - BA­GE 109, 332; 25. Mai 2005 - 7 ABR 38/04 - EzA Be­trVG 2001 § 1 Nr. 3). Der Ge­setz­ge­ber hat in § 1 Abs. 2 Be­trVG in der seit dem 28. Ju­li 2001 gel­ten­den Fas­sung des Ge­set­zes zur Re­form des Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­set­zes vom 23. Ju­li 2001 den Be­griff des ge­mein­sa­men Be­triebs meh­re­rer Un­ter­neh­men nicht ei­genständig de­fi­niert. Er hat un­ter Zu­grun­de­le­gung des von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Be­griffs ge­re­gelt,


- 9 -

dass un­ter den ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen ein ge­mein­sa­mer Be­trieb meh­re­rer Un­ter­neh­men - wi­der­leg­bar - ver­mu­tet wird. Das ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 Be­trVG der Fall, wenn zur Ver­fol­gung ar­beits­tech­ni­scher Zwe­cke die Be­triebs­mit­tel so­wie die Ar­beit­neh­mer von den Un­ter­neh­men ge­mein­sam ein­ge­setzt wer­den.

c) An den Merk­ma­len ei­nes Ge­mein­schafts­be­triebs ge­mes­sen hat zum

Kündi­gungs­zeit­punkt kein ge­mein­sa­mer Be­trieb der Be­klag­ten und der Ar­beits­agen­tur F als be­triebs­ratsfähi­ge Or­ga­ni­sa­ti­ons­ein­heit be­stan­den. Viel­mehr ha­ben die Be­klag­te und die Agen­tur für Ar­beit F zur Aus­ge­stal­tung und Or­ga­ni­sa­ti­on ih­rer Ar­beits­ge­mein­schaft gemäß § 44b SGB II als Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men die R GmbH ge­gründet und die­ser zur Wahr­neh­mung ih­rer Auf­ga­be, die Grund­si­che­rung für Ar­beits­su­chen­de zu gewähr­leis­ten, je­weils ei­ge­nes Per­so­nal zur Verfügung ge­stellt. Die Ver­mu­tungs­re­gel des § 1 Abs. 2 Nr. 1 Be­trVG, wo­nach ein ge­mein­sa­mer Be­trieb meh­re­rer Un­ter­neh­men dann ver­mu­tet wird, wenn zur Ver­fol­gung ar­beits­tech­ni­scher Zwe­cke die Be­triebs­mit­tel so­wie die Ar­beit­neh­mer von den Un­ter­neh­men ge­mein­sam ein­ge­setzt wer­den, hilft dem Kläger des­halb nicht wei­ter.

aa) Im Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trag ha­ben die Be­klag­te und die Agen­tur für Ar­beit F

ua. ge­re­gelt, dass Dienst­herr bzw. Ar­beit­ge­ber der ent­sand­ten Be­am­ten und An­ge­stell­ten der bis­he­ri­ge Dienst­herr bzw. Ar­beit­ge­ber bleibt, die Ar­beits­ge­mein­schaft nicht dienst­her­renfähig ist und nur die fach­li­che Wei­sungs­be­fug­nis auf den Geschäftsführer der Ar­beits­ge­mein­schaft über­geht. An­halts­punk­te dafür, dass ent­ge­gen den Ver­ein­ba­run­gen im Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trag ein ein­heit­li­cher Lei­tungs­ap­pa­rat ge­schaf­fen wur­de, der den Ein­satz der Ar­beit­neh­mer, die der R GmbH zur Erfüllung ih­rer Auf­ga­ben von der Be­klag­ten und der Agen­tur für Ar­beit F zu­ge­wie­sen bzw. über­las­sen wor­den sind, tatsächlich ge­steu­ert hat und dass sich die­se ein­heit­li­che Lei­tung auf die we­sent­li­chen Funk­tio­nen ei­nes Ar­beit­ge­bers in den per­so­nel­len und so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten er­streckt hat, lie­gen nicht vor. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat nicht fest­ge­stellt, dass der Kern der Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen im per­so­nel­len und so­zia­len Be­reich nicht je­weils für ih­re der R GmbH zu­ge­wie­se­nen bzw. über­las­se­nen Ar­beit­neh­mer von der


- 10 -

Be­klag­ten oder der Agen­tur für Ar­beit F, son­dern ein­heit­lich vom Geschäftsführer der R GmbH wahr­ge­nom­men wor­den ist. Der Kläger hat dies auch nicht be­haup­tet. Wo aber für die R GmbH nichts zu ent­schei­den war, gab es für den bei ihr gewähl­ten Be­triebs­rat auch nichts mit­zu­be­stim­men (vgl. BAG 23. Ju­ni 2009 - 1 ABR 30/08 - Rn. 23, AP Be­trVG 1972 Ein­stel­lung § 99 Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Mit­be­stim­mung Nr. 5).

bb) Aber auch dann, wenn die im Ko­ope­ra­ti­ons­ver­trag ver­ein­bar­te ge-

trenn­te Ausübung der we­sent­li­chen Ar­beit­ge­ber­be­fug­nis­se nicht prak­ti­ziert wor­den wäre, son­dern die R GmbH die­se Be­fug­nis­se ein­heit­lich aus­geübt hätte, hätten die Be­klag­te und die Agen­tur für Ar­beit F kei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb iSd. Be­triebs­ver­fas­sungs- und des Kündi­gungs­schutz­ge­set­zes un­ter­hal­ten. Die we­sent­li­chen Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen wären in die­sem Fall von dem von der Be­klag­ten und der Agen­tur für Ar­beit F ge­gründe­ten Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men „R GmbH“ wahr­ge­nom­men wor­den (vgl. zur Ab­gren­zung des ge­mein­sa­men Be­triebs meh­re­rer Un­ter­neh­men von ei­nem Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men Bo­nan­ni Der ge­mein­sa­me Be­trieb meh­re­rer Un­ter­neh­men 2003 S. 89 und Herr­mann Der ge­mein­sa­me Be­trieb meh­re­rer Un­ter­neh­men 1993 S. 75 ff.). Bei dem Be­trieb ei­nes Ge­mein­schafts­un­ter­neh­mens han­delt es sich je­den­falls dann be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich nicht um ei­nen ge­mein­sa­men Be­trieb meh­re­rer Un­ter­neh­men, son­dern um den Be­trieb ei­nes ei­ge­nen Un­ter­neh­mens, wenn das Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men nach außen rechts­geschäft­lich han­delt und da­mit am Rechts­ver­kehr teil­nimmt. Dies gilt auch dann, wenn die Ar­beit­neh­mer den Ar­beits­ver­trag nicht mit dem Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men, son­dern mit den Be­tei­li­gungs­un­ter­neh­men ab­sch­ließen, dem Ge­mein­schafts­un­ter­neh­men je­doch zur Beschäfti­gung zu­ge­wie­sen bzw. über­las­sen sind (Ri­char­di in Ri­char­di Be­trVG 12. Aufl. § 1 Rn. 62).

cc) Der Hin­weis des Klägers auf den Be­schluss des Bun­des­ver­wal­tungs-

ge­richts vom 13. Ju­ni 2001 (- 6 P 8.00 - BVerw­GE 114, 313) hilft ihm nicht wei­ter. Die­se Ent­schei­dung, mit der sich das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aus­drück­lich der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts zu den Merk­ma­len ei­nes ge­mein­sa­men Be­triebs an­ge­schlos­sen hat, be­traf ei­nen


- 11 -

an­de­ren Sach­ver­halt. In je­nem Fall ha­ben die Mit­ar­bei­ter ei­nes pri­va­ten For­schungs­in­sti­tuts und des In­sti­tuts ei­ner Körper­schaft öffent­li­chen Rechts im Ge­gen­satz zu den Ar­beit­neh­mern und Be­am­ten der Be­klag­ten und der Agen­tur für Ar­beit F in ei­nem ge­mein­sa­men Be­trieb zu­sam­men­ge­wirkt, wo­bei der Kern der Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen in per­so­nel­len und so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten von ei­ner ge­mein­sa­men In­sti­tuts­lei­tung wahr­ge­nom­men wor­den ist.

3. Aus der in § 44b SGB II in der vom 1. Au­gust 2006 bis zum

31. De­zem­ber 2010 gülti­gen Fas­sung vom 20. Ju­li 2006 (§ 44b SGB II aF) ge­re­gel­ten Or­ga­ni­sa­ti­on und Aus­ge­stal­tung der Ar­beits­ge­mein­schaf­ten zur Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben der Grund­si­che­rung für Ar­beits­su­chen­de folgt nicht, dass der am 13. Au­gust 2008 bei der R GmbH gewähl­te Be­triebs­rat vor der Kündi­gung an­gehört wer­den muss­te.

a) Nach § 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II aF ha­ben die Träger der Leis­tun­gen
nach dem SGB II zur ein­heit­li­chen Wahr­neh­mung ih­rer Auf­ga­ben durch pri­vat­recht­li­che oder öffent­lich-recht­li­che Verträge Ar­beits­ge­mein­schaf­ten zu er­rich­ten. Die Geschäfte der Ar­beits­ge­mein­schaft führt gemäß § 44b Abs. 2 Satz 1 SGB II aF ein Geschäftsführer, der die Ar­beits­ge­mein­schaft nach § 44b Abs. 2 Satz 2 SGB II aF außer­ge­richt­lich und ge­richt­lich ver­tritt. So­weit die Ar­beits­ge­mein­schaft pri­vat­recht­lich or­ga­ni­siert ist, gilt für ih­re Ar­beit­neh­mer das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz. Sind der Ar­beits­ge­mein­schaft Ar­beit­neh­mer ei­nes Trägers der Leis­tun­gen nach dem SGB II zur Dienst­leis­tung zu­ge­wie­sen bzw. über­las­sen, oh­ne dass ihr bezüglich die­ser Ar­beit­neh­mer die we­sent­li­chen Ar­beit­ge­ber­be­fug­nis­se im per­so­nel­len und so­zia­len Be­reich über­tra­gen wor­den sind, kann aus der Geschäftsführungs- und Ver­tre­tungs­re­ge­lung in § 44b Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 SGB II aF nicht ab­ge­lei­tet wer­den, dass dem Geschäftsführer ge­genüber den zu­ge­wie­se­nen bzw. über­las­se­nen Ar­beit­neh­mern die we­sent­li­chen Ar­beit­ge­ber­be­fug­nis­se in per­so­nel­len und so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten zu­ste­hen (aA wohl Fit­ting/En­gels/Schmidt/Tre­bin­ger/Lin­sen­mai­er Be­trVG 25. Aufl. § 5 Rn. 271).

b) Hat ein Ar­beit­neh­mer den Ar­beits­ver­trag mit ei­nem öffent­li­chen Ar­beit-
ge­ber ge­schlos­sen und ist er ei­ner pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­ge­mein-

- 12 -

schaft gemäß § 44b SGB II aF zur Dienst­leis­tung zu­ge­wie­sen wor­den, oh­ne dass die­ser die Kern­funk­tio­nen ei­nes Ar­beit­ge­bers im per­so­nel­len und so­zia­len Be­reich über­tra­gen wor­den sind, un­ter­schei­det sich die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­lich re­le­van­te Si­tua­ti­on die­ses Ar­beit­neh­mers nicht we­sent­lich von der ei­nes Leih­ar­beit­neh­mers.

aa) Ein Leih­ar­beit­neh­mer bleibt gemäß § 14 Abs. 1 AÜG auch während der

Zeit sei­ner Ar­beits­leis­tung bei ei­nem Ent­lei­her An­gehöri­ger des ent­sen­den­den Be­triebs des Ver­lei­hers. Al­ler­dings re­gelt § 14 AÜG die be­triebs­ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­son­der­hei­ten un­mit­tel­bar nur für die er­laub­te ge­werbsmäßige Ar­beit­neh­merüber­las­sung im Sin­ne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Das Ge­setz trägt mit die­ser Re­ge­lung der für die Ar­beit­neh­merüber­las­sung ty­pi­schen Auf­spal­tung der Ar­beit­ge­ber­be­fug­nis­se Rech­nung. Zu ei­ner sol­chen Auf­spal­tung kommt es aber auch bei an­de­ren For­men des dritt­be­zo­ge­nen Per­so­nal­ein­sat­zes (vgl. Ha­mann in Schüren-Ha­mann AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 437).

bb) Eben­so we­nig wie bei ei­nem Leih­ar­beit­neh­mer (vgl. BAG 15. De­zem­ber

1992 - 1 ABR 38/92 - BA­GE 72, 107; Raab GK-Be­trVG 9. Aufl. § 5 Rn. 66) darf die Spal­tung der Ar­beit­ge­ber­stel­lung zu ei­nem Ver­lust des durch das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz und die Per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­ze gewähr­leis­te­ten Schut­zes von Ar­beit­neh­mern führen, die von ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber ei­ner pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­ge­mein­schaft zur Dienst­leis­tung über­las­sen wer­den. Wel­che Be­tei­li­gungs­rech­te in ei­nem sol­chen Fall je­weils dem Be­triebs­rat oder dem Per­so­nal­rat zu­ste­hen, rich­tet sich nach dem Zweck des Be­tei­li­gungs­rechts und da­nach, wel­che Be­lan­ge des Ar­beit­neh­mers und wel­che In­ter­es­sen der beim öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber oder der bei der Ar­beits­ge­mein­schaft Beschäftig­ten berührt wer­den (vgl. für Leih­ar­beit­neh­mer BAG 15. De­zem­ber 1992 - 1 ABR 38/92 - aaO). Die Zuständig­keit des Per­so­nal­rats oder des Be­triebs­rats für die Wahr­neh­mung von Mit­be­stim­mungs­rech­ten hängt bezüglich der von ei­nem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber ei­ner pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­ge­mein­schaft über­las­se­nen Ar­beit­neh­mer da­mit vom Ge­gen­stand des Mit­be­stim­mungs­rechts und der dar­auf be­zo­ge­nen Ent­schei­dungs-


- 13 -

macht ab (vgl. für Leih­ar­beit­neh­mer BAG 19. Ju­ni 2001 - 1 ABR 43/00 - BA­GE 98, 60). Ver­blei­ben bei dem öffent­li­chen Ar­beit­ge­ber, wie dies bei der Be­klag­ten der Fall war, die den Be­stand und den In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses be­tref­fen­den ma­te­ri­el­len Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se, hat dies zur Fol­ge, dass er den bei ihm er­rich­te­ten Per­so­nal­rat bei der Ausübung sol­cher Be­fug­nis­se zu be­tei­li­gen hat. Die­ser ver­tritt ihm ge­genüber auch die In­ter­es­sen der ei­ner pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­ge­mein­schaft zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer. In­so­weit ist in § 6 der Rah­men­ver­ein­ba­rung vom 15. März 2005 zu­tref­fend ei­ne Zuständig­keit des beim Ju­gend- und So­zi­al­amt der Be­klag­ten er­rich­te­ten Per­so­nal­rats fest­ge­hal­ten. Darüber, dass der beim Ju­gend- und So­zi­al­amt der Be­klag­ten er­rich­te­te Per­so­nal­rat vor der Kündi­gung ord­nungs­gemäß be­tei­ligt wor­den ist, be­steht kein Streit. Der Kläger macht auch nicht gel­tend, dass die Be­klag­te so­wohl den Per­so­nal­rat ih­res Ju­gend- und So­zi­al­amts als auch den am 13. Au­gust 2008 bei der R GmbH gewähl­ten Be­triebs­rat vor der Kündi­gung hätte anhören müssen.

cc) Be­zie­hen sich die Ent­schei­dungs­be­fug­nis­se nicht auf den Be­stand und

den In­halt des Ar­beits­verhält­nis­ses, kom­men al­ler­dings Be­tei­li­gungs­rech­te des bei ei­ner pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­ge­mein­schaft ge­bil­de­ten Be­triebs­rats auch bezüglich der zu­ge­wie­se­nen bzw. über­las­se­nen Ar­beit­neh­mer in Be­tracht. So­weit von der pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ten Ar­beits­ge­mein­schaft in per­so­nel­len und so­zia­len An­ge­le­gen­hei­ten tatsächlich ma­te­ri­el­le Ar­beit­ge­ber­funk­tio­nen wahr­ge­nom­men wer­den und da­mit bei die­ser die für die Ausübung des Be­tei­li­gungs­rechts we­sent­li­chen Kon­flikt­la­gen auf­tre­ten, ist der dort ge­bil­de­te Be­triebs­rat zuständig und ver­tritt in­so­weit die In­ter­es­sen der zu­ge­wie­se­nen Ar­beit­neh­mer (vgl. Raab GK-Be­trVG 9. Aufl. § 5 Rn. 66; Fit-ting/En­gels/Schmidt/Tre­bin­ger/Lin­sen­mai­er Be­trVG 25. Aufl. § 5 Rn. 311a).

4. We­der die Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom

20. De­zem­ber 2007 (- 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331) noch die zum 4. Au­gust 2009 er­folg­te Anfügung von Satz 3 in § 5 Abs. 1 Be­trVG ge­ben ein an­de­res Er­geb­nis vor.


- 14 -

a) Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat zwar am 20. De­zem­ber 2007
(- 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331) und da­mit vor dem Kündi­gungs­zeit­punkt ent­schie­den, dass Ar­beits­ge­mein­schaf­ten gemäß § 44b SGB II aF dem Grund­satz ei­gen­ver­ant­wort­li­cher Auf­ga­ben­wahr­neh­mung wi­der­spre­chen, der den zuständi­gen Ver­wal­tungs­träger ver­pflich­tet, sei­ne Auf­ga­ben grundsätz­lich durch ei­ge­ne Ver­wal­tungs­ein­rich­tun­gen, al­so mit ei­ge­nem Per­so­nal, ei­ge­nen Sach­mit­teln und ei­ge­ner Or­ga­ni­sa­ti­on wahr­zu­neh­men. Für die Fra­ge, ob die Be­klag­te den bei der R GmbH am 13. Au­gust 2008 gewähl­ten Be­triebs­rat vor der Kündi­gung vom 22. Sep­tem­ber 2008 anhören muss­te, ist die­se Ent­schei­dung je­doch schon des­halb oh­ne je­de Be­deu­tung, weil das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt die wei­te­re An­wen­dung des § 44b SGB II aF bis zu ei­ner ge­setz­li­chen Neu­re­ge­lung (vgl. zu die­ser Neu­re­ge­lung ei­ner­seits Schlei­cher PersV 2011, 124, an­de­rer­seits Vo­gel­ge­sang PersV 2011, 126), längs­tens bis zum 31. De­zem­ber 2010, zu­ge­las­sen hat.

b) Das Ge­setz zur Er­rich­tung ei­nes Bun­des­auf­sichts­am­tes für Flug-
si­che­rung und zur Ände­rung und An­pas­sung wei­te­rer Vor­schrif­ten vom 29. Ju­li 2009 (BGBl. I S. 2424) hat zum 4. Au­gust 2009 § 5 Abs. 1 Be­trVG den Satz 3 an­gefügt, wo­nach als Ar­beit­neh­mer fer­ner Be­am­te (Be­am­tin­nen und Be­am­te), Sol­da­ten (Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten) so­wie Ar­beit­neh­mer des öffent­li­chen Diens­tes ein­sch­ließlich der zu ih­rer Be­rufs­aus­bil­dung Beschäftig­ten gel­ten, die in Be­trie­ben pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­ter Un­ter­neh­men tätig sind. Die­se erst nach dem Kündi­gungs­zeit­punkt in das Be­triebs­ver­fas­sungs­ge­setz ein­gefügte Re­ge­lung führt je­doch nicht da­zu, dass die vor der Neu­re­ge­lung er­folg­te Kündi­gung der Be­klag­ten vom 22. Sep­tem­ber 2008 man­gels Anhörung des am 13. Au­gust 2008 bei der R GmbH gewähl­ten Be­triebs­rats gemäß § 102 Abs. 1 Satz 3 Be­trvG un­wirk­sam ist. Im Übri­gen be­gründet die Fik­ti­on in § 5 Abs. 1 Satz 3 Be­trVG kein Mit­be­stim­mungs­recht des Be­triebs­rats, wo der Be­triebs­in­ha­ber we­der ma­te­ri­ell noch for­mell et­was zu ent­schei­den hat (vgl. BAG 23. Ju­ni 2009 - 1 ABR 30/08 - Rn. 23, AP Be­trVG 1972 § 99 Ein­stel­lung Nr. 59 = EzTöD 100 TVöD-AT § 2 Mit­be­stim­mung Nr. 5). Die Ent­schei­dung über die Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses oder die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält-


- 15 -

nis­ses durch Kündi­gung vor Ab­lauf der Pro­be­zeit ob­lag nicht der R GmbH, son­dern al­lein der Be­klag­ten.

II. Der Kläger hat gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kos­ten des Rechts-

streits zu tra­gen.

Fi­scher­mei­er Brühler Spel­ge

Jer­chel Au­gat

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht 6 AZR 132/10