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Befristung und Tarifvertrag
17.08.2012. Bei Neueinstellungen können Arbeitsverhältnisse bis zu zwei Jahre lang befristet werden, ohne dass der Arbeitgeber dafür einen Sachgrund braucht (§ 14 Abs.2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG). Erst wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses die Grenze von zwei Jahren übersteigt und/oder wenn der Arbeitgeber den Vertrag eines befristet beschäftigten Arbeitnehmers das vierte Mal befristet verlängern möchte, braucht er dazu einen sachlichen Grund im Sinne von § 14 Abs. 1 TzBfG.
Die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bei Neueinstellungen kann durch einen Tarifvertrag abweichend vom Gesetz geregelt werden, und zwar nicht etwa nur zugunsten des Arbeitnehmers, sondern auch zu seinen Lasten. § 14 Abs.2 Satz 3 TzBfG erlaubt es nämlich, dass ein Tarifvertrag die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von den gesetzlichen Höchstgrenzen festlegt.
Hier fragt sich, ob ein Tarifvertrag entweder die Anzahl der Verlängerungen erhöhen oder (alternativ) die Höchstdauer der Befristung auf über zwei Jahre heraufsetzen kann - oder ob ein Tarifvertrag beides zusammen kann. Konkret: Kann ein Tarifvertrag die Höchstdauer einer sachgrundlosen Befristung auf drei oder vier Jahre heraufsetzen und gleichzeitig die Anzahl der zulässigen Verlängerungen auf vier oder fünf erhöhen? Ja, das geht, so das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer Entscheidung vom Donnerstag dieser Woche: BAG, Urteil vom 15.08.2012, 7 AZR 184/11.
- Sachgrundlose Befristung nach Gesetz und nach Tarifvertrag - wie weit darf sich ein Tarifvertrag vom Gesetz entfernen?
- Der Streitfall: Befristung nach dem Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland
- BAG: Tarifverträge können sowohl die Höchstdauer als auch die Anzahl der Verlängerungen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags abweichend vom TzBfG regeln
Sachgrundlose Befristung nach Gesetz und nach Tarifvertrag - wie weit darf sich ein Tarifvertrag vom Gesetz entfernen?
Arbeitgeber, die sich bei einer Befristung auf einen Sachgrund stützen müssen, haben es schwerer als Arbeitgeber, die von der "smarten" Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung Gebrauch machen können. Aus der Sicht von Arbeitnehmern und Gewerkschaften gehört die sachgrundlose Befristung daher am besten abgeschafft.
Doch das entspricht nicht der Gesetzeslage - im Gegenteil: Als ob eine maximal zweijährige Befristungsdauer und die Möglichkeit einer dreimaligen Verlängerung bei sachgrundlosen Befristungen nicht schon genug wären, heißt es in § 14 Abs.2 Satz 3 TzBfG:
"Durch Tarifvertrag kann die Anzahl der Verlängerungen oder die Höchstdauer der Befristung abweichend von Satz 1 festgelegt werden."
Diese Regelung ermächtigt die Tarifparteien unstreitig auch zu Abweichungen vom Gesetz, die zulasten des Arbeitnehmers gehen. Angesichts dieser Regelung fragt sich aber, ob das Wörtchen "oder" hier im Sinne von "entweder oder" zu verstehen ist (d.h. im Sinne von lateinisch "aut") oder aber im Sinne von "und/oder" bzw. von "sowohl als auch" (d.h. im Sinne von lateinisch "vel"). Beide Interpretationen sind möglich, und sie führen zu verschiedenen Ergebnissen:
Versteht man das Wörtchen "oder" im Sinne von "entweder oder", könnte ein Tarifvertrag zwar die Höchstdauer der sachgrundlosen Befristung auf z.B. drei oder vier Jahre heraufsetzen, dürfte dafür aber nicht an der Maximalgrenze von drei Vertragsverlängerungen rütteln (und umgekehrt müsste der Tarifvertrag die Höchstdauer von zwei Jahren stehen lassen, wenn er abweichend vom Gesetz eine vier- oder fünfmalige Verlängerungsmöglichkeit erlaubt).
Bedeutet das Wort "oder" dagegen "und/oder", könnte ein Tarifvertrag beides tun: Ein Tarifvertrag könnte dann die Gesamtdauer eines sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses auf mehr als zwei Jahre heraufsetzen und es dem Arbeitgeber zugleich auch erlauben, den Vertrag mehr als drei Mal zu verlängern.
Der Streitfall: Befristung nach dem Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland
Ein Transportfahrer war bei einem Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes aufgrund eines befristeten und mehrfach verlängerten Arbeitsvertrags dreieinhalb Jahre lang beschäftigt, nämlich vom 03.04.2006 bis zum 01.10.2009.
Im ersten Vertrag und in den Verlängerungsverträgen war die Anwendung des Manteltarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland (MRTV Wach- und Sicherheitsgewerbe) vereinbart. § 2 Nr. 6 Sätze 1 und 2 MRTV Wach- und Sicherheitsgewerbe erlaubt es dem Arbeitgeber, Befristungen ohne Sachgrund bis zu einer Gesamtdauer von 42 Monaten auszudehnen, und außerdem sind vier Verlängerungen zulässig.
Der Transportfahrer ging gegen die zuletzt vereinbarte Befristung gerichtlich vor und erhob Befristungskontrollklage. Damit hatte er weder vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 25.03.2010, 3 Ca 9095/09) noch vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) Erfolg (Hessisches LAG, Urteil vom 03.12.2010, 10 Sa 659/10).
Das LAG meinte, die umstrittene Regelung sei im Sinne von "und/oder" bzw. im Sinne von "sowohl als auch" auszulegen. Daher war die im MRTV Wach- und Sicherheitsgewerbe enthaltene Abweichung vom Gesetz rechtens und damit auch die hier aufgelaufene Gesamtdauer des Zeitvertrags (dreieinhalb Jahre) bei viermaliger Verlängerung.
BAG: Tarifverträge können sowohl die Höchstdauer als auch die Anzahl der Verlängerungen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrags abweichend vom TzBfG regeln
Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt und daher ebenfalls gegen den Arbeitnehmer entschieden.
In der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung des BAG heißt es, die "Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG" ergebe, dass diese Vorschrift den Tarifvertragsparteien nicht nur erlaubt, entweder Gesamtdauer oder Anzahl der Verlängerungen auch zu Ungunsten der Arbeitnehmer abweichend vom Gesetz zu regeln, sondern beides zugleich zu tun.
Dieses Verständnis des Gesetzes ist richtig, da es der Gesetzesbegründung bzw. den Regelungsabsichten des Gesetzgebers entspricht. Wie auch das LAG unter Berufung auf Äußerungen in der Kommentarliteratur herausgestellt hat, wollte der Gesetzgeber branchenspezifische Tarifregelungen weitgehend zulassen, d.h. der Gesetzgeber hatte den Tarifparteien freie Hand geben wollen.
Fazit: Tarifverträge können vorsehen, dass sachgrundlose Befristungen zu einem Arbeitsverhältnis von mehr als zwei Jahren führen und dass der Arbeitgeber solche Befristungen auch mehr als drei Mal verlängern kann. Diese Klartellung des BAG hat große praktische Bedeutung, da § 14 Abs.2 Satz 4 TzBfG bestimmt, dass im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung solcher tariflichen Regelungen vereinbaren können.
Immerhin deutet das BAG an, dass diese Befugnis "insbesondere aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen nicht völlig schrankenlos" ist. Wo hier die Grenze liegt, sagt das BAG allerdings nicht.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.08.2012, 7 AZR 184/11 (Pressemitteilung)
- Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 03.12.2010, 10 Sa 659/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Befristung des Arbeitsvertrags (befristeter Arbeitsvertrag, Zeitvertrag)
- Handbuch Arbeitsrecht: Klage gegen Befristung (Befristungskontrollklage, Entfristungsklage)
- Handbuch Arbeitsrecht: Tarifvertrag
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Hinweis: In der Zwischenzeit, d.h. nach Erstellung dieses Artikels, hat das BAG seine Entscheidungsgründe veröffentlicht. Das vollständig begründete Urteil des BAG finden Sie hier:
Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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