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BAG, Ur­teil vom 15.08.2012, 7 AZR 184/11

   
Schlagworte: Befristung: Tarifvertrag, Befristung: Sachgrundlos, Tarifvertrag: Befristung
   
Gericht: Bundesarbeitsgericht
Aktenzeichen: 7 AZR 184/11
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 15.08.2012
   
Leitsätze: Nach § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG können durch Tarifvertrag nicht nur entweder die Anzahl der Verlängerungen befristeter Arbeitsverträge oder die Höchstdauer der Befristung, sondern kumulativ beide Vorgaben abweichend von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG geregelt werden. Die tarifliche Dispositionsbefugnis ist allerdings nicht völlig schrankenlos.
Vorinstanzen: Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 25.3.2010 - 3 Ca 9095/09
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 3.12.2010 - 10 Sa 659/10
   


BUN­DES­AR­BEITS­GERICHT


7 AZR 184/11
10 Sa 659/10

Hes­si­sches
Lan­des­ar­beits­ge­richt

 

Im Na­men des Vol­kes!

Verkündet am

15. Au­gust 2012

UR­TEIL

Schie­ge, Ur­kunds­be­am­ter

der Geschäfts­stel­le

In Sa­chen

Kläger, Be­ru­fungskläger und Re­vi­si­onskläger,

pp.

Be­klag­te, Be­ru­fungs­be­klag­te und Re­vi­si­ons­be­klag­te,

hat der Sieb­te Se­nat des Bun­des­ar­beits­ge­richts auf­grund der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 15. Au­gust 2012 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt Lin­sen­mai­er, den Rich­ter am Bun­des­ar­beits­ge­richt
 


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Dr. Zwan­zi­ger, die Rich­te­rin am Bun­des­ar­beits­ge­richt Schmidt so­wie die eh­ren­amt­li­chen Rich­ter Cou­lin und Kley für Recht er­kannt:


Die Re­vi­si­on des Klägers ge­gen das Ur­teil des Hes­si­schen Lan­des­ar­beits­ge­richts vom 3. De­zem­ber 2010 - 10 Sa 659/10 - wird zurück­ge­wie­sen.


Der Kläger hat die Kos­ten der Re­vi­si­on zu tra­gen.


Von Rechts we­gen!

Tat­be­stand

Die Par­tei­en strei­ten darüber, ob ihr Ar­beits­verhält­nis auf­grund Be­fris­tung am 2. Ok­to­ber 2009 ge­en­det hat.

Die Be­klag­te ist ein Un­ter­neh­men des Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­bes. Der Kläger schloss mit ihr am 24. März 2006 ei­nen Ar­beits­ver­trag für die Zeit vom 3. April 2006 bis 2. April 2007, nach wel­chem er als Geld- und Wert­trans­port­fah­rer „in der Geschäfts­stel­le F“ beschäftigt war. Zif­fer 4 Satz 1 des Ver­trags hat fol­gen­den Wort­laut:


„Der Man­tel­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land so­wie die Man­tel- und Lohn- / Ent­gelt­ta­rif­verträge, die räum­lich, fach­lich und persönlich für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be bzw. den Si­cher­heits­trans­port­dienst und den Ar­beit­neh­mer gel­ten, fin­den auf die­ses Ar­beits­verhält­nis un­ein­ge­schränkt An­wen­dung.“


In ei­ner am 26. März 2007 ge­schlos­se­nen „Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum Ar­beits­ver­trag vom 24.03.2006“ ver­ein­bar­ten die Par­tei­en die Verlänge­rung der Be­fris­tung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses bis 2. April 2008. In der Zu­satz­ver­ein­ba­rung heißt es ua., dass der „Man­tel­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land so­wie die Man­tel- und Lohn- / Ent­gelt­ta­rif­verträge, die räum­lich, fach­lich und persönlich für das Wach-und Si­cher­heits­ge­wer­be bzw. den Si­cher­heits­trans­port­dienst und den Ar­beit-
 


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neh­mer gel­ten, ... un­ein­ge­schränkt An­wen­dung“ fin­den. Mit Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 19. März 2008 verlänger­ten die Par­tei­en die Be­fris­tung bis zum 2. April 2009 und mit Zu­satz­ver­ein­ba­rung vom 26. März 2009 bis zum 2. Ok­to­ber 2009. In die­sen bei­den Ver­ein­ba­run­gen ist nie­der­ge­legt, dass der „je­weils gülti­ge Man­tel­rah­men­ta­rif­ver­trag so­wie die Man­tel- und Lohn- / Ent­gelt­ta­rif­verträge, die räum­lich, fach­lich und persönlich für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be bzw. den Si­cher­heits­trans­port­dienst und den Ar­beit­neh­mer gel­ten, ... un­ein­ge­schränkt An­wen­dung“ fin­den.

Der zwi­schen dem Bun­des­ver­band Deut­scher Wach- und Si­cher­heits­un­ter­neh­men e.V. und der Ver­ein­ten Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft ge­schlos­se­ne, am 1. Sep­tem­ber 2005 in Kraft ge­tre­te­ne Man­tel­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land vom 30. Au­gust 2005 (MRTV 2005) lau­tet aus­zugs­wei­se:


„§ 1 Gel­tungs­be­reich


Die­ser Ta­rif­ver­trag gilt


räum­lich: für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land so­wie ex­ter­ri­to­ria­le Ge­bie­te in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land,

fach­lich: für al­le Be­trie­be des Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­bes, so­wie für al­le Be­trie­be, die Kon­troll- und Ord­nungs­diens­te be­trei­ben, für al­le Be­wa­chungs­ob­jek­te und Dienst­stel­len, so­wie für Geld- und Wert­diens­te,

persönlich: für al­le in die­sen Be­rei­chen ge­werb­lich beschäftig­ten Ar­beit­neh­mer.

...

§ 2 Ar­beits­verhält­nis / Kündi­gungs­fris­ten

...


6. Die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des ist bis zur Dau­er von 42 Mo­na­ten zulässig. Bis zu die­ser Ge­samt­dau­er ist die höchs­tens vier­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes ka­len­dermäßig be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges zulässig. Be­fris­te­te Ar­beits­verträge un­ter­lie­gen der or­dent­li­chen Kündi­gung. Die ge­nann­ten Kündi­gungs­fris­ten gel­ten ent­spre­chend. Die­se Re­ge­lung gilt nicht für be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se, die zum
 


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Zeit­punkt des In-Kraft-Tre­tens die­ses Ta­rif­ver­tra­ges be­reits be­ste­hen.“


In dem mit Wir­kung ab 1. Ja­nu­ar 2007 gel­ten­den Man­tel­rah­men­ta­rif­ver­trag für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land vom 1. De­zem­ber 2006 (MRTV) lau­tet der im Übri­gen un­veränder­te § 2 Abs. 6 in Satz 5:


„Die­se Re­ge­lung gilt nicht für be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis­se, die am 31. Au­gust 2005 be­reits be­stan­den.“

Mit sei­ner am 23. Ok­to­ber 2009 beim Ar­beits­ge­richt ein­ge­gan­ge­nen Kla­ge hat der Kläger die Un­wirk­sam­keit der Be­fris­tung des Ar­beits­verhält­nis­ses zum 2. Ok­to­ber 2009 gel­tend ge­macht. Er hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten, die­se sei oh­ne Sach­grund nicht zulässig. So­weit § 2 Abs. 6 MRTV ei­ne Be­fris­tung oh­ne sach­li­chen Grund für ei­nen Zeit­raum bis zu 42 Mo­na­ten bei ei­ner vier­ma­li­gen Verlänge­rungsmöglich­keit vor­se­he, ver­s­toße dies ge­gen das Tz­B­fG. Die Öff­nungs­klau­sel des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG las­se nur zu, durch Ta­rif­ver­trag ent­we­der die An­zahl der Be­fris­tun­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tun­gen zu verlängern.


Der Kläger hat be­an­tragt 


fest­zu­stel­len, dass das Ar­beits­verhält­nis zwi­schen den Par­tei­en nicht am 2. Ok­to­ber 2009 auf­grund der Be­fris­tung vom 26. März 2009 ge­en­det hat.

Die Be­klag­te hat be­an­tragt, die Kla­ge ab­zu­wei­sen. Sie hat sich auf den Stand­punkt ge­stellt, die streit­be­fan­ge­ne Be­fris­tung sei nach § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 Tz­B­fG iVm. § 2 Abs. 6 MRTV wirk­sam.


Das Ar­beits­ge­richt hat die Kla­ge ab­ge­wie­sen. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt hat die Be­ru­fung des Klägers zurück­ge­wie­sen. Mit sei­ner Re­vi­si­on ver­folgt der Kläger sei­nen An­trag wei­ter. Die Be­klag­te be­an­tragt, die Re­vi­si­on zurück­zu­wei­sen.
 


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Ent­schei­dungs­gründe

Die zulässi­ge Re­vi­si­on ist un­be­gründet. Die Vor­in­stan­zen ha­ben zu Recht er­kannt, dass die Be­fris­tung auch oh­ne Vor­lie­gen ei­nes Sach­grun­des zulässig ist. Dies folgt aus § 14 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 und Satz 4 Tz­B­fG iVm. § 2 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 des auf das Ar­beits­verhält­nis an­zu­wen­den­den MRTV. Die ta­rif­li­che Vor­schrift hält sich im Rah­men der ge­setz­li­chen Ta­riföff­nungs­klau­sel des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG. Kläger und Be­klag­te ha­ben gemäß § 14 Abs. 2 Satz 4 Tz­B­fG in zulässi­ger Wei­se die An­wen­dung des MRTV auf das Ar­beits­verhält­nis ver­ein­bart.

A. Die Be­fris­tungs­kon­troll­kla­ge ist zulässig, ins­be­son­de­re hin­rei­chend be­stimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die an­ge­grif­fe­ne Be­fris­tung ist kon­kret be­zeich­net. Der Kläger wen­det sich ge­gen die letz­te, am 26. März 2009 ge­trof­fe­ne (Verlänge­rungs-)Ab­re­de, nach der der zunächst für die Dau­er vom 3. April 2006 bis zum 2. April 2007 ge­schlos­se­ne und so­dann bis zum 2. April 2008 so­wie später bis zum 2. April 2009 verlänger­te Ar­beits­ver­trag vom 24. März 2006 nun­mehr am 2. Ok­to­ber 2009 en­den soll. Nur die­se Be­fris­tungs­ab­re­de ist Ge­gen­stand der Kla­ge.

B. Die Kla­ge ist un­be­gründet. Die ka­len­dermäßige Be­fris­tung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1, § 15 Abs. 1 Tz­B­fG) ist wirk­sam.

I. Die Be­fris­tung ist nicht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des zulässig. Der - drei­ma­lig verlänger­te - Ar­beits­ver­trag des Klägers be­stand länger als die in § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Tz­B­fG ge­nann­te Höchst­dau­er von zwei Jah­ren.


II. Die streit­be­fan­ge­ne Be­fris­tung ist aber gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1, Satz 3 und Satz 4 Tz­B­fG iVm. § 2 Abs. 6 Satz 1 MRTV zulässig. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 Tz­B­fG ist die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des bis zur Dau­er von zwei Jah­ren zulässig. Bis zu die­ser Ge­samt­dau­er ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1


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Halbs. 2 Tz­B­fG auch die höchs­tens drei­ma­li­ge Verlänge­rung ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trags zulässig. Durch Ta­rif­ver­trag kann die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung ab­wei­chend von Satz 1 fest­ge­legt wer­den. Im Gel­tungs­be­reich ei­nes sol­chen Ta­rif­ver­trags können nicht ta­rif­ge­bun­de­ne Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer die An­wen­dung der ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen ver­ein­ba­ren (§ 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 Tz­B­fG). Nach § 22 Abs. 1 Tz­B­fG kann außer in den Fällen des § 12 Abs. 3, § 13 Abs. 4 und § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 von den Vor­schrif­ten des Tz­B­fG nicht zu­un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers ab­ge­wi­chen wer­den. Die Vor­aus­set­zun­gen des § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 Tz­B­fG, un­ter de­nen nach § 22 Abs. 1 Tz­B­fG zu­un­guns­ten des Ar­beit­neh­mers von der in § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG be­stimm­ten Frist für ei­nen nach § 14 Abs. 2 Tz­B­fG sach­grund­los be­fris­te­ten Ar­beits­ver­trag ab­ge­wi­chen wer­den kann, lie­gen im Streit­fall vor.

1. § 2 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 MRTV trifft ei­ne Fest­le­gung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG. Die Ta­rif­be­stim­mung mo­di­fi­ziert die An­zahl der Verlänge­run­gen und die Höchst­dau­er ei­ner oh­ne Sach­grund ver­ein­bar­ten Be­fris­tung. Das Lan­des­ar­beits­ge­richt ist zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass dies von der ge­setz­li­chen Ta­riföff­nungs­klau­sel des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ge­deckt ist. Wie die Aus­le­gung des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG er­gibt, er­laubt die Vor­schrift den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nicht nur, ent­we­der Ge­samt­dau­er oder An­zahl der Verlänge­run­gen, son­dern bei­des zu­gleich auch zu­un­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ab­wei­chend vom Ge­setz zu re­geln. Die­se Be­fug­nis ist aber im Hin­blick auf den sys­te­ma­ti­schen Ge­samt­zu­sam­men­hang und den Zweck des Tz­B­fG so­wie aus ver­fas­sungs- und uni­ons­recht­li­chen Gründen nicht völlig schran­ken­los.


a) Wie die Aus­le­gung von § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG er­gibt, ist es den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en eröff­net, von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen zu tref­fen, die nicht nur ent­we­der die An­zahl der Verlänge­run­gen be­fris­te­ter Ar­beits­verträge oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung, son­dern ku­mu­la­tiv bei­de Vor­ga­ben be­tref­fen.


aa) Der Wort­laut des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG legt auf den ers­ten Blick die An­nah­me na­he, die Vor­schrift er­lau­be ei­ne Ab­wei­chung von § 14 Abs. 2 Satz 1


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Tz­B­fG nur ent­we­der hin­sicht­lich der An­zahl der Verlänge­run­gen oder hin­sicht­lich der Höchst­dau­er der Be­fris­tung (im Schrift­tum wird in­so­weit zT von ei­nem „Re­dak­ti­ons­ver­se­hen“ aus­ge­gan­gen, vgl. zB Dörner Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag 2. Aufl. Rn. 488 mwN). Mit der Kon­junk­ti­on „oder“ wer­den re­gelmäßig Al­ter­na­ti­ven ver­bun­den und Möglich­kei­ten be­schrie­ben, von de­nen nur ei­ne zu­tref­fen kann (vgl. Brock­haus Wah­rig Deut­sches Wörter­buch). Al­ler­dings kann „oder“ in be­stimm­ten sprach­lo­gi­schen Zu­sam­menhängen auch be­deu­ten, dass min­des­tens ei­ne Möglich­keit - und nicht nur ei­ne - in Fra­ge kommt. Im­mer­hin sind die in der Vor­schrift als ta­rif­ver­trag­lich ab­wei­chend re­gel­ba­ren Tat­bestände nicht mit der mehr­tei­li­gen Kon­junk­ti­on „ent­we­der ... oder“ ver­bun­den. In­so­weit lässt der Wort­sinn ver­schie­de­ne Deu­tungsmöglich­kei­ten of­fen. Im Übri­gen wäre die Vor­schrift auch bei Ver­wen­dung der Kon­junk­ti­on „und“ nicht zwin­gend kla­rer ver­fasst. Es stell­te sich dann nämlich die Fra­ge, ob ei­ne zulässi­ge Ab­wei­chung iSv. § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG vor­aus­setzt, dass der Ta­rif­ver­trag so­wohl die An­zahl der Verlänge­run­gen als auch die Höchst­be­fris­tung - in ei­nem ku­mu­la­ti­ven Verständ­nis - an­ders re­gelt.


bb) Der sys­te­ma­ti­sche Zu­sam­men­hang der Vor­schrift ge­bie­tet kein be­stimm­tes Aus­le­gungs­er­geb­nis. Ei­ner­seits könn­te der Be­zug zu § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG dafür spre­chen, dass die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ku­mu­la­tiv so­wohl über die Höchst­dau­er als auch über die An­zahl der Be­fris­tun­gen dis­po­nie­ren können. An­de­rer­seits könn­te aus der mit § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ver­gleich­ba­ren Ta­riföff­nungs­be­stim­mung des § 1 Abs. 1 Satz 3 Wiss­Zeit­VG und der dort ver­wen­de­ten Kon­junk­ti­on „und“ auch der (Um­kehr-)Schluss ge­zo­gen wer­den, dass in den Wor­ten „oder“ so­wie „und“ ein un­ter­schied­li­cher Re­ge­lungs­wil­le des Ge­setz­ge­bers zum Aus­druck kommt.


cc) Für ein Verständ­nis, nach dem durch Ta­rif­verträge ku­mu­la­tiv so­wohl hin­sicht­lich der Höchst­dau­er als auch hin­sicht­lich der An­zahl der Verlänge­run­gen von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG ab­ge­wi­chen wer­den kann, spricht deut­lich die Ent­ste­hungs­ge­schich­te der Vor­schrift. In der Ge­set­zes­be­gründung ist de­ren Re­ge­lungs­ge­halt wie folgt be­schrie­ben (BT-Drucks. 14/4374 S. 20):

„Satz 3 be­stimmt, dass ta­rif­ver­trag­lich ei­ne an­de­re (höhe-


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re oder nied­ri­ge­re) An­zahl von zulässi­gen Verlänge­run­gen so­wie ei­ne an­de­re (kürze­re oder länge­re) Höchst­be­fris­tungs­dau­er ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne sach­li­chen Grund fest­ge­legt wer­den kann.“


Dies zeigt, dass der Ge­setz­ge­ber dem Be­griff „oder“ kei­nen al­ter­na­ti­ven Be­deu­tungs­ge­halt bei­ge­mes­sen hat. Er geht - deut­lich ver­laut­bart - da­von aus, dass durch Ta­rif­ver­trag die ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung ermögli­chen­den Zulässig­keits­vor­aus­set­zun­gen nicht nur wei­ter als im Ge­setz, son­dern auch stren­ger ge­re­gelt wer­den können. In die­sem Zu­sam­men­hang wäre es we­nig ein­leuch­tend, ei­nen Ta­rif­ver­trag, der ei­ne kürze­re Höchst­be­fris­tungs­dau­er und ei­ne nied­ri­ge­re An­zahl zulässi­ger Verlänge­run­gen be­stimmt, als nicht von der ge­setz­li­chen Öff­nungs­klau­sel er­fasst an­zu­se­hen. Eben­so ver­hiel­te es sich bei ei­nem „Kom­bi­na­ti­ons­mo­dell“, al­so ta­rif­ver­trag­li­chen Be­stim­mun­gen, die et­wa die zulässi­ge Höchst­dau­er verlängern und die An­zahl zulässi­ger Ver­trags­verlänge­run­gen re­du­zie­ren. Im Übri­gen fin­det sich im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren kein An­halts­punkt für die An­nah­me, dass durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ei­ne Ab­wei­chung aus­sch­ließlich von ei­nem der die Zulässig­keit von sach­grund­lo­sen Be­fris­tun­gen be­gren­zen­den Fak­to­ren des Sat­zes 1 von § 14 Abs. 2 Tz­B­fG eröff­net wer­den soll­te.


dd) Wie auch das Lan­des­ar­beits­ge­richt zu­tref­fend be­tont hat, ge­bie­ten Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG, die Vor­schrift nicht nur auf Ta­rif­verträge zu be­zie­hen, die ent­we­der die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung ab­wei­chend re­geln. In der Ge­set­zes­be­gründung ist zur In­ten­ti­on der „Ta­riföff­nung“ bei ei­ner sach­grund­lo­sen Be­fris­tung aus­geführt (BT-Drucks. 14/4374 S. 14):


„Von der ge­setz­li­chen Höchst­be­fris­tungs­dau­er und der Höchst­zahl der Verlänge­run­gen ei­nes be­fris­te­ten Ar­beits­ver­tra­ges oh­ne sach­li­chen Grund kann durch Ta­rif­ver­trag ab­ge­wi­chen wer­den. Die ta­rif­li­che Öff­nungs­klau­sel zielt dar­auf ab, bran­chen­spe­zi­fi­sche Lösun­gen zu er­leich­tern.“


Der Ge­setz­ge­ber hat dem­nach Ta­rif­be­stim­mun­gen zur Zulässig­keit sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen vor dem Hin­ter­grund be­stimm­ter, bran­chen­ty­pi-
 


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scher Bedürf­nis­se zu­las­sen wol­len. Die­se Möglich­keit soll nach dem ver­laut­bar­ten Ge­set­zes­zweck auf die Höchst­be­fris­tungs­dau­er und die Höchst­zahl der Verlänge­run­gen (und da­mit eben­so ku­mu­la­tiv auf bei­de Umstände) be­zo­gen sein. In die­sem Sinn wird die Vor­schrift auch im ar­beits­recht­li­chen Schrift­tum ein­hel­lig ver­stan­den (vgl. zB APS/Back­haus 4. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 403; Ha­Ko-Tz­B­fG/Boecken 3. Aufl. § 14 Rn. 123; Dörner Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag Rn. 488; ErfK/Müller-Glöge 12. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 101; Ar­nold/Gräfl/Gräfl Tz­B­fG 3. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 292; KR/Lip­ke 9. Aufl. § 14 Tz­B­fG Rn. 434; Mei­nel/Heyn/Herms Tz­B­fG 4. Aufl. § 14 Rn. 223; Schlach­ter in Laux/Schlach­ter Tz­B­fG 2. Aufl. § 14 Rn. 124; Sie­vers TK-Tz­B­fG 4. Aufl. § 14 Rn. 494).


b) Die den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en mit § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­te Möglich­keit, die An­zahl der Verlänge­run­gen oder die Höchst­dau­er der Be­fris­tung oder bei­de Umstände ab­wei­chend von § 14 Abs. 2 Satz 1 Tz­B­fG fest­zu­le­gen, ist zwar nach dem Ge­set­zes­wort­laut we­der hin­sicht­lich der Höchst­dau­er noch der An­zahl der Verlänge­run­gen ein­ge­schränkt. Den­noch ist sie nicht völlig un­be­grenzt. Viel­mehr ge­bie­ten sys­te­ma­ti­scher Ge­samt­zu­sam­men­hang und Sinn und Zweck des Tz­B­fG, aber auch ver­fas­sungs- und uni­ons­recht­li­che Gründe ei­ne im­ma­nen­te Be­schränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Dis­po­si­ti­ons­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en. Da­bei ver­langt der Streit­fall kei­ne ab­sch­ließen­de Ent­schei­dung, wo die Gren­zen der Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en lie­gen.


aa) Be­reits nach dem sys­te­ma­ti­schen Ge­samt­zu­sam­men­hang und dem Sinn und Zweck des Tz­B­fG ist die Be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en, sach-grund­lo­se Be­fris­tun­gen zu ermögli­chen, nicht völlig schran­ken­los. An­de­ren­falls ergäbe sich ein Wer­tungs­wi­der­spruch ins­be­son­de­re zu § 14 Abs. 1 Satz 1 Tz­B­fG. Von die­ser Be­stim­mung, nach der ei­ne Be­fris­tungs­ab­re­de grundsätz­lich nur bei Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des zulässig ist, kann nach § 22 Abs. 1 Tz­B­fG auch durch Ta­rif­ver­trag nicht zu­un­guns­ten der Ar­beit­neh­mer ab­ge­wi­chen wer­den. Da­her muss auch ein ta­rif­lich ge­re­gel­ter Sach­grund den Wer­tungs­maßstäben des § 14 Abs. 1 Tz­B­fG genügen (vgl. BAG 9. De­zem­ber 2009 - 7 AZR 399/08 - Rn. 26 mwN, BA­GE 132, 344). Die­ses ge­setz­ge­be­ri­sche



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Kon­zept würde kon­ter­ka­riert, wenn die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en völlig un­be­schränkt sach­grund­lo­se Be­fris­tun­gen ge­stat­ten könn­ten.

bb) Für ei­ne Be­schränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis spre­chen auch ver­fas­sungs­recht­li­che Erwägun­gen.

(1) Art. 12 Abs. 1 GG ga­ran­tiert für Ar­beits­verhält­nis­se ei­nen staat­li­chen Min­dest­be­stands­schutz. Die­sen hat der Ge­setz­ge­ber für die Be­fris­tung von Ar­beits­verträgen durch das Tz­B­fG näher aus­ge­stal­tet (vgl. zur An­schluss­sper­re des § 14 Abs. 2 Satz 2 Tz­B­fG BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 35, AP Tz­B­fG § 14 Nr. 82 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 77; zum Sach­grund von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 Tz­B­fG BAG 9. März 2011 - 7 AZR 728/09 - Rn. 22 mwN, AP Tz­B­fG § 14 Haus­halt Nr. 18 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 76). Aus­ge­hend von dem Grund­satz, dass das un­be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis der Nor­mal­fall und das be­fris­te­te Ar­beits­verhält­nis die Aus­nah­me ist (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 12), sol­len das Er­for­der­nis ei­nes sach­li­chen Grun­des für die Be­fris­tung in § 14 Abs. 1 Tz­B­fG so­wie das Fest­le­gen be­stimm­ter Zulässig­keits­vor­aus­set­zun­gen für ei­ne sach­grund­lo­se Be­fris­tung den Ar­beit­neh­mer vor ei­nem grund­lo­sen Ver­lust des Ar­beits­plat­zes be­wah­ren.


(2) Bei der Ver­wirk­li­chung der ihm ob­lie­gen­den Schutz­pflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG hat der Ge­setz­ge­ber wie auch sonst bei der Ver­fol­gung be­rufs-, ar­beits- und so­zi­al­po­li­ti­scher Zie­le ei­nen wei­ten Ge­stal­tungs­spiel­raum (vgl. BVerfG 18. No­vem­ber 2003 - 1 BvR 302/96 - zu C 2 a der Gründe, BVerfGE 109, 64). Die­sem Ge­stal­tungs­spiel­raum ent­spricht es, zu­mal in An­se­hung der durch Art. 9 Abs. 3 GG ga­ran­tier­ten Ta­rif­au­to­no­mie (vgl. zu die­sem Zu­sam­men­hang Dörner Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag Rn. 486), wenn der Ge­setz­ge­ber den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ermöglicht, die Vor­aus­set­zun­gen zur Zulässig­keit sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen in Ab­wei­chung sei­ner Fest­le­gun­gen zur Höchst­dau­er und zur An­zahl der Verlänge­run­gen zu re­geln. Die mit­tels der Ta­rif­au­to­no­mie her­zu­stel­len­de sinn­vol­le Ord­nung des Ar­beits­le­bens ist Grund­la­ge der Pra­xis des Ge­setz­ge­bers, in vie­len Be­rei­chen den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en Re­ge­lungs­be­fug­nis­se zu­zu­wei­sen, die er aus Gründen des Ar­beit­neh­mer­schut­zes den Ar­beits­ver­trags­par­tei­en ver­sagt. So ent­hal­ten zwin­gen­de Ar­beit­neh­mer-


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schutz­ge­set­ze häufig Ta­riföff­nungs­klau­seln, die es den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ge­stat­ten, von der ge­setz­li­chen Re­ge­lung auch zu Las­ten der Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Ent­spre­chen­de Klau­seln fin­den sich et­wa in § 622 Abs. 4 Satz 1 BGB, in § 8 Abs. 4 Satz 3, § 12 Abs. 3 Satz 1, § 13 Abs. 4 Satz 1 Tz­B­fG, in § 13 Abs. 1 BUrlG, § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG so­wie in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 AÜG. Die­se ge­setz­li­che Kon­zep­ti­on be­ruht auf der An­nah­me, dass Ta­rif­verträge ein größeres „Rich­tig­keits­ver­trau­en“ ge­nießen als der Ar­beits­ver­trag des Ein­zel­nen. Sie bie­ten nach der ständi­gen Recht­spre­chung des Bun­des­ar­beits­ge­richts ei­ne ma­te­ri­el­le Rich­tig­keits­gewähr. Auf­grund des Ver­hand­lungs­gleich­ge­wichts der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die ver­ein­bar­ten ta­rif­li­chen Re­ge­lun­gen den In­ter­es­sen bei­der Sei­ten ge­recht wer­den und kei­ner Sei­te ein un­zu­mut­ba­res Über­ge­wicht ver­mit­teln (vgl. BAG 28. März 2006 - 1 ABR 58/04 - Rn. 47 mwN, BA­GE 117, 308). Das gilt grundsätz­lich auch für Ta­rif­verträge, die auf­grund der Ta­riföff­nungs­klau­sel des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG ge­schlos­sen wer­den.


(3) Gleich­wohl sind Fall­ge­stal­tun­gen denk­bar, in de­nen die ta­rif­ver­trag­li­che Ge­stal­tung sach­grund­lo­ser Be­fris­tun­gen trotz der Ver­mu­tung der ma­te­ri­el­len Rich­tig­keit nicht mehr der mit den Re­ge­lun­gen des Tz­B­fG ver­folg­ten Ver­wirk­li­chung der aus Art. 12 Abs. 1 GG fol­gen­den staat­li­chen Schutz­pflicht entspräche. Das bei An­wen­dung und Aus­le­gung des § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG zu be­ach­ten­de Un­ter­maßver­bot führt da­her eben­falls zu ei­ner Be­schränkung der Re­ge­lungs­be­fug­nis der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en.


cc) Ei­ne Be­schränkung der durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis ent­spricht schließlich auch den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben der Richt­li­nie 1999/70/EG des Ra­tes vom 28. Ju­ni 1999 zu der EGB-UN­ICE-CEEP-Rah­men­ver­ein­ba­rung über be­fris­te­te Ar­beits­verträge (Rah­men­ver­ein­ba­rung), de­ren Um­set­zung der be­fris­tungs­recht­li­che Teil des Tz­B­fG dient (vgl. BT-Drucks. 14/4374 S. 1; BAG 6. April 2011 - 7 AZR 716/09 - Rn. 24 mwN, AP Tz­B­fG § 14 Nr. 82 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 77).


(1) Aus dem zwei­ten Ab­satz der Präam­bel der Rah­men­ver­ein­ba­rung, aus ih­ren All­ge­mei­nen Erwägun­gen 6 und 8 so­wie aus der Recht­spre­chung des
 


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Ge­richts­hofs der Eu­ropäischen Uni­on geht her­vor, dass fes­te Beschäfti­gungs­verhält­nis­se ei­nen wich­ti­gen As­pekt des Ar­beit­neh­mer­schut­zes dar­stel­len, während be­fris­te­te Ar­beits­verträge nur un­ter be­stimm­ten Umständen den Bedürf­nis­sen so­wohl der Ar­beit­ge­ber als auch der Ar­beit­neh­mer ent­spre­chen können (vgl. zu­letzt EuGH 8. März 2012 - C-251/11 - [Hu­et] Rn. 35 mwN, AP Richt­li­nie 99/70/EG Nr. 10 = EzA EG-Ver­trag 1999 Richt­li­nie 99/70 Nr. 5). Die Richt­li­nie und die in­kor­po­rier­te Rah­men­ver­ein­ba­rung ver­lan­gen da­her von den Mit­glied­staa­ten zur Ver­hin­de­rung von Miss­brauch durch auf­ein­an­der­fol­gen­de be­fris­te­te Ar­beits­verträge die Er­grei­fung ei­ner oder meh­re­rer der drei in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rah­men­ver­ein­ba­rung ge­nann­ten Maßnah­men. Ent­schließt sich ein Mit­glied­staat zu ei­ner die­ser Maßnah­men oder zu meh­re­ren, hat er das uni­ons­recht­lich vor­ge­ge­be­ne Ziel der Ver­hin­de­rung des Miss­brauchs von auf­ein­an­der­fol­gen­den be­fris­te­ten Ar­beits­verträgen zu gewähr­leis­ten (vgl. hier­zu EuGH 26. Ja­nu­ar 2012 - C-586/10 - [Kücük] Rn. 25 f. mwN, AP Richt­li­nie 99/70/EG Nr. 9 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 80; 23. April 2009 - C-378/07 ua. - [An­ge-li­da­ki ua.] Rn. 94 f. mwN, Slg. 2009, I-3071).


(2) Der deut­sche Ge­setz­ge­ber hat sich in § 14 Abs. 1 bis 3 Tz­B­fG für ei­ne Kom­bi­na­ti­on der ge­nann­ten Maßnah­men ent­schie­den und ua. in § 14 Abs. 2 Tz­B­fG die Zulässig­keit ei­ner Be­fris­tung oh­ne sach­li­che Gründe in Abhängig­keit von der ma­xi­mal zulässi­gen Dau­er auf­ein­an­der­fol­gen­der Ar­beits­verträge und der Zahl von Verlänge­run­gen sol­cher Verträge näher aus­ge­stal­tet (vgl. zur Sach­grund­be­fris­tung BAG 9. März 2011 - 7 AZR 728/09 - Rn. 30 mwN, AP Tz­B­fG § 14 Haus­halt Nr. 18 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 76; zur Miss­brauchs­ver­hin­de­rung bei sach­grund­lo­sen Be­fris­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit ei­nem Ge­stal­tungs­miss­brauch iSv. § 242 BGB vgl. BAG 9. März 2011 - 7 AZR 657/09 - Rn. 21 mwN, AP Tz­B­fG § 14 Nr. 81 = EzA Tz­B­fG § 14 Nr. 75). In die­sem Zu­sam­men­hang hat er den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en nach § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG die Möglich­keit eröff­net, die an die Höchst­dau­er und die Höchstan­zahl von Verlänge­run­gen an­knüpfen­den Zulässig­keits­vor­aus­set­zun­gen be­fris­te­ter Ar­beits­verträge ab­wei­chend vom Ge­setz zu re­geln (allg. zur Re­ge­lungs­be­fug­nis richt­li­ni­en­um­set­zen­den Rechts durch die So­zi­al­part­ner vgl. zB EuGH 18. De­zem­ber 2008 - C-306/07 - [Ru­ben An­der­sen] Rn. 24, Slg. 2008, I-
 


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10279; 28. Ok­to­ber 1999 - C-187/98 - [Kom­mis­si­on/Grie­chen­land] Rn. 46 mwN, Slg. 1999, I-7713). Bei der Wahr­neh­mung die­ser Re­ge­lungs­be­fug­nis ist aber auch von den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en das Ziel der Richt­li­nie, den Miss­brauch auf­ein­an­der­fol­gen­der be­fris­te­ter Ar­beits­verträge zu ver­hin­dern, zu be­ach­ten. Die ge­setz­li­che Ta­riföff­nungs­klau­sel er­laubt da­her kei­ne Ta­rif­verträge, die die­sem Ziel er­kenn­bar zu­wi­der­lie­fen.


dd) Der Streit­fall ver­langt kei­ne Ent­schei­dung, wo die Gren­zen der den Ta­rif­ver­trags­par­tei­en durch § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG eröff­ne­ten Re­ge­lungs­be­fug­nis lie­gen. Sie sind je­den­falls durch § 2 Abs. 6 Satz 1 und Satz 2 MRTV nicht über­schrit­ten. Die Fest­le­gung der zulässi­gen Höchst­dau­er von 42 Mo­na­ten für die ka­len­dermäßige Be­fris­tung ei­nes Ar­beits­ver­trags oh­ne Vor­lie­gen ei­nes sach­li­chen Grun­des und die in die­sem Rah­men vor­ge­ge­be­ne höchs­tens vier­ma­li­ge Ver­trags­verlänge­rung sind we­der nach der Sys­te­ma­tik und dem Zweck des Tz­B­fG noch aus ver­fas­sungs- oder uni­ons­recht­li­chen Gründen be­denk­lich.


2. Die Be­klag­te kann die Be­fris­tung auf § 2 Abs. 6 MRTV stützen. Der MRTV fin­det auf das Ar­beits­verhält­nis der Par­tei­en An­wen­dung.

a) Es sind kei­ne Fest­stel­lun­gen zu ei­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit der Par­tei­en ge­trof­fen. Es kann da­her nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass der MRTV für das Ar­beits­verhält­nis nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG un­mit­tel­bar und zwin­gend gilt.

b) Die Par­tei­en ha­ben aber die An­wen­dung des MRTV nach § 14 Abs. 2 Satz 4 Tz­B­fG ver­ein­bart.

aa) Sie ha­ben im Zu­sam­men­hang mit dem Ab­schluss der streit­be­fan­ge­nen Be­fris­tungs­ab­re­de - eben­so wie bei der Ver­ein­ba­rung der vor­an­ge­gan­ge­nen Be­fris­tun­gen - ver­trag­lich auf die An­wen­dung ua. des MRTV Be­zug ge­nom­men.

bb) Kläger und Be­klag­te un­ter­fie­len bei an­ge­nom­me­ner Ta­rif­ge­bun­den­heit dem räum­li­chen, fach­li­chen und persönli­chen Gel­tungs­be­reich des MRTV. Sie
 


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ha­ben da­mit iSd. § 14 Abs. 2 Satz 4 Tz­B­fG „im Gel­tungs­be­reich“ des Ta­rif­ver­trags des­sen An­wen­dung ver­ein­bart.

cc) Die ar­beits­ver­trag­li­che Ver­wei­sung be­trifft den ge­sam­ten MRTV so­wie - noch wei­ter­ge­hend - al­le Ta­rif­be­stim­mun­gen (auch) der Lohn- und Ent­gelt­ta­rif­verträge, die räum­lich, fach­lich und persönlich für das Wach- und Si­cher­heits­ge­wer­be bzw. den Si­cher­heits­trans­port­dienst und den Ar­beit­neh­mer gel­ten. Auf die Fra­ge, ob es aus­reicht, nur die An­wen­dung der zu § 14 Abs. 2 Satz 3 Tz­B­fG er­gan­ge­nen Be­stim­mun­gen zu ver­ein­ba­ren (so zB Dörner Der be­fris­te­te Ar­beits­ver­trag Rn. 489 mwN; ErfK/Müller-Glöge § 14 Tz­B­fG Rn. 101), oder ob min­des­tens die ge­sam­ten ta­rif­li­chen Nor­men ver­ein­bart sein müssen, die die Be­fris­tung re­geln (so zB APS/Back­haus § 14 Tz­B­fG Rn. 410 mwN), oder ob so­gar ei­ne Be­zug­nah­me des ge­sam­ten Ta­rif­ver­trags oder Ta­rif­werks er­for­der­lich ist, kommt es nicht an.


C. Die Kos­ten­ent­schei­dung be­ruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. 

Lin­sen­mai­er 

Zwan­zi­ger 

Schmidt

Cou­lin 

Kley

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