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Fehleinschätzung eines Geschehens kann vor fristloser Kündigung schützen
Ob die in § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sehr abstrakt und juristisch umschriebenen Voraussetzungen für die sofortige Entlassung des Arbeitnehmers vorliegen, prüfen die Arbeitsgerichte in ständiger Rechtsprechung zweistufig. Auf der ersten Stufe wird gefragt, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls ("an sich") als wichtiger Kündigungsgrund geeignet ist. Das wird praktisch in jedem Fall angenommen. Auf der zweiten Stufe folgt die Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverdienstes unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile auf Dauer zumutbar ist oder nicht.
Seit der öffentlich viel diskutierten fristlosen Kündigung der Berliner Kassiererin "Emmely" wegen einer Bagatellstraftat ist bei der Interessenabwägung ein gewisser Wandel in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte zu beobachten. Es scheint, als würde nun (wieder?) besonders genau hingesehen und besonders kritisch abgewogen. Dabei wird einem langen, unbeanstandet gebliebenen Beschäftigungsverhältnis und dem damit erhobenen "Vertrauenskapital" sowie dem "Nachttatverhalten", also der Einsicht des Arbeitnehmers in das eigene Fehlverhalten, eine besondere Bedeutung beigemessen.
So entschieden das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 16.06.2010, 3 Sa 144/10) und das Arbeitsgericht Lübeck (Urteil vom 25.02.2010, 1 Ca 3237 b/09) im Rahmen einer Kündigungsschutzklage zu Gunsten eines Arbeitnehmers, der nach fast 30 Jahren Tätigkeit für seinen Arbeitgeber ein Notfall völlig falsch eingeschätzt hatte und dies, jedenfalls nach eigenem Bekunden, sehr bedauerte und nun für das Problem "hochgradig sensibilisiert" ist. Was war geschehen?
Der Kläger arbeitet im Nachtdienst eines Internats. Sein Betreuerzimmer ist mit einem Notruftelefon ausgestattet und liegt unter der Etage für die weiblichen Internatsbewohner. Dort kam es in der Nacht vom 07. auf den 08.10.2009 zu einem dramatischen Zwischenfall: Eine knapp 17 Jahre alte Bewohnerin wurde von einem angetrunken Schüler der benachbarten Seemannschule sexuell angegriffen. Sie konnte in ihr Zimmer zu zwei Mitbewohnerinnen flüchten und den Angreifer aussperren. Anschließend rief sie den Kläger an. Der Inhalt des Gesprächs ist streitig. Statt nun unverzüglich zum Zimmer zu gehen und zu überprüfen, ob Handlungsbedarf besteht, begnügte sich der Kläger mit einer "Ferndiagnose", hielt den Vorfall für unbedeutend und tat nichts. Erst nach einem zweiten Anruf ging er zu den Mädchen, empfahl dann aber nur, dass Zimmer zu verschließen und vertröstete sie auf den nächsten Morgen. Den Angreifer traf er anschließend mit einem im Internat untergebrachten Mitschüler an. Der Kläger wusste damit, dass der Übergreifer auf dieser Basis innerhalb kürzester Zeit ermittelbar ist. Das geschah auch am nächsten Morgen, allerdings nicht auf Veranlassung des Klägers, sondern aufgrund einer Mitteilung der Betroffenen an die Heimleitung. Um die Mädchen hatte sich der Kläger diesem Abend nicht mehr gekümmert.
Das LAG Schleswig-Holstein nahm an, der klagende Betreuer habe pflichtwidrig zunächst gar nichts und danach zu wenig unternommen. Gleichwohl hielt es angesichts der Gesamtumstände nur eine Abmahnung für eine angemessene Reaktion. Denn die Pflichtverletzungen waren Teil eines einheitlichen Geschehens, das auf einer völligen Fehleinschätzung der Situation basierte. Dies sei schlecht, meint das Gericht, könne aber passieren. Menschliches Versagen sei nicht ausschließbar. Auch das fortgeschrittene Alter des Klägers, die lange Dauer des im übrigen unbeanstandet gebliebenen Arbeitsverhältnisses und sein nach Auffassung des Gerichts glaubhaftes Bedauern trugen zu dieser Einschätzung bei.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Nähere Informationen finden sie hier:
- Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.06.2010, 3 Sa 144/10
- Handbuch Arbeitsrecht: Abmahnung und Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Außerordentliche Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - fristlose Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigung - Verhaltensbedingte Kündigung
- Handbuch Arbeitsrecht: Kündigungsschutzklage
- Arbeitsrecht aktuell: 12/139 Kündigung eines Chefarztes wegen Verschweigens einer Straftat
- Arbeitsrecht aktuell: 11/011 Schutz vor drohender verhaltensbedingter Kündigung durch Einsicht und Reue
Letzte Überarbeitung: 24. August 2016
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