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Altersgrenze für Tätigkeit von Ärzten
Anders war dies für Vertrags(zahn)ärzte, also Ärzte, die auch gesetzlich krankenversicherte Patienten behandeln dürfen, bis Ende 2008 geregelt. Ihre Zulassung endete zwangsweise mit Ende des Quartals, in dem sie das 68. Lebensjahr vollendet hatten. Hierüber entzündeten sich viele Rechtsstreitigkeiten.
Um die Frage der europarechtlichen Zulässigkeit derartiger Altersobergrenzen kreist das vorliegende Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EUGH) vom 12.01.2010, bei dem es um eine Zahnärztin ging, die auch nach Erreichen der Altersobergrenze weiter praktizieren wollte: EUGH, Urteil vom 12.01.2010, C-341/08 (Petersen gg. Berufungsausschuss für Zahnärzte).
- Altersgrenze und Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters
- Der Fall des Europäischen Gerichtshof: Zahnärztin klagt gegen Altersobergrenze für Kassenzulassung
- Europäischer Gerichtshof: Keine Altersdiskriminierung, wenn Altersgrenze gegenüber allen Ärzten gleichermaßen gilt
Altersgrenze und Diskriminierungsverbot aufgrund des Alters
Das Verbot der Diskriminierung im Erwerbsleben aufgrund des Alters ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts. Die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie 2000/78/EG) dient der Durchsetzung dieses Grundsatzes, indem sie Altersdiskriminierungen im Allgemeinen verbietet (Art.1, Art.2 der Richtlinie).
Andererseits erlaubt die Richtlinie „gerechtfertigte Ungleichbehandlungen wegen des Alters“ unter bestimmten Umständen ausdrücklich (Art.6 der Richtlinie). Diesen Vorgaben der Richtlinie entsprechend enthält auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ein allgemeines Verbot der Altersdiskriminierung, lässt altersbedingte Schlechterstellungen aber im Ausnahmefall zu (§ 10 AGG).
Welche Ungleichbehandlungen wegen des Alters gerechtfertigt sind und welche nicht, ist seit Jahren umstritten. Insbesondere an der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, des aktiven Dienstes eines Beamten oder einer selbständigen Berufstätigkeit aufgrund rechtlich festgelegter starrer Altersgrenzen scheiden sich die Geister. Die hierzu in den letzten Jahren ergangene Rechtsprechung des EuGH und der deutschen Gerichte ist widersprüchlich.
Grundlegend für die Meinung des EuGH zum Thema Zwangspensionierung ist nach wie vor sein Urteil in dem aus Spanien stammenden Fall „Palacios“ (EuGH, Urteil vom 16.10.2007, C-411/05), das drei wesentliche Eckpunkte für die Beurteilung von Altersgrenzen enthält:
Erstens: Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen aufgrund von Altersgrenzen ist eine altersbedingte Schlechterstellung der davon betroffenen Arbeitnehmer, da diese ihren Arbeitsplatz verlieren, und bedarf daher einer Rechtfertigung im Sinne von Art.6 der Richtlinie 2000/78/EG. Erforderlich ist dazu ein anerkennenswertes sozialpolitisches Ziel, v.a. aus den Politikfeldern Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarkt.
Zweitens: Die Mittel, mit denen ein solches Ziel erreicht werden soll, d.h. die Regelungen über die Zwangspensionierung, müssen „objektiv und angemessen“ sein. Dabei haben Staat und Sozialpartner zwar einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Ziele und Mittel, müssen aber Ziele und Mittel in einer rational nachvollziehbaren bzw. „kohärenten“ Weise miteinander in Beziehung setzen.
Drittens muss auch die rechtliche Ungleichbehandlung selbst, d.h. die Art und Weise der rechtlichen Schlechterstellung älterer Arbeitnehmer unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele „angemessen“ und „erforderlich“ sein. Benennt der Normgeber seine Ziele nicht ausdrücklich, müssen sie wenigstens aus den Umständen (Ablauf der Gesetzgebung, Zusammenhang mit anderen Gesetzen etc.) erkennbar sein.
In dem Rechtsstreit, der dem Urteil des EuGH in Sachen Palacios zugrunde lag, ging es um eine gesetzlich geregelte Beendigung von Arbeitsverhältnissen zum Zwecke der Entlastung des nationalen Arbeitsmarktes und damit der Eindämmung der Arbeitslosigkeit. Vor dem Hintergrund dieser Zwecksetzung hatte der EuGH die spanische Zwangsberentung nicht beanstandet. Heikler sind dagegen Fälle der altersbedingten Beendigung von Erwerbsbiographien, wenn sie mit dem Nachlassen der Leistungsfähigkeit und/oder mit dem ganz abstrakten Ziel eines Generationenwechsels begründet werden.
Über eine solche Konstellation hatte der EuGH kürzlich auf der Grundlage eines aus Deutschland stammenden Vorlagefalles zu entscheiden (EuGH, Urteil vom 12.01.2010, C-341/08 - Petersen gg. Berufungsausschuss für Zahnärzte).
Der Fall des Europäischen Gerichtshof: Zahnärztin klagt gegen Altersobergrenze für Kassenzulassung
Das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2266) führte zusammen mit der Beschränkung der Kassenarztzulassung eine Höchstaltersgrenze für Kassenärzte („Vertragsärzte“) ein. Sie war später in § 95 Abs. 7 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) festgeschrieben und galt auch für Zahnärzte. Danach endete die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung seit dem 01.01.1999 mit Ablauf des Kalendervierteljahrs, in dem der Vertragsarzt das 68. Lebensjahr vollendete. Seit Oktober 2008 sind die Altersgrenzen fortgefallen; für das Jahr 2008 gelten Übergangsregelungen.
Hinter dieser mittlerweile abgeschafften Altersgrenze standen verschiedene Zwecksetzungen. Bei Einführung der Altersgrenze ging es vor allem um die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Da die Zulassungsbeschränkungen vor allem die jüngeren, noch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte und Zahnärzte belasteten, sollten die älteren bei Erreichen einer Altersgrenze dementsprechend „Platz machen“. Da die gebietsbezogenen Zulassungsbeschränkungen aber bereits vor dem Wegfall der Altersgrenze, nämlich ab 2007, abgeschafft wurden, war diese Begründung der Altersgrenze nicht mehr recht überzeugend. Als weiterer Zweck der Altersgrenze wurden daher der Schutz der Gesundheit der gesetzlich krankenversicherten Patienten angeführt sowie das Ziel einer Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Der Kostendämpfungszweck wird mit der These untermauert, dass es im Gesundheitswesen eine „angebotsinduzierte Nachfrage“ gebe, d.h. dass viele Kassenärzte viele Behandlungen und damit vermehrte Kosten für die Krankenkassen „erzeugten“.
Diese Ziele befand das Sozialgericht (SG) Dortmund für nicht überzeugend, als es über den Fall einer zum 30.06.2007 zwangspensionierten Vertragszahnärztin, Frau Dr. Petersen, zu entscheiden hatte. Da das Sozialgericht allein das Ziel des Schutzes der Patienten vor altersbedingt nachlassender ärztlicher Leistungsfähigkeit für ernsthaft diskutabel erachtete, legte es dem EuGH verschiedene Fragen zur Vorabentscheidung vor, die auf die Klärung der Frage zielten, ob der Zweck des Patientenschutzes vor altersbedingt nachlassender ärztlicher Leistungsfähigkeit mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sei oder nicht (SG Dortmund, Beschluss vom 25.06.2008, S 16 KA 117/07).
Europäischer Gerichtshof: Keine Altersdiskriminierung, wenn Altersgrenze gegenüber allen Ärzten gleichermaßen gilt
Der EuGH hat im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung, v.a. an das Palacios-Urteil, den benachteiligenden Charakter der hier streitigen Zwangspensionierung herausgestellt und sich sodann mit den hier streitigen Zielen auseinandergesetzt.
Das vom SG Dortmund in den Vordergrund gerückte Ziel des Schutzes der Patienten vor den Folgen altersbedingt schlechter werdender zahnärztlicher Leistungen ließ der Gerichtshof nicht gelten, da eine solche Zielsetzung des deutschen Gesetzgebers „inkohärent“ wäre: Da nämlich Zahnärzte in Deutschland auch dann, wenn sie 68 Jahre oder älter sind, Privatpatienten ohne jede Einschränkung weiter behandeln dürfen, würde der deutsche Gesetzgeber extreme Schutzlücken zulasten privat versicherter Patienten in Kauf nehmen. Das „Tatterich-Argument“ zieht daher nur dann, wenn es konsequent gegenüber allen Berufsangehörigen umgesetzt wird: Dann müssten alle Zahnärzte - ob Freiberufler oder Angestellte, ob für Kassen- oder Privatpatienten tätig - mit 68 Jahren vom Staat zur Berufsaufgabe gezwungen werden.
Das Kostendämpfungsargument ließ der EuGH dagegen unter Verweis auf Art.2 Abs.5 der Richtlinie 2000/78/EG als ein möglicherweise bzw. im Prinzip berechtigtes Argument gelten, wollte dazu aber im konkreten Fall nicht Stellung nehmen, da das SG Dortmund selbst diesen Zweck nicht in seine an den EuGH gerichtete Anfrage aufgenommen hatte. Daher wurde das SG Dortmund dahingehend beschieden, es möge nunmehr prüfen, ob die streitige Altersgrenze „das Risiko einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit mit dem Ziel vermeiden soll, ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes zu erreichen“ (Urteil, Rn.64).
Kritisch ist zu diesen Ausführungen des EuGH anzumerken, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen einem vorgerückten Alter und dem Ziel der Kostendämpfung nicht erkennbar ist: Wenn viele Kassen-Zahnärzte viele Behandlungen und damit hohe Kosten erzeugen, verringert ein „Ausmustern“ älterer Zahnärzte sicherlich das vorhandene Angebot und damit die Gesundheitskosten, doch käme wohl niemand auf die Idee, mit einer solchen Begründung weiblichen, unverheirateten oder katholischen Zahnärzten die Zulassung zu entziehen. Allerdings steht der EuGH hier in Übereinstimmung mit der Tendenz seiner Entscheidung in Sachen Palacios (Urteil vom 16.10.2007, C-411/05).
Schließlich lässt der EuGH auch das Ziel der Herstellung der Gerechtigkeit zwischen den Generationen im Prinzip gelten, wobei er auf Art.6 Abs.1 Satz 1 der Richtlinie 2000/878/EG, d.h. auf die Möglichkeit einer „gerechtfertigten“ Schlechterstellung wegen des Alters verweist. Eine Altersgrenze von der Art der hier streitigen und die damit verbundene Schlechterstellung älterer Vertragszahnärzte kann durch das Ziel der Verteilung der „Berufschancen zwischen den Generationen“ gerechtfertigt sein, falls die Zahl der Vertragszahnärzte überhöht ist oder, so der EuGH im Anschluss an die Argumentation der Bundesregierung, „die latente Gefahr besteht, dass eine solche Situation eintritt“.
Auch in diesem Punkt sind die Überlegungen des EuGH nicht recht nachvollziehbar: Zu der Zeit, zu der die hier streitige Altersgrenze die Klägerin belastete (2007), galten keine gebietsquotenmäßigen Zugangsbeschränkungen mehr, so dass die Bundesregierung nur mit einer möglichen bzw. „latenten“ Gefahr einer Überversorgung mit Vertragszahnärzten argumentieren konnte. Besteht aber faktisch keine Überversorgung, wird der Zugang jüngerer Vertragszahnärzte zum Markt nicht dadurch behindert, dass dort (auch) Zahnärzte im Alter von mehr als 68 Jahren tätig sind (Urteil, Rn.71). Wenn die Alten den Jungen aber nichts wegnehmen, wieso werden sie dann zum Aufhören gezwungen? Mit der erst vor kurzem vom EuGH zurecht betonten weitgehenden Begründungslast, die der Staat im Falle von altersbedingten rechtlichen Schlechterstellungen trägt (Urteil vom 05.03.2009, C-388/07 - Age Concern, Rn.65), ist diese vornehme Zurückhaltung des EuGH nicht in Einklang zu bringen.
Fazit: Das Argument der nachlassenden Leistungsfähigkeit kann Zwangspensionierungen rechtfertigen, muss aber dann gegenüber allen Berufsträgern in gleicher Weise umgesetzt werden, da die Zielvorgabe ansonsten widersprüchlich ist. Darüber hinaus hält der EuGH es für zulässig, ältere Erwerbstätige zum Zwecke der „Marktbereinigung“ (hier: der Kostendämpfung im Gesundheitswesen) von der weiteren Berufsausübung abzuhalten - womit aber letztlich das Verbot der Altersdiskriminierung aufgegeben wird. Schließlich kann sich der Staat nach Meinung des EuGH auch eine Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen zur Aufgabe machen und zur Erreichung eines solchen Zieles älteren Erwerbstätigen „den Stecker herausziehen“, dies allerdings nur dann, wenn die Berufstätigkeit der Alten die Markteintrittschancen der Jungen behindert, was bei Karrierepositionen im Staatsdienst, wohl kaum aber bei selbständigen Dienstleistungserbringern vorstellbar ist.
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Letzte Überarbeitung: 16. November 2020
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