HENSCHE RECHTSANWÄLTE, FACHANWALTSKANZLEI FÜR ARBEITSRECHT

 

EuGH, Ur­teil vom 12.01.2010, C-341/08 - Pe­ter­sen

   
Schlagworte: Europarecht, Altersdiskriminierung, Höchstalter, Diskriminierung: Alter
   
Gericht: Europäischer Gerichtshof
Aktenzeichen: C-341/08
Typ: Urteil
Entscheidungsdatum: 12.01.2010
   
Leitsätze:

1. Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Maßnahme wie der im Ausgangsverfahren fraglichen, mit der für die Ausübung des Berufs eines Vertragszahnarztes eine Höchstaltersgrenze, im vorliegenden Fall 68 Jahre, festgelegt wird, entgegensteht, wenn diese Maßnahme nur das Ziel hat, die Gesundheit der Patienten vor dem Nachlassen der Leistungsfähigkeit von Vertragszahnärzten, die dieses Alter überschritten haben, zu schützen, da diese Altersgrenze nicht für Zahnärzte außerhalb des Vertragszahnarztsystems gilt.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 ist dahin auszulegen, dass er einer solchen Maßnahme nicht entgegensteht, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, welches Ziel mit der Maßnahme zur Festlegung dieser Altersgrenze verfolgt wird, indem es den Grund für ihre Aufrechterhaltung ermittelt.

2. Wenn eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels gegen die Richtlinie 2000/78 verstößt, muss das nationale Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen einem Einzelnen und einem Verwaltungsorgan wie dem Berufungsausschuss für Zahnärzte für den Bezirk Westfalen-Lippe anhängig ist, diese Regelung selbst dann unangewendet lassen, wenn sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie erlassen wurde und das nationale Recht die Nichtanwendung einer solchen Regelung nicht vorsieht.

Vorinstanzen: Sozialgericht Dortmund,
Beschluss vom 25.06.2008, S 16 KA 117/07
   

UR­TEIL DES GERICH­TSHOFS (Große Kam­mer)

12. Ja­nu­ar 2010(*)

„Richt­li­nie 2000/78/EG – Art. 2 Abs. 5 und Art. 6 Abs. 1 – Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters – Na­tio­na­le Be­stim­mung, die das Höchst­al­ter für die Ausübung des Be­rufs ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes auf 68 Jah­re fest­legt – Ver­folg­tes Ziel – Be­griff ‚für den Ge­sund­heits­schutz er­for­der­li­che Maßnah­me‘ – Kohärenz – Ge­eig­net­heit und An­ge­mes­sen­heit der Maßnah­me“

In der Rechts­sa­che C-341/08

be­tref­fend ein Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen nach Art. 234 EG, ein­ge­reicht vom So­zi­al­ge­richt Dort­mund (Deutsch­land) mit Ent­schei­dung vom 25. Ju­ni 2008, beim Ge­richts­hof ein­ge­gan­gen am 24. Ju­li 2008, in dem Ver­fah­ren

Dom­ni­ca Pe­ter­sen

ge­gen

Be­ru­fungs­aus­schuss für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe,

Be­tei­lig­te:

AOK West­fa­len-Lip­pe,

BKK-Lan­des­ver­band Nord­rhein-West­fa­len,

Ver­ei­nig­te IKK,

Deut­sche Ren­ten­ver­si­che­rung Knapp­schaft-Bahn-See – De­zer­nat 0.63 –,

Land­wirt­schaft­li­che Kran­ken­kas­se NRW,

Ver­band der An­ge­stell­ten-Kran­ken­kas­sen e.V.,

AEV – Ar­bei­ter-Er­satz­kas­sen-Ver­band e.V.,

Kas­sen­zahnärzt­li­che Ver­ei­ni­gung West­fa­len-Lip­pe

erlässt

DER GERICH­TSHOF (Große Kam­mer)

un­ter Mit­wir­kung des Präsi­den­ten der Drit­ten Kam­mer K. Lena­erts in Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben des Präsi­den­ten, des Kam­mer­präsi­den­ten E. Le­vits, der Kam­mer­präsi­den­tin P. Lindh (Be­richt­er­stat­te­rin) so­wie der Rich­ter C. W. A. Tim­mer­m­ans, A. Ro­sas, P. Kûris, A. Borg Bart­het, A. Ó Cao­imh und L. Bay Lar­sen,

Ge­ne­ral­an­walt: Y. Bot,

Kanz­ler: C. Strömholm, Ver­wal­tungsrätin,

auf­grund des schrift­li­chen Ver­fah­rens und auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 7. Ju­li 2009,

un­ter Berück­sich­ti­gung der Erklärun­gen

– von Frau Pe­ter­sen, ver­tre­ten durch Rechts­an­walt H.‑J. Brink,

– der deut­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Lum­ma und N. Graf Vitzt­hum als Be­vollmäch­tig­te,

– von Ir­land, ver­tre­ten durch D. O’Ha­gan als Be­vollmäch­tig­ten im Bei­stand von P. McGar­ry, BL,

– der ita­lie­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch I. Bruni als Be­vollmäch­tig­te im Bei­stand von M. Rus­so, av­vo­ca­to del­lo Sta­to,

– der pol­ni­schen Re­gie­rung, ver­tre­ten durch M. Dow­gie­le­wicz als Be­vollmäch­tig­ten,

– der Kom­mis­si­on der Eu­ropäischen Ge­mein­schaf­ten, ver­tre­ten durch V. Kreu­schitz, J. En­e­gren und B. Con­te als Be­vollmäch­tig­te,

nach Anhörung der Schluss­anträge des Ge­ne­ral­an­walts in der Sit­zung vom 3. Sep­tem­ber 2009

fol­gen­des

Ur­teil

1

Das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen be­trifft die Aus­le­gung von Art. 6 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf (ABl. L 303, S. 16, im Fol­gen­den: Richt­li­nie).

2

Die­ses Er­su­chen er­geht im Rah­men ei­nes Rechts­streits zwi­schen Frau Pe­ter­sen und dem Be­ru­fungs­aus­schuss für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe we­gen des­sen Wei­ge­rung, die Be­trof­fe­ne zur Ausübung des Be­rufs ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes über das Al­ter von 68 Jah­ren hin­aus zu­zu­las­sen.  


Recht­li­cher Rah­men

Ge­mein­schafts­recht

Die Richt­li­nie wur­de auf der Grund­la­ge von Art. 13 EG er­las­sen. In den Erwägungs­gründen 9, 11 und 25 die­ser Richt­li­nie heißt es:

„(9) Beschäfti­gung und Be­ruf sind Be­rei­che, die für die Gewähr­leis­tung glei­cher Chan­cen für al­le und für ei­ne vol­le Teil­ha­be der Bürger am wirt­schaft­li­chen, kul­tu­rel­len und so­zia­len Le­ben so­wie für die in­di­vi­du­el­le Ent­fal­tung von ent­schei­den­der Be­deu­tung sind.

(11) Dis­kri­mi­nie­run­gen we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung können die Ver­wirk­li­chung der im EG-Ver­trag fest­ge­leg­ten Zie­le un­ter­mi­nie­ren, ins­be­son­de­re die Er­rei­chung ei­nes ho­hen Beschäfti­gungs­ni­veaus und ei­nes ho­hen Maßes an so­zia­lem Schutz, die He­bung des Le­bens­stan­dards und der Le­bens­qua­lität, den wirt­schaft­li­chen und so­zia­len Zu­sam­men­halt, die So­li­da­rität so­wie die Freizügig­keit.

(25) Das Ver­bot der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters stellt ein we­sent­li­ches Ele­ment zur Er­rei­chung der Zie­le der beschäfti­gungs­po­li­ti­schen Leit­li­ni­en und zur Förde­rung der Viel­falt im Be­reich der Beschäfti­gung dar. Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters können un­ter be­stimm­ten Umständen je­doch ge­recht­fer­tigt sein und er­for­dern da­her be­son­de­re Be­stim­mun­gen, die je nach der Si­tua­ti­on der Mit­glied­staa­ten un­ter­schied­lich sein können. Es ist da­her un­be­dingt zu un­ter­schei­den zwi­schen ei­ner Un­gleich­be­hand­lung, die ins­be­son­de­re durch rechtmäßige Zie­le im Be­reich der Beschäfti­gungs­po­li­tik, des Ar­beits­mark­tes und der be­ruf­li­chen Bil­dung ge­recht­fer­tigt ist, und ei­ner Dis­kri­mi­nie­rung, die zu ver­bie­ten ist.“ 

4 Der Zweck der Richt­li­nie ist nach ih­rem Art. 1 „die Schaf­fung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens zur Bekämp­fung der Dis­kri­mi­nie­rung we­gen der Re­li­gi­on oder der Welt­an­schau­ung, ei­ner Be­hin­de­rung, des Al­ters oder der se­xu­el­len Aus­rich­tung in Beschäfti­gung und Be­ruf im Hin­blick auf die Ver­wirk­li­chung des Grund­sat­zes der Gleich­be­hand­lung in den Mit­glied­staa­ten“.
5

Art. 2 der Richt­li­nie lau­tet:

„(1) Im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet ‚Gleich­be­hand­lungs­grund­satz‘, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe ge­ben darf.

(2) Im Sin­ne des Ab­sat­zes 1

a) liegt ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung vor, wenn ei­ne Per­son we­gen ei­nes der in Ar­ti­kel 1 ge­nann­ten Gründe in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt, als ei­ne an­de­re Per­son erfährt, er­fah­ren hat oder er­fah­ren würde;

(5) Die­se Richt­li­nie berührt nicht die im ein­zel­staat­li­chen Recht vor­ge­se­he­nen Maßnah­men, die in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft für die Gewähr­leis­tung der öffent­li­chen Si­cher­heit, die Ver­tei­di­gung der Ord­nung und die Verhütung von Straf­ta­ten, zum Schutz der Ge­sund­heit und zum Schutz der Rech­te und Frei­hei­ten an­de­rer not­wen­dig sind.“ 

6

Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c der Richt­li­nie sieht vor:

„Im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten gilt die­se Richt­li­nie für al­le Per­so­nen in öffent­li­chen und pri­va­ten Be­rei­chen, ein­sch­ließlich öffent­li­cher Stel­len, in Be­zug auf

a) die Be­din­gun­gen – ein­sch­ließlich Aus­wahl­kri­te­ri­en und Ein­stel­lungs­be­din­gun­gen – für den Zu­gang zu un­selbständi­ger und selbständi­ger Er­werbstätig­keit, un­abhängig von Tätig­keits­feld und be­ruf­li­cher Po­si­ti­on, ein­sch­ließlich des be­ruf­li­chen Auf­stiegs;

c) die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts“. 

7

Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie be­stimmt:

„Un­ge­ach­tet des Ar­ti­kels 2 Ab­satz 2 können die Mit­glied­staa­ten vor­se­hen, dass Un­gleich­be­hand­lun­gen we­gen des Al­ters kei­ne Dis­kri­mi­nie­rung dar­stel­len, so­fern sie ob­jek­tiv und an­ge­mes­sen sind und im Rah­men des na­tio­na­len Rechts durch ein le­gi­ti­mes Ziel, wor­un­ter ins­be­son­de­re rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung zu ver­ste­hen sind, ge­recht­fer­tigt sind und die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich sind.

Der­ar­ti­ge Un­gleich­be­hand­lun­gen können ins­be­son­de­re Fol­gen­des ein­sch­ließen:

a) die Fest­le­gung be­son­de­rer Be­din­gun­gen für den Zu­gang zur Beschäfti­gung und zur be­ruf­li­chen Bil­dung so­wie be­son­de­rer Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Be­din­gun­gen für Ent­las­sung und Ent­loh­nung, um die be­ruf­li­che Ein­glie­de­rung von Ju­gend­li­chen, älte­ren Ar­beit­neh­mern und Per­so­nen mit Fürsor­ge­pflich­ten zu fördern oder ih­ren Schutz si­cher­zu­stel­len;

b) die Fest­le­gung von Min­dest­an­for­de­run­gen an das Al­ter, die Be­rufs­er­fah­rung oder das Dienst­al­ter für den Zu­gang zur Beschäfti­gung oder für be­stimm­te mit der Beschäfti­gung ver­bun­de­ne Vor­tei­le;

c) die Fest­set­zung ei­nes Höchst­al­ters für die Ein­stel­lung auf­grund der spe­zi­fi­schen Aus­bil­dungs­an­for­de­run­gen ei­nes be­stimm­ten Ar­beits­plat­zes oder auf­grund der Not­wen­dig­keit ei­ner an­ge­mes­se­nen Beschäfti­gungs­zeit vor dem Ein­tritt in den Ru­he­stand.“

8

Die Richt­li­nie war nach ih­rem Art. 18 Abs. 1 bis spätes­tens 2. De­zem­ber 2003 in das na­tio­na­le Recht der Mit­glied­staa­ten um­zu­set­zen. Al­ler­dings sieht Art. 18 Abs. 2 vor:

„Um be­son­de­ren Be­din­gun­gen Rech­nung zu tra­gen, können die Mit­glied­staa­ten er­for­der­li­chen­falls ei­ne Zu­satz­frist von drei Jah­ren ab dem 2. De­zem­ber 2003, d. h. ins­ge­samt sechs Jah­re, in An­spruch neh­men, um die Be­stim­mun­gen die­ser Richt­li­nie über die Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters und ei­ner Be­hin­de­rung um­zu­set­zen. In die­sem Fall set­zen sie die Kom­mis­si­on un­verzüglich da­von in Kennt­nis. …“  

9

Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat von die­ser Möglich­keit Ge­brauch ge­macht, so dass die Um­set­zung der Be­stim­mun­gen der Richt­li­nie über die Dis­kri­mi­nie­rung we­gen des Al­ters und ei­ner Be­hin­de­rung in die­sem Mit­glied­staat spätes­tens am 2. De­zem­ber 2006 er­folgt sein muss­te.

Na­tio­na­les Recht

10 Das All­ge­mei­ne Gleich­be­hand­lungs­ge­setz vom 14. Au­gust 2006 (BGBl. I, S. 1897, im Fol­gen­den: AGG) hat die Richt­li­nie um­ge­setzt. Die­ses Ge­setz hat die im Fol­gen­den dar­ge­leg­te auf Ver­tragsärz­te an­zu­wen­den­de Al­ters­gren­ze we­der ab­ge­schafft noch mo­di­fi­ziert.
11 Das Ge­setz zur Si­che­rung und Struk­tur­ver­bes­se­rung der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung vom 21. De­zem­ber 1992 (BGBl. I, S. 2266, im Fol­gen­den: GSG 1993) hat ei­ne auf Ver­tragsärz­te an­zu­wen­den­de Höchst­al­ters­gren­ze ein­geführt, die seit dem 14. No­vem­ber 2003 in § 95 Abs. 7 Satz 3 des Fünf­ten Buchs des So­zi­al­ge­setz­buchs (BGBl. I, S. 2190, im Fol­gen­den: SGB V) zu fin­den ist. 
12 Die­ser § 95 Abs. 7 Satz 3 sieht vor, dass ab 1. Ja­nu­ar 1999 die Zu­las­sung zur Ausübung der Tätig­keit ei­nes Ver­trags­arz­tes mit Ab­lauf des Ka­len­der­vier­tel­jahrs en­det, in dem der Ver­trags­arzt das 68. Le­bens­jahr voll­endet. 
13 Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist die­se Be­stim­mung ana­log auf Ver­trags­zahnärz­te an­zu­wen­den. 
14 Nach An­ga­ben des vor­le­gen­den Ge­richts flan­kier­te die­se Al­ters­gren­ze § 102 SGB V, mit dem ei­ne eben­falls für die Zeit ab 1. Ja­nu­ar 1999 gel­ten­de ge­biets­abhängi­ge Be­darfs­zu­las­sung für Ärz­te (Zahnärz­te) in Kraft ge­setzt wur­de.
15

In der Ge­set­zes­be­gründung zum GSG 1993 heißt es:

„Die Ent­wick­lung der Ver­trags­arzt­zahl stellt ei­ne we­sent­li­che Ur­sa­che für überhöhte Aus­ga­ben­zuwächse in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung dar. An­ge­sichts ei­ner ständig stei­gen­den Zahl von Ver­tragsärz­ten be­steht die Not­wen­dig­keit, die An­zahl der Ver­tragsärz­te zu be­gren­zen. Die Über­ver­sor­gung kann nicht nur durch Zu­las­sungs­be­schränkun­gen und da­mit zu Las­ten der jun­gen Ärz­te­ge­ne­ra­ti­on ein­gedämmt wer­den. Hier­zu ist auch die Einführung ei­ner ob­li­ga­to­ri­schen Al­ters­gren­ze für Ver­tragsärz­te er­for­der­lich.“ 

16 Den An­ga­ben des vor­le­gen­den Ge­richts ist zu ent­neh­men, dass die­se Al­ters­gren­ze vor­be­halt­lich fol­gen­der vier Aus­nah­men gilt, von de­nen die ers­ten drei in den be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten nie­der­ge­legt sind und die letz­te sich aus ih­nen er­gibt:

– der Be­trof­fe­ne war zum Zeit­punkt der Voll­endung des 68. Le­bens­jahrs we­ni­ger als zwan­zig Jah­re als Ver­trags­arzt (Ver­trags­zahn­arzt) tätig und vor dem 1. Ja­nu­ar 1993 be­reits als sol­cher zu­ge­las­sen; in die­sem Fall wird die Zu­las­sung längs­tens bis zum Ab­lauf die­ses Zeit­raums verlängert;

– in ei­nem be­stimm­ten Ge­biet der Zu­las­sungs­re­gi­on ist ei­ne Un­ter­ver­sor­gung an Ver­tragsärz­ten (Ver­trags­zahnärz­ten) ein­ge­tre­ten oder droht un­mit­tel­bar;

– bei Krank­heit, Ur­laub und Teil­nah­me des Ver­trags­arz­tes (Ver­trags­zahn­arz­tes) an Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen;

– da die Re­ge­lung nur im Ver­trags­arzt­sys­tem (Ver­trags­zahn­arzt­sys­tem) prak­ti­zie­ren­de Ärz­te (Zahnärz­te) er­fasst, können Ärz­te und Zahnärz­te außer­halb die­ses Sys­tems ih­ren Be­ruf ausüben, oh­ne dass ih­nen ei­ne Al­ters­gren­ze vor­ge­schrie­ben wird.

17

Mit dem Ge­setz zur Ände­rung des Ver­trags­arzt­rechts und an­de­rer Ge­set­ze – Ver­trags­arztände­rungs­ge­setz vom 22. De­zem­ber 2006 (BGBl. I, S. 3439) hob der Ge­setz­ge­ber § 102 SGB V, der ge­biets­abhängi­ge Be­darfs­quo­ten für Ärz­te (Zahnärz­te) vor­sah, mit Wir­kung zum 1. Ja­nu­ar 2007 auf, er­hielt je­doch die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze auf­recht.  

Aus­gangs­rechts­streit und Vor­la­ge­fra­gen

18

Frau Pe­ter­sen, die am 24. April 1939 ge­bo­ren wur­de, voll­ende­te im Jahr 2007 ihr 68. Le­bens­jahr. Sie war seit 1. April 1974 zur ver­trags­zahnärzt­li­chen Ver­sor­gung zu­ge­las­sen.

19

Mit Be­schluss vom 25. April 2007 stell­te der Zu­las­sungs­aus­schuss für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe fest, dass ih­re Zu­las­sung zur ver­trags­zahnärzt­li­chen Ver­sor­gung am 30. Ju­ni 2007 en­de­te.  

20 Frau Pe­ter­sen leg­te ge­gen die­se Ent­schei­dung Wi­der­spruch ein und be­rief sich da­bei ins­be­son­de­re dar­auf, dass sie mit der Richt­li­nie und dem AGG un­ver­ein­bar sei. 
21 Nach­dem ihr Wi­der­spruch durch Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­aus­schus­ses für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe zurück­ge­wie­sen wor­den war, er­hob Frau Pe­ter­sen ge­gen die­se Ent­schei­dung Kla­ge beim So­zi­al­ge­richt Dort­mund. 
22

Das So­zi­al­ge­richt Dort­mund führt aus, dass die Zurück­wei­sung des Wi­der­spruchs von Frau Pe­ter­sen nach in­ner­staat­li­chem Recht rechtmäßig sei. Es erwähnt in­so­weit die Einschätzun­gen des Bun­des­so­zi­al­ge­richts und des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, wo­nach die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze ge­recht­fer­tigt sei, wo­bei sich die­se bei­den Ge­rich­te je­doch auf un­ter­schied­li­che Gründe stütz­ten. Nach Auf­fas­sung des Bun­des­so­zi­al­ge­richts ha­be die­se Al­ters­gren­ze ermöglicht, ei­ne aus­ge­wo­ge­ne Las­ten­ver­tei­lung zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen zu gewähr­leis­ten, und sie sei wei­ter­hin sach­ge­recht, um die Be­rufs­chan­cen jünge­rer Ver­trags­zahnärz­te zu er­hal­ten. Die­se Be­gründung sei je­doch – so das vor­le­gen­de Ge­richt – nicht mehr halt­bar, nach­dem die Quo­ten für Ver­trags­zahnärz­te weg­ge­fal­len sei­en und kein Ver­sor­gungsübe­r­an­ge­bot mehr be­ste­he.

23

Das vor­le­gen­de Ge­richt stellt dem­ge­genüber auf das vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt in ei­nem Ur­teil vom 7. Au­gust 2007 an­geführ­te Ziel ab. Die­sem Ur­teil zu­fol­ge sei die­se Al­ters­gren­ze durch die Not­wen­dig­keit ge­recht­fer­tigt, die Ver­si­cher­ten in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung vor den Gefähr­dun­gen durch älte­re, nicht mehr voll leis­tungsfähi­ge Ver­trags­zahnärz­te zu schützen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ha­be an der zu­vor in ei­nem Ur­teil aus dem Jah­re 1998 ent­wi­ckel­ten Auf­fas­sung fest­ge­hal­ten und ent­schie­den, dass der Ge­setz­ge­ber an­ge­sichts des ihm ein­geräum­ten Ge­stal­tungs­spiel­raums nicht ver­pflich­tet sei, ei­ne in­di­vi­du­el­le Prüfung der körper­li­chen und geis­ti­gen Leis­tungsfähig­keit je­des Ver­trags­arz­tes, der das 68. Le­bens­jahr voll­endet ha­be, vor­zu­se­hen. Er ha­be viel­mehr auf der Grund­la­ge von Er­fah­rungs­wer­ten ei­ne ge­ne­ra­li­sie­ren­de Re­ge­lung er­las­sen dürfen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ha­be auch als un­er­heb­lich an­ge­se­hen, dass der Ge­sund­heits­schutz der Ver­si­cher­ten nicht in der Ge­set­zes­be­gründung erwähnt wer­de, und ha­be dar­an er­in­nert, dass es bei der Be­ur­tei­lung der Ver­fas­sungsmäßig­keit ei­ner ge­setz­li­chen Re­ge­lung al­le Ge­sichts­punk­te berück­sich­ti­ge und durch die­se Be­gründung nicht ein­ge­schränkt sei. 

24 Das vor­le­gen­de Ge­richt stellt je­doch die Fra­ge, ob die­ses Er­geb­nis auch im Hin­blick auf die Richt­li­nie gilt. Sei­ner Auf­fas­sung nach ist die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze kei­ne Maßnah­me im Sin­ne von Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie, da der Ge­sund­heits­schutz nach An­sicht des Ge­setz­ge­bers selbst nicht der Grund ge­we­sen sei, der zum Er­lass der be­tref­fen­den Be­stim­mung geführt ha­be. Die­se Al­ters­gren­ze sei in An­be­tracht der Aus­nah­me­re­ge­lun­gen, die er­las­sen wor­den sei­en, auch kei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung im Sin­ne von Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie. Sch­ließlich äußert das So­zi­al­ge­richt Dort­mund Zwei­fel an der Ver­ein­bar­keit die­ser Al­ters­gren­ze mit Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie. 
25 Es möch­te wis­sen, ob der vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt an­geführ­te Ge­sund­heits­schutz der Ver­si­cher­ten ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne der letzt­ge­nann­ten Be­stim­mung sein kann, wohl wis­send, dass die­ses Ziel in Wirk­lich­keit nicht dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers ent­spro­chen ha­be. 
26 Sch­ließlich weist das vor­le­gen­de Ge­richt dar­auf hin, dass sich die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze auf die Ver­trags­zahnärz­te, die ih­re Tätig­keit über die­se Gren­ze hin­aus ausüben woll­ten, sehr be­nach­tei­li­gend aus­wir­ke, da 90 % der Bevölke­rung in der ge­setz­li­chen, auf das ver­tragsärzt­li­che Sys­tem gestütz­ten Kran­ken­ver­si­che­rung ver­si­chert sei­en. Es möch­te wis­sen, ob ei­ne we­ni­ger be­schränken­de Maßnah­me, wie die je­wei­li­ge Prüfung des in­di­vi­du­el­len Ein­zel­falls, ins Au­ge ge­fasst wer­den könn­te. 
27

Un­ter die­sen Umständen hat das So­zi­al­ge­richt Dort­mund be­schlos­sen, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen und dem Ge­richts­hof fol­gen­de Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­zu­le­gen:

1. Kann die ge­setz­li­che Re­ge­lung ei­ner Höchst­al­ters­gren­ze für die Zu­las­sung zur Be­rufs­ausübung (hier: für die Tätig­keit als Ver­trags­zahnärz­tin) im Sin­ne des Art. 6 der Richt­li­nie ei­ne ob­jek­ti­ve und an­ge­mes­se­ne Maßnah­me zum Schutz ei­nes le­gi­ti­men Ziels (hier: der Ge­sund­heit der ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten) und ein zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­se­nes und er­for­der­li­ches Mit­tel sein, wenn sie aus­sch­ließlich aus ei­ner auf „all­ge­mei­ne Le­bens­er­fah­rung“ gestütz­ten An­nah­me ei­nes ab ei­nem be­stimm­ten Le­bens­al­ter ein­tre­ten­den ge­ne­rel­len Leis­tungs­ab­falls her­ge­lei­tet wird, oh­ne dass da­bei dem in­di­vi­du­el­len Leis­tungs­vermögen des kon­kret Be­trof­fe­nen in ir­gend­ei­ner Wei­se Rech­nung ge­tra­gen wer­den kann?

2. Falls Fra­ge Nr. 1 zu be­ja­hen ist: Kann ein im Sin­ne des Art. 6 der Richt­li­nie le­gi­ti­mes (Ge­set­zes-)Ziel (hier: der Ge­sund­heits­schutz der ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten) auch dann an­ge­nom­men wer­den, wenn die­ses Ziel für den na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber bei der Wahr­neh­mung sei­nes ge­setz­ge­be­ri­schen Ge­stal­tungs­spiel­raums selbst über­haupt kei­ne Rol­le ge­spielt hat?

3. Falls Fra­ge Nr. 1 oder 2 zu ver­nei­nen ist: Darf ein vor Er­lass der Richt­li­nie er­gan­ge­nes Ge­setz, das mit die­ser Richt­li­nie un­ver­ein­bar ist, kraft Vor­rangs des eu­ropäischen Rechts auch dann nicht an­ge­wandt wer­den, wenn das die Richt­li­nie um­set­zen­de na­tio­na­le Recht (hier: das AGG) ei­ne sol­che Rechts­fol­ge im Fall ei­nes Ver­s­toßes ge­gen das Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot nicht vor­sieht? 

Zu den Vor­la­ge­fra­gen

Zur Zulässig­keit des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chens

28 Die deut­sche Re­gie­rung macht in ih­ren schrift­li­chen Erklärun­gen gel­tend, dass das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen un­ter Berück­sich­ti­gung der un­mit­tel­bar be­vor­ste­hen­den Ände­rung der deut­schen Rechts­vor­schrif­ten, die da­zu führe, dass das Ver­bot der Ausübung des Be­rufs ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes bei ei­nem Al­ter von mehr als 68 Jah­ren auf­ge­ho­ben wer­de, un­zulässig sei. 
29

Hier­zu genügt der Hin­weis, dass, wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 32 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, der Um­stand, dass ei­ne sol­che Ände­rung ein­tre­ten soll, un­er­heb­lich ist. Den An­ga­ben im Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen ist nämlich zu ent­neh­men, dass Frau Pe­ter­sen die Zu­las­sung zur Ausübung des Be­rufs ei­ner Ver­trags­zahnärz­tin ent­zo­gen und ihr die Möglich­keit ge­nom­men wur­de, die­se Tätig­keit nach dem 30. Ju­ni 2007 aus­zuüben. Folg­lich ist ei­ne Ant­wort des Ge­richts­hofs auf die vor­ge­leg­ten Fra­gen für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­rechts­streits maßge­bend, und das Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­chen ist zulässig.

Zur ers­ten und zur zwei­ten Fra­ge

30 Mit sei­ner ers­ten und sei­ner zwei­ten Fra­ge, die zu­sam­men zu prüfen sind, möch­te das vor­le­gen­de Ge­richt im We­sent­li­chen wis­sen, ob Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me ent­ge­gen­steht, mit der für die Ausübung des Be­rufs ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes ein Höchst­al­ter, im vor­lie­gen­den Fall 68 Jah­re, fest­ge­legt wird, um die Ge­sund­heit der ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten zu schützen, da an­ge­nom­men wird, dass die Leis­tungsfähig­keit die­ser Zahnärz­te von die­sem Al­ter an ab­nimmt. Es wirft die Fra­ge auf, ob es von aus­schlag­ge­ben­der Be­deu­tung ist, dass die­ses Ziel vom Ge­setz­ge­ber nicht berück­sich­tigt wor­den ist. 
31 Zur Be­ant­wor­tung die­ser Fra­gen ist zu prüfen, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Re­ge­lung in den An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie fällt, ob sie ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters einführt und, wenn ja, ob die Richt­li­nie die­se Un­gleich­be­hand­lung ver­bie­tet. 
32 Ers­tens er­gibt sich zum An­wen­dungs­be­reich der Richt­li­nie aus de­ren Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und c, dass die­se Richt­li­nie im Rah­men der auf die Ge­mein­schaft über­tra­ge­nen Zuständig­kei­ten für al­le Per­so­nen in Be­zug auf die Be­din­gun­gen für den Zu­gang zu un­selbständi­ger und selbständi­ger Er­werbstätig­keit und die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen, ein­sch­ließlich der Ent­las­sungs­be­din­gun­gen und des Ar­beits­ent­gelts, gilt (vgl. Ur­tei­le vom 16. Ok­to­ber 2007, Pa­la­ci­os de la Vil­la, C-411/05, Slg. 2007, I-8531, Rand­nr. 43, und vom 5. März 2009, Age Con­cern Eng­land, C-388/07, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 24).
33 Die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Maßnah­me legt für die Ausübung des Be­rufs ei­nes Zahn­arz­tes im Rah­men der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung ein Höchst­al­ter fest. Wie aus den An­ga­ben des vor­le­gen­den Ge­richts her­vor­geht, fällt aber ein An­teil von 90 % der Pa­ti­en­ten un­ter die­ses Sys­tem. Dem­ent­spre­chend ist der Um­stand, dass ein Zahn­arzt nicht im Ver­trags­zahn­arzt­sys­tem prak­ti­zie­ren darf, ge­eig­net, die Nach­fra­ge nach den von ihm an­ge­bo­te­nen Dienst­leis­tun­gen zu be­schränken. Folg­lich berührt § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V da­durch, dass er ein Al­ter fest­setzt, jen­seits des­sen der Zu­gang zur Tätig­keit ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes und die Ausübung die­ser Tätig­keit nicht mehr möglich sind, die Be­din­gun­gen für den Zu­gang zu un­selbständi­ger und selbständi­ger Er­werbstätig­keit im Sin­ne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richt­li­nie so­wie die Beschäfti­gungs- und Ar­beits­be­din­gun­gen im Sin­ne ih­res Art. 3 Abs. 1 Buchst. c. 
34 Zwei­tens ist zu der Fra­ge, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Rechts­vor­schrif­ten ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters in Beschäfti­gung und Be­ruf ent­hal­ten, fest­zu­stel­len, dass gemäß Art. 2 Abs. 1 der Richt­li­nie „Gleich­be­hand­lungs­grund­satz“ im Sin­ne die­ser Richt­li­nie be­deu­tet, dass es kei­ne un­mit­tel­ba­re oder mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung aus ei­nem der in Art. 1 der Richt­li­nie ge­nann­ten Gründe ge­ben darf. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richt­li­nie stellt klar, dass ei­ne un­mit­tel­ba­re Dis­kri­mi­nie­rung im Sin­ne von Abs. 1 vor­liegt, wenn ei­ne Per­son aus ei­nem der in Art. 1 die­ser Richt­li­nie ge­nann­ten Gründe ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung erfährt als ei­ne an­de­re Per­son, die sich in ei­ner ver­gleich­ba­ren Si­tua­ti­on be­fin­det (vgl. Ur­tei­le Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nr. 50, und Age Con­cern Eng­land, Rand­nr. 33). 
35

Die An­wen­dung ei­ner Be­stim­mung wie § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V führt da­zu, dass Per­so­nen, hier Ver­trags­zahnärz­te, des­halb ei­ne we­ni­ger güns­ti­ge Be­hand­lung er­fah­ren als an­de­re Per­so­nen, die den glei­chen Be­ruf ausüben, weil sie älter sind als 68 Jah­re. Mit ei­ner sol­chen Be­stim­mung wird ei­ne Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters im Sin­ne der Richt­li­nie ein­geführt.

36

Drit­tens ist zu prüfen, ob die sich aus der An­wen­dung von § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V er­ge­ben­de Un­gleich­be­hand­lung mit der Richt­li­nie ver­ein­bar ist oder nicht.  

37

Hier­zu ist das Ziel zu er­mit­teln, das mit der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Maßnah­me ver­folgt wird, um fest­zu­stel­len, an­hand wel­cher Richt­li­ni­en­be­stim­mun­gen die­se Maßnah­me zu prüfen ist.

38

Das vor­le­gen­de Ge­richt hat meh­re­re Zie­le erwähnt, nämlich ers­tens den Schutz der Ge­sund­heit der ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten, da an­ge­nom­men wer­de, dass die Leis­tungsfähig­keit der Zahnärz­te von ei­nem be­stimm­ten Al­ter an ab­neh­me, zwei­tens die Ver­tei­lung der Be­rufs­chan­cen zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen und drit­tens die aus­ge­wo­ge­ne Fi­nan­zie­rung des deut­schen Ge­sund­heits­sys­tems. Es hat je­doch nur ein ein­zi­ges, nämlich das ers­te, her­aus­ge­grif­fen und be­tont, dass die­ses Ziel nicht dem Wil­len des Ge­setz­ge­bers ent­spro­chen ha­be.  

39 Es ist dar­auf hin­zu­wei­sen, dass das vor­le­gen­de Ge­richt nicht auf Vor­ar­bei­ten, par­la­men­ta­ri­sche Be­ra­tun­gen oder ei­ne Ge­set­zes­be­gründung ver­wie­sen hat, die erläuter­ten, aus wel­chen Gründen die Be­stim­mung über die Fest­le­gung des im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Höchst­al­ters bei­be­hal­ten wur­de, während die sie flan­kie­ren­de Vor­schrift, die für Ärz­te (Zahnärz­te) Quo­ten nach Maßga­be des re­gio­na­len Be­darfs vor­sah, auf­ge­ho­ben wur­de. 
40 Fehlt es in den frag­li­chen na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten an ei­ner ge­nau­en An­ga­be zum ver­folg­ten Ziel, ist es, wie der Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den hat, wich­tig, dass an­de­re, aus dem all­ge­mei­nen Kon­text der be­tref­fen­den Maßnah­me ab­ge­lei­te­te An­halts­punk­te die Fest­stel­lung des hin­ter die­ser Maßnah­me ste­hen­den Ziels ermögli­chen, da­mit des­sen Rechtmäßig­keit so­wie die An­ge­mes­sen­heit und Er­for­der­lich­keit der zu sei­ner Er­rei­chung ein­ge­setz­ten Mit­tel ge­richt­lich über­prüft wer­den können (vgl. Ur­tei­le Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nr. 57, und Age Con­cern Eng­land, Rand­nr. 45). 
41

In ih­rer Stel­lung­nah­me in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Ge­richts­hof hat die deut­sche Re­gie­rung hier­zu an­ge­ge­ben, der Ge­setz­ge­ber ha­be die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze für ei­nen be­grenz­ten Be­ob­ach­tungs­zeit­raum bei­be­hal­ten wol­len, um zu prüfen, ob die Pro­ble­me im Zu­sam­men­hang mit der von den Ver­trags­zahnärz­ten aus­ge­hen­den Über­ver­sor­gung trotz der Ab­schaf­fung der Quo­ten ver­schwun­den sei­en. Bis zum Vor­lie­gen der Er­geb­nis­se die­ser Prüfung ha­be es der Ge­setz­ge­ber für um­sich­tig ge­hal­ten, ei­ne Maßnah­me auf­recht­zu­er­hal­ten, mit der die Zahl der Ver­trags­zahnärz­te und zu­gleich die Ge­sund­heits­aus­ga­ben da­durch be­schränkt wer­den soll­ten, dass die prak­ti­zie­ren­den Zahnärz­te, die das 68. Le­bens­jahr voll­endet hat­ten, ih­re Tätig­keit nicht mehr im Rah­men des Ver­trags­zahn­arzt­sys­tems ausüben konn­ten. Die Bei­be­hal­tung die­ser Al­ters­gren­ze ha­be, so die deut­sche Re­gie­rung, so­mit das ursprüng­li­che Ziel des GSG 1993 ver­folgt, nämlich in ers­ter Li­nie die öffent­li­chen Ge­sund­heits­aus­ga­ben zu kon­trol­lie­ren. 

42 Im Rah­men des Aus­gangs­rechts­streits ist es letzt­lich Sa­che des na­tio­na­len Ge­richts, das al­lein für die Be­ur­tei­lung des Sach­ver­halts des Rechts­streits, mit dem es be­fasst ist, so­wie für die Aus­le­gung des an­wend­ba­ren na­tio­na­len Rechts zuständig ist, fest­zu­stel­len, aus wel­chem Grund die be­tref­fen­de Maßnah­me auf­recht­er­hal­ten wur­de, und so­mit das mit ihr ver­folg­te Ziel zu er­mit­teln. 
43

Um dem na­tio­na­len Ge­richt ei­ne für die Ent­schei­dung des Aus­gangs­rechts­streits sach­dien­li­che Ant­wort zu ge­ben, ist zu prüfen, ob die Richt­li­nie ei­ner Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen un­ter Berück­sich­ti­gung je­des ein­zel­nen der drei an­geführ­ten Zie­le ent­ge­gen­steht.

Zum ers­ten und zum drit­ten an­geführ­ten Ziel

44

Das ers­te und das drit­te an­geführ­te Ziel sind zu­sam­men zu prüfen. Das ers­te Ziel be­trifft nämlich un­mit­tel­bar den Be­reich der Ge­sund­heit der Pa­ti­en­ten un­ter dem Ge­sichts­punkt der Befähi­gung der Ärz­te und Zahnärz­te. Das drit­te Ziel be­trifft, auch wenn es sich auf das fi­nan­zi­el­le Gleich­ge­wicht des Sys­tems der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung be­zieht, eben­falls die­sen Be­reich, je­doch un­ter ei­nem an­de­ren Ge­sichts­punkt.

45

Aus der Recht­spre­chung geht her­vor, dass nicht nur das Ziel der Auf­recht­er­hal­tung ei­ner qua­li­ta­tiv hoch­wer­ti­gen ärzt­li­chen Ver­sor­gung, son­dern auch das Ziel der Ver­mei­dung ei­ner er­heb­li­chen Gefähr­dung des fi­nan­zi­el­len Gleich­ge­wichts des Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit un­ter das Ziel des Schut­zes der Ge­sund­heit der Bevölke­rung fal­len können, wenn sie bei­de zur Er­rei­chung ei­nes ho­hen Ni­veaus des Ge­sund­heits­schut­zes bei­tra­gen (vgl. in die­sem Sin­ne Ur­tei­le vom 16. Mai 2006, Watts, C-372/04, Slg. 2006, I-4325, Rand­nrn. 103 und 104, so­wie vom 10. März 2009, Hart­lau­er, C-169/07, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nrn. 46 und 47).  

46

Wie der Ge­ne­ral­an­walt in Nr. 53 sei­ner Schluss­anträge aus­geführt hat, ist da­von aus­zu­ge­hen, dass, wenn die in § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V auf 68 Jah­re fest­ge­leg­te Al­ters­gren­ze ein In­stru­ment der Po­li­tik ist, die sich mit der Pla­nung des zahnärzt­li­chen Ver­sor­gungs­an­ge­bots zwecks Dämp­fung stei­gen­der Ge­sund­heits­kos­ten in der ge­setz­li­chen Kran­ken­ver­si­che­rung be­fasst, die­se Al­ters­gren­ze das Ziel des Ge­sund­heits­schut­zes un­ter dem Ge­sichts­punkt des Er­halts des fi­nan­zi­el­len Gleich­ge­wichts der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­se ver­folgt.

47

Was die ein­schlägi­gen Richt­li­ni­en­be­stim­mun­gen an­geht, ist nach Auf­fas­sung des vor­le­gen­den Ge­richts die Ver­ein­bar­keit der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Maßnah­me mit der Richt­li­nie an­hand von de­ren Art. 6 Abs. 1 zu prüfen.  

48 Es ist je­doch dar­an zu er­in­nern, dass der Um­stand, dass ein ein­zel­staat­li­ches Ge­richt die Vor­la­ge­fra­ge ih­rer Form nach un­ter Be­zug­nah­me auf be­stimm­te Vor­schrif­ten des Ge­mein­schafts­rechts for­mu­liert hat, den Ge­richts­hof nicht dar­an hin­dert, die­sem Ge­richt un­abhängig da­von, wor­auf es in sei­nen Fra­gen Be­zug ge­nom­men hat, al­le Hin­wei­se zur Aus­le­gung des Ge­mein­schafts­rechts zu ge­ben, die ihm bei der Ent­schei­dung des bei ihm anhängi­gen Ver­fah­rens von Nut­zen sein können. Der Ge­richts­hof hat in­so­weit aus dem ge­sam­ten von dem ein­zel­staat­li­chen Ge­richt vor­ge­leg­ten Ma­te­ri­al, ins­be­son­de­re der Be­gründung der Vor­la­ge­ent­schei­dung, die­je­ni­gen Ele­men­te des Ge­mein­schafts­rechts her­aus­zu­ar­bei­ten, die un­ter Berück­sich­ti­gung des Ge­gen­stands des Rechts­streits ei­ner Aus­le­gung bedürfen (vgl. Ur­teil vom 27. Ok­to­ber 2009, ÈEZ, C‑115/08, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 81). 
49 Hier­zu ist fest­zu­stel­len, dass Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie den Ge­sund­heits­schutz aus­drück­lich erwähnt. Nach die­ser Be­stim­mung berührt die­se Richt­li­nie nicht die im ein­zel­staat­li­chen Recht vor­ge­se­he­nen Maßnah­men, die in ei­ner de­mo­kra­ti­schen Ge­sell­schaft u. a. zum Schutz der Ge­sund­heit not­wen­dig sind. 
50 Da­her sind das ers­te und das drit­te Ziel an­hand die­ses Art. 2 Abs. 5 zu prüfen. 
51

In Be­zug auf Maßnah­men, die auf dem Ge­biet des Ge­sund­heits­we­sens ge­trof­fen wer­den, ist dar­an zu er­in­nern, dass nach der Recht­spre­chung so­wie nach Art. 152 Abs. 5 EG die Mit­glied­staa­ten die Zuständig­keit für die Aus­ge­stal­tung ih­rer Sys­te­me der so­zia­len Si­cher­heit und ins­be­son­de­re für den Er­lass von Vor­schrif­ten zur Or­ga­ni­sa­ti­on und Er­brin­gung von Dienst­leis­tun­gen im Ge­sund­heits­we­sen und der me­di­zi­ni­schen Ver­sor­gung be­hal­ten. Bei der Ausübung die­ser Zuständig­keit ha­ben die Mit­glied­staa­ten zwar das Ge­mein­schafts­recht zu wah­ren, doch ist bei der Prüfung, ob das ge­nann­te Ge­bot be­ach­tet wor­den ist, zu berück­sich­ti­gen, dass der Mit­glied­staat be­stim­men kann, auf wel­chem Ni­veau er den Schutz der Ge­sund­heit der Bevölke­rung gewähr­leis­ten will und wie die­ses Ni­veau er­reicht wer­den kann. Da sich die­ses Ni­veau von ei­nem Mit­glied­staat zum an­de­ren un­ter­schei­den kann, ist den Mit­glied­staa­ten ein Wer­tungs­spiel­raum zu­zu­er­ken­nen (vgl. Ur­tei­le Hart­lau­er, Rand­nrn. 29 und 30, so­wie vom 19. Mai 2009, Apo­the­ker­kam­mer des Saar­lan­des u. a., C-171/07 und C-172/07, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nrn. 18 und 19). 

52

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ses Wer­tungs­spiel­raums ist an­zu­er­ken­nen, dass es ein Mit­glied­staat im Rah­men von Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie für er­for­der­lich hal­ten kann, für die Ausübung ei­nes ärzt­li­chen Be­rufs wie des­je­ni­gen ei­nes Zahn­arz­tes ei­ne Al­ters­gren­ze fest­zu­le­gen, um die Ge­sund­heit der Pa­ti­en­ten zu schützen. Die­se Erwägung gilt un­abhängig da­von, ob das Ziel des Ge­sund­heits­schut­zes un­ter dem Ge­sichts­punkt der Befähi­gung der Zahnärz­te oder dem des fi­nan­zi­el­len Gleich­ge­wichts des in­ner­staat­li­chen Ge­sund­heits­sys­tems be­trach­tet wird. In Be­zug auf den letzt­ge­nann­ten Ge­sichts­punkt kann nämlich nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, dass die Ent­wick­lung der Zahl der Ver­trags­zahnärz­te zu ei­nem übermäßigen An­stieg des Ver­sor­gungs­an­ge­bots geführt und sich in ei­nem zu ho­hen Ni­veau der vom Staat zu tra­gen­den Aus­ga­ben nie­der­ge­schla­gen hat und dass das Aus­schei­den des ältes­ten Teils die­ser Zahnärz­te ei­ne Ver­rin­ge­rung die­ser Aus­ga­ben so­wie ei­ne Ver­mei­dung des Ri­si­kos ermöglicht, dass das Gleich­ge­wicht des Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit er­heb­lich gefähr­det wird. Was die Fest­le­gung der Al­ters­gren­ze auf 68 Jah­re be­trifft, kann die­ses Al­ter als hin­rei­chend weit fort­ge­schrit­ten be­trach­tet wer­den, um als End­punkt der Zu­las­sung als Ver­trags­zahn­arzt zu die­nen.

53 Bei der Be­ur­tei­lung, ob die Maßnah­me im Hin­blick auf das an­ge­streb­te Ziel er­for­der­lich war, ist fer­ner zu prüfen, ob die Aus­nah­men von der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Al­ters­gren­ze die Kohärenz der be­tref­fen­den Re­ge­lung nicht in der Wei­se be­ein­träch­ti­gen, dass sie zu ei­nem die­sem Ziel ent­ge­gen­wir­ken­den Er­geb­nis führen. Ei­ne Re­ge­lung ist nämlich nur dann ge­eig­net, die Ver­wirk­li­chung des gel­tend ge­mach­ten Ziels zu gewähr­leis­ten, wenn sie tatsächlich dem An­lie­gen ge­recht wird, es in kohären­ter und sys­te­ma­ti­scher Wei­se zu er­rei­chen (vgl. Ur­teil Hart­lau­er, Rand­nr. 55). 
54

Wie aus Rand­nr. 16 des vor­lie­gen­den Ur­teils her­vor­geht, kennt die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge Re­ge­lung vier Aus­nah­men. Die zwei­te und die drit­te Aus­nah­me be­tref­fen das Feh­len von Ver­trags­zahnärz­ten, sei es auf­grund ei­nes Zahnärz­te­man­gels in be­stimm­ten Ge­bie­ten, sei es we­gen Krank­heit, Ur­laubs oder der Teil­nah­me die­ser Zahnärz­te an Fort­bil­dungs­ver­an­stal­tun­gen. In die­sen Fällen können sich die ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten von Zahnärz­ten ver­sor­gen las­sen, die älter sind als 68 Jah­re.

55 Die­se Aus­nah­men be­ein­träch­ti­gen nicht das Ziel des Ge­sund­heits­schut­zes. Sie die­nen viel­mehr da­zu, si­cher­zu­stel­len, dass sich die be­trof­fe­nen Pa­ti­en­ten gleich­wohl ver­sor­gen las­sen können. Da sie zu­dem für Fälle ge­dacht sind, in de­nen das zahnärzt­li­che Ver­sor­gungs­an­ge­bot nicht aus­reicht, sind sie ih­rem We­sen nach nicht ge­eig­net, die­ses An­ge­bot in ei­nem Über­maß zu er­zeu­gen, das ge­eig­net wäre, das fi­nan­zi­el­le Gleich­ge­wicht des in­ner­staat­li­chen Ge­sund­heits­sys­tems zu gefähr­den. 
56 Die ers­te Aus­nah­me be­trifft die am 1. Ja­nu­ar 1993 zu­ge­las­se­nen Ver­trags­zahnärz­te, die je­doch bei Voll­endung des 68. Le­bens­jahrs noch kei­ne zwan­zig Jah­re Pra­xis im Ver­trags­zahn­arzt­sys­tem ge­sam­melt ha­ben. Den vor dem Ge­richts­hof ab­ge­ge­be­nen Erklärun­gen ist zu ent­neh­men, dass die­se Aus­nah­me dar­auf ab­zielt, die Zahnärz­te nicht zu be­nach­tei­li­gen, die zum Zeit­punkt des In­kraft­tre­tens der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Re­ge­lung und trotz be­reits fort­ge­schrit­te­nen Al­ters für den Auf­bau ei­ner Al­ters­ver­sor­gung noch nicht hin­rei­chend lan­ge prak­ti­ziert hat­ten. Die­se Aus­nah­me soll ins­be­son­de­re die aus der ehe­ma­li­gen Deut­schen De­mo­kra­ti­schen Re­pu­blik stam­men­den Ver­trags­zahnärz­te be­tref­fen. Nach den in­so­weit un­wi­der­spro­che­nen An­ga­ben der deut­schen Re­gie­rung geht es bei den von die­ser Aus­nah­me er­fass­ten Zahnärz­ten je­doch nur um ei­ne be­stimm­te Grup­pe, die im Übri­gen nur vorüber­ge­hend be­ste­he, da sie nach Ab­lauf ei­nes Zeit­raums von höchs­tens zwan­zig Jah­ren auf­gelöst sein wer­de. 
57

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Umstände, die die Trag­wei­te die­ser ers­ten Aus­nah­me ab­schwächen, ist fest­zu­stel­len, dass die­se Aus­nah­me die Kohärenz der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen Rechts­vor­schrif­ten im Hin­blick auf das Ziel des Ge­sund­heits­schut­zes der ge­setz­lich kran­ken­ver­si­cher­ten Pa­ti­en­ten so­wohl un­ter dem Ge­sichts­punkt der Befähi­gung der Ver­trags­zahnärz­te als auch un­ter dem des fi­nan­zi­el­len Gleich­ge­wichts des ge­setz­li­chen Sys­tems der Kran­ken­ver­si­che­rung nicht be­ein­träch­tigt. 

58 Die vier­te Aus­nah­me ist als sol­che nicht in den Rechts­vor­schrif­ten auf­geführt, er­gibt sich aber aus de­ren An­wen­dungs­be­reich. § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V be­trifft nämlich nur im Ver­trags­zahn­arzt­sys­tem prak­ti­zie­ren­de Zahnärz­te. So­mit können die Zahnärz­te außer­halb die­ses Sys­tems ih­ren Be­ruf un­abhängig von ih­rem Al­ter ausüben, und dem­ent­spre­chend können die Pa­ti­en­ten sich von Zahnärz­ten ver­sor­gen las­sen, die älter sind als 68 Jah­re. 
59 Zwar hat der Ge­richts­hof ge­wis­se Aus­nah­men von im Na­men des Ge­sund­heits­schut­zes er­las­se­nen Re­ge­lun­gen zu­ge­las­sen, doch blie­ben die­se zeit­lich und ih­rem Um­fang nach be­grenzt (vgl. Ur­teil vom 19. Mai 2009, Kom­mis­si­on/Ita­li­en, C-531/06, noch nicht in der amt­li­chen Samm­lung veröffent­licht, Rand­nr. 73). 
60

Um die Aus­wir­kun­gen die­ser vier­ten Aus­nah­me auf die Kohärenz der im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­den Maßnah­me im Hin­blick auf Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie zu be­ur­tei­len, sind darüber hin­aus We­sen und Wort­laut die­ser Be­stim­mung zu berück­sich­ti­gen. Da es um ei­ne Ab­wei­chung vom Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bot geht, ist sie eng aus­zu­le­gen. Auch der Wort­laut die­ses Art. 2 Abs. 5 führt zu ei­nem sol­chen An­satz. 

61 Ei­ne Maßnah­me je­doch, die ei­ne Aus­nah­me zulässt, die so weit geht, wie die für die außer­halb des Ver­trags­zahn­arzt­sys­tems prak­ti­zie­ren­den Zahnärz­te, kann nicht als für den Ge­sund­heits­schutz der Bevölke­rung we­sent­lich an­ge­se­hen wer­den. Wenn die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze den Ge­sund­heits­schutz der Pa­ti­en­ten un­ter dem Ge­sichts­punkt der Befähi­gung der be­trof­fe­nen prak­ti­zie­ren­den Zahnärz­te zum Ziel hat, ist nämlich fest­zu­stel­len, dass die Pa­ti­en­ten im Rah­men die­ser Aus­nah­me nicht geschützt sind. Die­se Aus­nah­me scheint so­mit dem ver­folg­ten Ziel ent­ge­gen­zu­wir­ken. Darüber hin­aus ist sie zeit­lich un­be­grenzt und gilt, auch wenn kei­ne be­zif­fer­te An­ga­be ge­macht wur­de, po­ten­zi­ell für al­le Zahnärz­te und er­scheint ge­eig­net, ei­ne nicht zu ver­nachlässi­gen­de Zahl von Pa­ti­en­ten zu be­tref­fen. 
62 Da­her ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Maßnah­me, wenn mit ihr das Ziel des Schut­zes der Ge­sund­heit der Pa­ti­en­ten un­ter dem Ge­sichts­punkt der Befähi­gung der Ärz­te und Zahnärz­te ver­folgt wird, auf­grund des Be­ste­hens der vor­ge­nann­ten vier­ten Aus­nah­me Wi­dersprüche auf­weist. In die­sem Fall ist die für Ver­trags­zahnärz­te vor­ge­schrie­be­ne Al­ters­gren­ze für den Ge­sund­heits­schutz im Sin­ne von Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie nicht er­for­der­lich. 
63 Soll­te die­se Maßnah­me dem­ge­genüber die Wah­rung des fi­nan­zi­el­len Gleich­ge­wichts des öffent­li­chen Ge­sund­heits­sys­tems zum Ziel ha­ben, gefähr­det die­se vier­te Aus­nah­me das ver­folg­te Ziel nicht. Die­ses Sys­tem fällt nämlich in ei­nen Be­reich, für den der Staat die fi­nan­zi­el­le Ver­ant­wor­tung trägt, und er­streckt sich de­fi­ni­ti­ons­gemäß nicht auf das pri­va­te Ge­sund­heits­sys­tem. Folg­lich ist die Einführung ei­ner nur für Ver­trags­zahnärz­te gel­ten­den Al­ters­gren­ze zum Zweck der Kon­trol­le der Aus­ga­ben im öffent­li­chen Ge­sund­heits­sek­tor mit dem ver­folg­ten Ziel ver­ein­bar. Der Um­stand, dass die außer­halb des ge­setz­li­chen Sys­tems der Kran­ken­ver­si­che­rung täti­gen Zahnärz­te nicht be­trof­fen sind, be­ein­träch­tigt so­mit nicht die Kohärenz der be­tref­fen­den Rechts­vor­schrif­ten. 
64

So­weit da­her die Maßnah­me der Bei­be­hal­tung die­ser Al­ters­gren­ze das Ri­si­ko ei­ner er­heb­li­chen Gefähr­dung des fi­nan­zi­el­len Gleich­ge­wichts des Sys­tems der so­zia­len Si­cher­heit mit dem Ziel ver­mei­den soll, ein ho­hes Ni­veau des Ge­sund­heits­schut­zes zu er­rei­chen, was das vor­le­gen­de Ge­richt zu prüfen hat, kann die­se Maßnah­me als mit Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie ver­ein­bar an­ge­se­hen wer­den.

Zum zwei­ten an­geführ­ten Ziel

65 Wie der Vor­la­ge­ent­schei­dung zu ent­neh­men ist, hat das Bun­des­so­zi­al­ge­richt die Auf­fas­sung ver­tre­ten, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze durch ein zwei­tes Ziel ge­recht­fer­tigt sei, das dar­auf ge­rich­tet sei, in­ner­halb der Be­rufs­grup­pe der Ver­trags­zahnärz­te die Be­rufs­chan­cen zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen zu ver­tei­len. Die­ses Ziel wur­de hilfs­wei­se auch von der deut­schen Re­gie­rung in ih­rer münd­li­chen Stel­lung­nah­me gel­tend ge­macht. 
66 Das ge­nann­te Ziel ist in Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie nicht vor­ge­se­hen. In­des­sen ist zu prüfen, ob es ein le­gi­ti­mes Ziel im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie dar­stel­len könn­te. 
67 Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie können u. a. rechtmäßige Zie­le aus den Be­rei­chen Beschäfti­gungs­po­li­tik, Ar­beits­markt und be­ruf­li­che Bil­dung als „le­gi­ti­me“ Zie­le im Sin­ne die­ser Be­stim­mung be­trach­tet wer­den. 
68

Hier­zu hat der Ge­richts­hof be­reits ent­schie­den, dass die Förde­rung von Ein­stel­lun­gen un­be­streit­bar ein le­gi­ti­mes Ziel der So­zi­al- oder Beschäfti­gungs­po­li­tik der Mit­glied­staa­ten dar­stellt und dass die­se Wer­tung of­fen­sicht­lich auch für In­stru­men­te der na­tio­na­len Ar­beits­markt­po­li­tik gel­ten muss, die für be­stimm­te Ar­beit­neh­mer­grup­pen die Chan­cen auf Ein­glie­de­rung in das Er­werbs­le­ben ver­bes­sern sol­len (vgl. Ur­teil Pa­la­ci­os de la Vil­la, Rand­nr. 65). Auch ei­ne Maßnah­me, die ge­trof­fen wur­de, um den Zu­gang jünge­rer Per­so­nen zum Be­ruf ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes zu begüns­ti­gen, kann als ei­ne Maßnah­me der Beschäfti­gungs­po­li­tik an­ge­se­hen wer­den. 

69

Darüber hin­aus muss nach dem Wort­laut von Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie noch ge­prüft wer­den, ob die Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Ziels „an­ge­mes­sen und er­for­der­lich“ sind.

70

In­so­weit er­scheint es nach der Ent­wick­lung der Beschäfti­gungs­si­tua­ti­on in dem be­tref­fen­den Sek­tor nicht un­vernünf­tig, wenn die Behörden ei­nes Mit­glied­staats da­von aus­ge­hen, dass die An­wen­dung ei­ner Al­ters­gren­ze, die da­zu führt, dass die ältes­ten prak­ti­zie­ren­den Zahnärz­te aus dem Ar­beits­markt aus­schei­den, die Beschäfti­gung jünge­rer Be­rufs­an­gehöri­ger begüns­ti­gen kann. Was die Fest­le­gung die­ser Al­ters­gren­ze auf 68 Jah­re an­geht, scheint, wie in Rand­nr. 52 des vor­lie­gen­den Ur­teils aus­geführt, die­ses Al­ter hin­rei­chend weit fort­ge­schrit­ten, um als End­punkt der Zu­las­sung als Ver­trags­zahn­arzt zu die­nen.  

71

Es stellt sich je­doch die Fra­ge, ob die An­wen­dung ei­ner Al­ters­gren­ze zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist. Es ist nämlich dar­auf hin­zu­wei­sen, dass dann, wenn die Zahl der Ver­trags­zahnärz­te auf dem be­tref­fen­den Ar­beits­markt, ge­mes­sen am Be­darf der Pa­ti­en­ten, nicht überhöht ist, der Zu­gang neu­er und ins­be­son­de­re jun­ger Be­rufs­an­gehöri­ger zu die­sem Markt nor­ma­ler­wei­se un­abhängig da­von möglich ist, ob es Zahnärz­te gibt, die ein be­stimm­tes Al­ter, im vor­lie­gen­den Fall 68 Jah­re, über­schrit­ten ha­ben. In die­sem Fall könn­te es sein, dass die Einführung ei­ner Al­ters­gren­ze zur Er­rei­chung des ver­folg­ten Ziels we­der an­ge­mes­sen noch er­for­der­lich ist.

72 Die deut­sche Re­gie­rung hat in der münd­li­chen Ver­hand­lung un­wi­der­spro­chen aus­geführt, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Al­ters­gren­ze in den Ge­bie­ten nicht gel­te, in de­nen ein Man­gel an Ver­trags­zahnärz­ten fest­ge­stellt wor­den sei. Sie hat wei­ter vor­ge­tra­gen, dass es im Ge­sund­heits­we­sen wich­tig sei, dass der Staat von sei­nem Wer­tungs­spiel­raum Ge­brauch ma­chen könne, um die er­for­der­li­chen Maßnah­men nicht nur dann ein­zu­set­zen, wenn ein aku­tes Pro­blem der ärzt­li­chen Über­ver­sor­gung vor­lie­ge, son­dern auch dann, wenn die la­ten­te Ge­fahr be­ste­he, dass ein sol­ches Pro­blem auf­tre­te. 
73 In­so­weit ist un­ter Berück­sich­ti­gung des in Rand­nr. 51 des vor­lie­gen­den Ur­teils erwähn­ten Wer­tungs­spiel­raums, über den die Mit­glied­staa­ten verfügen, an­zu­er­ken­nen, dass ein Mit­glied­staat es in ei­ner Si­tua­ti­on, in der die Zahl der Ver­trags­zahnärz­te überhöht ist oder die la­ten­te Ge­fahr be­steht, dass ei­ne sol­che Si­tua­ti­on ein­tritt, für er­for­der­lich hal­ten kann, ei­ne Al­ters­gren­ze wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de vor­zu­schrei­ben, um jünge­ren Zahnärz­ten den Zu­gang zur Beschäfti­gung zu er­leich­tern.
74

Ob ei­ne sol­che Si­tua­ti­on ge­ge­ben ist, hat je­doch das vor­le­gen­de Ge­richt zu prüfen. 

75 Für die­sen Fall blie­be noch zu prüfen, ob die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de Maßnah­me un­ter Berück­sich­ti­gung der vier in Rand­nr. 16 des vor­lie­gen­den Ur­teils ge­nann­ten Aus­nah­men kohärent ist. 
76 Die ers­ten drei Aus­nah­men, die ent­we­der für spe­zi­fi­sche Fälle ei­nes Man­gels an Ver­trags­zahnärz­ten oder für ei­nen be­grenz­ten Zeit­raum ge­dacht sind, gefähr­den in­so­weit nicht das Ziel, den Zu­gang jun­ger Ver­trags­zahnärz­te zum Ar­beits­markt zu begüns­ti­gen. Die vier­te Aus­nah­me be­trifft den Sek­tor außer­halb des Ver­trags­zahn­arzt­sys­tems und berührt in kei­ner Wei­se den Zu­tritt jun­ger Zahnärz­te, die im Rah­men des Ver­trags­zahn­arzt­sys­tems prak­ti­zie­ren, zu die­sem Markt. 
77 Folg­lich kann, wenn ei­ne Maßnah­me wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren in Re­de ste­hen­de die Ver­tei­lung der Be­rufs­chan­cen zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen in­ner­halb der Be­rufs­grup­pe der Ver­trags­zahnärz­te zum Ziel hat, die sich dar­aus er­ge­ben­de Un­gleich­be­hand­lung we­gen des Al­ters als durch die­ses Ziel ob­jek­tiv und vernünf­ti­ger­wei­se ge­recht­fer­tigt und die Mit­tel zur Ver­wirk­li­chung die­ses Ziels als an­ge­mes­sen und er­for­der­lich an­ge­se­hen wer­den, so­fern ei­ne Si­tua­ti­on ge­ge­ben ist, in der die Zahl der Ver­trags­zahnärz­te überhöht ist oder die la­ten­te Ge­fahr be­steht, dass ei­ne sol­che Si­tua­ti­on ein­tritt. 
78

Auf die ers­te und die zwei­te Fra­ge ist da­her zu ant­wor­ten, dass

– Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen, mit der für die Ausübung des Be­rufs des Ver­trags­zahn­arz­tes ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze, im vor­lie­gen­den Fall 68 Jah­re, fest­ge­legt wird, ent­ge­gen­steht, wenn die­se Maßnah­me nur das Ziel hat, die Ge­sund­heit der Pa­ti­en­ten vor dem Nach­las­sen der Leis­tungsfähig­keit von Ver­trags­zahnärz­ten, die die­ses Al­ter über­schrit­ten ha­ben, zu schützen, da die­se Al­ters­gren­ze nicht für Zahnärz­te außer­halb des Ver­trags­zahn­arzt­sys­tems gilt;

– Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie da­hin aus­zu­le­gen ist, dass er ei­ner sol­chen Maßnah­me nicht ent­ge­gen­steht, wenn die­se die Ver­tei­lung der Be­rufs­chan­cen zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen in­ner­halb der Be­rufs­grup­pe der Ver­trags­zahnärz­te zum Ziel hat und wenn sie un­ter Berück­sich­ti­gung der Si­tua­ti­on auf dem be­tref­fen­den Ar­beits­markt zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist;

– es Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts ist, fest­zu­stel­len, wel­ches Ziel mit der Maßnah­me zur Fest­le­gung die­ser Al­ters­gren­ze ver­folgt wird, in­dem es den Grund für ih­re Auf­recht­er­hal­tung er­mit­telt.

Zur drit­ten Fra­ge

79 Bei der drit­ten Fra­ge geht es dar­um, wel­che Kon­se­quen­zen aus der Fest­stel­lung zu zie­hen wären, dass ei­ne vor dem In­kraft­tre­ten der Richt­li­nie er­las­se­ne na­tio­na­le Re­ge­lung mit die­ser un­ver­ein­bar ist, wenn das na­tio­na­le Recht die Nicht­an­wen­dung ei­ner sol­chen Re­ge­lung nicht vor­sieht. 
80

Der Ge­richts­hof hat ent­schie­den, dass al­le Träger der Ver­wal­tung den Vor­rang des Ge­mein­schafts­rechts zu be­ach­ten ha­ben (vgl. u. a. Ur­tei­le vom 22. Ju­ni 1989, Cost­an­zo, 103/88, Slg. 1989, 1839, Rand­nr. 32, und vom 29. April 1999, Cio­la, C-224/97, Slg. 1999, I-2517, Rand­nr. 30). Die­se Erwägung gilt auch für ein Ver­wal­tungs­or­gan wie den Be­ru­fungs­aus­schuss für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe. Dar­auf, dass die im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen na­tio­na­len Be­stim­mun­gen be­reits vor dem In­kraft­tre­ten der Richt­li­nie be­stan­den, kommt es nicht an. Das Glei­che gilt, wenn die­se Be­stim­mun­gen kei­ne Möglich­keit für die in­ner­staat­li­chen Ge­rich­te vor­sa­hen, sie im Fall der Un­ver­ein­bar­keit mit dem Ge­mein­schafts­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. 

81 Folg­lich ist auf die drit­te Fra­ge zu ant­wor­ten, dass, wenn ei­ne Re­ge­lung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge un­ter Berück­sich­ti­gung des mit ihr ver­folg­ten Ziels ge­gen die Richt­li­nie verstößt, das na­tio­na­le Ge­richt, bei dem ein Rechts­streit zwi­schen ei­nem Ein­zel­nen und ei­nem Ver­wal­tungs­or­gan wie dem Be­ru­fungs­aus­schuss für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe anhängig ist, die­se Re­ge­lung selbst dann un­an­ge­wen­det las­sen muss, wenn sie vor dem In­kraft­tre­ten der Richt­li­nie er­las­sen wur­de und das na­tio­na­le Recht die Nicht­an­wen­dung ei­ner sol­chen Re­ge­lung nicht vor­sieht. 

Kos­ten

82

Für die Par­tei­en des Aus­gangs­rechts­streits ist das Ver­fah­ren ein Zwi­schen­streit in dem bei dem vor­le­gen­den Ge­richt anhängi­gen Rechts­streit; die Kos­ten­ent­schei­dung ist da­her Sa­che die­ses Ge­richts. Die Aus­la­gen an­de­rer Be­tei­lig­ter für die Ab­ga­be von Erklärun­gen vor dem Ge­richts­hof sind nicht er­stat­tungsfähig.

Aus die­sen Gründen hat der Ge­richts­hof (Große Kam­mer) für Recht er­kannt:

1. Art. 2 Abs. 5 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Beschäfti­gung und Be­ruf ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner na­tio­na­len Maßnah­me wie der im Aus­gangs­ver­fah­ren frag­li­chen, mit der für die Ausübung des Be­rufs ei­nes Ver­trags­zahn­arz­tes ei­ne Höchst­al­ters­gren­ze, im vor­lie­gen­den Fall 68 Jah­re, fest­ge­legt wird, ent­ge­gen­steht, wenn die­se Maßnah­me nur das Ziel hat, die Ge­sund­heit der Pa­ti­en­ten vor dem Nach­las­sen der Leis­tungsfähig­keit von Ver­trags­zahnärz­ten, die die­ses Al­ter über­schrit­ten ha­ben, zu schützen, da die­se Al­ters­gren­ze nicht für Zahnärz­te außer­halb des Ver­trags­zahn­arzt­sys­tems gilt.

Art. 6 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78 ist da­hin aus­zu­le­gen, dass er ei­ner sol­chen Maßnah­me nicht ent­ge­gen­steht, wenn die­se die Ver­tei­lung der Be­rufs­chan­cen zwi­schen den Ge­ne­ra­tio­nen in­ner­halb der Be­rufs­grup­pe der Ver­trags­zahnärz­te zum Ziel hat und wenn sie un­ter Berück­sich­ti­gung der Si­tua­ti­on auf dem be­tref­fen­den Ar­beits­markt zur Er­rei­chung die­ses Ziels an­ge­mes­sen und er­for­der­lich ist.

Es ist Sa­che des vor­le­gen­den Ge­richts, fest­zu­stel­len, wel­ches Ziel mit der Maßnah­me zur Fest­le­gung die­ser Al­ters­gren­ze ver­folgt wird, in­dem es den Grund für ih­re Auf­recht­er­hal­tung er­mit­telt.

2. Wenn ei­ne Re­ge­lung wie die im Aus­gangs­ver­fah­ren strei­ti­ge un­ter Berück­sich­ti­gung des mit ihr ver­folg­ten Ziels ge­gen die Richt­li­nie 2000/78 verstößt, muss das na­tio­na­le Ge­richt, bei dem ein Rechts­streit zwi­schen ei­nem Ein­zel­nen und ei­nem Ver­wal­tungs­or­gan wie dem Be­ru­fungs­aus­schuss für Zahnärz­te für den Be­zirk West­fa­len-Lip­pe anhängig ist, die­se Re­ge­lung selbst dann un­an­ge­wen­det las­sen, wenn sie vor dem In­kraft­tre­ten der Richt­li­nie er­las­sen wur­de und das na­tio­na­le Recht die Nicht­an­wen­dung ei­ner sol­chen Re­ge­lung nicht vor­sieht.

Un­ter­schrif­ten 

* Ver­fah­rens­spra­che: Deutsch.

Quel­le: Ge­richts­hof der Eu­ropäischen Uni­on (EuGH), http://cu­ria.eu­ro­pa.eu

Weitere Auskünfte erteilen Ihnen gern:

Dr. Martin Hensche
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hensche@hensche.de
Christoph Hildebrandt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kontakt:
030 / 26 39 620
hildebrandt@hensche.de
Nina Wesemann
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht

Kontakt:
040 / 69 20 68 04
wesemann@hensche.de

Auf Facebook teilen Auf Google+ teilen Ihren XING-Kontakten zeigen Beitrag twittern

 


zur Übersicht C-341/08