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Ein Zusatzfeiertag nur bei Kirchenzugehörigkeit ist diskriminierend
29.04.2019. Der Karfreitag ist in Österreich zwar ein gesetzlicher Feiertag, allerdings nicht für alle Arbeitnehmer, sondern nur für Angehörige bestimmter evangelischer Glaubensgemeinschaften sowie der altkatholischen Kirche.
Hintergrund dieser Begünstigung ist die Tatsache, dass der Karfreitag für diese christlichen Minderheiten ein besonders hoher religiöser Feiertag ist.
In einem aktuellen Urteil hat der europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass diese Bevorzugung eine unzulässige Diskriminierung wegen der Religion darstellt: EuGH, Urteil vom 22.01.2019, C-193/17.
- Spezielle Feiertage für religiöse Minderheiten: Erforderliche Schutzmaßnahme oder Diskriminierung der Mehrheit?
- Der Karfreitag ist in Österreich ein gesetzlicher Feiertag - aber nicht für alle
- EuGH: Spezielle Feiertage für religiöse Minderheiten sind diskriminierend, wenn die begünstigten Arbeitnehmer ihre Zusatz-Feiertage frei gestalten können
Spezielle Feiertage für religiöse Minderheiten: Erforderliche Schutzmaßnahme oder Diskriminierung der Mehrheit?
Die Richtlinie 2000/78/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligungen im Arbeitsleben wegen bestimmter persönlicher Merkmale, z.B. wegen der Religion, zu unterbinden. In Deutschland ergibt sich das Verbot der Diskriminierung wegen der Religion oder Weltanschauung aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), mit dem die Richtlinie 2000/78/EG in Deutschland umgesetzt worden ist (§ 1 AGG, § 2 Abs.1 Nr.1 AGG, § 3 Abs.1 und 2 AGG).
Allerdings erlaubt Art.7 Abs.1 Richtlinie 2000/78/EG, durch sog. „positive Maßnahmen“ bestehende Benachteiligungen auszugleichen. Erlaubt ist daher die gezielte Förderung benachteiligter Gruppen. Art.7 Abs.1 Richtlinie 2000/78/EG lautet:
„Der Gleichbehandlungsgrundsatz hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, zur Gewährleistung der völligen Gleichstellung im Berufsleben spezifische Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, mit denen Benachteiligungen wegen eines in Artikel 1 genannten Diskriminierungsgrunds verhindert oder ausgeglichen werden.“
Fraglich ist, ob diese Vorschrift auch besondere gesetzliche Feiertage zugunsten von kleinen Glaubensgemeinschaften erlaubt, oder ob solche Sonder-Feiertage eine unzulässige religionsbedingte Diskriminierung der Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften (und auch der konfessionslosen Arbeitnehmer) sind.
Der Karfreitag ist in Österreich ein gesetzlicher Feiertag - aber nicht für alle
Das österreichische Arbeitsruhegesetz (ARG) legt 13 überwiegend christliche Festtage als gesetzliche Feiertage fest (§ 7 Abs.1 Nr.2 ARG), darunter den Ostermontag. Der Karfreitag zählt nicht zu diesen allgemeinen gesetzlichen Feiertagen, da er für die überwiegend katholische Bevölkerung Österreichs traditionell kein Feiertag, sondern vielmehr ein Trauer- und Fastentag ist.
Allerdings ist der Karfreitag für einige christliche Minderheiten, wie die evangelischen Kirchen des Augsburger Bekenntnisses und des Helvetischen Bekenntnisses, für die Evangelisch-methodistische Kirche sowie für die altkatholische Kirche ein hoher religiöser Festtag. Daher schreibt § 7 Abs.3 ARG vor:
„Für Angehörige der evangelischen Kirchen AB und HB, der Altkatholischen Kirche und der Evangelisch-methodischen Kirche ist auch der Karfreitag ein Feiertag.“
Im Zusammenspiel mit weiteren Vorschriften des österreichischen ARG hat diese privilegierende Regelung zur Folge, dass die Angehörigen der hier genannten christlichen Glaubensgemeinschaften am Karfreitag nicht bei der Arbeit erscheinen müssen, aber trotzdem ihr reguläres Entgelt bekommen (§ 9 Abs.1 ARG).
Erscheinen sie demgegenüber am Karfreitag bei der Arbeit, muss der Arbeitgeber ihnen diesen Tag doppelt bezahlen, einmal als Feiertagsvergütung und zum anderen als besondere Bezahlung für eine gesetzlich nicht geschuldete Tätigkeit an einem Feiertag (§ 9 Abs.5).
Mit dieser Rechtslage nach dem ARG wollte sich ein Mitarbeiter einer privaten Detektei, Herr Achatzi, nicht abfinden und verklagte daher seinen Arbeitgeber, die Cresco Investigation GmbH, auf Zahlung von 109,09 EUR Feiertagsentgelt für die am Karfreitag 2015 geleistete Arbeit.
Der mit dem Fall befasste Oberste Gerichtshof Österreichs legte dem EuGH die Frage vor, ob privilegierende Regelungen von der Art, wie sie in § 7 Abs.3 ARG zugunsten bestimmter Glaubensgemeinschaften vorgesehen sind, mit dem Europäischen Recht vereinbar sind.
EuGH: Spezielle Feiertage für religiöse Minderheiten sind diskriminierend, wenn die begünstigten Arbeitnehmer ihre Zusatz-Feiertage frei gestalten können
Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Regelungen wie die hier auf dem Prüfstand stehenden österreichischen Zusatzfeiertage zu einer Diskriminierung aus Gründen der Religion führen. Benachteiligt sind dabei die Angehörigen der nicht begünstigten Religionsgemeinschaften sowie konfessionslose Arbeitnehmer.
In der Begründung setzt sich der Gerichtshof u.a. mit der Frage auseinander, ob begünstigte und nichtbegünstigte Arbeitnehmer hier in einer vergleichbaren Situation stehen, denn andernfalls scheidet eine Diskriminierung von vornherein aus.
Da die Angehörigen der begünstigten Kirchen frei entscheiden können, wie sie ihren arbeitsfreien Karfreitag gestalten wollen, und nicht etwa gehalten sind, an diesem Tag religiöse Pflichten zu erfüllen, befinden sie sich in einer vergleichbaren Situation mit den nicht begünstigten Arbeitnehmern (Urteil, Rn.46, 47). Die feiertagsrechtliche Besserstellung führte daher zu einer Benachteiligung der anderen Arbeitnehmer allein aufgrund ihrer Konfessionszugehörigkeit, d.h. zu einer unmittelbaren Diskriminierung im Sinne von Art.2 Abs.2 Buchstabe a) Richtlinie 2000/78/EG (Urteil, Rn.51).
Vor diesem Hintergrund stellt sich für den Gerichtshof die Frage, ob diese Benachteiligung möglicherweise als positive Maßnahme im Sinne von Art.7 Abs.1 Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein könnte (Urteil, Rn.62). Immerhin ist es denkbar (wobei der EuGH diese Frage offen lässt), dass die Angehörigen der christlichen Minderheiten dadurch benachteiligt sind, dass „ihr“ Karfreitag nicht bereits zu den allgemeinen gesetzlichen Feiertagen im Sinne von § 7 Abs.1 Nr.2 ARG zählt (Urteil, Rn.66).
Auch diese Frage verneint der EuGH, wobei er an den österreichischen Regelungen kritisiert, dass es auch andere religiöse Minderheiten gibt, deren hohe Feiertage allerdings keine besondere Berücksichtigung im ARG gefunden haben (Urteil, Rn.67, 68).
Wollen diese Minderheiten an ihren hohen Feiertagen ihre religiösen Pflichten erfüllen, müssen sie das nach österreichischem Recht mit ihrem Arbeitgeber abstimmen, der daraufhin aufgrund seiner Fürsorgepflicht verpflichtet ist, sie in dem Umfang von der Arbeit freizustellen, wie dies für die Befolgung bestimmter religiöser Riten notwendig ist (Urteil, Rn.60, 67).
Eine solche Regelung hätte genügt, so der EuGH, um für die Angehörigen der christlichen Minderheiten einen angemessenen Ausgleich dafür zu schaffen, dass der Karfreitag nicht zu den allgemeinen gesetzlichen Feiertagen Österreichs gehört.
Im Ergebnis ist der Karfreitag als Zusatzfeiertag für die in § 7 Abs.3 ARG genannten christlichen Kirchen nicht als positive Maßnahme im Sinne von Art.7 Abs.1 Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt.
Aufgrund des in der Grundrechte-Charta enthaltenen Verbots jeder Diskriminierung u.a. wegen der Religion (Art. 21) stellt der Gerichtshof weiterhin klar, dass der hier gegebene Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote der Richtlinie 2000/78/EG die Gerichte Österreichs dazu zwingt, entgegenstehendes nationales Recht (hier also § 7 Abs.3 ARG) "unangewendet" zu lassen, d.h. gegen das Gesetz ("contra legem") zu entscheiden (Urteil, Rn.80).
Bis zu einer gesetzgeberischen Beseitigung der diskriminierenden Regelung muss weiterhin eine „Angleichung nach oben“ stattfinden, so der Gerichtshof. Der Zusatzfeiertag steht daher bis auf Weiteres allen österreichischen Arbeitnehmern zu und ist nicht etwa zulasten der bisher begünstigten Arbeitnehmer zu streichen (Urteil, Rn.84 bis 86).
Fazit: Das staatliche Arbeitsrecht, Kollektivverträge und arbeitsvertragliche Regelungen können zugunsten von Arbeitnehmern, die aus religiösen Gründen auf bestimmte Arbeitsunterbrechungen angewiesen sind (z.B. für Gebete), besondere Freistellung- oder Pausenregelungen vorsehen. Damit solche Vergünstigungen allerdings nicht zu einer unzulässigen Diskriminierung anderer Arbeitnehmer aus Gründen der Religion führen, ist eine strenge Zweckbindung solcher Vergünstigungen erforderlich.
Das war hier im Falle des österreichischen Zusatz-Feiertags nicht der Fall, denn das Gesetz sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass die begünstigten Arbeitnehmer am Karfreitag arbeiten und dafür einen Zuschlag erhalten.
Nähere Informationen finden Sie hier:
- Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 22.01.2019, C-193/17 (Cresco gg. Achatzi)
- Schlussanträge des Generalanwalts Michal Bobek, vom 25.07.2018, Rs. C-193/17 (Cresco gg. Achatzi)
- Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr.4/19, vom 22.01.2019, Rs. C-193/17 (Cresco gg. Achatzi)
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Erlaubte Benachteiligungen
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierung - Rechte Betroffener
- Handbuch Arbeitsrecht: Diskriminierungsverbote - Religion oder Weltanschauung
- Handbuch Arbeitsrecht: Gleichbehandlungsgrundsatz
- Handbuch Arbeit Recht: Urlaub, Urlaubsanspruch
- Arbeitsrecht aktuell: 20/110 Beschwerde eines Arbeitnehmers wegen Benachteiligung
- Arbeitsrecht aktuell: 20/087 Ablehnung eines Schwerbehinderten ohne Bewerbungsgespräch
- Arbeitsrecht aktuell: 11/115 Kündigung wegen Arbeitsverweigerung aus Glaubensgründen
- Arbeitsrecht aktuell: 10/119 Religiöse Überzeugung vs. Weisungsrecht
- Arbeitsrecht aktuell: 09/072 Verweigerung des Transports von Alkohol aus religiösen Gründen
Letzte Überarbeitung: 28. September 2021
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